Botulismus-Toxine können für Pferde therapeutisch genutzt werden 15.07.2023 / News
In den meisten Fällen nehmen Pferde das gefährliche Botulinum-Toxin über das Futter – etwa kontaminiertes Heu – auf. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay
Auch in der Veterinärmedizin gilt: Die Dosis macht das Gift! Italienischen ForscherInnen zufolge hat die therapeutische Anwendung von Botulinum-Toxinen bei Pferden ermutigende Ergebnisse erzielt – doch der Einsatz ist höchst diffizil und müsse noch weiter erforscht werden.
WissenschaftlerInnen der Universitäten von Turin und Mailand stellten in einem Artikel in der Fachzeitschrift „Veterinary Sciences" fest, dass sich Botulinum-Neurotoxine sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin als vielseitige therapeutische Verbindungen zur Behandlung mehrerer Syndrome des Nervensystems sowie Muskel- und Muskel-Skelett-Erkrankungen anwenden lassen.
Das große Potenzial von Botulinum-Neurotoxinen als therapeutische Verbindung für medizinische Syndrome liege in ihrer Fähigkeit, einen bestimmten Zelltyp zu erreichen und dabei andere Zellen zu umgehen, wodurch leichte oder keine Nebenwirkungen auftreten, wie die AutorInnen erklärten.
Die Erforschung dieser Neurotoxine schreitet rasch voran, wobei auch neue Varianten entwickelt werden: „Es sollten Anstrengungen unternommen werden, um die biologischen und pharmakologischen Eigenschaften dieser neuartigen Botulinum-Neurotoxine sowie der natürlichen zu klären“, so die ForscherInnen.
In ihrer Arbeit untersuchten sie die jüngsten Entwicklungen rund um diese Neurotoxine und ihre therapeutischen Anwendungen in der Veterinärmedizin, hoben Vor- und Nachteile hervor und wiesen auf Forschungslücken hin.
Botulinumneurotoxine sind Proteine, die von neurotoxigenen Stämmen von Clostridienbakterien synthetisiert und abgesondert werden. Diese Neurotoxine werden herkömmlicherweise in sieben serologische Typen A bis G sowie zwei kürzlich entdeckte Typen eingeteilt. Das Toxin induziert bei infizierten, unbehandelten Tieren eine Muskellähmung, eine Krankheit, die als Botulismus bekannt ist, indem es die Freisetzung des Neurotransmitters Acetylcholin an den cholinergen neuromuskulären Verbindungen hemmt. In den schwersten Fällen kann es zu einer Beeinträchtigung der Gliedmaßen kommen und zu einer systemischen Lähmung führen. Die Lähmung der Atemmuskulatur führt zum Atemstillstand und schließlich zum Tod.
Pferde seien im Vergleich zu anderen Tierarten sehr anfällig für Botulinum-Neurotoxine, was bei futterbedingtem oder wundbedingtem Botulismus tödliche Folgen haben könne. Dennoch wurden bei Pferden in den letzten Jahren durch den therapeutischen Einsatz von Neurotoxinen ermutigende Ergebnisse erzielt:
Bei der Behandlung von Hahnentritt (,Stringhalt’) etwa, einer spastischen Erkrankung mit wiederkehrender Hyperflexion des Sprunggelenks (Tarsus), konnten einige beachtenswerte Erfolge erzielt werden. Hahnentritt kann verschiedene Auslöser haben, unter anderem neurogene Ursachen im Zusammenhang mit dysfunktionalen oder überreagierenden oberen Motoneuronen. Es wurden Injektionen von Botulinumneurotoxin Typ A in die betroffenen Muskeln getestet, und die Ergebnisse zeigten bereits zwei Tage später weniger spastische Bewegungen und weniger häufige hypermetrische Schritte, ohne Anzeichen von Toxizität oder nachteiligen Nebenwirkungen. „Der nur teilweise Erfolg, der mit diesem Versuch erzielt wurde (die Spastik wurde nicht vollständig beseitigt), zeigt, dass Dosierung und Art der zu injizierenden Muskeln kritische Variablen sind, die fein abgestimmt werden müssen.“
Typ A wurde auch zur Behandlung von Hufrehe untersucht. Hufrehe kann zu einem schwerwiegenderen Zustand werden, wenn das Gewicht und die Bewegungskräfte des Tieres, die durch den tiefen Beugemuskel am Hufbein ausgeübt werden, dazu führen, dass die Lamellenverbindung zwischen Hufbein und Hufkapsel versagt. In diesem Zustand verringerte der Einsatz des Neurotoxins, das eine Lähmung des tiefen Beugemuskels verursachte, die Scherkräfte und verbesserte die Ergebnisse der Hufrehe.
