Kriminelle Aspekte in der Hippologie: Vorsatz, Fahrlässigkeit, Dummheit 09.12.2023 / News
Der vielen unverständliche Freispruch von zwei Burschen, die durch ihr Feuerwerk zwei Pferde aufgeschreckt und so deren Verletzung herbeigeführt haben, beschäftigt – nebst weiteren Fällen – auch die Besucher des alten Herren. Doch zuvor wird eine Tour de Force durch die Gaunersprache einst und heute absolviert ...
Wie sich die Bilder gleichen, durch verborgene Zeichen ...
(Tosca, 1. Akt, Arie des Cavaradossi)
„Nimmt man als österreichischer Bürger, der Interesse am Weltgeschehen in seinen vielfältigen Formen hat, die Botschaften aus Presse, TV, Radio und Internet auf und sortiert sie geistig, so fällt auf, dass sich die großen „News- Komplexe“, sieht man von Kriegen und Klimafragen ab, um wenige Themenbereiche gruppieren – natürlich ist zur Zeit die sogenannte künstliche Intelligenz ein weltweites Aufregungsmotiv, aber auch die Demontage eines weitverzweigten Spinnennetzes von Luftschlössern, bewohnt von Personenkreisen, denen Realitätssinn und Bodenständigkeit nicht gerade in die Wiege gelegt wurden, sehr wohl aber geprägt vom Bedürfnis, mehr zu scheinen, als zu sein, und einem gerütteltem (nicht gerührten) Maß an Groß-Manns – Sucht bzw. – es lebe die Gleichberechtigung! – Groß – Frau – Sucht, wie das Beispiel, das Ihnen gleich erzählen werde, zeigt.“ So begann der alte Herr seine Begrüßungsworte an diesem kalten Winterabend vor dem Kaminfeuer seiner Bibliothek.
Die junge Dame, die heute ohne Begleitung erschienen war, setzte eine spöttische Miene auf und sagte, mit feinem Lächeln um die Lippen: „Ja, wir wollen die Zeiterscheinungen reflektieren, anstatt sie in einem Gespräch zu erörtern oder – einfach – darüber zu reden, und uns über die Ungeheuerlichkeiten unserer Zeit austauschen, anstatt sie zu diskutieren (mit Resumé) oder zu debattieren (Reden um des Redens willen) und dann wollen wir noch die KI – die Künstliche Intelligenz – beleuchten, um uns dann selbst zu fragen, was uns verzweifelt umtreibt!“
„Dass Opfer von Katastrophen oder Unfällen verzweifelt auf Hilfe warten ist nachvollziehbar, aber dass Kunden verzweifelt auf die Öffnung eines Modegeschäftes in der Innenstadt oder Fußball-Fans verzweifelt auf das nächste Tor warten, halte ich falsche Wortwahl – womit wir als Urheber vieler Berichte bei der Künstlichen Intelligenz angelangt wären: eine Maschine hat einen begrenzten Wortschatz und es fehlt ihr das Gefühl für Sprache, für die wunderbaren Möglichkeiten und Nuancen, die (fast) nur in der Sprache der Dichter und Denker möglich sind und die KI nie wird erlernen können.
Die sogenannte „wissenschaftliche Arbeit“ , also auch die Flut an „Studien“, die auch in den Augen vieler Leser oft überflüssig sind, weil das Ergebnis, durch Beobachtung gewonnen, einer beträchtlichen Zahl von Pferdefreunden schon bisher bekannt war, diese Arbeiten werden in der (englisch)-amerikanischen kalten und phantasielosen Sprache der Wissenschaft verfasst (die Engländer hatten ja Shakespeare!): eine Aneinanderreihung vieldeutiger Begriffe, leerer Worthülsen und sinnarmer Phrasen, garniert mit Zahlen von (meist) nur wenigen Probanden: Impactpunkte zählen, nicht Inhalt oder Stil.“ Es war erkennbar, dass sich der alte Herr „Luft“ machen musste, ehe er fortfuhr:
„Bevor der wohl meist missbrauchte Begriff unserer Tage – „Nachhaltigkeit“, ähnlich wie „Hausverstand“ - in das Werbe-Repertoire von Gemischtwaren- und Kurzwarenhändlern, Dachdeckern, Autositzverkäufern und Kontaktlinsenherstellern aufgenommen wurde, meinte dessen „Begründer“ Hans Carl von Carlowitz im Jahre 1713 in seinem Werke Silvicultura oeconomica damit, man sollte dem Wald nur so viel „Ernte“ entnehmen wie nachwächst. Übrigens – und folgende Weisheit verdanke ich dem sehr empfehlenswerten Buche „Der Wald in Österreich“ von Hermine Hackl, Verlag Anton Pustet, 2023 – kommt in von Carlowitzen`s Buch das Wort „nachhaltend“ (sic!) nur ein einziges Mal vor.
Verfährt man respektlos und sinnentleert mit der Sprache, ist die Angst all jener berechtigt, die sie nicht pflegen und hegen; wenn Sprache und Ausdruck – gesprochen oder geschrieben- nicht mehr darstellt, als eine zufällige Aneinanderreihung von Wörtern zu Wortgebilden, dann sind Betrug und Täuschung herzlich eingeladen, sich nach Herzenslust aus dem Vollen zu bedienen.
