Die rechtliche Unsicherheit in Sachen Pferdeeinstellung ist derzeit das größte Problem der heimischen Pferdewirtschaft – und eine Zerreißprobe für die ganze Szene. Ein Lösungsvorschlag samt Online-Petiton der ZAP hat nun neue Bewegung in die starren Fronten gebracht.
Österreichische Pferdebesitzer haben es wirklich nicht leicht: Nach der generellen Einführung der 20 %igen Mehrwertsteuer per 1. 1. 2012 bzw. 1.1.2014 und der damit einhergehenden Verteuerung der Einstellgebühren könnte es für sie schon bald viel schlimmer kommen: Denn die landwirtschaftlichen Einstellbetriebe, die nach Schätzungen bis zu 80 % aller privaten Einstellpferde in Österreich beherbergen, kämpfen mit einer Rechtssprechung, die ihnen zusehends die Luft zum Atmen nimmt und die bei weiterer konsequenter Anwendung zur Stilllegung bzw. Schließung zahlreicher Betriebe, zu Abbruchbescheiden etc. führen wird.
Viele fragen sich: Wie konnte das passieren, wie konnte es soweit kommen? Die Antwort auf diese Frage ist schwierig – und vermutlich kommt die banale Erklärung, dass es sich um eine Verkettung unglücklicher Umstände gehandelt hat, der Wahrheit ziemlich nahe. Vermutlich hat niemand das derzeitige Dilemma gewollt, weder der Gesetzgeber, noch die Gerichte, noch die Betriebe. Es ist einfach passiert – doch es macht Sinn, den Fakten auf den Grund zu gehen und die Ursachen dieser Entwicklung zu analysieren, um seine Lehren daraus zu ziehen.
Das sagt das Gesetz
Faktum ist: Die gültige Gewerbeordnung legt in § 2 Absatz 4 Ziffer 6 fest, dass „das Vermieten und Einstellen" von Reittieren" ein Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft ist und der übrigen landwirtschaftlichen Tätigkeit „untergeordnet" (Z 1) sein muss. Diese Bestimmung der Gewerbeordnungs-Novelle 1988 war zweifellos ein Fortschritt – denn bis dahin war das Einstellen von Reittieren in landwirtschaftlichen Betrieben untersagt (nur die ,Vermietung von Reittieren' war lt. Gewerbeordnungs-Novelle 1973 als Nebengewerbe gestattet). Der Gesetzgeber wollte durch diese Änderung den Landwirten eine zusätzliche Einnahmequelle innerhalb eines bestimmten Rahmens ermöglichen – und die Landwirtschaft hat diese Einnahmequelle auch aktiv und engagiert genutzt, verfügte sie doch über entsprechende Grünflächen (Koppeln, Weiden etc.) und konnte auch Futter (Heu, Hafer) sowie Einstreu (Stroh) selbst herstellen. Die Pferdewirtschaft im ländlichen Raum blühte in den 90er Jahren auf – und mit ihr die gesamte Pferdeszene: Die „Alternative Pferd" in der Landwirtschaft war volkswirtschaftlich zweifellos sinnvoll (Bindung landwirtschaftlicher Flächen, Vermeidung von Überproduktion) und wurde daher auch von der Politik nach Kräften gefördert, etwa durch die Etablierung der Pferdewirt-Ausbildung an den landwirtschaftlichen Fachschulen. Die Szene wuchs, Handel und Gewerbe florierten, die großen heimischen Pferdemessen entstanden, vom Aufschwung der Branche profitierten viele – natürlich auch die gewerblichen Einstellbetriebe.
Gegenläufige Entwicklungen
Bei vielen landwirtschaftlichen Betrieben verschoben sich nach und nach die Gewichte – die althergebrachte ,Urproduktion' war vielfach nicht mehr rentabel zu betreiben, stattdessen wurden Nebengewerbe wie etwa die Pensionspferdehaltung immer wichtiger. Und nicht wenige Betriebe verlegten sich am Ende ganz auf diese einstige Nebensparte – ohne sich der damit einhergehenden rechtlichen Problemen bewusst zu sein. Das Kriterium der Unterordnung war vielfach nicht mehr gegeben, was aber lange Zeit ohne Folgen blieb – es gab weder Kläger noch Richter, gewerbliche und landwirtschaftliche Einstellbetriebe existierten inmitten des allgemeinen Aufschwungs weitgehend friedlich nebeneinander.
Nahezu zeitgleich fand auf juristischem Terrain jedoch eine gegenläufige Entwicklung statt: Der Begriff der ,Unterordnung', ein sogenannter ,unbestimmter Rechtsbegriff', wurde seitens der Behörden und Gerichte zusehends strenger und rigider ausgelegt. Während manche Bezirkshauptmannschaften lange Jahre sehr großzügig waren und noch 40 oder 45 % als ,untergeordneten' Betriebsanteil akzeptierten, meinte der Verwaltungsgerichtshof, dass schon 33 % zuviel wären und keine Unterordnung mehr vorliegen würde. Die NÖ Landwirtschaftskammer geht derzeit von max. 25 % Betriebsanteil aus, die als Unterordnung noch zulässig wären und beruft sich dabei auf Bestimmungen des Steuerrechts. In manchen Sachverständigen-Gutachten ist aber nun schon zu lesen, dass die Pferdeeinstellung nur dann untergeordnet sei, wenn sie ,geringfügig' wäre, also einen Anteil von max. 10 % am Gesamtbetrieb hat. Ausjudiziert ist die gewerberechtliche Gretchenfrage, bis zu welchem genauem Prozentsatz ein landwirtschaftliches Nebengewerbe noch als „untergeordnet" gelten kann, aber noch nicht.