Pferde mit verschiedenen Graden der Hufrehe, die mit Typ-A (Botox) im Muskelbauch des tiefen Beugemuskels behandelt wurden, zeigten keine Verschlechterung der Krankheit und die Obel-Lahmheitswerte verbesserten sich um einige Stufen. Die Obel-Skala klassifiziert Lahmheiten von I bis IV, wobei I leichte Schmerzen und IV extreme Schmerzen mit Bewegungsunlust bedeuten.
Weitere Studien haben das Potenzial der Typ-A-Behandlung bei Pferden mit Hufrehe bestätigt, indem sie die Wirksamkeit der intramuskulären Injektion des Neurotoxins auf die Verringerung der Aktivität der tiefen digitalen Beugemuskeln, die Vergrößerung des Bewegungsbereichs von Mittelhand und Karpalgelenk sowie die Kraftverteilung unter dem Huf bei gesunden, erwachsenen Sportpferden. Es wurden keine signifikanten Veränderungen in der Zehen-Ballen-Kraftverteilung oder in den Gangveränderungen im Schritt festgestellt.
In einer anderen Studie wurde ein Pferdemodell für Lahmheit im Zusammenhang mit akuter Synovitis (= Entzündung der Gelenkinnenhaut) verwendet, um das Ergebnis einer intraartikulären Injektion von Typ A zu bestimmen. „Gelenkschmerzen sind einer der häufigsten lahmheitsauslösenden Faktoren bei Pferden. Nach der Auslösung einer akuten Synovitis bei Pferden mit normalen Karpi und einer Injektion von Botulinumtoxin Typ A (Botox) in das mittlere Karpalgelenk zeigten nur wenige von ihnen den Beginn einer Lahmheit. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Botulinum-Neurotoxine neben einer neuromuskulären blockierenden Wirkung auch eine schmerzlindernde Wirkung haben.“
Es wurde gezeigt, dass eine Typ-A-Injektion in ein Gelenk die Lahmheit bei Pferden mit akuter Synovitis ohne nachteilige Auswirkungen lindern kann. Sie stellten fest, dass eine ähnliche, kürzlich veröffentlichte Studie zeigte, dass die Injektion von Typ-A in das Karpalgelenk gesunder Pferde keine negativen Auswirkungen auf synoviale und klinische Parameter hat und daher für die Anwendung bei Pferden sicher ist.
Bei Typ B kann es zu Beschwerden kommen, die mit Schmerzen im Navikularknochen und im umgebenden Gewebe einhergehen. Betroffene Pferde zeigten nach der Injektion in den Schleimbeutel mehr als 14 Tage lang eine verbesserte Lahmheit und keine nachteiligen Auswirkungen. Ein vollkommen lahmheitsfreier Zustand konnte jedoch nicht erreicht werden. Um die schmerzstillende Wirkung zu optimieren, können mehrere Injektionen oder höhere Typ-B-Dosen, Konzentrationen oder Volumina erforderlich sein, bevor die klinische Anwendung bei Pferden empfohlen werden kann.