Der Begriff „Wegelagerer“ wird Ihnen noch vertraut sein: „ein im Hinterhalt lauernder Straßenräuber“ (Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, dtv, 2000), der beabsichtigt, eine Tat zu begehen, oder eine solche „baldowert“ (eingedeutscht: ausbaldowert) also sachkundig ausspäht, auskundschaftet und den „Gauner-Kollegen“ mitteilt.“
Friedrich Christian Benedict Avè-Lallemant, Doktor beider Rechte 1858
Spitzenbeamte der damaligen Polizei mussten über einen umfangreichen Wortschatz, der weit über ihre Muttersprache hinausragte, verfügen, um mit ihrer „Kundschaft“ vernehmende Gespräche führen zu können – „Austauschen“ als Begriff für eine polizeiliche Unterhaltung wäre – auch hier - wohl fehl am Platz!
„Das Baldowern ist die Einführung der praktischen Gaunerkunst in das Verkehrsleben. Es ist der feinste Teil des Gewerbes, es ist die Psychologie und Logik der Gaunerei, die beobachtet und Schlüsse zieht, um dann Handeln zu können.“
Friedrich Christian Benedict Avè-Lallemant: Das Deutsche Gaunertum, Verlag Suchier, 1858)
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Der alte Herr setzte fort: „In unseren Tagen, in denen die Sprache des Milieus sich der „Neuzeit“ angepasst hat, würde man anstatt „Baldower “ den Begriff „Mastermind, bei dem alle Fäden zusammenlaufen“ durchgehen lassen und „Zinken“ wurden durch Chatnachrichten oder Voicemail per Handy ersetzt.
In einer Zeit – früher, als angeblich alles noch besser war – hatte die Bevölkerung, welcher Nation auch immer, keine Übersetzungsmaschinen und Translatoren zur Verfügung, notgedrungen musste aus der Sprache von „Fremden“ viel übernommen werden, um eine Verständigung zu ermöglichen.
Ich habe einen kleinen Ausschnitt, der das Transportwesen mit Pferd und Wagen betrifft, ins „Lesbare“ übertragen:
An Stelle der früheren, an den Ort gebundenen Wegelagerei ist der Straßenraub (Stradehandeln) eine ambulante Praxis geworden, deren rührige Bewegung ganz außerordentlich ist und auch außerordentliche Wachsamkeit nötig macht.
Zur raschen Bewegung und zum raschen Transport der von den Fahrzeugen auf der Landstraße gestohlenen Gegenstände dienen den Stradehaltern die Agolen, Michsegolen (Fracht- und Reisewagen). Es sind gewöhnlich leichte Stuhl-, Leiter- oder Korbwagen, mit einer zum Niederschlagen geeigneten Leinenplane, mit einem oder zwei nicht auffällig gezeichneten Pferden, die von der (Gauner-) Genossenschaft auf gemeinschaftliche Kosten unterhalten werden. Die Plane wird bald auf-, bald niedergeschlagen, je nachdem sich die Diebsgenossen (Chawrusse) sich sehen lassen zu dürfen oder verbergen zu müssen glaubten. Die Agolen haben meist einen Korb, versteckten Behälter oder doppelten Boden zum Verbergen des nötigen Raubwerkzeuges (Schränkzeug).
An den Hafenkais, Packhöfen, Speichern und Wirtshäusern erfährt die Diebsgenossenschaft (Chawrusse) durch die Baldower (Ausspäher, Auskundschafter), welche Waren auf den Latschen (Frachtwägen) geladen sind. Jedes Mitglied der Chawrusse kennt die Stauregeln, trotz dem besten Fuhrmann, und weiß daher, welche Waren in der Latsche oben, hinten, an die Seiten geladen werden müssen.
Gewöhnlich hält der Frachtfuhrmann die abgerundete, trockene und ebene Mitte der Chaussee , und geht auch meistens neben dem Sattelpferd an der linken Seite einher. Die Chawrusse fährt daher gewöhnlich an der rechten Seite des Frachtwagens vorbei, und überzeugt sich durch einen Schlag mit der Peitsche oder auf sonstige Weise durch lustiges Rufen und Jauchzen, ob ein Hund in oder bei dem Wagen ist. Im letzteren Falle wird eine Strecke voraus der Peger (Giftköder) für den Hund ausgeworfen. Friedrich Christian Benedict Avè-Lallemant: Das Deutsche Gaunertum, Verlag Suchier, 1858
Das Pegern: Einige Tage vor einem geplanten Einbruch oder Raub werden hinderliche Hunde gepegert, also vergiftet. Neben bekannten Gifte wurde auch eine besonders niederträchtige Methode angewandt, wenn kein Zeitdruck bestand: Badeschwamm wurde in kleine Stücke zerschnitten, mit Fett und Salz zusammengebacken und verfüttert. Durch das Aufquellen in Magen und Darm war ein qualvoller Tod sicher.
Das Meistern: Begleiter der Diebe haben die Aufgabe, die Aufmerksamkeit unerwartet dazukommender Personen zu bannen, damit ein begonnenes „Unternehmen“ verborgen bleibt oder zu Ende geführt werden kann. Geistesgegenwart und Verwegenheit sind Voraussetzungen für das Meistern; abstrakt kann man also annehmen, dass Baldower und die mit Meistern Beauftragten eng zusammenarbeiten, „Meistern“ also eine Art Aufsichtsfunktion beinhaltet.