Einstellbetriebe in der Zwickmühle
Das Wachstum im Pferdebereich einerseits und die immer strengere Rechtsauslegung andererseits haben für viele landwirtschaftliche Einstellbetriebe zu einer unhaltbaren Situation geführt: Sie waren gewerberechtlich keine landwirtschaftlichen Betriebe mehr, müssten also um einen Gewerbeschein ansuchen – doch dieser Weg war ihnen vielfach versperrt, weil dies eine Umwidmung ihrer Betriebsflächen erforderlich gemacht hätte. Gewerbebetriebe sind in der Flächenwidmung ,Grünland' nicht erlaubt und daher mit einer Betriebssperre bedroht – in acht von neun Bundesländern ist dieses Problem nach wie vor nicht gelöst, in NÖ immerhin teilweise. Im Übrigen hat ein Wechsel ins Gewerbe für Landwirte noch zahlreiche weitere Konsequenzen (Betriebsanlagengenehmigung, gewerbliche Sozialversicherung, Wirtschaftskammermitgliedschaft usw), die manche vor diesem Schritt zögern lassen.
Schon vor Jahren hätte der Gesetzgeber diesen unhaltbaren und vielfach ausweglosen Zustand beseitigen und für eine klare und faire Abgrenzung in der Frage, was noch Landwirtschaft ist und was bereits Gewerbe, sorgen müssen. Der rasche Weg einer einvernehmlichen Regelung zwischen den Vertretern der Landwirtschaftskammer einerseits und der Wirtschaftskammer andererseits hat bislang noch nicht zum Ziel geführt – die Anschauungen liegen zu weit auseinander, die Wirtschaftskammer sieht keine Notwendigkeit, den juristischen Status quo zu verändern, weil dieser ihr potentiell nützt und neue Mitglieder zuführt. Dass jedoch viele Grünland-Betriebe nicht ins Gewerbe wechseln können, weil sie keine Umwidmung bekommen würden und daher eigentlich zusperren müssten, scheint sie nicht weiter zu stören. Die Zeche würden die privaten Pferdeeinsteller zahlen – in Form längerer Anfahrtswege zum nächsten Betrieb und vor allem in Form höherer Einstellgebühren. Ganz abgesehen davon, dass eine Betriebsschließung nicht nur ein wirtschaftlicher Vorgang ist, sondern meist auch eine persönliche und menschliche Tragödie...
Gesetzgeber ist gefordert
Spätestens an diesem Punkt ist der Gesetzgeber gefordert, seiner politischen und gesamtwirtschaftlichen Verantwortung nachzukommen und eine zeitgemäße, klare und faire Regelung zu schaffen, in der sowohl gewerbliche als auch landwirtschaftliche Einstellbetriebe verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen und eine wirtschaftliche Lebensbasis haben. Die Pferdewirtschaft braucht beide Betriebsformen, um die Bedürfnisse der Szene optimal abdecken zu können.
Die Zentrale Arbeitsgemeinschaft Österreichischer Pferdezüchter (ZAP) hat dazu einen ersten Impuls gegeben und einen konkreten Vorschlag für eine gesetzliche Neureglung vorgelegt, der sich im wesentlichen am Vorbild Deutschland orientiert: Nicht mehr die wirtschaftliche Unterordnung soll das entscheidende Kriterium sein, sondern die Relation zwischen Pferdebestand und Betriebsgröße: Wenn diese bestimmte, klar definierte Verhältnisse nicht überschreitet, dann handelt es sich um landwirtschaftliche Urproduktion – wenn sie übertroffen werden, um ein Gewerbe. Konkret sieht der Lösungsansatz vor, dass bis zu einer Betriebsgröße von 20 ha maximal 2 Vieheinheiten pro ha reduzierter landwirtschaftlicher Nutzfläche möglich sein sollen, darüber maximal 1 Vieheinheit pro ha – ein einfaches Prinzip, nach dem sich jeder Landwirt selbst leicht ausrechnen kann, wieviel Pensionspferde für seinen Betrieb zulässig sind, wenn er Landwirt bleiben möchte. Auch eine weitgehende Angleichung bei den Schutz- und Sicherheitsauflagen zwischen Landwirtschaft und Gewerbe ab einer bestimmten Betriebsgröße sieht der ZAP-Vorschlag vor, den man derzeit auch in Form einer Petition unterstützen kann.
Fünf vor zwölf
Der Vorschlag der ZAP hat zumindest für neue Bewegung in den starren Fronten gesorgt – und das Thema ,Gewerbe vs. Landwirtschaft' wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gebracht. Dort gehört es auch hin – denn Österreichs Pferdewirtschaft hat derzeit kein größeres Problem als dieses. Es wäre höchste Zeit, es zu lösen – ansonsten droht tatsächlich ein wirtschaftlicher Super-Gau mit unabsehbaren Folgen... Leopold Pingitzer
Hier geht's zur ZAP-Online-Petition „Pferdeeinstellung darf kein Luxus werden!"