Es wurde auch gezeigt, dass Botulinumtoxin Typ B den Tonus des Schließmuskels (Analsphinkter) bei Pferden verringert. Das Abfohlen ist häufig die Ursache für Dammrisse bei Stuten. Die lokale Injektion von Typ B in den äußeren Schließmuskel von Stuten vor dem chirurgischen Eingriff unterstützte die Heilung und Reparatur aufgrund der vorübergehenden Entspannung des Anus und des geringeren Analtonus. „Die maximale Wirksamkeit wurde in den ersten 15 Tagen nach der Impfung erreicht und verschwand nach etwa sechs Monaten. Obwohl diese Behandlung nicht vollständig erfolgreich ist (nur vorübergehende Entspannung), zeigt sie ein gutes Verbesserungspotenzial.“
Insgesamt seien die bisher bei Pferden erzielten Ergebnisse – auch wenn sie nur teilweise positiv seien – Anlass für weitere Untersuchungen mit größeren Tiergruppen, so das Forscherteam. Angesichts der hohen Empfindlichkeit von Pferden gegenüber Botulinum-Neurotoxinen sei jedoch zu betonen, dass eine sorgfältige Optimierung der Dosierungen zusammen mit dem Zeitpunkt der Verabreichung und Richtlinien zu den Injektionsstellen für den Erfolg der Therapie von entscheidender Bedeutung seien.
Etliche klinische Beweise sprechen für den Einsatz von Botulinum-Neurotoxinen in der Veterinärmedizin – dennoch gebe es aber weiterhin offene Fragen, die geklärt werden müssen, so die AutorInnen: „Weitere Forschung ist erforderlich, um den Mechanismus und die Wirkungsdauer des Toxins sowie die Art und Weise, wie es die Immunantwort des Wirts auslöst, aufzuklären. Dies kann dann zum Design und zur Entwicklung neuer und verbesserter Botulinum-Neurotoxin-Biomoleküle führen, die idealerweise für jedes einzelne selektiv sind, um unterschiedliche klinische Anforderungen, einschließlich zusätzlicher Pathologien, besser zu erfüllen."
Unerlässlich seien weitere präklinische Studien vor allem, „um Patientenauswahl, Indikation, Dosis, Verabreichungssystem und Sicherheit“ besser und klarer zu definieren, so die AutorInnen. Sie betonten, dass bei der Beurteilung des therapeutischen Werts nicht nur die Linderung und Remission der Symptome, sondern auch die Rezidivrate berücksichtigt werden muss. Das Resümee ihrer Übersichtsstudie daher: „Insgesamt unterstützt die Literatur weitgehend die positive Wirkung solcher Toxine bei der Schmerzlinderung und der Behandlung einer Vielzahl von Dystonien und unterstreicht den Bedarf an zusätzlicher Forschung.“
Die Studie „Therapeutic Applications of Botulinum Neurotoxins in Veterinary Medicine" von Lauretta Turin, Marina Michaela Piccione, Fabio Crosa, Paola Dall’Ara, Joel Filipe und Laura Zarucco ist am 13. Juli 2023 in der Zeitschrift ,Veterinary Science' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...Weitere Artikel zu diesem Thema:04.08.2021 - Schadhaftes Futter: Neun Pferde auf Reiterhof an Botulismus verstorben
Schadhaftes Futter: Neun Pferde auf Reiterhof an Botulismus verstorben 04.08.2021 / News
Erste Symptome einer Botulismus-Vergiftung können ein schwerfälliger Gang und Schluckbeschwerden sein, bei fortgeschrittener Erkrankung kommt es zum Festliegen, auch Lungenentzündung und Atemlähmung treten auf. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay
Ein furchtbares Tierdrama hat sich auf einem Reiterhof im Landkreis Gifthorn in Niedersachsen ereignet: Insgesamt neun Pferde zeigten akute Vergiftungssymptome und konnten trotz umgehender tierärztlicher Behandlung nicht mehr gerettet werden.
