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Nach Skandalritt: Wo bleibt die Untersuchung gegen die Richter?
13.06.2017 / News

Der desaströse Ritt von Bernhard Maier sorgte für einen Shitstorm auf Facebook – und ein beispielloses Echo: Das Video wurde bislang über 800.000 Mal angesehen.
Der desaströse Ritt von Bernhard Maier sorgte für einen Shitstorm auf Facebook – und ein beispielloses Echo: Das Video wurde bislang über 800.000 Mal angesehen. / Foto: Screenshot Facebook-Video

Seit gestern Vormittag auf der Facebook-Seite ,Turnierkiebitz' ein Video des burgenländischen Springreiters Bernhard Maier veröffentlicht wurde, gehen die emotionalen Wogen in den sozialen Netzwerken hoch – und das absolut zurecht: Maiers Ritt beim CSI1* in der Lake Arena von Wr. Neustadt (8.–11. Juni 2017) mit seinem Pferd Paddys Darco war von der ersten bis zur letzten Sekunde ein Desaster, Pferd und Reiter bildeten niemals eine Einheit, das Pferd war ganz offensichtlich nicht bereit für diese Prüfung – und der Reiter ganz offensichtlich nicht in der Lage, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Das Endergebnis war ein ganz und gar unharmonischer, grober und verkrampfter Ritt mit viel Herumgereiße und -gezerre, der dem Publikum fast ebenso wehgetan hat wie dem armen Pferd – kurz: ein Musterbeispiel dafür, wie Pferdesport nicht sein sollte. Nach den ersten fünf Sprüngen gab es bereits vier (!) Abwürfe – und dennoch ließen die Richter die Prüfung weiterlaufen, bis nach weiteren Abwürfen und zwei Verweigerungen endlich und viel zu spät abgeläutet wurde.

Das Video hat seit gestern für viel Wut und Empörung gesorgt – und das weit über die Grenzen der Pferde-Community hinaus: Lt. aktueller Facebook-Statistik wurde es innerhalb eines Tages mehr als 800.000 Mal (!) aufgerufen, über 6.000 Mal geteilt und über 4.000 Mal kommentiert, ein beispielloses Echo, jedenfalls für die heimische Springszene.

Sogar der OEPS sah sich noch gestern Abend zu einer Stellungnahme auf seiner Website veranlasst – und passte sich darin sogar dem emotional gefärbten Jargon vieler FB-Kommentatoren an:

Ein schwarzer Tag für den Pferdesport! Die Bilder, die von Bernhard Maiers Ritt mit dem bemitleidenswerten Pferd Paddys Darco beim CSI1* in der Lake Arena in Wr. Neustadt aufgenommen wurden, und durch die Sozialen Medien geistern, sind eine Schande für den Sport!

Der Strafsenat des Österreichischen Pferdesportverbandes hat sofort Sanktionen gegen den Burgenländer eingeleitet.

Sobald die Gremien des OEPS zusammengekommen sind um ein Urteil auszusprechen, werden wir sofort an dieser Stelle weiter über diesen skandalösen Vorfall berichten. Der OEPS und seine Gremien verwahrt sich strikt gegen derlei unreiterliches Verhalten und versichert der Pferdesport-Community, dass alles unternommen wird, diese Ungeheuerlichkeiten gegenüber unserem Sportpartner Pferd schwer zu sanktionieren."

So sehr man diesem Verbands-Statement auch zustimmen wird: Sanktionen gegen Springreiter Bernhard Maier können wohl nicht alles gewesen sein – die Untersuchung über den „skandalösen Vorfall" muss ebenso die vor Ort tätigen Funktionäre – also Richter, Stewards, Technische Delegierte und Veterinäre – miteinschließen. Es muss restlos aufgeklärt werden, ob sie nicht schon viel früher hätten einschreiten können bzw. müssen, um eine derart unterirdische Vorstellung zu beenden oder im Idealfall gänzlich zu unterbinden.

