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Interview: Was Chiropraktik für Pferde leisten kann
29.01.2021 / Wissen

Arbeit an der Hinterextremität: Auch wenn es anders aussehen mag – bei der Chiropraktik sind nicht Kraft, sondern Technik und Feingefühl gefragt.
Arbeit an der Hinterextremität: Auch wenn es anders aussehen mag – bei der Chiropraktik sind nicht Kraft, sondern Technik und Feingefühl gefragt. / Foto: privat/Mag. Andy Petric
Lockerung der Kiefergelenke: Diagnostiziert wird mittels „Motion Palpation“. „Das bedeutet, ich versetze die Gelenke mit einer Hand in Bewegung und ertaste mit der anderen Hand Bewegungseinschränkungen, die ich sofort mit einem ,Adjustment
Lockerung der Kiefergelenke: Diagnostiziert wird mittels „Motion Palpation“. „Das bedeutet, ich versetze die Gelenke mit einer Hand in Bewegung und ertaste mit der anderen Hand Bewegungseinschränkungen, die ich sofort mit einem ,Adjustment' korrigiere", so Andy Petric / Foto: privat/Mag. Andy Petric

Blockaden und Beeinträchtigungen des Bewegungsapparats – insbesondere der Wirbelsäule – sind bei Pferden schnell passiert. Wie Chiropraktik dabei helfen kann und was genau bei einer derartigen Behandlung passiert, haben wir Mag.med.vet. Andy Petric, Fachtierarzt für Chiropraktik, gefragt.


ProPferd: Können Sie kurz erklären, was Chiropraktik ist und wie eine chiropraktische Behandlung wirkt?
Mag.med.vet. Andy Petric: Ein Chiropraktiker behandelt Blockaden am Bewegungsapparat des Pferdes. Diese werden durch eine spastische Muskulatur im Bereich eines oder mehrerer Gelenke verursacht und bewirken einerseits eine Einschränkung der Beweglichkeit des Gelenks, andererseits einen gewissen Schmerz, denn wie jeder weiß, tut ein über längere Zeit angespannter Muskel irgendwann weh. Weiters kommt es bei Blockaden im Bereich der Wirbelsäule unter Umständen zu einer Verengung des Zwischenwirbellochs, aus dem Nerven, Blut- und Lymphgefäße austreten, die durch diese Kompression nicht mehr optimal funktionieren. In der Folge kann das zu einer Unterversorgung der Organe und Extremitäten mit Blut und Nervenstimuli und zu einem Lymphstau führen.

ProPferd: Was tut der Chiropraktiker genau, um diese Probleme zu beseitigen?
Mag. Petric: Der Chiropraktiker kann diese Blockaden mittels eines sogenannten „Adjustments“ lösen. Das ist eine Manipulation mit den Händen, die möglichst nahe am betroffenen Gelenk ansetzt und aus einem kurzen Ruck in eine spezifische Richtung (der Line of Correction) mit sehr hoher Geschwindigkeit aber geringer Tiefe (Amplitude) besteht. Dadurch werden sensorische Nervenzellen im inneren des Muskels dazu angeregt, den Muskel wieder zu entspannen. Dies bewirkt eine Wiederherstellung der vollen Gelenksbeweglichkeit und auch der Muskelschmerz lässt durch die Lockerung sofort nach. Weiters können daraufhin auch die Blut- und Lymphgefäße ungehindert ihren Inhalt durch das zuvor verengte Zwischenwirbelloch transportieren und auch die Reizleitung der Nerven funktioniert wieder ohne Einschränkungen.

ProPferd: Bei welchen Symptomen ist es sinnvoll, einen Chiropraktiker zu kontaktieren?
Mag. Petric: Bei allen Bewegungsstörungen, bei Asymmetrien der Muskulatur, bei Schmerzhaftigkeit der Muskulatur entlang der Wirbelsäule (fällt meistens beim Putzen oder Satteln auf), wenn sich das Pferd auf einer Hand deutlich besser bewegt als auf der anderen, nach Vollnarkosen, unterstützend bei längeren Lahmheiten und bei chronischen Vorerkrankungen wie Hufrolle oder Arthrose, im Leistungssport zur Ausschöpfung des vollen Potentials des Pferdes und zur Gesunderhaltung.

ProPferd: Wie läuft eine chiropraktische Behandlung genau ab?
Mag. Petric: Das ist von Therapeut zu Therapeut recht unterschiedlich… Ich persönlich höre mir die Vorgeschichte und den Grund, aus dem ich geholt wurde, vom Besitzer an und taste dann das Pferd auf Schmerzhaftigkeit entlang der Wirbelsäule ab. Wenn die von mir erhobenen Befunde und die Anamnese zusammenpassen, beginne ich sofort mit der Behandlung. Sollte etwas nicht ganz klar sein, lasse ich mir das Pferd meistens an der Hand und/oder an der Longe vorführen. Wenn ich das Problem eher im Bereich der Gelenke vermute, mache ich noch Beugeproben oder drücke den Huf bei Verdacht auf ein Hufgeschwür mit der Zange ab.

Die Behandlung selbst führe ich am liebsten in der Box durch, da es sich für das Pferd um eine vertraute Umgebung handelt, der Boden meist rutschfest ist und ich das Pferd in eine Ecke stellen kann, um Ausweichbewegungen beim Manipulieren der Halswirbelsäule zu vermeiden.

