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Das sagt der Pferdetierarzt: zum Thema Computertomographie (CT)
07.03.2024 / News

Der Einsatz von Computertomographie in der Pferdemedizin ermöglicht nicht nur bessere Diagnosen, sondern auch besonders präzise geplante und durchgeführte Operationen. Wir haben den Pferdetierarzt Mag. Wolfgang Himsl ausführlich über die Anwendungen, Vor- und Nachteile sowie die Kosten von CT-Untersuchungen bei Pferden befragt.

 

Untersuchung des Pferdekopfes mittels CT. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at
 

ProPferd: Das wohl am häufigsten in der Pferdemedizin eingesetzte bildgebende Verfahren ist das Röntgen, das bei orthopädischen wie auch internistischen Erkrankungen verwendet wird. Wann aber ist ein Röntgengerät zur Diagnostik nicht ausreichend, sprich: Wann empfiehlt sich der Einsatz einer Computertomographie (CT)?

Mag. Wolfgang Himsl: Eine Röntgenologische Untersuchung kommt dann an ihre Grenzen, wenn sich viele Strukturen überlagern, da es ein zweidimensionales Aufnahmeverfahren ist. Der riesengroße Vorteil von der CT-Untersuchung ist, dass ich hier Strukturen dreidimensional darstellen kann und somit viel mehr Informationen bekomme. Dadurch, dass ich dann im dreidimensionalen Bild genau weiß, wo sich welche Struktur befindet, eröffnen sich neue und genauere Therapieansätze. Ein orthopädisches Beispiel ist hierbei eine Zyste im Knochen (z.b. Fesselbeinzyste im Bereich des Fesselgelenks) – beim Röntgen sehe ich die Zyste zwar und kann sagen, wo sie sich ungefähr befindet – untersuche ich die Zyste nun im CT bekomme ich Informationen zu genauen Lage, wie weit dehnt sich die Zyste aus, wie stark ist der Knorpel beeinträchtig und nun kann ich auch eine Therapie besser anpassen. Noch deutlich ist das auch beim Kopf des Pferdes. Hier haben wir beim Röntgen das Problem, dass sich sehr viele Knochen mit unterschiedlicher Dicke überlagen, wodurch eine genaue Diagnose oft nicht möglich ist. Man kann z.B. nicht sagen, welche der 2 parallelen Wurzeln eines Zahns genau betroffen ist. Auch hier hilft uns die CT-Untersuchung, die Ursache des Problems zu finden, da ich im dreidimensionalen Schnittbild die Strukturen einzeln beurteilen kann und eben genau sagen, kann an welcher Wurzel des Zahns ein Problem zu beheben ist.

 

Untersuchung des Fußes mittels CT – das Pferd wird zuvor sediert, damit es entspannt ist und muss den betroffenen Fuß für ca 1 Minute ruhig auf dem Tisch in der CT-Röhre stehen lassen. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at

 

ProPferd: Wie muss man sich die Vorbereitung auf ein CT und die Untersuchung mit einem CT bei Pferden vorstellen?

Mag. Himsl: Man muss hier unterscheiden zwischen CTs, die bei einem stehenden, sedierten Pferd durchgeführt werden können und CTs, die in Vollnarkose durchgeführt werden müssen.
Bei den sogenannten Stehend-CTs ist es sehr wichtig, dass die Pferde entspannt sind, weswegen sie vor der Untersuchung immer erstmal in eine Box kommen, wo sie sich mindestens eine Stunde von der Fahrt erholen können. Erst dann werden sie für das CT vorbereitet: bei Untersuchungen der Gliedmaßen müssen die Eisen entfernt werden, die Pferde werden in der Box sediert und Ohrstoppel werden angebracht um Geräusche zu minimieren. Dann wird das sedierte Pferd in den CT-Raum geführt, wo man dann beginnt, die Patienten Schritt für Schritt in die richtige Position zu bringen. Das Pferd muss den betroffenen Fuß für ca 1 Minute ruhig auf dem Tisch in der CT-Röhre stehen lassen - dafür müssen wir es so positionieren, dass es gut im Gleichgewicht steht. Das Pferd muss den Fuß jederzeit gefahrlos aus der Röhre ziehen können, damit keine Panik entsteht. Bei Untersuchungen des Kopfes ist es ähnlich: die Pferde werden so positioniert, dass der Kopf bequem auf dem Tisch innerhalb der Röhre liegt. Dann kann man die Aufnahme mit der CT-Röhre starten. Oberstes Gebot ist hier immer Geduld und Ruhe, damit schafft man es selbst bei schwierigen Patienten, die Untersuchung durchführen zu können.