Die Betreiberin der Sanddorn Corral Ranch bei Adenbüttel im Landkreis Gifthorn hat vor wenigen Tagen das ganze Ausmaß der Tragödie in einem Facebook-Posting öffentlich gemacht: Insgesamt acht geliebte Pferde – mittlerweile ist leider ein neuntes dazugekommen – sind durch schadhaftes Futter zu Tode gekommen, der Verdacht auf Botulismus habe sich mittlerweile bestätigt, heißt es. Sie selbst habe drei eigene Pferde – darunter auch Shetlandpony Chico – verloren, die anderen sechs wären von Einstellern gewesen.
Anfang Juli hätte das erste Pferd Krankheitssymptome gezeigt, doch tappte man hinsichtlich der Ursache noch völlig im Dunkeln. Die Betreiberin dazu: „Es ist in so einer Situation kaum zu ertragen, wie lange Laborergebnisse dauern und dass Präparate nicht verfügbar sind. Wir haben schon als es Chico schlecht ging, vorsorglich das Futter gewechselt, ein Hinweis ging in Richtung Wasser und sofort haben wir von Leitungswasser auf Brunnenwasser gewechselt. Da wir nicht sicher waren ob es ansteckend sein kann, haben wir sofort Desinfektionsschleusen eingerichtet und gebeten, alle Pferde in Ihren Bereichen zu lassen, um mögliche Ansteckungen zu vermeiden. Nach fast einer Woche war dann der Verdacht Botulismus da, welcher nun durch Ausschluss und Symptome wie auch tödlicher Verläufe bestätigt ist. Die Versicherung des Futterlieferanten ist informiert.“ Offenbar enthielt ein gelieferter Ballen Silage das gefürchtete Bakterium, das die schweren Vergiftungen auslöste.
Man habe fürchterliche Zeiten durchlebt und alles Menschenmögliche getan, um die Pferde zu betreuen und soviele wie möglich zu retten. Man sei rund um die Uhr für die Tiere dagewesen, habe sogar die Einsteller am Hof einquartiert, damit sie immer bei ihren geliebten Pferden sein konnten. Es sei zudem ernüchternd und schwer verständlich, dass es keine wirkungsvolle Behandlung gegen Botulismus gäbe und dass Impfstoffe und Antiseren in der Europäischen Union nicht verfügbar seien: „Die einzige Behandlung durch ein Antitoxin ist nicht möglich, da dieses seit 2 Jahren nicht mehr hergestellt wird.“ Dafür möchte man in Zukunft Informationen zusammentragen, um es erst gar nicht zu einer Vergiftung kommen zu lassen. Ihr herzzerreißendes Resümee: „Unsere Herzen sind voll von Traurigkeit. Wir haben ein großes Wissen rund um Pferdegesundheit und konnten nicht helfen. Das ist grausam!“
Es sei der Alptraum ihres Lebens, wie die Stallbetreiberin gegenüber der ,Braunschweiger Zeitung' zugab, und auch die Reaktionen in den sozialen Medien auf ihr Posting haben ihr schwer zugesetzt: Es habe einen Shitstorm gegeben, Beleidigungen und Unwahrheiten wurden verbreitet, einige Einsteller hätten gekündigt – doch es gebe auch Pferdebesitzer, die weiter zu ihnen halten. Die im Netz ausgetragenen „gnadenlosen Schlammschlachten" seien aber besonders bitter und belastend, so ihr trauriges Fazit.