Diagnostiziert wird in der Chiropraktik mittels „Motion Palpation“. Das bedeutet, ich versetze die Gelenke mit einer Hand in Bewegung und ertaste mit der anderen Hand Bewegungseinschränkungen, die ich sofort mit einem „Adjustment“ korrigiere. Diagnose und Therapie folgen somit unmittelbar aufeinander.

Ich behandle die meisten Pferde von hinten beginnend (Hüfte, Iliosakralgelenk, Kreuzbein, Schweifrübe, Hinterextremitäten, Lenden- und Brustwirbelsäule bis zum Widerrist) dann gehe ich zum Kopf (Kiefergelenke, Genick) und arbeite mich über die Halswirbelsäule bis zum Brustbein und den Vorderextremitäten durch. Zum Abschluss kontrolliere ich noch einmal, ob ich alle Schmerzpunkte und Bewegungseinschränkungen auflösen konnte.

ProPferd: Was ist aus Ihrer Sicht besonders wichtig bei einer chiropraktischen Behandlung?
Mag. Petric: Besonders wichtig ist bei einer chiropraktischen Behandlung, daß immer das ganze Pferd untersucht und behandelt wird. Punktuelle Behandlungen von einzelnen, augenscheinlichen Blockaden machen keinen Sinn, da ja im (Pferde)körper alles zusammenhängt und eine Einheit bildet. Auch können starke Blockaden schwächere maskieren, die erst dann evident werden, wenn ich die Hauptblockade gelöst habe. Auch die Untersuchung der Beine gehört für mich zu jeder chiropraktischen Behandlung unbedingt dazu.

ProPferd: Wie lange dauert eine solche Behandlung – und wie oft sollte sie wiederholt werden?
Mag. Petric: Meine Behandlungen dauern meistens zwischen 20 und 30 Minuten, wenn alles optimal läuft. Die Dauer der Behandlung sagt  aber nichts über deren Qualität aus und ist im Wesentlichen von der Erfahrung des Tierarztes und der Kooperationsbereitschaft des Pferdes abhängig.
Ich empfehle, die Pferde alle 6 Monate auf Blockaden zu untersuchen, da man oft schon Bewegungseinschränkungen aufspüren kann, bevor sie im Umgang oder beim Reiten auffallen.

ProPferd: Wie kann man bei seinem Pferd selbst Probleme an der Wirbelsäule feststellen?
Mag. Petric: Wie schon weiter oben erwähnt, fallen Probleme der Wirbelsäule meistens beim Putzen oder Satteln als Schmerzhaftigkeit oder ungleiche Bemuskelung auf oder beim Reiten, wenn eine Hand deutlich besser ist als die andere.

ProPferd: Ist der Chiropraktiker immer auch zugleich Tierarzt – wie in Ihrem Fall?
Mag. Petric: In Österreich ist eine chiropraktische Untersuchung und Behandlung allein den Tierärzten vorbehalten. Als Besitzer macht man sich sogar nach dem Tierschutzgesetz strafbar, wenn man einen Therapeuten an sein Pferd lässt, der kein Tierarzt ist. In Deutschland dürfen solche Behandlungen auch von Tierheilpraktikern ausgeführt werden, dieser Beruf ist jedoch in Österreich nicht anerkannt.

ProPferd: Wie kann man als Laie einen guten, geprüften Chiropraktiker von einem unqualifizierten unterscheiden? Gibt’s z.B. irgendwo im Internet eine Liste mit geprüften Chiropraktikern?
Mag. Petric: Der Chiropraktiker sollte auf jeden Fall in der Tierarztliste der österreichischen Tierärztekammer zu finden sein…Dort ist auch ersichtlich, ob es sich um einen Fachtierarzt für Chiropraktik handelt (hier der Link dazu, Anm.)

Ob jemand gut ist, kann man meistens auf Grund der Erfahrungsberichte anderer Pferdebesitzer herausfinden. Eventuell ist es auch wichtig zu wissen, wie lange und wie intensiv der Therapeut schon in diesem Feld arbeitet.

ProPferd: Wo liegen die Grenzen der Chiropraktik – gibt es auch Probleme, wo Chiropraktik nicht sinnvoll ist?
Mag. Petric: Die Grenzen der Chiropraktik liegen auf jeden Fall dort, wo ein medikamentöses oder gar chirurgisches Eingreifen erforderlich ist wie beispielsweise bei infektiösen Erkrankungen oder Frakturen. Ein guter Chiropraktiker sollte im Stande sein, solche Situationen zu diagnostizieren (daher ist es so wichtig, einen Therapeuten zu holen, der auch Tierarzt ist) und das Pferd entweder selbst dahingehend zu behandeln oder zu einem Kollegen zu überweisen, der die notwendige Therapie durchführen kann.

ProPferd: Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!

Mag.med.vet. Andy Petric ist Fachtierarzt für Chiropraktik im niederösterreichischen Thernberg. Website: www.ap-pferdepraxis.at

Auf diesem eindrucksvollen Video ist die chiropraktische Behandlung eines Pferdes zu sehen, durchgeführt und Schritt für Schritt erklärt von Mag.med.vet. Andy Petric … Sehenswert!

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