CTs, die nur in Vollnarkose durchgeführt werden können sind Untersuchungen der unteren Halswirbelsäule, Knie und Sprunggelenk, je nach Pferdegröße und Kooperativität auch Carpalgelenk. Hier wir das Pferd in Vollnarkose in Seiten- oder Rückenlage untersucht, wobei die Narkosezeit hier sehr kurz ist, wir sprechen hier von ca 20 Minuten. Danach kann das Pferd wieder direkt in einer unserer Narkoseboxen assistiert aufstehen oder wird direkt in den OP gebracht, um die geplante OP direkt anzuschließen.

CT-Untersuchung bei einem Pferd in Vollnarkose. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at

 

ProPferd: Aus der Vielzahl an Querschnittsbildern können also Längsschnitte in allen Ebenen und auch dreidimensionale Rekonstruktionen errechnet werden? Wozu dient Ihnen das bei der Diagnosestellung?

Mag. Himsl: Genau so ist es, ich kann von einem Bein oder einem Kopf in allen 3 Dimensionen (horizontal, transversal und sagittal) Bilder anschauen, je nach Einstellung sind die Schnittbilder 1mm dick. Wenn man einen Pferdekopf scannt, sind das dann pro Schnittebene ca 1500 Bilder. Wie bereits erwähnt, kann durch die verschiedenen Schnitte genau definiert werden, wo eine Veränderung zu sehen ist. Beim Röntgen ist oft unklar, wo im Raum bzw am Objekt sich die Veränderung befindet. Rechnerisch können wir dann 3D-Rekonstruktionen machen. Wenn wir zum Beispiel eine Fraktur untersuchen und versorgen möchten – egal ob am Bein oder am Kopf – ist das für unsere OP-Planung sehr wichtig, da man so den Verlauf der Frakturlinien besser nachvollziehen kann. Jede Schraube kann so gesetzt werden, damit eine optimale Frakturversorgung erreicht wird.

ProPferd: Das Verfahren der CT-geführten OPs hilft Millimeter genau zu operieren. Welche Indikationen sind hier für eine CT gestützte Operation am häufigsten?

Mag. Himsl: Am häufigsten wird das bei Frakturversorgungen durchgeführt. Man kontrolliert hier sozusagen, wie genau die Schraube gesetzt wird und ob das der gewünschten optimalen Frakturversorgung entspricht. Dasselbe machen wir z.b. Knochenschrauben bei Zysten in den Beinen (Fesselbeinzyste etc).

ProPferd: Wie lange dauert eine CT-Untersuchung beim Pferd?

Mag. Himsl: Die Aufnahme selbst dauert nur ca eine halbe bis ganze Minute, bis alle Bilder generiert sind. In Summe dauert das ganze Prozedere von der ersten Sedierung bis zum fertigen Bild manchmal 20 Minuten, manchmal auch 1 Stunde, bis das Pferd wieder in seine Box kann. Es gibt einzelne Ausreißer, wo es wirklich mal 2h dauert, bis wir gute Bilder machen können. Das sind aber dann schon eher schwierige oder unkooperative Patienten, wo man einfach mehrere Scans machen muss, bis man auswertbare Bilder bekommt.

ProPferd: Werden bei Pferden auch, wie in der Kleintierdiagnostik, Kontrastmittel verwendet und welche Vorteile und Nachteile bieten diese?

