Ein von schwedischen ForscherInnen entwickeltes Medikament gegen Arthrose brachte in einer klinischen Studie durchschlagende Behandlungserfolge: Betroffene Pferde konnten vollständig von Lahmheiten befreit werden, auch der weitere Abbau von Gelenksgewebe wurde gestoppt. Die Ergebnisse geben Anlass zu „großen Hoffnungen", so das Forscherteam.
Arthrose (Osteoarthritis) ist eine weit verbreitete, entzündliche Erkrankung des gesamten Gelenks, die sowohl Tiere als auch Menschen betrifft – und es ist die häufigste Ursache für Lahmheit und Gelenkschmerzen bei Pferden. Rennpferde lahmen oft zu Beginn ihrer Karriere und jedes Jahr gehen viele Pferde aufgrund der Krankheit in den Ruhestand.
Die neu entwickelte Behandlung, die in der Zeitschrift ,Osteoarthritis and Cartilage Open' beschrieben wird, ist das Ergebnis einer langfristigen Zusammenarbeit von ForscherInnen der schwedischen Universität für Agrarwissenschaften und der Universität Göteborg. Durch umfangreiche Zellkulturstudien konnten die WissenschaftlerInnen eine Wirkstoffkombination bestehend aus einem Lokalanästhetikum und einem entzündungshemmenden Medikament (Sildenafil) in extrem niedrigen Konzentrationen evaluieren und präsentieren, die – in Kombination mit Glukose – die entgleisten Knorpelzellen (Chondrozyten) bei Pferden mit Arthrose wiederherstellen kann.
„Wir haben das Potenzial der Medikamente bei der Linderung von Entzündungen und bei der Wiederherstellung entgleister Chondrozyten bei Pferden mit Arthrose erfolgreich demonstriert“, sagte Elisabeth Hansson, Professorin an der Sahlgrenska-Akademie der Universität Göteborg und eine der Forschungsleiterinnen der Zusammenarbeit. „Solche wiederhergestellten Knorpelzellen begannen, mehr Matrixmoleküle zu produzieren, die wichtige Bausteine des Knorpelgewebes sind. Dadurch wird das Potenzial der Medikamentenkombinationen zur Heilung von Arthrose weiter gestärkt.“
Das Forschungsteam hat Tests entwickelt, um die Synovialflüssigkeit von Pferden aus den Gelenken zu untersuchen und die Krankheit viel früher zu diagnostizieren – also noch bevor klinische Anzeichen einer Arthritis auftreten. Dies war für die klinische Erprobung des Arzneimittels an Pferden unabdingbar. Die aktuelle klinische Studie nutzt diese Testmethoden sowohl zur Diagnose der Krankheit als auch zur Messung der Wirksamkeit der neuen medikamentösen Behandlung.
Bei den erkrankten Pferden sind sowohl in der Synovialflüssigkeit als auch im Blut zwei Biomarker erhöht. Diese Biomarker waren entscheidend für die Entwicklung der neuen medikamentösen Behandlung. „Mithilfe dieser Biomarker können wir die Krankheit nun in einem frühen Stadium diagnostizieren (was früher nicht möglich war), die Wirksamkeit des Medikaments messen und auch auf Nebenwirkungen der Medikamente prüfen“, sagte Eva Skiöldebrand, Professorin an der Universität die Schwedische Universität für Agrarwissenschaften.
In der gerade veröffentlichten Studie wurde die neue Wirkstoffkombination in einer randomisierten, dreifach verblindeten, kontrollierten klinischen Studie getestet. Die Studie wurde in der Tierklinik Hallands Djursjukhus (Kungsbacka Hästklinik) durchgeführt. Als leitende Forscherin war Kristin Abrahamsson-Aurell für die Studie verantwortlich, Cecilia Grahn war die behandelnde Tierärztin.
In die Studie wurden 20 lahme Traber mit leichten radiologischen Veränderungen im Karpalgelenk einbezogen. Die Pferde wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt – eine zur Behandlung mit der neuartigen Medikamentenkombination, die zweite mit der Standardbehandlung (dem Medikament Celeston bifas). Die Pferde wurden nach der Behandlung noch weitere 60 Tage lang beobachtet.
Die Ergebnisse waren ebenso bemerkenswert wie vielversprechend: „Die mit der neuen Medikamentenkombination behandelten Pferde wurden von Lahmheiten befreit“, so Prof. Skiöldebrand: „Die medikamentöse Behandlung senkte wirksam die Konzentration der analysierten Biomarker in der Gelenkflüssigkeit im Vergleich zu den Pferden, die die Kontrollsubstanz (also das Standardmedikament) erhielten. Der medikamentöse Eingriff verursachte in dieser Studie keine Nebenwirkungen. Außerdem blieben mehrere der behandelten Pferde während der Nachbeobachtungszeit gesund, was große Hoffnung für die Zukunft des Medikaments als krankheitsmodifizierendes Mittel gibt. Dies wird enorme positive Auswirkungen auf das Wohlergehen der Pferde haben.“
Die neue medikamentöse Behandlung könnte möglicherweise auch in der Humanmedizin Anwendung finden, so das Forscherteam. Auch in Schweden ist Arthrose die häufigste Gelenkerkrankung beim Menschen, insbesondere bei älteren Menschen. Etwa jeder Vierte über 45 Jahre erkrankt daran. Derzeit gibt es keine Heilung, verfügbare Medikamente können lediglich Schmerzen lindern und Entzündungen im Gelenk begrenzen.
„Pferde und Menschen sind sich genetisch sehr ähnlich“, so Prof. Skiöldebrand. Pferde entwickeln spontan Arthrose, was das Pferd zu einem hervorragenden Modell für Studien am Menschen mache: „Außerdem sind die Biomarker, die in der klinischen Studie identifiziert und bewertet wurden, bei Pferden und Menschen identisch. Daher sind die Biomarker und die Analysemethoden bei menschlicher Arthrose gleichermaßen relevant.“
Das Forschungsteam besitzt ein Patent für die neue Medikamentenkombination und will sie zunächst in Schweden als zugelassenes Medikament für Pferde mit dieser Erkrankung vermarkten. Sie werden nun auch die Genehmigung zur Durchführung einer klinischen Studie zur medikamentösen Behandlung am Menschen beantragen.
Die Studie „A randomized, triple-blinded controlled clinical study with a novel disease-modifying drug combination in equine lameness-associated osteoarthritis" von E. Skiöldebrand, S. Adepu, C. Lützelschwab, S. Nyström, A. Lindahl, K. Abrahamsson-Aurell und E. Hansson ist am 22. Juni 2023 in der Zeitschrift ,Osteoarthritis and Cartilage Open' erschienen und kann englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.