Der OEPS betont stets und gerne, dass ihm das Wohl des Pferdes über alles geht. So heißt es etwa im ,Leitbild des Stewards': „Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Einhaltung der ethischen Grundsätze zu legen, die dem Schutz des Sportpartners Pferd oberste Priorität zuordnen." An derartigen Formulierungen ist die ÖTO und noch mehr die Website des OEPS überaus reich – doch wenn es um die konkrete Einhaltung und Durchsetzung solcher Grundsätze geht, ist man seltsam zögerlich und neigt zu ,selektiver Wahrnehmung', wie gerade auch das Beispiel von Bernhard Maiers desaströsem Ritt zeigt.

Ohne dessen Handlungsweise auch nur ansatzweise rechtfertigen zu wollen, so spricht vieles dafür, dass das Fehlverhalten der vor Ort tätigen Funktionären wohl zumindest ebenso zum Desaster beigetragen hat wie das des Reiters – und es ist in hohem Maße unverständlich, dass der OEPS dies nicht untersuchen will bzw. in seinem Statement nichts davon erwähnt. Das ist im Übrigen auch die Meinung zahlreicher Facebook-User, die auf der OEPS-Seite bzw. direkt beim Skandal-Video die Laissez-faire-Haltung des in Wr. Neustadt tätigen Richterkollegiums scharf kritisieren – und die der OEPS bislang gänzlich unkommentiert ließ.

Die Frage ist mehr als berechtigt, ob man den Reiter nicht spätestens nach dem vierten Hindernis, als Maier bereits vier Abwürfe und das Hindernis 1 völlig zerstört hatte, hätte abläuten müssen – es wäre ihm, seinem Pferd und auch dem Publikum viel erspart geblieben! Hätte nicht schon der Steward am Abreiteplatz erkennen können oder müssen, dass mit dem Paar irgendetwas Gravierendes nicht stimmt und es in dieser Prüfung besser nicht starten sollte – dies umso mehr, als jeder in der Springreitszene schon seit längerem von den gesundheitlichen Problemen des Reiters weiß? Was wäre gewesen, wenn es zu einem Sturz gekommen und sich der Reiter oder das Pferd dabei schwer verletzt hätten? Wer wäre dafür verantwortlich gewesen – und wen hätte zumindest eine Mitverantwortung getroffen?

Es geht hier nicht darum, Hetze gegen irgendwen zu betreiben oder einen Shitstorm noch weiter zu befeuern – auch nicht gegen den OEPS (auch wenn sich dieser von uns verfolgt fühlen mag). Aber es kann nicht sein, dass ein so verstörender Vorfall und ein so gravierendes Versagen lediglich ein Disziplinarverfahren gegen den Reiter zur Folge hat – und die Rolle aller anderen Beteiligten nicht einmal näher untersucht wird. Das wäre ein weiterer Skandal.

Der OEPS hat die Pflicht und die Schuldigkeit, diesen Vorfall umfassend zu prüfen – und er sollte ihn zum Anlass nehmen, die Rolle von allen Turnierfunktionären bei derartigen Vorkommnissen eingehend zu untersuchen und vielleicht auch neu zu definieren. Fehler können immer und allen passieren – aber es ist wichtig, sie als solche zu erkennen und die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Hier geht es nicht in erster Linie um Strafen und Sanktionen, sondern um bessere Schulungen und um Bewusstseinsbildung – die tut not, auch und gerade im Springsport.

Wenn es der OEPS mit dem Schutz des Pferdes ernst meint, dann muss Bernhard Maiers Ritt und all seine Begleitumstände Folgen haben. Der OEPS und alle Funktionäre am Turnier müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein, die sie für den Schutz von Pferd UND Reiter haben – und die mehr umfasst als nur das Verteilen von Gelben und Roten Karten oder das Aussprechen einer Sperre. Hier geht es um die Gesundheit von Mensch und Tier, die hier womöglich fahrlässig aufs Spiel gesetzt wurden – vom fatalen Image-Schaden für den österreichischen Springsport ganz zu schweigen. Hier hat nicht nur einer versagt, sondern mehrere – und das muss Konsequenzen haben,

meint Ihr
Leopold Pingitzer

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1) Pezi2007: Gut geschrieben und wie immer auf den Punkt gebracht!
Mittwoch, 14. Juni 2017
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