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Wieviel Platz braucht ein Pferd mindestens im Auslauf oder beim Koppelgang?
16.09.2023 / News

Spannendes Studien-Resümee: Die Bereitstellung von mindestens 342 m2 pro Pferd kann das Verletzungsrisiko bei Pferden, die an Gruppenauslauf gewöhnt sind, verringern.
Spannendes Studien-Resümee: Die Bereitstellung von mindestens 342 m2 pro Pferd kann das Verletzungsrisiko bei Pferden, die an Gruppenauslauf gewöhnt sind, verringern. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

Eine Untersuchung der Ohio State University legt nahe, dass Pferde ein Minimum an Platz im Auslauf und auf der Koppel benötigen, um sich nicht gegenseitig in die Quere zu kommen und Stress und aggressive Verhaltensweisen – und damit auch das Verletzungsrisiko – zu minimieren.


Über dieses Faktum muss nicht diskutiert werden: Weide- und Koppelgang ist für Pferde schlichtweg unentbehrlich – und ein Labsal für ihre körperliche und mentale Gesundheit. Obwohl die vielfältigen positiven Auswirkungen von freier Bewegung seit langem bekannt sind, legt eine neue Studie aus Ohio nahe, dass Pferde aber auch eine gewisse Mindestfläche brauchen, um den vollen Nutzen aus dem Weidegang zu ziehen. Einem Forscherteam des Agricultural Technical Institutes der Ohio State University zufolge sollten das mindestens 342 Quadratmeter pro Pferd sein – diese Fläche sei pro Pferd erforderlich, um Stress zu reduzieren und aggressives Verhalten in der Herde zu minimieren, so die ForscherInnen.

„Tatsächlich waren es meine Studenten, welche die Studie angeregt haben“, so Studienleiterin Dr. Jessica Suagee-Bedore von der Ohio State University „Sie arbeiteten an Plänen für die Betreuung und Verwaltung von Liegenschaften, und jemand fragte mich: ‚Wie groß soll der Sandpaddock auf der Anlage sein?‘ Ich sagte: ‚Lass uns die Literatur und die entsprechenden Richtlinien durchsuchen und sehen, was wir finden.‘ Nun – wir haben wirklich nicht viel gefunden Also haben wir eine Studie entworfen, um diese Frage zu beantworten.“

Die Untersuchung basierte auf 12 erwachsenen, gesunden Pferden, die aneinander gewöhnt waren. In der ersten Phase der Studie wurde die „Fluchtzone“ jedes Pferdes festgelegt: Während ein Pferd seine Futterration verzehrte, wurde ein zweites Pferd zu ihm geführt, bis es Anzeichen von Aggression zeigte, wie zum Beispiel angelegte Ohren oder das Zuwenden des Hinterteils; Anschließend maßen die Forscher den Abstand zwischen den beiden Pferden. Im Durchschnitt hatte jedes Pferd eine Fluchtzone von etwa 10,4 Metern.

Dieser Wert wurde dann verwendet, um den Platz zu berechnen, den ein Pferd in jede Richtung benötigen würde, um den Kontakt mit einem anderen Pferd zu vermeiden. Diese Fläche betrug 342 Quadratmeter.

In der zweiten Phase der Studie wurden die Pferde in Koppeln unterschiedlicher Größe gehalten und auf Anzeichen von physiologischem Stress beobachtet. Sie wurden in drei Vierergruppen aufgeteilt – zwei Wallache und zwei Stuten – und dann für eine Stunde in eine von drei unterschiedlich großen Koppeln gebracht: eine mit 342 Quadratmetern Fläche pro Pferd, eine andere mit 263 Quadratmetern und eine dritte mit 184 Quadratmetern Meter Fläche pro Pferd.

Die Forscher entnahmen den Pferden vor dem Koppelgang eine Blutprobe, anschließend noch zwei weitere (einmal 15 und einmal 60 Minuten nach dem Koppelgang). Es wurde auch die Häufigkeit sogenannter agonistischer Verhaltensweisen (also Verhaltensweisen, die mit Rivalität und Konkurrenz verbunden sind – etwa Nachjagen, Beißen und Treten) sowie von Drohverhalten auf niedrigem Niveau (angelegte Ohren, Schweifschlagen, angedeutete Bisse und Tritte) aufgezeichnet. Außerhalb der Testkoppeln wurden die Pferde in Einzelboxen gehalten.

Die Daten zeigten, dass die Pferde, die in den Koppeln mit einer Fläche von 342 Quadratmetern pro Pferd gehalten wurden, 15 und 60 Minuten nach dem Auslauf einen verringerten Cortisolspiegel im Blut aufwiesen, ein mit Stress verbundenes Hormon. Im Gegensatz dazu sank der Cortisolspiegel bei Pferden, die in kleineren Koppeln gehalten wurden, nicht ab – und sie zeigten auch häufiger aggressives Verhalten.

