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Nageltritt beim Pferd: So verhalten Sie sich richtig!
28.09.2023 / Wissen

Nicht nur Nägel (daher der Begriff ,Nageltritt
Nicht nur Nägel (daher der Begriff ,Nageltritt') können in die Unterseite des Hufs eindringen, sondern auch Schrauben, Drahtstücke, Glasscherben, Weidezaunisolatoren und andere Fremdkörper. / Foto: Pferdeklinik Tillysburg

Nageltritte kommen in Pferdebetrieben leider nicht selten vor und sind immer als Notfall anzusehen: Fremdkörper, die in den Huf eingedrungen sind, können tiefgehende Verletzungen verursachen, Bakterien einschleusen und gefährliche Infektionen bzw. Entzündungen auslösen. Hier alles Wissenswerte über richtiges Verhalten, Behandlung und Prognose.


Anatomisch gesehen ist der Huf erheblich komplizierter, als man auf den ersten Blick vermuten würde – und genau dieser Umstand macht Nageltritt-Wunden für Pferde so gefährlich. Im Inneren des Hufs befinden sich fein verästelte, komplexe Strukturen, die durch ein eingetretenes Objekt verletzt oder gar zerstört werden können und das Eindringen von Bakterien ermöglichen: „Wenn ein Fremdkörper in die Hufkapsel eindringt, kann er mit dem Hufbein, der tiefen Beugesehne, dem Strahlbein, dem Hufschleimbeutel oder sogar dem Hufgelenk in Kontakt kommen“, so Dr. Allie Catalino, Tierärztin an der Pferdeklinik Oakencroft, gegenüber dem Portal TheHorse.com. „Das Hufbein ist nur 1,5 Zentimeter von der sichtbaren Außensohle entfernt. In ähnlicher Tiefe, unter dem Strahl des Pferdes, befindet sich die Befestigung der tiefen Beugesehne am Hufbein. Das Strahlbein sitzt zwischen der tiefen Beugesehne und dem Hufbein an den Trachten des Pferdes und ist von der Bursa navicularis, einer synovialen Struktur, umgeben.“

Gelenke, Schleimbeutel und Sehnenscheiden sind weitere Beispiele für derartige Synovialstrukturen. Sie produzieren Gelenkflüssigkeit, die dabei hilft, die benachbarten Knochen und Weichteile zu schmieren und zu stützen. „Wenn eine Entzündung oder Infektion in eine Synovialstruktur gelangt, verliert die Synovialflüssigkeit ihre Viskosität und Schmierfähigkeit, was zu einer Schädigung des darunter liegenden Knochens oder Weichgewebes führen kann. Bei minimaler Blutversorgung einer Synovialstruktur wird die Infektion mit einem aggressiven Eingriff in Form einer chirurgischen Spülung behandelt, gefolgt von der Ablagerung von Antibiotika innerhalb der Struktur“, so Dr. Catalino.

Was tun? Den Fremdkörper nicht entfernen!

Nachdem Sie Ihren Tierarzt angerufen haben, halten Sie Ihr Pferd nach Möglichkeit in einem Stall oder geschlossenen Bereich. Ihr Pferd wird wahrscheinlich in der Lage sein, das Gewicht vom betroffenen Bein zu verlagern, bis Ihr Tierarzt eintrifft. Die wichtigste Regel: Entfernen Sie niemals den Nagel bzw. den Fremdkörper!

Die Bildgebung ist in solchen Situationen nämlich von größter Bedeutung, so Dr. Catalino. Tierärzte machen Röntgenaufnahmen des betroffenen Hufes, bevor sie den eindringenden Gegenstand entfernen. Dadurch können sie genau erkennen, welche Strukturen der Fremdkörper betroffen bzw. geschädigt hat – und dies dient auch als Leitfaden für die weitere Behandlung. Wenn das Pferd einen chirurgischen Eingriff in einer Klinik benötigt, kann der Tierarzt den Huf zu diesem Zeitpunkt für die Reise vorbereiten. Widerstehen Sie weiterhin dem Drang, am Nagel zu ziehen, auch wenn das schwerfällt!

