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Gebisslose Zäumungen: eine Replik und Klarstellung von Dr. Reinhard Kaun
24.06.2023 / News

In einer Antwort auf ein Schreiben der „World Bitless Association“ skizziert Dr. Reinhard Kaun seinen Standpunkt bezüglich Zäumungen mit oder ohne Gebiss: Seine zentrale Botschaft: Ein Pferd sollte so gezäumt sein, wie es sich am wohlsten fühlt – das Hauptproblem sei die „grobe, gefühllose und unnachgiebige Hand", die Pferde mit Gebissen gleichermaßen quäle wie gebisslos gezäumte.

Schmerzen im Pferdegesicht – eine Frage der Zäumung oder des Reitstils? Symbolfoto: Archiv Dr. Reinhard Kaun


Nach Veröffentlichung des Beitrags „Schmerz im Pferdegesicht: eine Blickschulung“ erreichte den Verfasser Dr. Reinhard Kaun ein bemerkenswertes Schreiben der „World Bitless Association“, das diesen Artikel begrüßte und sich dadurch in ihrem Kampf für gebisslose Zäumungen bestärkt sah. Dr. Reinhard Kaun nutzte seine Antwort, um seine Position hinsichtlich derartiger Zäumungen klarzustellen. ProPferd veröffentlicht hier den ebenso spannenden wie aufschlussreichen Briefwechsel.

Das Schreiben der ,World Bitless Association':

Sehr geehrter Herr Dr. Reinhard Kaun

wir möchten Ihnen zu Ihrer Studie "Schmerz im Pferdegesicht: eine Blickschulung" gratulieren.
Wir haben Ihre Studie auf unseren Social-Media-Plattformen geteilt und würden sie gerne auf unserer Website veröffentlichen. Haben Sie bitte ein Originalexemplar, das wir verwenden könnten?

Die World Bitless Association ist eine Wohltätigkeitsorganisation für den Schutz von Pferden, die bei der UK Charities Commission registriert ist und deren Ziel es ist, evidenzbasiertes Training und pferdefreundliches Zubehör zu fördern. Wir setzen uns dafür ein, dass die Regeln geändert werden, um gebisslose Zäumungen zuzulassen. Uns sind weltweit Trainer angeschlossen, die über Erfahrungen und Qualifikationen im Bereich Pferdeverhalten verfügen und ethische Trainingslösungen für Reiter anbieten. Unsere Website ist für alle kostenlos, einschließlich aller Ressourcen und Lehrartikel.

Vor kurzem hat die World Bitless Association einen formellen Antrag an die FEI gestellt, gebisslose Zäumungen in der Dressur (und allen FEI-Turnieren) aus Gründen des Wohlbefindens zuzulassen. Unser Antrag beinhaltete Studien/Beweise von der unabhängigen FEI-Kommission für Ethik und Wohlbefinden von Pferden (ihre Umfragen zeigten die Besorgnis über Gebisse, Gebissmissbrauch und -missbrauch) zusammen mit solchen Beweisen wie die "Fünf Bereiche des Tierschutzes", "Maulschmerzen bei Pferden", "Der Wunsch nach Verbesserung", "Wahrnehmungen von Furcht und Angst bei Pferden, wie sie in Interviews mit Pferdeverhaltensforschern berichtet wurden". Alle eingereichten Belege sind auf unserer Website hier zu finden:
https://worldbitlessassociation.org/world-bitless-campaign-why-not-bit-free-the-evidence/

Die Forderung der WBA wurde von einigen Pferdesportmedien aufgegriffen, darunter das Cavallo Magazin, und findet allgemeine Unterstützung. Cavallo hat eine Umfrage durchgeführt, in der 91% ihrer Leser die gebisslose Dressur unterstützen, was sich mit unserer eigenen Umfrage im Jahr 2020 deckt, in der 93% die gebisslose Dressur befürworteten. Wir wissen, dass die Umstellung auf die gebisslose Dressur nicht von heute auf morgen das Wohlergehen der Pferde im Turniersport verändern wird, aber wir gehen davon aus, dass eine solch wichtige Regeländerung die Art und Weise beeinflussen wird, wie die Menschen über das Training und das Reiten junger Pferde denken und den Übergang zu pferdefreundlicheren Trainingsanwendungen einleiten wird.