Die während der einstündigen Testdauer gesammelten Daten geben möglicherweise kein vollständiges Bild der Belastungen, denen ein Pferd ausgesetzt sein kann, das über längere Zeiträume auf engstem Raum eingeschränkt ist, so Dr. Suagee-Bedore. „Cortisol ist ein Tageshormon und entwickelt ein zyklisches Muster rund um Schlaf- und Essgewohnheiten. Bei chronisch gestressten Pferden bleibt Cortisol hoch und entwickelt kein Muster. Wir müssten die Cortisolkonzentrationen über einen Zeitraum von 24 Stunden untersuchen, um zu wissen, ob diese Ergebnisse zutreffen. Da die Pferde während dieses 24/7-Zeitfensters mindestens zweimal gefüttert werden müssten, gehe ich außerdem davon aus, dass die Aggressionswerte in kleinen Koppeln steigen würden, wenn dort auch gefüttert werden würde.“

Dr. Suagee-Bedore hob ausdrücklich hervor, dass sich die Studie nur auf den Platzbedarf pro Pferd konzentrierte, um Stress zu reduzieren, und nicht auf die Erfordernisse der Ernährung bzw. der Erhaltung gesunder Weideflächen. Hier liegen die empfohlenen Limits naturgemäß deutlich höher – die Mindest-Weidefläche pro Pferd, die zur Unterstützung der Nahrungsaufnahme und eines nachhaltigen Weidewachstums erforderlich ist, sollte Experten zufolge etwa zwischen 0,5 und 0,8 ha (also 5.000 bis 8.000 Quadratmeter) betragen.

Unmittelbare Relevanz aber hat der von Dr. Suagee-Bedore ermittelte Mindest-Platzbedarf pro Pferd in einem anderen Kontext: Denn in der Praxis ist es nicht immer möglich, ausreichend Fläche für seine Pferde bereitzustellen. So sind vielerorts die Weiden in den Herbst- und Wintermonaten gesperrt – und die Pferde müssen mit ganzjährig nutzbaren, möglichst wetterfesten Ausläufen Vorlieb nehmen (z.B. Sand- oder Gatschkoppeln). Hier soll – laut Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) – ein Auslauf für bis zu zwei Pferde mindestens 150 Quadratmeter groß sein, pro weiteres Pferd braucht es zusätzlich 40 Quadratmeter Fläche.

Das wäre im Vergleich zu dem von Dr. Suagee-Bedore ermittelten Mindestbedarf von 342 Quadratmeter in der Tat deutlich zu wenig – doch es wird wohl noch weitere diesbezügliche Studien benötigen, um die aktuellen Ergebnisse zu bestätigen. Wie Dr. Suagee-Bedore einräumt, könnten sich Pferde über längere Zeiträume hinweg auch an kleinere Auslauf- und Koppelgrößen anpassen: „Es wäre schön, die Zeitdauer zu untersuchen, die Pferde brauchen, um sich an eine kleinere Koppelgröße zu gewöhnen. Zum Beispiel können sich Interaktionen und Stressreaktionen nach einigen Tagen oder Wochen ändern. Wenn ich nur kleinere Räume hätte, würde ich kleinere Gruppen bilden, weil das die Anzahl möglicher Interaktionen minimiert – ein schüchternes Pferd muss nur einem anderen Pferd aus dem Weg gehen.“

Dass größere Auslaufbereiche für Pferde eindeutig weniger stressig sind, weil die Pferde schlicht mehr Platz haben, um Konflikten aus dem Weg zu gehen und aggressiveren Artgenossen auszuweichen, wird indes niemand in Abrede stellen – und in jedem Fall ist der von Dr. Suagee-Bedore und ihrem Team ermittelte Mindest-Platzbedarf ein spannender und ernstzunehmender Ansatzpunkt. Ihr eindeutiges Resümee: „Diese Daten geben Aufschluss über geeignete Koppelgrößen für Pferde bestehender Herden. Die Bereitstellung von mindestens 342 Quadratmeter pro Pferd kann das Verletzungsrisiko bei Pferden, die an Gruppenauslauf gewöhnt sind, verringern."

Die Studie „Effect of Pen Size on Stress Responses of Stall-Housed Horses Receiving One Hour of Daily Turnout" von J. Suagee-Bedore, D. Linden und K. Bennett-Wimbush ist am 1. März 2021 in der Zeitschrift ,Journal of Equine Veterinary Science' erschienen und kann in englischer Kurzfassung hier nachgelesen werden.

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