Mag. Himsl: Ja wir verwenden Kontrastmittel bei synovialen Strukturen. Wenn z.b. bereits bekannt ist, dass ein Gelenk die Lahmheitsursache ist, machen wir zuerst einen Nativ-Scan und dann direkt anschließend eine Kontrastmittelstudie des betroffenen Gelenks. Das Kontrastmittel wird hierbei direkt in das Gelenk/den Schleimbeutel oder die betroffene Sehnenscheide gespritzt. Hier bekommt man dann sehr genaue Informationen beispielsweiseüber den Zustand des Gelenksknorpels. Systemische Kontrastmittel, die wie beim Menschen in Gefäße injiziert werden, sind beim Pferd doch mit einigen häufigen Nebenwirkungen behaftet, weswegen wir das aktuell nicht durchführen. Indikationen für so eine Kontrastmittelstudie sind tumoröse Veränderungen.

ProPferd: Auch aus der Humanmedizin ist bekannt, dass vor einer CT Untersuchung mit Kontrastmittel ein Blutbild notwendig ist. Der Kreatin-Wert (Niere) und der TSH-Wert (Schilddrüse) werden hier vornehmlich ermittelt. Wird das bei Pferden auch gemacht?

 

Die Computertomographie kann komplexe innere Strukturen dreidimensional darstellen und eröffnet dadurch einzigartige Diagnose-Möglichkeiten. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at

 

Mag. Himsl: Grundsätzlich machen wir Blutbilder regelmäßig vor Vollnarkosen, um eben auch Nieren- oder andere Organerkrankungen ausschließen zu können. Man muss aber dazusagen, dass das noch nicht Standard ist, da es doch Mehrkosten für den Pferdebesitzer bedeutet und deswegen beim jungen Pferd oftmals darauf verzichtet wird. Da wir keine systemischen Kontrastmittel verwenden, gibt es hier für die CT-Untersuchungen noch keine Notwendigkeit einer gesonderten Blutuntersuchung, außer eben wie beschrieben bei Vollnarkosen.

ProPferd: Wie lange dauert das Ergebnis vom CT, das natürlich sehnlichst vom Besitzer/in erwartet wird?

Mag. Himsl: Die Bilder kann man direkt begutachten, aber der ausführliche radiologische Bericht mit Diagnose dauert aber in der Regel 1-2 Werktage. Man muss ja hier doch eine große Menge Bilder genau begutachten im Knochen- und im Weichteilscan. Manchmal bekommen wir aber sogar schon am Folgetag der Untersuchung den Bericht.

ProPferd: Wo viele Vorteile existieren, gibt es meistens auch Nachteile. Welchen Pferdefuß bzw. Haken hat das CT?

Mag. Himsl: Ein Haken ist sicherlich, dass wir uns absolut nach den Pferden und ihren Eigenheiten richten müssen. Eine Röntgenuntersuchung kann ich bei fast allen Pferden durchführen in Sedierung weil ich mich mit der Röhre und der Platte um das stehende Pferd herumbewege. Bei CT muss aber der Fuß in einer bestimmten Richtung in die Röhre gehalten, bzw auf den Tisch abgestellt werden. Das fordert sehr viel Geduld und Feingefühl mit den Patienten. Schnell-schnell geht hier überhaupt nicht und manchmal braucht es trotz über zwei Stunden an Versuchen dann einen neuen Anlauf am nächsten Tag und es klappt dann. Das hatten wir schon zwei, drei mal! Dafür hat man dann aber dem Patienten auch eine Vollnarkose erspart.

ProPferd: Kann es Gründe geben, bei Pferden ein CT nicht vorzunehmen?

