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Woran Österreichs Pferdesport krankt – und woran er wieder gesunden könnte...
13.04.2015 / News

Leopold Pingitzer schreibt für ProPferd.
Leopold Pingitzer schreibt für ProPferd. / Foto: Petr Blaha

Letzte Woche veröffentlichte der OEPS die Ergebnisse einer Mitgliederbefragung unter heimischen WesternreiterInnen, von denen man einiges lernen kann. Schon die Tatsache, dass eine solche Befragung durchgeführt wird, ist bemerkenswert – und lässt erahnen, dass irgendetwas nicht ganz rund läuft. Und wer ein wenig zwischen den Zeilen lesen kann, der stößt geradezu auf Revolutionäres. So ist in der Einleitung von NOEPS-Westernreferent Richard Schwanzer zu lesen: „Der gesamte Österreichische Pferdesportverband und auch alle Landesfachverbände arbeiten daran, den Turniersport wieder attraktiv zu machen, das gilt nicht nur für Western, sondern für alle anderen Sparten." Hört, hört: Der Turniersport muss wieder attraktiv gemacht werden – daraus darf man doch schließen, dass er derzeit nicht attraktiv ist, oder? Das entspricht zwar allen verfügbaren Fakten – wurde aber bislang hartnäckig geleugnet bzw. verschwiegen. Nahezu Monat für Monat ist in den offiziellen Mitteilungen des OEPS zu lesen, dass alles nur so flutscht und man unglaublich gut drauf ist, dass man seit „zwölf Jahren den Erfolgsweg konsequent" geht und man „einer der erfolgreichsten Sportverbände Österreichs" ist (Offiziell 1/2015). Wehe dem, der es in der Vergangenheit wagte, das anders zu sehen oder gar auf negative Enwicklungen oder Probleme hinzuweisen...

Dabei sind die Risse in der scheinbar glanzvollen Pferdesport-Fassade schon seit vielen Jahren nicht mehr zu übersehen, wie einige Zahlen aus dem Jahr 2013 zeigen (für 2014 liegen noch keine entsprechenden Auswertungen des OEPS vor):

– Die Geldpreise in der Dressur sind von 80.364,–Euro im Jahr 2008 auf 22.104,–Euro im Jahr 2013 zurückgegangen, ein Minus von 72 %.
– Die Geldpreise im Springen, die 2006 noch bei 1,479.077,– Euro lagen, betrugen 2013 nur noch 748.642, ein Minus von 49 %.
– Auch die Turnierstarts in Dressur, Springen und Vielseitigkeit sind von 118.777 (2008) auf 97.968 (2013) zurückgegangen, das ist ein Minus von 17,5 %.
– Als Folge dieser Entwicklung ist auch die Zahl der Reit- und Fahrlizenzen seit Jahren rückläufig und fiel von 10.922 (2009) auf 9.073 (2013), ein Minus von 17 % in nur vier Jahren. Überspitzt formuliert: Dem Pferdesport kommen langsam, aber sicher die Pferdesportler abhanden.

Wer die Szene kennt und mit offenen Augen betrachtet, erkennt sofort: Der Turniersport ist für viele Hobby- und Amateurreiter zu teuer geworden – und das führt immer öfter dazu, dass man entweder weniger Turniere pro Jahr geht oder es sogar ganz bleiben lässt. Man kann seine Zeit schließlich auch auf andere Weise unterhaltsam verbringen...

Auch in der oben erwähnten Mitgliederbefragung Westernreiten wird man dies bestätigt finden: 41 % gaben an, dass sie sich den Turniersport nicht mehr leisten können – und dass die Kosten für ein Turnier insgesamt zu hoch sind. 32 % gaben an, dass die Boxengebühr zu teuer ist.