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Im Frühsommer dieses Jahres stieß ich im World Wide Web auf diese Nachricht:
Eine Pferdefachwirtin erschwindelte sich mit Charme und Fachwissen über eine Million Euro, bis sie wegen schweren Betrugs festgenommen wurde. Die „Masche“ der 41 – Jährigen bestand darin, dass sie die Bekanntschaft von betuchten und – offensichtlich – wohlhabenden Menschen vornehmlich in der Golfer- und Reiterszene suchte und anbot, deren Geld in Pferde zu investieren, die sie durch ihr „spezielles Training zu hochkarätigen Spring- und Dressurpferden aufpimpen“ wollte, um sie dann mit hohen Gewinnen zu verkaufen. Die Hälfte des erzielten Erlöses sollte dann jeweils der Investor einstreichen.
Mindestens zwölf „Investoren“ sind der angeblich attraktiven Verführerin auf den Leim gegangen, keiner sah sein Geld wieder, manche auch die Pferde nicht – ein besonders Begnadeter wurde um € 150.000.00 geprellt. Besonders widerlich ist, dass die Betrügerin auch Personen in ihrem Bekanntenkreis hinterging, die ihr das sauer Verdiente anvertrauten. Als Motiv wurde Geltungssucht und Größenwahn vermutet – Designerkleidung, Jeep – alles hat seinen Preis – wenn man mit fliegender Mähne, frisch gestriegelt dem Porsche die Sporen gibt und ein Dutzend gierige Glücksritter vor den Wagen spannt.
In meinen Augen ist der Investor ein naher Verwandter, wenn nicht sogar der Zwillingsbruder des Spekulanten, Hasardeure sind vermutlich Pate gestanden, Mutter Gier hielt sie im Arm.
Investor: Als Investor, oder Anleger, wird eine Person bezeichnet, die ihr Kapital in der Hoffnung investiert, daraus Gewinne zu erzielen (Internet, eine zeitgenössische „Berufs“-Bezeichnung, die im DUDEN (noch) nicht aufscheint)
Spekulant: Personen, die dadurch hohe Gewinne zu erzielen versucht, dass sie Preisveränderungen bei Aktien, Grundstücken, und anderen Objekten zu günstigen Geschäften ausnützt (DUDEN)
Hasardeur: Jemand, der leichtsinnig Risiken im Vertrauen auf sein Glück in Kauf nimmt und alles aufs Spiel setzt, ohne Rücksicht auf andere (DUDEN)
Ein Fall von Betrug und illegalem Handel mit Pferden wurde vom Berichterstatter Andreas Kockartz im Juni 2022 geschildert:
In zwei belgischen Provinzen wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt und in der Folge sechs Personen festgenommen, die im Import-Exportgeschäft mit Pferden befasst waren. Die Festgenommenen fälschten die Identitäten von Sportpferden, um deren Fleisch illegal in die Nahrungskette für Menschen zu bringen.
Auf Grund der Verdachtslage bestand die Vermutung, sowohl Dokumente wie auch Mikrochips gefälscht bzw. manipuliert zu haben, da Reitpferde in Belgien nicht dafür vorgesehen sind, als menschliche Nahrungsmittel verwertet zu werden.
Im Zuge der Razzien wurden auch diverse Medikamente, überwiegend Hormonpräparate und Betäubungsmittel sichergestellt, zudem erhärtete sich der Verdacht, dass auch Tierquälerei durch überlange Transporte und Vorenthaltung ausreichender Fütterung und Tränke vorliegt.
Zit.: „Die belgische Polizei geht davon aus, dass diese belgischen Pferdehändler zu einem international operierenden Kreis gehören, der gut vernetzt ist. Deshalb wird der Vorgang auch gemeinsam mit Europol bearbeitet.“
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Die junge Dame wirkte nachdenklich, es war offenkundig, dass sie noch Einiges am Herzen hatte.
„Vor einiger Zeit“ begann sie „war auf diesem Forum von dem Vorfall zu lesen, dass zwei Jugendliche zu Silvester 2022 in Deutschland in der Nähe einer Pferdekoppel einen Böller abgebrannt hatten; die dort gehaltenen Pferde waren deshalb in Panik geraten, wobei sich ein Tier schwer verletzte. Offensichtlich war Anzeige erstattet worden oder die Behörden hatten von sich aus interveniert, jedenfalls kam es zu einem Strafverfahren, in dem beide Angeklagten freigesprochen worden waren – als Begründung für den Freispruch, so war dem Berichte zu entnehmen, führte das Gericht in seinem Urteilspruch an, dass die beiden erst 17 und 20 Jahre alt waren und eine Dummheit, aber ohne Vorsatz, begangen hätten.
Ich kann mich erinnern, dass in Ihrer Serie „Die Fälle des Dr. K.“ auch irgendwann von einem ähnlichen Ereignis berichtet worden war.“
„Ja, erinnere mich sehr wohl an diesen Fall – für Details müsste ich in meinem Archiv nachsehen – allerdings kann ich auswendig sagen, dass dieser Fall vor einem Zivilgericht verhandelt wurde, also kein Strafverfahren vorlag.