Botulismus: Die tödliche Gefahr im Futter
Wie oft Pferde oder auch andere Tiere durch Botulismus sterben, ist nicht bekannt, da Botulismus keine melde- oder anzeigepflichtige Krankheit ist – doch Berichte in den Medien zeigen, dass derartige Fälle durchaus nicht selten sind und immer wieder Tierleben fordern. Der aktuelle Fall in Adenbüttel ist zweifellos einer der schwersten Vergiftungsfälle der letzten Jahre – und beweist einmal mehr, wie heimtückisch und gefährlich eine Vergiftung durch Botulismus ist. Auslöser der Vergiftung ist das Bakterium ,Clostridium botulinum’, das sich unter speziellen Bedingungen (Luftabschluss, hohe Feuchtigkeit und ein pH-Wert von über 4,5) vermehren und ein äußerst wirkungsvolles Gift – das Botulinustoxin – absondern kann. Die von diesem Bakterium gebildeten Nervengifte, so genannte Neurotoxine, zählen zu den stärksten Giften, die man kennt. Zur selben Bakterienfamilie gehört auch der Erreger des Tetanus (Wundstarrkrampf). Das Botulinustoxin kann bei Pferden und anderen Weidetieren zu Vergiftungserscheinungen und in vielen Fällen auch zum Tod führen.
Botulismus kann im Wesentlichen auf zwei Arten entstehen: Entweder durch direkte Aufnahme des Toxins mit dem Futter oder durch die Produktion des Toxins in infizierten Wunden, Abszessen oder geschädigten Darmabschnitten. In der Regel erfolgt die Aufnahme des Toxins über das Futter (Silage, Heu, etc.), das mit dem Kadaver eines eingeschlossenen Tieres (meist Mäuse, Hamster oder Ratten, es sind aber auch Fälle mit einer Schlange aufgetreten) verunreinigt ist – das Toxin bildet sich im Tierkadaver und nach dessen Auflösung auch in seiner unmittelbaren Umgebung. Auch Vergiftungen durch kontaminiertes Wasser sind möglich, aber deutlich seltener. Das Pferd nimmt das Botulinustoxin oral auf, wodurch es in die Blutbahn gerät und von peripheren Nervenenden aufgenommen wird. In der Folge blockiert es die Freisetzung von Transmittern – es kann zu vielfältigen Ausfalls- und Lähmungserscheinungen kommen, viele Pferde leiden an Kau- und Schluckbeschwerden, allgemeiner Schwäche, Ataxie, Atemnot oder auch einer gestörten Darmtätigkeit (kolikähnliche Symptome). Diese Symptome treten meist ohne Fieber oder sonstige erkennbare Schmerzen beim Pferd auf.
Schon beim leisesten Verdacht auf Botulismus ist umgehend ein Tierarzt zu rufen, der eine genaue Diagnose stellen und auch alle nötigen Behandlungsschritte einleiten kann. Der beste Schutz vor Botulismus ist allergrößte Sorgfalt bei der Herstellung von Futtermitteln – insbesondere von Silage – sowie eine gewissenhafte Kontrolle vor dem Verfüttern, insbesondere auf den typischen Verwesungsgeruch, den eingeschlossene Tierkadaver verursachen. Doch wie der aktuelle Fall zeigt, lässt sich selbst bei genauester Prüfung eine Vergiftung nicht immer vermeiden – Botulismus ist und bleibt eine heimtückische Gefahr, die im lebenswichtigen Pferdeheu lauern kann …
Beim Menschen sind Botulismus-Fälle glücklicherweise selten. Lt. AGES (Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit) wurden seit dem Jahr 2000 lediglich 28 Erkrankungsfälle gemeldet. Botulismus kommt beim Menschen in drei Formen vor: Nahrungsmittelbotulismus, Säuglingsbotulismus und Wundbotulismus, je nach Eintrittspforte des durch das Bakterium gebildeten Toxins.
20.03.2019 - Botulismus: Heimtückisches Gift tötet zwei Pferde in NÖ
Botulismus: Heimtückisches Gift tötet zwei Pferde in NÖ 20.03.2019 / News
In einem Siloballen war der Kadaver einer Schlange entdeckt worden, in dem sich das gefährliche Botulinustoxin gebildet hatte. / Symbolfoto: Archiv Martin Haller
In einem Reitstall im niederösterreichischen Dross sind zwei Pferde an einer Botulismus-Vergiftung verendet – Ursache war wohl eine Schlange, die in einen Silageballen geraten war.
