Der Aufzuchthof Ossiacher Tauern zählt zu den traditionsreichsten Pferde-Institutionen Österreichs und bietet Jahr für Jahr ein ganz besonderes Schauspiel: den Austrieb der Haflinger- und Noriker-Junghengste Mitte Mai. Autorin Corinna Widi und Fotograf Udo Reichmann waren dabei.
Vorbei an sattgrünen Wiesen und blühenden Obstbäumen führt die Tauernstraße durch herrlichen Mischwald über ca. 5,5 km hinauf zum idyllisch gelegenen Aufzuchthof Ossiacher Tauern. Markus Remer, seit 24 Jahren Verwalter des 204 ha großen Areals, empfängt die Neuankömmlinge selbst. „Artgerechte Aufzucht ist der Grundstein späterer Leistungsfähigkeit. Und dazu gehören ausreichend Bewegungsmöglichkeiten und qualitativ hochwertiges Futter – eben wie hier heroben am Tauern“ so der selbst im Fahrsport und als Funktionär im Landesfachverband für Pferdesport in Kärnten tätige Ausbildner der Junghengsten.
Obwohl die Traditionsveranstaltung, die seit gut 100 Jahren abgehalten wird, kaum mediale Beachtung erfährt, finden sich jährlich zwischen 300 und 400 begeisterte Zuseher ein. Diese erwartet weder Festzelt noch Musikkapelle, geschweige denn langatmige Reden. Die einzige Attraktion: Die jungen Pferde. Die Hauptakteure der Veranstaltung sind Haflinger- und Norikerjunghengste der. Der Großteil von ihnen steht im Besitz des Landes-Pferdezuchtverbandes Kärnten und wird nach eingehender Musterung im Rahmen landeseigener Zuchtveranstaltungen von Mitte bis Ende September angekauft. Zusätzlich wird zur Erhaltung bestimmter Blutlinien auch gerne auf hoffnungsvolle Fohlen aus benachbarten Bundesländern zurückgegriffen. Eine Aufzucht von Jungtieren privater Pferdebesitzer am Ossiacher Tauern bedarf der Einhaltung vorgegebener Zuchtkriterien und wird in eher geringem Ausmaß genutzt.
Nach einer kurzen Vorstellung der einzelnen Junghengste mit Name, Abstammung, Größe, Gewicht und natürlich Züchter geht es ab in das angrenzende Paddock. Vorsichtiges Beschnuppern führt rasch zu ersten unsanften Rangeleien, die von zahlreichen „Ahs“ und „Ohs“ der Zuseher begleitet werden. Wenige Minuten später öffnet sich das Gatter und lässt den Weg auf die Weide frei. Die Jährlingshengste tapsen anfangs vorsichtig den Weg entlang, ehe die ersten den freien Eingang zur Weide erspähen. Dann aber gibt es kein Halten mehr – unter dem donnernden Hufschlag der Junghengste bebt die Erde. „Früher war es noch spektakulärer,“ so eine etwas betagter Zuseher, der den Weideaustrieb schon als kleiner Bub miterlebt hat. „Da haben die Bauern erst am Austriebstag die Hengste angeliefert, da ist es richtig rund gegangen.“ Dennoch – so feine Manieren haben sie auch heute nicht, die halbstarken Jährlinge.
Die Gruppe der Zweijährigen ist meist deutlich kleiner. Die im Herbst stattfindende Hengstjährlingsmusterung, bei der die für die Zucht nicht in Frage kommenden Youngster von einem Richterkollegium ausselektiert werden, führt zu einer deutlichen Verringerung der Herde. Im Schnitt, so Markus Remer, sind es zwei bis drei Haflinger und fünf bis acht Noriker, die als potentielle Köraspiranten übrig bleiben und ein weiteres Jahr am Aufzuchthof Ossiacher Tauern verbringen. Danach dürfen sie ihre Qualitäten im Rahmen der Hengstanerkennung in Stadl Paura unter Beweis stellen. Mit deutlich mehr Selbstvertrauen als ihre jüngeren Stallgefährten, preschen die Zweijährigen aus dem Paddock. Was nun folgt ist der eigentliche Grund für die „Pilgerfahrt“ der zahlreich erschienenen Pferdefreunde. Es sind atemberaubend schöne Bilder von ausgelassenen Kraftpaketen, die durch kniehohes Gras stoben. Erst nach spektakulärem Kräftemessen senken die ersten Erschöpften zufrieden den Kopf, um sich die frischen Gräser der soeben eröffneten Weidesaison zu genehmigen.
Die Geschichte des Aufzuchthofs Ossiacher Tauern
1513: Gründung des Ossiacher Tauern durch das in Ossiach gelegene Benediktinerkloster
1783: Aufhebung des Bendiktinerklosters und Übergang der Gutsherrschaft von Ossiach in militärische Verwaltung
1.5.1910: 5-jährige Anpachtung der Tauernmeierei durch die damalige Landesverwaltung um den bäuerlichen Züchtern die Aufzucht von Jungpferden zu erleichtern
Frühjahr 1915: Verlängerung des Pachtvertrages für weiter 20 Jahre
1915-1918: Unterbrechung der Junghengstenaufzucht infolge der Kriegseinwirkungen
1934: Ankauf des Ossiacher Tauern durch die Landwirtschaftskammer Kärnten mit der Widmung einer bleibenden Förderung der Kärntner Tierzucht
Daten und Fakten:
Gesamtbetriebsgröße: 204 ha, davon ca. 10 ha Weidefläche
Lage: 960 m Seehöhe
Pferdebestand von 1910 – 1963: über 10.000 Junghengste
Pferdebestand derzeit: ca. 30 Jungtiere
Aufstallung: Bewegungsstallhaltung / Weide
TERMIN-TIPP
Freitag, 15. Mai 2015, Beginn 14 Uhr
Weideaustrieb und Vorstellung der Junghengste
am Aufzuchthof Ossiacher Tauern
Treffpunkt beim Hengststall am Ossiacher Tauern
Weitere Infos: LPZV Kärnten, www.pferde-kaerntenaustria.at