Die Klägerin war Halterin von Pferden in Offenstall-Haltung, der Beklagte veranstaltete im Rahmen einer Geburtstagsfeier ein Feuerwerk, das zur Folge hatte, dass einige Pferde ausgebrochen sind, in der Folge auf eine Bundesstraße liefen und dort einen schweren Verkehrsunfall verursachten; ein Pferd kam ums Leben. Das Gericht verurteilte den beklagten „Feuerwerker“ zu Schadenersatz in voller Höhe, das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Foto: ATA Mag. Ignaz Zitterer, 2014
Es liegt also ein grundsätzlicher Unterschied zwischen diesen beiden Verfahren vor: in Deutschland eine Strafsache wegen Tierquälerei, in Österreich ein Zivilprozess um Schadenersatz, auf der einen Seite eine mögliche Verurteilung mit Eintrag ins Vorstrafenregister, auf der anderen eine finanzielle Abfindung.
Ein Strafrichter (jedweden Geschlechts), zwischen den Gegenpolen Staatsanwaltschaft und Verteidigung stehend, muss im Rahmen des Hauptverfahrens zu einer inneren Überzeugung kommen, die ohne Zweifel eine Schuld erkennt – oder eben nicht!
Zivilrichter leiten ein Dispositionsverfahren, sie hören die Argumente der klagenden und der beklagten Partei und entscheiden dann – in freier Beweiswürdigung – nach Gesetzeslage.
Ein international bekannter Anwalt und Politiker hielt kürzlich in einem Statement für eine Wochenzeitung fest: „Das A und O ist das Prozessrecht, nicht das inhaltliche Recht!“
Das Urteil eines Strafgerichtes kann dem Leben eines Angeklagten eine andere – unerwünschte – Richtung geben, beim Urteil der Zivilrichter geht es in letzter Konsequenz um die Frage: wer zahlt wieviel an wen?
Deshalb hört man oft von Juristen: Keine zehn Pferde bringen mich dazu, Strafrichter zu werden.
Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte:
Offizielle Karte für Rotes Kreuz, Kriegsfürsorgeamt, Kriegshilfsbüro Nr.429; aus dem Goldenen Buche der Armee, Serie IV:
„Beschlagmeister Peter Hodbod der k.k. Landwehr-Feldhaubitzendivision Nr.13 wird beim Pferdebeschlagen von feindlichem, schwerem Geschützfeuer überrascht.
Trotz der großen Gefahr sorgt er kaltblütig für die Bergung der unruhigen Tiere."
(Aus „Ehrenhalle, Heft I, herausgegeben vom k.k. Ministerium für Landesverteidigung)
Die Aussage dieses Bildes für das seinerzeit verfasste Gutachten:
Selbst kampferprobte Militärpferde geraten in Panik, wenn in der vermeintlich sicheren Umgebung einer Beschlagschmiede sich plötzlicher Gefechtslärm auftut. Ich erinnere mich noch gut an die Gidran-Stute SIRIKIT, eine große schwierige Fuchsstute, jede laufende Maus und jeder hüpfende Grasfrosch löste bei ihr pures Entsetzen aus, Feuerwerke und Böller zu Silvester ließen sie völlig kalt, aber die „große Trommel“ der Blasmusik– beherzt geschlagen von einem Schlegelakrobaten – beim Vorbei-Reiten auf einem Leonhardi-Ritt ließ sie einige Kilometer durchgehen:
„Pferde sind (eben) unberechenbare, von ihren Trieben und Instinkten geleitete Tiere“ (OGH)
Damit beendete der alte seine Konversation mit der jungen Dame, die ihm wegen deren Wissbegier stets großes Vergnügen bereitete.
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Das Österreichische Strafgesetzbuch definiert die Entscheidungsgrundlage in den §§ 5, 6 und 7.
§ 5 Strafgesetz Vorsatz
(1) Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
(2) Der Täter handelt absichtlich, wenn es ihm darauf ankommt, den Umstand oder Erfolg zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt.
(3) Der Täter handelt wissentlich, wenn er den Umstand oder Erfolg, für den das Gesetz Wissentlichkeit voraussetzt, nicht bloß für möglich hält, sondern sein Vorliegen oder Eintreten für gewiss hält.
§ 6 Strafgesetz Fahrlässigkeit
(1) Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.
(2) Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will.
§ 7 Strafgesetz – Strafbarkeit vorsätzlichen und fahrlässigen Handelns
(1) Wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, ist nur vorsätzliches Handeln strafbar.
(2) Eine schwerere Strafe, die an eine besondere Folge der Tat geknüpft ist, trifft den Täter nur, wenn er diese Folge wenigstens fahrlässig herbeigeführt hat.
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Es war einmal ein Pferd …..
(Tierverse von Paul Dessau, 1894 – 1979)
Es war einmal ein Pferd,
das war nicht sehr viel wert,
für das Rennen war es zu dumm,
vor den Wagen gespannt, fiel es um.
Da wurde es Politiker,
es ist jetzt hoch, hoch geehrt.
