2020 ist ein besonders starkes Zeckenjahr – deshalb sollten ReiterInnen jedenfalls geimpft sein und nach jedem Ausritt nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Pferde gewissenhaft nach Zecken absuchen, empfehlen Experten. Denn es gibt einen neuen, beängstigenden Feind – die Hyalomma-Zecke.
Nach den mühsamen Wochen der Corona-Beschränkungen zieht es viele Pferdefreunde hinaus in die Natur, um endlich wieder – bei einem Ausritt mit seinem geliebten Vierbeiner – die Freiheit zu genießen und nach Herzenslust zu galoppieren. Doch das sollte man – wie Mediziner warnen – nicht ohne die entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen tun, denn die nächste Gefahr lauert bereits in Form von winzig-kleinen Spinnentieren …
Bereits seit Wochen weisen Experten auf die beträchtliche Zeckengefahr des heurigen Jahres hin: Nach dem milden Winter 2019/2020 gibt es diesmal besonders viele Zecken, was das Risiko eines Zeckenstichs und damit möglicher Infektionen deutlich erhöht. Verschärft wird die Gefahrenlage durch die Tatsache, dass viele Menschen während der Corona-Beschränkungen ihre Arztbesuche aufgeschoben und daher auch noch nicht ihre Schutzimpfungen bzw. Auffrischungsimpfungen durchgeführt haben, die meist im April oder Mai eingeplant werden. Die sollten so rasch wie möglich nachgeholt werden, auch im Juni ist es noch nicht zu spät dafür, wie Ärzte betonen.
Zecken sind Überträger zahlreicher Erkrankungen – Lyme Borreliose und die gefährliche Hirnhautentzündung FSME (Frühsommer-Meningo-Enzephalitis) sind nur die zwei bekanntesten und häufigsten. Die Universität Hohenheim bezeichnete vor einigen Jahren nicht ohne Grund die Zecke als das „gefährlichste Tier Deutschlands“, denn kein anderes Tier verursache jährlich soviele Erkrankungen wie die Zecke.
FSME beim Menschen
Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) wird durch das FSME-Virus, das sich im Speichel mancher Zecken befindet, ausgelöst. Die Zecke überträgt die Viren sofort nach erfolgtem Stich. Das FSME-Virus vermehrt sich anschließend in den menschlichen Nervenzellen.
Die Erkrankung ist meldepflichtig und verläuft im typischen Fall in zwei Phasen: In der ersten Phase treten rund sieben Tage bis zwei Wochen nach dem Zeckenstich grippeartige Beschwerden wie Kopfschmerzen, Fieber, Müdigkeit oder Gelenkbeschwerden auf. Diese Symptome (Krankheitszeichen) verschwinden nach wenigen Tagen, und an einen Zusammenhang mit einem Zeckenstich wird nur selten gedacht. Für die meisten Patienten ist damit die Krankheit vorüber und sie sind wahrscheinlich lebenslänglich immun gegen FSME-Viren.
Bei etwa fünf bis 15 Prozent der Patienten kommt es nach einem beschwerdefreien Intervall zu einer zweiten Krankheitsphase mit Befall des zentralen Nervensystems. Die Symptome dieser Hirnhaut- oder Hirnentzündung sind starke Kopfschmerzen, Lichtscheue, Schwindel, Konzentrationsstörungen, Sprechstörungen, sowie Gehstörungen. Diese Krankheitszeichen können Wochen bis Monate andauern. Bei schweren Verläufen können Lähmungen der Arme, Beine oder der Gesichtsnerven auftreten und zu bleibenden Behinderungen führen. Etwa ein Prozent der Patienten mit neurologischen Symptomen stirbt an FSME. Bei Kindern verläuft die Krankheit in den meisten Fällen mild, das heißt ohne schwere oder bleibende Schädigungen.
Österreich gehört zu den am stärksten von der FSME betroffenen Gebieten Europas. Vor der Infektion mit FSME schützt eine Impfung. Gegen die Krankheit gibt es keine spezifische Therapie, die Behandlung zielt auf eine Linderung der Symptome ab.
FSME beim Pferd
Während beim Menschen jedes Jahr etwa 300 bis 500 Fälle in Deutschland sowie ca. 100 Fälle in Österreich auftreten, ist FSME bei Pferden vergleichsweise selten. Bricht die Krankheit aus, verläuft sie jedoch meist schwer und endet häufig mit dem Tod des Tieres bzw. dessen Einschläferung. Neben Fieber, Fressunlust, Schreckhaftigkeit und Zähneknirschen wurden starke neurologische Störungen bis hin zu Krampfanfällen beobachtet. Im Gegensatz zum Menschen gibt es bislang keine Impfung gegen FSME für Pferde. Aus diesem Grund beschränkt sich die Therapie auf die Behandlung der Symptome. Eine ursächliche Bekämpfung der Viren ist nicht möglich.