Mag. Himsl: Kontraindikationen gibt es vor allem bei CTs in Vollnarkose, wenn z.b. hochgradig ataktische Pferde eine CT-Untersuchung der Halswirbelsäule brauchen, die Patienten aber so unkoordiniert sind, dass der Ablege- und Aufstehvorgang zu riskant ist. Da wird es schon schwierig, das zu rechtfertigen! Für ein Stehend-CT gibt es bei schmerzhaften Patienten manchmal Kontraindikationen, wenn die Position, in der der Kopf oder das Bein positioniert werden muss, für den Patienten zu schmerzhaft ist. Jegliche Diagnosen, durch die Pferde nicht sediert werden dürfen sind natürlich auch ein Grund, warum man so eine Untersuchung dann nicht machen kann (Herzfehler, etc).

ProPferd: Wie belastend ist ein CT für den Pferdeorganismus und wie schaut entsprechend die Nachsorge aus?

Mag. Himsl: Im Endeffekt ist die notwendige Medikation das, was den Organismus am ehesten belastet. Die Sedierung oder die Vollnarkose. Das muss man natürlich mitbeachten, denn Pferde müssen sich gut erholen können. Hierfür werden sie bei uns vorsichtig angefüttert und langsam wieder an die volle Futterration gewöhnt. Die Strahlungsbelastung spielt bei Pferd selbst glücklicherweise eine untergeordnete Rolle.

ProPferd: In Ihrer Klinik verwenden Sie ein CT, wo die Patienten im Stehen und ohne Vollnarkose untersucht werden. Wo liegt hier der Vorteil gegenüber anderen CT-Geräten, die derzeit beispielsweise in Österreich verwendet werden?

Mag. Himsl: Unser CT ist der erste und bisher einzige CT in Österreich, der auf einer beweglichen Hebebühne steht. Dadurch kann man die Röhre (=Gantry) selbst nach vor und zurück bewegen und sie mit der Hebebühne auch nach oben und unten bewegen. So kann man Pferde im Stehen mit hoher Bildqualität untersuchen. Bei allen anderen CTs in Österreich, die mit der Qualität unseres Gerätes vergleichbar sind, müssen Pferde für Untersuchungen in Vollnarkose gelegt werden, weil die Röhre nicht nach oben und unten beweglich ist. Außerdem gibt es seit einigen Jahren Cone-Beam-CTs in Europa, mit denen Pferde auch im Stehen untersucht werden können. Das sind CT-Roboter, die Bilder von Köpfen und Gliedmaßen machen können, das sieht natürlich sehr spekatulär aus. Der Nachteil hierbei ist aber, dass die Auflösung bei weitem nicht mit einer fixen CT-Röhre mithalten kann und deswegen trotzdem noch eher mit Röntgenbildern verglichen werden muss.

ProPferd: Die spannende Frage zum Schluss: Was kostet eine CT Diagnostik – und ist eine CT basierte OP teurer als eine OP ohne die Verwendung eines CTs?

Mag. Himsl: Eine CT-Untersuchung im Stehen kostet in etwa 1600€ incl MwSt. Bei einer Untersuchung in Vollnarkose kommen hier ca  400€ für die Narkose hinzu. Eine CT-Untersuchung mit Kontrastmittel kommt ca auf 2300€. Die Operationskosten bleiben gleich, die steigen nicht, wenn zusätzlich CT gemacht wird (das CT selbst wird aber wie oben verrechnet).

ProPferd: Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Britta Bruckmüller-Schweinhage.

 

ZUR PERSON

Mag. Wolfgang Himsl ist Partner in der Pferdeklinik Tillysburg in Oberösterreich mit Studiumabschluss an der Vetmed Universität Wien 2005. Er ist erfahrener Kolikchirurg, enthusiastischer Orthopäde, Sportmediziner und Chirurg und zeichnet sich besonders durch seine Besonnenheit, Klarheit, treffsichere Diagnostik und Therapieansätze aus. Als unschlagbarer Pferdemensch hat er sich auch als internationaler Dressurreiter einen Namen gemacht. Für den österr. Pferdesportverband begleitete er die österreichischen Dressurreiter/innen als Mannschaftstierarzt zu den Olympischen Spielen, Europameisterschaften und Weltmeisterschaften.

Weitere Infos zum Thema gibt's auf der Website der Pferdeklinik Tillysburg!

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