Fotos, Grafiken und Literatur: Archiv & ex libris Dris. Kaun
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...Weitere Artikel zu diesem Thema:02.12.2023 - Kriminelle Aspekte in der Hippologie: Händler, Mäkler, Agenten, Sensale
Kriminelle Aspekte in der Hippologie: Händler, Mäkler, Agenten, Sensale 02.12.2023 / News
Unverfrorenheit und Dreistigkeit gehören bei manchen Pferdehändlern zum Handwerkszeug, doch leider sind mitunter selbst Veterinäre nicht vor diesen Eigenschaften verschont, was der alte Herr an einem besonders verwerflichen Fall illustriert, nebst spannenden historischen Bemerkungen.
Symbolfoto: Archiv ProPferd/Petr Blaha
„Ihr Interesse freut mich, ich werde später in meinem Archiv nach diesem Urteil suchen, aber vorher möchte ich Ihnen Beiden noch einen anderen, in meinen Augen besonders verwerflichen Fall schildern!“
Der alte Herr hatte der jungen Dame, die heute zusammen mit ihrem Gefährten und Gesprächspartner am Kamin ins Haus gekommen war, mit einer leichten Verbeugung aus dem Mantel geholfen und ihre Begrüßung „Schön wieder bei Ihnen zu sein, ich habe brennendes Interesse am Ausgang des Falles mit dem Pferde, das drei Personen gebissen hat – Sie hatten meinem Freund bei seinem letzten Besuch davon erzählt“ mit zufriedener Freude aufgenommen.
Nach einem kleinen Schluck aus dem Glase mit vorzüglichem Brandy lehnte sich der alte Herr in seinem Lehnstuhl zurück, atmete mit ernstem Gesicht tief durch:
„Obwohl diese Strafsache fast 30 Jahre zurück liegt, ist sie mir wegen ihrer Unverfrorenheit und Dreistigkeit noch immer in guter Erinnerung. Eine Frau mittleren Alters hatte vor vierzehn Tagen zwei Pferde, die aus einem osteuropäischen Land stammten, gekauft – für sich und ihre Tochter – eine herausfordernde Entscheidung für die beiden, die keine Ahnung von Pferden hatten – nun waren sie plötzlich für eine Stute und einen Wallach verantwortlich. Die Pferde hatten dringend eine Hufkorrektur benötigt und bekommen, seitdem zeigte der Wallach „Beinprobleme“.
Ein Tierarzt, der in der Nähe auf einem Bauernhof neben den dort gehaltenen Einstellpferden eine Art „Pferdeklinik“ betrieb, wurde beigezogen; kaum war er am Betrieb von Mutter und Tochter eingetroffen und hatte den Wallach eines nur kurzes Blickes gewürdigt, wandte er sich ungefragt - und ohne darum gebeten worden zu sein – der Stute zu und konstatierte bei dieser, ohne sie untersucht haben, die „Blickdiagnose Hufrehe“ !
In eindringlichen Worten schilderte der Tierarzt der Neo-Pferdeeigentümerin die Schmerzen, ja Qualen, die dieses Pferd im Augenblick erleide – so glaubwürdig, dass diese der Empfehlung, das Tier sofort einzuschläfern, ohne Bedenken und in gutem Glauben an die Meinung dieses Fachmannes zustimmte – zuvorkommender Weise wollte der Veterinär alles Erforderliche in die Wege leiten.
Am nächsten Tag, einem Sonntag, kam Johann X., der Landwirt, auf dessen Hof die „Pferdeklinik“ des Tierarztes beheimatet war, mit seinem Transportfahrzeug, und gab vor, dass auf Grund besonders guter Beziehungen die Stute noch heute, Sonntag, auf einem Großschlachthof in S. „von ihren Leiden erlöst“ werden würde. Bei seinem Erstbesuch hatte der beigezogene Tierarzt der fachlich völlig unbedarften Pferdeeigentümerin und deren Tochter geraten, sich am Vorbesitzer, einem Hobby-Pferdehändler, schadlos zu halten; dieser hatte aber das Pferd seinerseits ebenfalls von einem „Branchen-Kollegen“ – also einem „schwarzen“ Pferdehändler (weißer Hautfarbe) erworben; an diesen wandte sich nun die Frau mit ihrer Tochter, um eine Mängelrüge in die Wege zu leiten.
Nach einigem Drängen erhielt die Frau dann für diese Absicht ein Schreiben mit der Bezeichnung „Tierärztliches Attest“, das mit einem Ausstellungsdatum versehen war, das drei Wochen nach dem Abholtag des Pferdes zur „Erlösung“ lag und keine Unterschrift trug: Es wurde angeführt, dass eine Sektion erfolgt war, von beiden Vorderextremitäten Gefrierschnitte angefertigt wurden, eine hochgradige Hufrollenentzündung gefunden wurde und am linken Strahlbein eine doppelte Fraktur vorlag.
Als die Eigentümerin der Stute mit den beiden „Händlern“ in Verbindung getreten war, begannen erste Verdachtsmomente zu keimen – nämlich, dass die Stute möglicherweise noch am Leben und in der „Klinik“ des konsultierten Tierarztes sein könnte. Derjenige Händler, der die Stute und den Wallach aus Osteuropa importiert hatte und dem Tierarzt unbekannt war, begab sich mit seiner Lebensgefährtin zum Hofe, auf dem die Tierklinik neben dem Einstellbetrieb ihren Sitz hatte, gab vor, ein Pferd kaufen zu wollen, wobei er einen preislichen Rahmen von € 25.000.00 bis 30.000.00 aufzeigte. In der Folge wurde ihm neben einigen anderen Pferden eine ukrainische Fuchsstute mit dem Prädikat „sehr gut geritten und ausnehmend brav“ vorgestellt, in der er ohne jeden Zweifel die besagte Stute erkannte.