Dr. Catalino: „Mein Trick, um den betroffenen Huf zu stabilisieren, besteht darin, zwei feste Bandage-Rollen ,Vetrap' auf beiden Seiten des Nagels über der Sohle zu platzieren. Anschließend werde ich die Rollen mit Klebeband an der Sohle befestigen, sodass das Pferd das Gewicht darauf tragen kann, ohne das Risiko einzugehen, den Nagel weiter in den Huf zu drücken. Dadurch können Sie das Pferd sicher transportieren und die Tierärzte im Überweisungskrankenhaus kennen die genaue Lage des Trakts im Huf.“

Die Lokalisierung

Der Eintrittspunkt des Fremdkörpers kann viel über die Prognose des Pferdes verraten, das bestätigt auch Dr. Cathy Lombardi, Tierärztin von ,The Oaks Veterinary Clinic’ in Smithfield (Bundesstaat Virginia/USA). Voraussetzung sei natürlich ein gründliches Verständnis der Hufanatomie. Die meisten Synovialstrukturen befinden sich im hinteren Teil des Hufs, während Laminae und Hufbein den größten Teil des Bereichs vor dem Strahl ausfüllen, so Dr. Lombardi: „Wenn es sich um eine durchdringende Verletzung des Hufes handelt, dringt das Objekt im besten Fall nahe an der Hufwand in die Sohle ein und hat eine ziemlich gerade Eintrittsbahn. Je weniger tief es eindringt, desto besser. Die schlechteste Stelle, an der ein Objekt wie ein Nagel eindringen kann, ist das mittlere Drittel des Strahls. Die Eindringtiefe des Nagels in den Huf bestimmt, wie schwerwiegend das Problem sein kann. Wenn es ziemlich kurz ist, wie etwa ein 1-Zoll-Dachnagel, ist die Behandlung möglicherweise keine große Sache. Wenn es sich um einen langen Nagel handelt, der direkt eindringt, und ich zu dem Schluss komme, dass er wahrscheinlich in eine Synovialstruktur eingedrungen ist, spreche ich mit diesem Besitzer über eine sofortige Überweisung an eine Klinik zur umgehenden Behandlung und möglicherweise einer Operation.“

Behandlung

Der Plan Ihres Tierarztes hängt von der Position des eindringenden Objekts ab. Deshalb ist es so wichtig, den Huf in Ruhe zu lassen, bis Ihr Tierarzt eintrifft. „Bei einem einfachen Nageltritt ohne Anzeichen einer Synovialbeteiligung ist meine Behandlung der Behandlung eines Hufabszesses sehr ähnlich“, so Dr. Lombardi. „Nachdem ich den Nagel herausgezogen habe, werde ich den Besitzer den Huf mehrere Tage lang in Bittersalz und Wasser einweichen lassen. Ich lasse den Fuß bandagieren und das Pferd in einer sauberen und trockenen Umgebung halten.“

Da Pferde in ihrer Umgebung wahrscheinlich auf das Bakterium Clostridium tetani stoßen, empfiehlt Ihr Tierarzt möglicherweise eine Tetanus-Auffrischimpfung, wenn Ihr Pferd diese Grundimpfung zuvor nicht erhalten hat. Bakterielle Neurotoxine können eine fortschreitende und schwere Erkrankung verursachen, die zu neurologischem Gangbild, Nickhautvorfall, Kauprobleme und Übererregbarkeit gegenüber Reizen führt. Fortgeschrittene Fälle können zu Atemnot, Krampfanfällen und sogar zum Tod führen. Es ist daher immer besser, Tetanus vorzubeugen als ihn behandeln zu müssen.

Ihr Tierarzt kann Ihrem Pferd nichtsteroidale entzündungshemmende Medikamente wie Phenylbutazon und Flunixin-Meglumin verschreiben, um die Schmerzen zu lindern. Diese Medikamente reduzieren Entzündungen im Huf, die durch die penetrierende Wunde verursacht werden, und sorgen sehr effektiv dafür, dass sich diese Pferde wohler fühlen. Je nach Fall kann Ihr Tierarzt auch Antibiotika systemisch oder über die jeweilige Extremität verabreichen.

„In Fällen, in denen keine Synovialstrukturen beteiligt sind, erholen sich diese Pferde schnell und vollständig“, so Dr. Lombardi. Sind jedoch Synovialstrukturen betroffen, dann ist eine sogenannte ,aggressive’ und umgehende Behandlung notwendig, oft in einer Spezialklinik. Eine frühzeitige Überweisung kann diesen Pferden die besten Prognosen geben.

Chirurgischer Eingriff

Was in solchen Fällen passiert – wenn z.B. das Röntgenbild zeigt, dass der Fremdkörper in den Schleimbeutel eingedrungen ist – erklärt Dr. Michael Davis, Chirurg und Inhaber des ,New England Equine Medical and Surgical Center’ in Dover, New Hampshire (USA): „Das Ziel besteht darin, die Stichwunde oder den Drainagetrakt bis in die Tiefe zu erkunden und dabei meist eine Öffnung zu schaffen, um eine bessere Drainage zu ermöglichen. Wenn bekannt ist, dass eine Synovialstruktur an der Punktion beteiligt ist oder der Trakt zu einer Synovialstruktur führt, sollte ein Plan zur Spülung dieses Raums sowie zur Öffnung des Punktions-/Drainagetrakts erstellt werden.“

Der Zweck der Wundspülung besteht darin, den Trakt von Bakterien zu befreien, um das Infektionsrisiko zu verringern, so Dr. Davis: „Dies kann durch eine Nadel-Durchgangsspülung oder durch Arthroskopie und Wundtoilette erfolgen, alles abhängig von der Schwere und der Zeit bis zur Behandlung.“ Durch die Spülung werden Bakterien, Keime und andere schädigende Stoffe aus den synovialen Strukturen entfernt. Nach der Spülung wird Antibiotika direkt in die synoviale Struktur eingebracht.