Borreliose beim Menschen
Die Lyme-Borreliose ist eine Infektionskrankheit, die durch Bakterien der Gattung Borrelia verursacht wird. Über 30 Prozent der Ixodes ricinus-Zecken (gemeiner Holzbock, die häufigste Zeckenart in Zentral- und Nordeuropa) sind mit Borrelien infiziert. Diese Borrelien befinden sich im Darm der Zecke und können nach einer etwa 24 Stunden (6-48 Stunden) dauernden Blutmahlzeit einer anhaftenden Zecke auf das Wirtstier/den Menschen übertragen werden.
Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Ixodes ricinus-Zecken übertragene Infektionskrankheit auf der nördlichen Hemisphäre. Sie wird in Mitteleuropa und in den skandinavischen Ländern besonders häufig beobachtet. Aufgrund der Klimaerwärmung dehnt sich das Verbreitungsgebiet der infizierten Zecken kontinuierlich nach Norden aus. Ab ca. sieben Grad Celsius Bodentemperatur wird Ixodes ricinus aktiv. Circa drei Prozent der von Ixodes ricinus-Zecken gestochenen Personen erkranken an Lyme-Borreliose, für Österreich sind das geschätzte 25.000 bis 70.000 Lyme-Borreliose-Patienten pro Jahr.
Das Krankheitsbild einer Borreliose ist oftmals unspezifisch – so können bei betroffenen Personen Kopfschmerzen, Fieber, allgemeine Schwäche, geschwollene Lymphknoten, Hautausschläge (Wanderröte), Gelenkschwellungen, Augenentzündungen, aber auch Gehirnhaut-Entzündungen auftreten. Krankheits-Symptome treten oftmals erst nach Tagen, manchmal aber auch Wochen nach einem Zeckenstich auf. Für Borreliose steht beim Menschen kein Impfstoff zur Verfügung. Infektionen können aber mit Antibiotika effektiv behandelt werden.
Borreliose beim Pferd
Zu Beginn der Krankheit geht das Pferd erst steif und wiederstrebend, später lahmt es, seine Gelenke entzünden sich und schwellen an. Welche Gelenke dabei betroffen sind, ist unterschiedlich. Eine bereits fortgeschrittene Borreliose kann in sehr seltenen Fällen das Zentralnervensystem angreifen. Dies zeigt sich, indem das Tier seinen Kopf die meiste Zeit schief hält. Seine Koordination ist gestört, es leidet unter Schluckschwierigkeiten. Auch Muskelschäden sind möglich. Weiterhin können Leistungsabfall, Fieber und Antriebslosigkeit Symptome einer Borreliose sein. Das kranke Pferd verliert außerdem seinen Appetit und magert ab. In Einzelfällen wird auch von Tod durch Borreliose in der Presse berichtet.
Hauptüberträger von Borreliose-Bakterien in Deutschland ist der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus). Nur ein kleiner Teil der infizierten Tiere entwickelt tatsächlich Symptome. Diese sind anfangs oft unspezifisch, weshalb eine Diagnose schwierig ist. Die beim Menschen sichtbare, typische Wanderröte wird beim Pferd wegen des Fells meist nicht bemerkt. Die eigentliche Krankheit kann Tage, aber auch Monate nach der Infektion ausbrechen. Behandelt wird mit einem Antibiotikum über mehrere Wochen, für Pferde ist mittlerweile auch eine Borreliose-Impfung erhältlich.
Der neue Feind: die Hyalomma-Zecke
Die in Europa bekannten und ansässigen Zeckenarten haben in jüngster Zeit Zuwachs erhalten – und zwar einen, der Parasitologen durchaus beunruhigt: nämlich Hyalomma, die tropische Riesenzecke, die sich gerade anschickt, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich heimisch zu werden. Die Gattung, die üblicherweise in Teilen Asiens und Afrikas sowie einigen Regionen Südosteuropas verbreitet ist, hat sich – begünstigt durch den Klimawandel – auf den Weg nach Norden gemacht und ist seit 2007 in Deutschland und seit 2018 auch in Österreich nachgewiesen. Viele Experten halten es für wahrscheinlich, dass die steigenden Temperaturen und insbesondere die milden Winter der vergangenen Jahre dazu geführt haben, dass sich die Hyalomma-Zecke auch in unseren Breiten endgültig etablieren konnte.