Noch am selben Abend erstattete die Eigentümerin Strafanzeige bei der Exekutive, zwei Streifenbeamte fuhren unverzüglich zum Hofe der Tierklinik, wo drei Zeugen die Identität des Pferdes zweifelsfrei bestätigten.
Der Hofbesitzer, also Hausherr für Einstellbetrieb und Tierklinik bestritt nichts, sondern gab an, dass Dr. X.X., Betreiber der Tierklinik-der „Eigner“ dieses Pferdes sei und ihn um Überstellung auf seinen Betrieb ersucht hatte.
Im Rahmen des Strafverfahrens kam, auf dem Briefkopf der Tierklinik, folgendes Schriftstück zutage:
Bei der Sektion am 19.2.19xx ergab sich am Gefrierschnitt der beiden vorderen Extremitäten eine hochgradige Hufrollenentzündung. Das linke Strahlbein wies eine doppelte Fraktur auf. Dadurch war das Pferd für den Verwendungszweck unbrauchbar und wurde der Schlachtung zugeführt.
Unterschrift (unleserlich) Stempel der Tierklinik
Im Laufe des mittlerweile gerichtsanhängigen Falles – wegen §§ 146, 147/1, 223/2 StGB: der Wortlaut ist im Internet nachzulesen) kam es auch zu einer Befundaufnahme durch den bestellten Sachverständigen, die sieben Monate nach dem Erstkontakt mit dem Tierarzt erfolgte. Die Stute war auf Weide, in gutem Ernährungszustand, ohne Lahmheit und bei der intensiven orthopädischen Untersuchung völlig schmerzfrei; Rehe-Hufe lagen nicht vor.
Rehe-Hufe aus Leisering-Hartmann: Der Fuß des Pferdes, G. Schönfelds Dresden 1893
Die Pferdeeigentümerin gab bei dieser Gelegenheit an, dass die verfahrensgegenständliche Stute bei ihrer Abholung zur vorgeschützten „Schlachtung“ im Februar völlig problemlos und ohne jeden Zwang auf das Transportfahrzeug gegangen war, auch auf den Röntgenbildern, die kurz nach „Auffliegen“ des Falles von einem anderen Tierarzt angefertigt worden waren, konnten keine diagnostischer Hinweise für Hufrehe gefunden werden.
Die Tierklinik des hier geschilderten Tierarztes trug den Namen eines Heiligen, der für seine Aufrichtigkeit am 9. August 258 n. Chr. durch das Fallbeil starb.“
Vorwort des Autors: Lübeck August 1858
Der Vulgär-Ausdruck „bescheißen“ für „betrügen“ leitet sich von dieser Gepflogenheit des Milieus ab, auch der Ausdruck „so lange die Scheiße am Dampfen ist“ für die Bezeichnung einer sicheren Zeitspanne noch immer gebräuchlich; wie auch andere einschlägige Gewohnheiten den Eindruck erwecken können, mancher Aberglaube damaliger Zeit wäre nahtlos in „fake-news“ heutiger Tage übernommen worden und würde dergestalt zur galoppierenden Verblödung beitragen.
Aber, wie so oft, ein Quäntchen Wahrheit kann versteckt sein:
„Unrecht Gut gedeiht nicht“ hat somit bei dem Gauner auch innere Notwendigkeit. Der solide reiche Mann bringt der Sphäre, in der er lebt, genau so viel an pekuniären Opfern, wie ihm die wohlbegriffene Notwendigkeit vorschreibt, um sich in dieser Sphäre zu halten. Dieses Maß ist ihm natürlich und individuell und verleiht im daher die natürliche volle Würde des reichen Mannes.
Der als vornehmer Herr reisende Gauner macht aber, umgekehrt, glänzende Ausgaben, um damit Würde zu gewinnen.“
(Seite 24, 3. Abschnitt Das moderne Gaunertum in Friedrich Christian Benedict Avè-Lallemant: Das deutsche Gaunertum, Verlag Ralph Suchier, Wiesbaden1858)
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Der alte Herr lehnte sich mit besorgtem Gesicht zurück und fuhr fort: „Ich habe den Eindruck, dass durch die Veränderung des meteorologischen Weltklimas mit Wechsel der lokalen Wetterverhältnisse auch eine Veränderung des intellektuellen Weltklimas verbunden ist, der Lauf des Jahres und die „Gezeiten“ der Natur werden ebenso mit „Schlauheit“ – welche die Klugheit ersetzt hat- hinweggewischt, wie der Wechsel von Tag und Nacht; mit Hinweis auf die Glühbirne in der Stehlampe wird die Nacht zum Tage gemacht auch im Pferdestall!
Die Zeit von Ende Oktober bis Anfang Februar ist für Pferde eine außerordentlich sensible Periode – es nimmt die Tageslänge ab, die Natur reduziert alle ihre Aktivitäten auf das notwendige Mindestmaß, um nach der Wintersonnenwende mit frischer Kraft und länger werdenden Tagen in ein neues Jahr zu starten. Am nördlichen Teil der Halbkugel ist die Wintersonnenwende mit der längsten Nacht am 22. Dezember 2023 – bis dahin wird abgebaut!