In schwierigen Fällen wird oft auch auf weitere Bildgebung zurückgegriffen – Computertomographie, also CT-Scans, können z.B. enorm hilfreich sein. „CT ist mit Abstand am hilfreichsten, um die 3D-Perspektive einer penetrierenden Wunde oder eines eindringenden Trakts sowie der möglichen Auswirkungen auf das Gewebe (z. B. Knochenablösung oder -zerstörung) zu beurteilen“, so Dr. Davis. „Es kann bei der Planung einer Behandlung für langfristige oder schwer zu lösende Fälle äußerst nützlich sein.“

Prognose

Bei Nageltritten bzw. penetrierenden Stichwunden gibt es niemals eine Garantie. Während die meisten davon zu einem einfachen subsolaren Abszess führen können, können solche, die synoviale Strukturen betreffen, zu lähmenden osteoarthritischen Veränderungen und in weiterer Folge sogar zum Tod des Pferdes führen. Die Zeit arbeitet dabei gegen das Pferd und seinen Besitzer – daher ist rasches Reagieren und Handeln von überragender Bedeutung, so Dr. Davis: „Es besteht kein Zweifel, dass jeder infektiöse Prozess der Synovialstruktur ein Notfall ist, der sofortige Maßnahmen wie Drainage, Spülung und Wundbehandlung erfordert. Sogenannte ,aggressivere Techniken’ (chirurgische vs. nicht-chirurgische Spülung), die früher als später eingesetzt werden, können einen Unterschied im Gesamtverlauf und in der Prognose des Falles ausmachen.“

All das sollte hinreichend verdeutlichen: Wenn Sie einen Nageltritt bei ihrem Pferd bemerken, dann ist das ein Notfall, der nicht bis zum nächsten Morgen warten kann. Entfernen Sie niemals den eingedrungenen Fremdkörper und rufen Sie sofort Ihren Tierarzt, der die Wunde professionell einschätzen und beurteilen kann und die erforderlichen Behandlungsschritte einleiten wird. Reagieren Sie rasch und richtig, die Gesundheit Ihres Pferdes – unter Umständen sogar sein Leben – könnte davon abhängen.


Studien zum Thema Nageltritt

In einer retrospektiven Studie aus dem Jahr 2018 haben Stefano Schiavo und seine KollegInnen vom ,Dick Vet Equine Hospital' der Universität von Edinburgh (Großbritannien) den Behandlungsverlauf von 11 Pferden mit Nageltritt (also mit penetrierenden Hufwunden) nachverfolgt, die zum Zeitpunkt der Verletzung mittels MRT beurteilt worden waren. Alle Pferde hatten tiefe Läsionen der digitalen Beugesehne, jedoch ohne Synovialsepsis (also keine Infektion). Sie wurden einer konservativen Behandlung unterzogen, einschließlich Stallruhe, kontrolliertem Bewegen an der Hand und korrigierendem Hufbeschlag. Das Team befragte die Besitzer sechs Monate nach der ersten Verletzung und stellte fest, dass 60 % der Pferde wieder völlig gesund waren und auf ihrem vorherigen Leistungsniveau konkurrierten. Die anderen 40 % waren zwar gesund, hatten aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht wieder ihre volle sportliche Leistungsfähigkeit erreicht.

Obwohl die Stichprobengröße dieser Studie klein ist, verdeutlicht sie das Potenzial der MRT für die Frühdiagnose von Weichteilverletzungen nach Nageltritten. Die Ergebnisse unterstreichen auch die Tatsache, dass die Prognose für das Überleben und die Rückkehr zur früheren Aktivität in Fällen ohne bakterielle Infektion der Synovialstrukturen durchaus positiv sind.

Die Studie „Horses with solar foot penetration, deep digital flexor tendon injury, and absence of concurrent synovial sepsis can have a positive outcome" von Stefano Schiavo, Eugenio Cillán-García, Yvonne Elce, Tiziana Liuti und Sarah E. Taylor ist am 29. Aug. 2018 in der Zeitschrift ,Veterinary Radiology & Ultrasound' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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