Hyalomma-Zecken sind deutlich größer als der gemeine Holzbock (Ixodes ricinus), einzelne Exemplare können bis zu zwei Zentimeter lang werden. Charakteristisch sind die gestreiften Beine, mit denen die Zecken schnell und aktiv auf ihre Beute zukrabbeln können. Hyalomma-Zecken übertragen zwar nicht FSME und Borreliose, können aber eine Reihe anderer gefährlicher Krankheitserreger in sich tragen – etwa das Thogot-Virus oder das West-Nil-Virus, vor allem aber auch das Krim-Kongo-Virus, das beim Menschen das schwere, bisweilen sogar tödliche Krim-Kongo-Hämorrhagische-Fieber (CCHF) verursacht.
Hyalomma-Zecken tragen auch Bakterien namens Rickettsia aeschlimanii in sich, die eine Form von Fleckfieber auslösen können. Im Juli 2019 erkrankte ein Pferdehalter im Sauerland (Bundesland Nordrhein-Westfalen) an diesem Zecken-Fleckfieber, nachdem er von einer Hyalomma-Zecke gestochen worden war – es war der erste derartige Fall in Deutschland. In Österreich ist bislang noch kein durch eine Hyalomma-Zecke verursachter Krankheitsfall bekannt – hier wurde der Parasit überhaupt erst 2018 zum ersten Mal nachgewiesen, gemeldet hatten den Fall aufmerksame Pferdebesitzer aus Melk (siehe auch diese Meldung der Vetmeduni Wien).
Die tropische Riesenzecke befällt in erster Linie größere Weidetiere wie Schafe, Pferde und Rinder – darum sollten Pferdehalter besonders aufmerksam sein und nach einem Ausritt nicht nur sich selbst, sondern auch das Pferd gründlich nach Zecken abzusuchen.
Zecken können sich grundsätzlich überall festsaugen, stechen Pferde aber mit Vorliebe an schwach behaarten, dünnhäutigen Körperstellen. Wer eine Zecke frühzeitig am Pferd entdeckt und entfernt, kann damit einer Infektion mit einigen Erregern vorbeugen. Denn: die meisten von ihnen brauchen etwa 24 Stunden, um vom Zeckendarm in den Blutkreislauf des Pferdes zu gelangen.
Zecken lassen sich am besten mit einer Zeckenzange oder spitzen Pinzette entfernen. Dazu fasst man die Zecke direkt an der Hautoberfläche und zieht, dreht oder hebelt sie langsam heraus. Dabei sollte man sie möglichst nicht quetschen. Wenn Teile der Mundwerkzeuge der Zecke stecken bleiben, ist dies in der Regel kein Problem. Der Körper stößt die verbliebenen Reste allmählich wieder ab.
Zeigt das Pferd nach einem Zeckenstich Veränderungen an der Haut oder Symptome einer möglichen Infektion, sollten Halter einen Tierarzt aufsuchen. Je früher eine gezielte Behandlung beginnt, desto besser sind die Genesungschancen.
Tipps gegen Zeckenbefall
Wie man sich als Mensch am besten vor Zeckenstichen schützt, hat die AGES auf dieser Website zusammengefasst! Einige wichtige Grundregeln:
– Bei Ausflügen ins Freie möglichst geschlossene Kleidung tragen, dadurch wird es einer Zecke erschwert, eine geeignete Hautstelle für den Stich zu finden.
– Meiden Sie beim Spazieren oder Wandern Gebüsche und Dickicht und gehen Sie nicht durch hohes Gras.
– FSME-Schutzimpfung unbedingt durchführen, Auffrischungen nicht vergessen!
– Nach Ausflügen immer den gesamten Körper samt Kopf auf Zecken kontrollieren.
– Beim Entfernen den Zecken mit einer speziellen Zeckenzange oder einer Pinzette direkt unter dem Kopf, also dirket an der Haut fassen und 60 Sekunden festhalten, dann lässt er sich rausziehen. Ein bisschen rütteln oder eine leichte Drehbewegung können helfen, die verankerte Zecke schmerzfreier aus der Haut zu bekommen. Mit Desinfektionsmittel betupfen.
– Zecken nicht ersticken! Nehmen Sie beim Entfernen der Zecken kein Öl, Wachs, keinen Klebstoff, Nagellackentferner oder andere Substanzen zu Hilfe. Dies würde das Tier unnötig reizen und könnte dazu führen, dass es vermehrt Speichel und somit mögliche Infektionserreger abgibt.
Nach dem Entfernen unbedingt Hände waschen (Gefahr einer Schmierinfektion!)
– Wenn sich ein runder Ring um den Einstich bildet, den Hausarzt aufsuchen. Es könnte das Zeichen für eine Borreliose sein.