Die angesprochene empfindlich-kritische Zeit für Pferde beginnt mit dem winterlichen Haaransatz, ein kräfteraubender Prozess (der an den Hufen abzulesen ist), setzt sich dann fort mit der allgemeinen winterlichen Abkühlung der Umgebung - so wie zu dieser Zeit die „Natur“ ist auch der Organismus der Pferde „durcheinander“. Es ist in dieser Zeitperiode empfehlenswert, Kraftfutter warm zu verabreichen, gutes Speiseöl wie Maiskeimöl oder Sonnenblumenöl und Bierhefe zu verabreichen, Tränkewasser anzuwärmen (oder zumindest zu „überschlagen“) und für gute Einstreu zu sorgen, kalte Füße und kalte Nahrung rauben dem Körper Energie und Widerstandskraft, Frischluft im Stalle JA, Zugluft aber NEIN – stundenlanges im „Gatsch“ stehen kostet Kraft.“
Der alte Herr goss seinen Gästen und sich selber etwas Brandy nach. „Eine zweite Geschichte, in der es auch um Betrug und Täuschung geht, habe ich für heute Abend noch vorbereitet:
„Ein nicht gänzlich unbekannter Dressurtrainer nutzte den finanziellen Engpass einer Pferdebesitzerin aus, die ihn kontaktiert hatte, weil sie wusste, dass er sich mit der – wie er es nannte- Vermittlung von Pferden befasste. Die Pferdeeigentümerin hatte ihr Dressurpferd im Laufe einer zehnjährigen soliden Ausbildung weit gefördert und war bis in hohe Klassen erfolgreich. Der Trainer sagte zu, das Pferd, das vor zehn Jahren um etwa € 20.000.00 erworben worden war, um einen Betrag von zumindest € 100.000.00 zu verkaufen, nach Abzug seiner persönlichen, nicht exakt festgelegten „Marge“ wolle er den Rest des Erlöses überweisen.
Kurze Zeit später musste das Pferd zu diesem Verkauf in den Stall der Ehefrau des Trainers ins Ausland überstellt worden werden, da gab der Trainer der Pferdeeigentümerin bekannt, dass auf Grund des schlechten Gesundheitszustandes des Wallachs nur € 35.000.00 zu erzielen waren, die Provision für seine Vermittlungsbemühung legte er mit € 5000.00 fest. Die Verkäuferin war nun misstrauisch geworden und stellte Nachforschungen an, die ans Licht brachten, dass der Trainer das Pferd aber um € 84.000.00 nach Südeuropa verkauft, aber der Eigentümerin lediglich € 30.000.00 überwiesen hatte.
(Quelle: Wrangel: Das Buch vom Pferde)
Im Zuge der Befundaufnahmen und des Beweisverfahrens kamen noch bemerkenswerte Aspekte zum Vorschein:
– Ein Kaufinteressent ist bekannt, der bei der Sommer-Olympiade starten möchte. Deshalb müsse die Überstellung des Pferdes in einen ausländischen Stall unverzüglich erfolgen.
– Für Olympia kann ein Pferd durchaus schon älter und muss nicht ganz fit sein.
– „Ich habe sie auf gewisse Probleme angesprochen, da hat die Eigentümerin erklärt, dass sie das ohnehin wisse.“
– Die Bilder waren Röntgenklasse III.
– Als Kenner der Dressurszene habe ich gewusst, dass das Pferd schon auf Grund seines Alters gewisse Problemchen hat“ (Tierarzt bei Untersuchung)
– Nach Einschätzung des (obigen) Tierarztes war das Pferd in einem Top-Zustand.
– Trainer: „Ich habe gegenüber der Käuferin nie behauptet, dass das Pferd ganz gesund sei!“
– Ein anderer Trainer: „Ich bestätige, dass das Pferd immer wieder tierärztlich behandelt werden musste, um erfolgreich an Turnieren teilnehmen zu können.“
– Bisher betreuender Tierarzt: „Ich habe ihm auch erklärt, dass ohne sportmedizinische Betreuung sicher Probleme auftreten werden. Bei entsprechender Betreuung wäre es aber schon möglich, viel Freude mit diesem Pferd zu habe. [….] Bei den arthritischen Erscheinungen muss therapeutisch, insbesondere medikamentös vorgegangen werden.“
– Drei weitere Mittelsmänner als „Verkaufshelfer“ haben in Summe € 14.500.00 kassiert.
Friedrich Christian Benedict Avè-Lallemant: Das deutsche Gaunertum, Verlag Ralph Suchier, Wiesbaden 1858
In gewissen Milieus ist es üblich, sich mittels „graphischer Zinken“ zu verständigen; ebenso wie der „phonische Zinken“ – also eine Verständigung durch Nachahmung von Tierstimmen – ist diese Kommunikation mittlerweile durch Handy, Postings und Blogs ersetzt worden. Durch Imitation des „Eulenschreis“ hofft so Mancher aber noch heute, für klug gehalten zu werden.