Doch nicht nur das liebe Geld vermiest den Turniersport: Unter den persönlichen Bemerkungen war auffallend oft nachzulesen, dass viele mit der Art und Weise des Reitens am Turnier – ganz besonders aber auch damit, wie dieses durch die Richter beurteilt wird – nicht mehr einverstanden sind. Und diese Aussagen sind zumindest ebenso bemerkenswert wie die Klagen über die hohen Kosten. So ist u. a. zu lesen:
„Die Turnierregeln fördern Reiten, das gesundheitsschädlich und tierquälerisch für Pferde ist"
„Die Methoden am Abreitplatz sollten rigoros geprüft werden – und Reiter, die ihr Pferd quälen, unabhängig von berühmten Namen ausgeschlossen werden."
„Schlecht geschulte Richter, unnötiger Papierkram, zu wenig Überwachung durch Stewards, wenig Unterstützung von OEPS für das Westernreiten";
„Sehr fragwürdige Abreitemethoden, welche selten oder nur bedingt kontrolliert werden, schwer zu ertragen und anzusehen."
„Zu wenig Aufmerksamkeit der Pferd-Reiter-Paaren am Abreiteplatz durch Richter, dort anwesend zu sein macht ein Gefühl der Übelkeit"

Als störend wird auch gesehen, dass „die pferdeunfreundlichste Reitweise die meisten Punkte von den Richtern erhält"

Wenn man all diese Aussagen ernst nimmt – und der OEPS hat gelobt, es zu tun – dann muss nicht nur das Problem der hohen Turnierkosten entschieden angegangen, sondern auch viel in Sachen Ausbildung und Bewusstseinsbildung bei den Richtern getan werden: Hier ist offenbar die Basis schon weiter als die Offiziellen und hat kein Verständnis dafür, wenn Erfolge auf Kosten des Pferdewohls erkauft werden – mit dieser Art von Sport können und wollen viele nichts mehr zu tun haben. Eine/r der Befragte/n brachte es auf den Punkt – und meinte, dass ein Turnierstart dann wieder in Betracht käme, „wenn sich pferdegerechtes Reiten und Trainieren auch in den Punkten der Richter niederschlagen würden. Zur Zeit gibt brutales (Ab-)Reiten die meisten Punkte."

Es gibt also viel zu tun für die heimischen Pferdesportverbände, insbesondere für Funktionäre, Offizielle und Veranstalter. Hört auf die Basis – das ist das Gebot der Stunde. Jede Krise ist eine Chance – und diese Chance scheint besonders groß. Vor den TeilnehmerInnen der Western-Befragung ziehe ich jedenfalls den Hut und sage: Well done!

Das meint Ihr
Leopold Pingitzer

Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

Die vollständige Mitgliederbefragung mit allen Ergebnissen und Kommentaren ist hier nachzulesen.

Kommentare

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1) Moonlight59: Diese Entwicklung war seit Jahren, eigentlich Jahrzehnten sonnenklar. Man hat immer nur auf ein paar Spitzenreiter geschaut und deren Mehr-oder-weniger-Erfolge hochgejubelt. Der Breitensport und der Freizeitsport bleiben nach wie vor ein weites und weitgehend unbestelltes Feld. Die Lippenbekenntnisse der Funktionäre nützen da wenig, denn man müsste den gesamten Fachverband verjüngen und neu strukturieren. Da sei aber Gott vor... und mit einer gewissen Genugtuung kann man jetzt feststellen, dass die OEPS-Leitung auf dem Holzweg wandelte und es wahrscheinlich noch lange tun wird. Einen erfolgreichen Sportverband generationenübergreifend zu managen, erfordert halt einen kühnen Blick über sämtliche Zäune und nicht nur auf den eigenen Nabel. Die schwindenden Starterzahlen und Lizenzen, der Sponsorenverlust mitsamt wirtschaftlichen Begleiterscheinungen sollten doch bewirken, dass man sich endlich mit den dringlichen Problemen und Fragen ernsthaft und mutig auseinandersetzt.
Samstag, 5. September 2015
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