Pferdeleute wissen, dass auch eine Maus ein Pferd töten kann – nämlich dann, wenn sie in einen Heu- oder Siloballen geraten ist, dort verendete und mit dem Bakterium ,Clostridium botulinum’ verseucht war. Unter entsprechenden Bedingungen (Luftabschluss, hohe Feuchtigkeit und ein pH-Wert von über 4,5) können sich die Bakterien vermehren und ein äußerst wirkungsvolles Gift – das Botulinustoxin – absondern, das bei Pferden zu Vergiftungserscheinungen und bei schwerem Verlauf sogar zum Tod führen kann.
Genau dies ist zwei Pferden einer Landwirt-Familie im niederösterreichischen Dross widerfahren. Wie die ,NÖ Nachrichten’ in ihrer Online-Ausgabe berichten, starben eine 16-jährige Stute und ein 7-jähriger Wallach, nachdem sie verunreinigte Silage gefressen hatten. Ein Pferd starb an der Pferdeklinik der Vetmeduni Wien, ein zweites musste im heimatlichen Stall durch den Tierarzt eingeschläfert werden. Ein Hengst mit nur leichten Vergiftungserscheinungen konnte mit Hilfe des Veterinärs gerettet werden.
Vergiftungen mit Botulinustoxin kommen glücklicherweise nur selten vor – enden aber häufig tödlich, wie auch der aktuelle Fall in NÖ zeigt. Botulismus kann im Wesentlichen auf zwei Arten entstehen: Entweder durch direkte Aufnahme des Toxins mit dem Futter oder durch die Produktion des Toxins in infizierten Wunden, Abszessen oder geschädigten Darmabschnitten. In der Regel erfolgt die Aufnahme des Toxins über das Futter (Silage, Heu, etc.), das mit dem Kadaver eines eingeschlossenen Tieres verunreinigt ist – das Toxin bildet sich im Tierkadaver und nach dessen Auflösung auch in seiner unmittelbaren Umgebung. Auch Vergiftungen durch kontaminiertes Wasser sind möglich, aber deutlich seltener. Das Pferd nimmt das Botulinustoxin oral auf, wodurch es in die Blutbahn gerät und von peripheren Nervenenden aufgenommen wird. In der Folge blockiert es die Freisetzung von Transmittern – es kann zu vielfältigen Ausfalls- und Lähmungserscheinungen kommen, viele Pferde leiden an Kau- und Schluckbeschwerden, allgemeiner Schwäche, Ataxie, Atemnot oder auch einer gestörten Darmtätigkeit (kolikähnliche Symptome). Diese Symptome treten meist ohne Fieber oder sonstige erkennbare Schmerzen beim Pferd auf.
Schon beim leisesten Verdacht auf Botulismus ist umgehend ein Tierarzt zu rufen, der eine genaue Diagnose stellen und auch alle nötigen Behandlungsschritte einleiten kann. Der beste Schutz vor Botulismus ist allergrößte Sorgfalt bei der Herstellung von Futtermitteln – insbesondere von Silage – sowie eine gewissenhafte Kontrolle vor dem Verfüttern, insbesondere auf den typischen Verwesungsgeruch, den eingeschlossene Tierkadaver verursachen. Wie sich im aktuellen Fall in Dross herausstellte, war in einem Siloballen eine tote Schlange entdeckt worden – mit hoher Wahrscheinlichkeit war sie der Auslöser des Botulismus. Es muss also nicht immer eine Maus, ein Feldhamster oder eine Ratte sein …
29.09.2022 - Fünf Islandpferde im Burgenland verstorben - Vergiftung vermutet
Fünf Islandpferde im Burgenland verstorben - Vergiftung vermutet 29.09.2022 / News
Islandpferde gelten als besonders robust und zäh und zeigen lange keine Schmerzen – weshalb die Vergiftung wohl erst sehr spät erkannt wurde, wie eine Pferdebesitzerin vermutet. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay
In einem Reitstall in Horitschon sind fünf Islandpferde verstorben, nachdem sie schwere Vergiftungssymptome gezeigt hatten. Die genaue Ursache ist noch unklar, der Verdacht auf Botulismus hat sich nicht erhärtet – auch Fremdverschulden wird nicht ausgeschlossen.
