Zu einer ebenso ungewöhnlichen wie dramatischen Begegnung ist es am Donnerstag im Tiroler Breitenbach (Bezirk Kufstein) gekommen: Bei einem Ausritt war eine junge Frau im Wald auf einen Braunbären getroffen – und hatte dabei offenbar großes Glück, unbeschadet davongekommen zu sein. Die Behörden raten zu Vorsicht im betroffenen Gebiet.
Diese Minuten wird die Reiterin aus dem Tiroler Unterland wohl niemals vergessen: Wie die ,Tiroler Tageszeitung’ in ihrer Sonntags-Ausgabe berichtet, war die junge Frau am Donnerstag (13. Juli 2023) Nachmittag gegen 15 Uhr auf einem Forstweg in der Gemeinde Breitenbach am Inn unterwegs, als im Bereich der Jocher Kapelle ihr Pferd plötzlich stehenblieb und nicht mehr weitergehen wollte. Es habe wie gebannt auf einen bestimmten Punkt im Unterholz gestarrt – und als sie selbst die ominöse Stelle genauer betrachtete, habe sie zu ihrem Schrecken den Bären erkannt. Als sich dieser aufrichtete und „zu fauchen“ begann, habe sie das Pferd gewendet und die Flucht ergriffen. Dabei sei ihr der Bär eine Zeitlang gefolgt – glücklicherweise, ohne sie einzuholen. Dabei hatte sie einige Mühe, ihr aufgeregtes Pferd unter Kontrolle zu halten.
Nach ihrer Rückkehr habe die Reiterin dem Breitenbacher Vizebürgermeister Adi Moser die dramatischen Geschehnisse geschildert – dieser habe dann veranlasst, dass ein entsprechender Hinweis auf der Website der Gemeinde veröffentlicht wurde: „Ich wollte keine Panik verbreiten, aber die Leute warnen. Sie sollten auf alle Fälle vorsichtig sein“, so Adi Moser gegenüber der ,Tiroler Tageszeitung’.
Bären in Trentino – ein immer größeres Problem
Der Hinweis – und auch der Rat zu Vorsicht – ist ohne Zweifel angebracht, denn spätestens seit dem tödlichen Vorfall im April dieses Jahres in der norditalienischen Provinz Trentino herrschen in der Region Angst und Verunsicherung. Am 5. April war ein 26-jähriger Jogger auf einer Laufrunde am Monte Peller von einem Braunbären angefallen und getötet worden, zahlreiche Medien hatten über den tragischen Todesfall berichtet.
Bären sind in der Provinz Trentino ein immer größeres Problem: Im Rahmen des EU-Projekts „Life Ursus“ war 1999 ein Dutzend Bären aus Slowenien in die Region gebracht und ausgesetzt worden, um dem befürchteten Aussterben der Bärenpopulation entgegenzuwirken. Das Projekt – das auf einen Bestand von ca. 50 Bären ausgelegt war – war höchst erfolgreich: Mittlerweile leben im Trentino aber ca. 100 Tiere, die auch in die umliegendenden Regionen auswandern und bereits bis nach Tirol und Bayern gelangt sind.
Der hohe Bestand sorgt bei den Trentiner Behörden zunehmend für Sorge – die Bären dringen mittlerweile in Wohngebiete ein und attackieren Nutztiere. Es kommt auch immer wieder zu Attacken auf Menschen – zuletzt im März dieses Jahres, als ein Familienvater, der unweit des Ortes Caldes mit seinem Hund unterwegs war, von einem Bären angegriffen und an Kopf und Arm verletzt worden war. Im August 2020 war am Monte Peller ein Mann, der mit seinem Sohn unterwegs war, von einem Bären attackiert worden. Seit 2014 soll es insgesamt sechs Angriffe auf Menschen gegeben haben, wie örtliche Medien berichten.
Wie soll man sich bei einer Bärenbegegnung verhalten?
Der aktuelle Fall in Breitenbach im Bezirk Kufstein zeigt, dass das Problem nicht nur auf die Provinz Trentino beschränkt ist. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, einem Bären in Tirol zu begegnen, sehr gering ist, hat das Land Tirol Leitlinien veröffentlicht, wie man sich in einer solchen Situation verhalten soll. Auch der WWF hat entsprechende Verhaltensregeln zusammengefasst, hier die wichtigsten in Kurzform:
– Bleiben Sie ruhig stehen und machen Sie den Bären durch lautes Reden und Bewegen der Arme auf sich aufmerksam.
– Nicht weglaufen (das könnte den Jagdtrieb des Bären auslösen)!
– Verhalten Sie sich nicht ängstlich, aber vermeiden Sie alles, was der Bär als Bedrohung empfinden könnte.
– Werfen Sie nicht mit Steinen oder Stöcken, und versuchen Sie nicht, den Bären mit drohenden Gesten oder unkontrollierten Bewegungen zu verscheuchen.
– Verzichten Sie zugunsten Ihrer eigenen Sicherheit auf einen „Bärenschnappschuss“!
– Wenn der Bär Sie angreift: Stellen Sie sich tot und wehren Sie sich nicht! Legen Sie sich auf den Boden und geben Sie ihre Hände in den Nacken. Der Bär erkennt so, dass Sie keine Gefahr für ihn sind. Warten Sie, bis der Bär wieder weit genug weg ist.
Diese Ratschläge sind zweifellos richtig und zielführend – aber, wie man unschwer erahnen kann, in der Realität extrem schwer umzusetzen bzw. durchzuhalten. Ein Bär ist eine ebenso mächtige wie angsteinflößende Erscheinung, die den Menschen instinktiv zu Flucht- und Panikreaktionen verleitet – und genau das macht Begegnungen mit ihm so gefährlich. Bären erscheinen friedlich und gemütlich, wenn sie im Zoogehege herumspazieren, doch in Wahrheit sind sie Kraft- und Energiebündel, die bei einer Attacke förmlich explodieren und sich blitzschnell auf ihr Opfer stürzen (Bären können Geschwindigkeiten von bis zu 50 km/h erreichen).
Den extrem seltenen Fall eines tatsächlich erlebten Bärenangriffs zeigt dieses kurze Video (siehe unten) aus Bulgarien, bei dem im Frühjahr dieses Jahres ein Braunbär auf eine dreiköpfige Biker-Gruppe trifft und einen gestürzten Fahrer attackiert, eine Helmkamera hält das Geschehen fest. Die beiden Kameraden reagieren geistesgegenwärtig und geben Gas – das laute Motorengeräusch vertreibt den Bären schließlich. Dennoch zeigen die Kraft und Schnelligkeit, mit der der Bär angreift, eine ernüchternde Wahrheit: Gegen einen rasenden Bären hat ein Mensch kaum eine Chance ...