Wir begrüßen Ihren Beitrag zu den Veränderungen, die wir für die Pferde brauchen, und hoffen, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten auf Ihre Studie zurückgreifen können.

Mit freundlichen Grüßen

Johanna
Johanna Richardson
Operations Manager
World Bitless Association
www.worldbitlessassociation.org

 

Dr. Reinhard Kauns Antwort auf dieses Schreiben:

 

„Der Weg zum Pferde führt über sein Maul….“

… schrieb Carl Gustav Graf Wrangel in seinem 1927 erschienen zweibändigem Werk „Das Buch vom Pferde“.

Ein Leser, der sich der ebenso vergnüglichen wie lehrreichen Mühe einer Lektüre dieser fast eintausendsechshundert Seiten unterzieht, wird schnell zur Einsicht gelangen, dass „Maul“ in diesem Satz als Metapher für eine gefühlvolle Reiter- oder Fahrerhand bei gleichzeitig pferdefreundlicher und passender Zäumung zu verstehen ist – und keineswegs, wie manchmal schnöde unterstellt – mit „Gebiss“ gleichzusetzen ist.

Das Maul des Pferdes – durch Gaumendach, Zunge, Laden, Lippen, Maulwinkel, Speicheldrüsen – so individuell und persönlich wie ein Fingerabdruck, ist nicht mehr, aber auch nicht weniger empfindlich für Schmerz und Grobheit, wie der Nasenrücken und andere Teile des Gesichtsschädels, wo direkt unter der dünnen Haut das Periost, die sehr nervenreiche Beinhaut, liegt.

Wenn in meinem kürzlich hier erschienenen Beitrag bei vielen Bildern Pferde mit Gebiss in verabscheuungswürdigen Posen dargestellt wurden, so richtete sich die „Aussage“ dieser Bilder nicht gegen Gebisse an sich, sondern gegen eine grobe Hand am Zügel oder an den Leinen.

Ich vertrete die Ansicht, dass der Zwang zu Gebissen ebenso abzulehnen ist wie deren generelle Verdammung.

Die Grundforderung sollte lauten: Ein Pferd sollte so gezäumt sein, wie es sich am wohlsten fühlt und wie es sich optimal präsentieren kann – wenn gleichzeitig die Prämissen der Sicherheit und des Pferdeschutzes gewährleistet sind.

Die grobe, gefühllose und unnachgiebige Hand quält Pferde mit Gebissen gleichermaßen wie gebisslos Gezäumte – jede Verallgemeinerung ist von Übel.

Im geregelten Pferdesport ist „Gebiss- und Zäumungskontrolle“ an sich ein obligater Teil der Prüfungen – kompetente Funktionäre an diesem Platz haben eine bedeutsame Garantenstellung für Pferdeschutz.

Reiter und Fahrer beiderlei Geschlechts (das harte „Handerl“ ist keineswegs eine rein männliche Domäne!), die bar jeder Überprüfung ihr eigenes Süppchen kochen, sollen, ja müssen, von Stallgefährten, Tierärzten, Reitlehrern, Pferdephysiotherapeuten und von den Heerscharen an Gurus auf allfällig tierschutzrelevantes Handeln hingewiesen werden. Jeder Pferdemensch, der sich dieser moralischen Verpflichtung aus Feigheit oder Bequemlichkeit entzieht, macht sich mit-schuldig!!   

Univ.Lektor VR Mag. Dr. Reinhard Kaun
http://www.pferd.co.at | http://www.pferdesicherheit.at

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