Es ist ein Rätsel und eine „wahre Tragödie“, wie die „Kronen Zeitung“ in ihrer Online-Ausgabe berichtet: In einem Reitbetrieb in Horitschon im Mittelburgenland, in dem die Islandpferde in Offenstall-Haltung untergebracht waren, mussten mehrere Tiere nach akuten Vergiftungssymptomen in die Pferdeklinik Ebreichsdorf und die Vetmeduni Wien eingeliefert und dort tierärztlich behandelt werden – doch für fünf der insgesamt neun Pferde kam jede Hilfe zu spät, sie starben an akutem Nierenversagen. Drei weitere Tiere zeigten hingegen keinerlei Anzeichen einer Vergiftung und konnten wieder aus der Klinik entalssen werden, ein weiteres befindet sich aber noch in kritischem Zustand.
Die wahrscheinlichste Ursache für die Todesfälle dürfte eine Vergiftung sein – doch ein konkreter Auslöser konnte bisher nicht gefunden werden: Der Verdacht auf Botulismus hat sich nach ersten Überprüfungen nicht erhärtet. Derzeit wird mit Hochdruck nach weiteren möglichen Ursachen – z.B. Giftpflanzen im Heu – gesucht, doch bislang ohne konkretes Ergebnis. Auch Fremdverschulden – also eine absichtliche oder unabsichtliche Vergiftung der Pferde durch fremde Personen – könne nicht ausgeschlossen werden, heißt es.
Wie dramatisch und schockierend der Fall für die Betroffenen ist, macht die Aussage der Pferdebesitzerin deutlich: „Es ist eine Tragödie – da sind zwei Stuten mit Fohlen dabei, Pferde von Kindern, wir gehen hier gerade durch die Hölle!“
Bleibt nur zu hoffen, dass die Ursache doch noch entdeckt wird – und dadurch mögliche weitere Vergiftungen verhindert werden können …
Hintergrund: Schwierige Ursachenforschung
Beispiele aus den letzten Jahren zeigen, dass die Ursachenforschung bei derartigen Vergiftungen mitunter höchst schwierig ist – und nicht in allen Fällen wird man auch fündig: So kam es im November 2019 auf dem Islandpferdehof Heuberg in der Gemeinde Kaisten (Kanton Aargau/Schweiz) zu einer rätselhaften Todesserie, bei der insgesamt sieben Islandpferde nach akuten Vergiftungserscheinungen verstarben (siehe auch unseren Artikel dazu). Trotz intensiver Bemühungen, unzähliger Tests und Laboruntersuchungen konnte die Ursache nicht gefunden werden – auch Fremdverschulden konnte nie ganz ausgeschlossen werden. Die Betreiber ließen in der Folge mehrere Kameras durch eine Sicherheitsfirma auf ihrer Anlage installieren, um zumindest ein wenig „das Gefühl von Sicherheit" zu haben.
Die Ursachen für Vergiftungsfälle bei Pferden können mannigfaltig sein – allein ein Blick ins ProPferd-Archiv zeigt, dass es eine große Vielfalt an möglichen Auslösern gibt: von den giftigen Samen des Bergahorns, dem immer wieder Pferde zum Opfer fallen, über Giftpflanzen wie das Jakobskreuzkraut oder die Herbstzeitlose im Heu bis hin zu unbefugter Fremdfütterung mit Eiben usw.
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