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In einem Nebensatz brachte der alte Herr zum Ausdruck, dass er in einigen dieser „alten“ Geschichten doch eine nicht geringe Ähnlichkeit mit laufenden Geschehnissen der Gegenwart erkennen würde.
Hierauf wandte er sich seinen jungen Gästen zu und setzte fort: „Ihre Frage, geschätztes Fräulein, zu dem Fall des bissigen Pferdes, das einige Personen nicht unerheblich verletzt hatte: Ich war in dieser Rechtssache als Privatsachverständiger der Pferdekäuferin beigezogen und wurde deshalb logischerweise vor Gericht als Zeuge vernommen. Als Gerichtsgutachter war – weil ich infolge meiner Tätigkeit als Privatgutachter ausschied-ein geschätzter Kollege bestellt worden.
In der Beweiswürdigung hielt das erkennende Gericht fest – ich gebe hier auszugsweise wieder:
– Die Behauptung der Klägerin, das Pferd sei mit dem Mangel der Bösartigkeit behaftet und sei für den vereinbarten Gebrauch nicht verwendbar, wird widerspruchsfrei durch das private Sachverständigengutachten des Dr. Kaun bestätigt. Darüber hinaus stimmt der bestellte Gerichtssachverständige diesen Ausführungen zu.
– Die Feststellung, dass das Pferd bereits zum Zeitpunkt des Kaufes mit dem Mangel der Bösartigkeit behaftet war und diese durch den Beklagten ruhiggestellt wurde, ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Kaun, der zu dem Ergebnis gelangte, dass mit an hundertprozentiger Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Bösartigkeit des Pferdes schon bei der Übergabe an die Klägerin vorlag.
– Zur Feststellung, dass dem Beklagten die Bösartigkeit bekannt war, ist auf die Ausführungen des bestellten Sachverständigen zu verweisen, der dann von einem „Hätte -Auffallen – Müssen“ spricht, da sich das Tier zwei bis vier Wochen beim Beklagten befunden hat.
Zur rechtlichen Beurteilung hält das Gericht fest:
– Der Beklagte hat seine Aufklärungspflicht in Bezug auf die Bösartigkeit des Pferdes geradezu arglistig verletzt.
– Dem Beklagten ist sein Verhalten persönlich vorwerfbar – vielmehr hat er diesen, ihm bekannten Mangel des Pferdes vor der Klägerin durch die Methode des Aushungerns (Futter + Wasser) bewusst verborgen.“
Mit gewisser Zufriedenheit blickte der alte Herr zu seinen Gästen: „Wir haben in der Hippologie als Lehre von Pferden im – sprichwörtlich – weitesten Sinn, das Glück, ja das Privileg, dass es in diesem Chambre noch nie eine Bücherverbrennung oder ein Publikationsverbot gab:
In fast 50 Episoden wird im Buch „Cancel Culture – Ende der Aufklärung“ – Ein Plädoyer für eigenständiges Denken (Julian Nida-Rümelin, Piper 2023) dargestellt, wie beginnend bei Pharao Echnaton (1351 v. Chr.) im Altägypten bis zum Gouverneur DeSantis (USA 2022 n. Chr.) freie Meinungen, andere Ansichten und revolutionäre Entwicklungen unterdrückt, verfolgt und vernichtet wurden.
Man könnte also fast glauben, dass das moralisch einwandfreie Wesen Pferd über eine positive Ausstrahlung auf „seine Menschen“ verfügt.
Fotos, Grafiken und Literatur: Archiv & ex libris Dris. Kaun
25.11.2023 - Kriminelle Aspekte in der Hippologie: Gibt es böse Pferde?
Kriminelle Aspekte in der Hippologie: Gibt es böse Pferde? 25.11.2023 / News
Der Forensiker weiß: Pferde können – namentlich durch Tierquälerei – zum Opfer von Menschen werden, doch in manchen Fällen ist es auch umgekehrt. Aber gibt es überhaupt soetwas wie „Bösartigkeit bei Pferden"? Der alte Herr hat da – nach Jahrzehnten der Erfahrung – seine Zweifel ...
Über Duldsamkeit und Absicht
Die Palette krimineller Aspekte in der Hippologie ist umfang- und facettenreich: Betrug, Dokumentenfälschung, Sachbeschädigung, Diebstahl, Einbruch, Raub, arglistige Täuschung, sexuelle Belästigung durch Reitlehrer und Animal Hoarding zählen dazu, natürlich auch „eigenwillige“ Formulierungen bei der Beschreibung von Pferden in Inseraten oder bei Auktionen und „Fakes“ – die verdrehte Wahrheit oder wie „Wikipedia“ dies definiert: Schwindel, Fälschung.
Am meisten erregt aber der Tatbestand der Tierquälerei, egal ob in strafrechtlichem oder verwaltungsrechtlichem Sinne, regelmäßig die Gesellschaft zu – zumindest – scheinbarer Entrüstung; jetzt, vor Weihnachten, verlangt es der gute Ton und geheucheltes soziales Engagement, dass man sich „tierlieb“ gibt – dabei wird mancherorts auch gerne über die Stränge geschlagen.
Gemäß dem Newton'schen Wechselwirkungsprizip „actio et re-actio“ treten dann auch regel- und erwartungsgemäß Mahner und Aufklärer auf den Plan, die aufzeigen, dass auch Tiere „böse“ sein können – aber gibt es überhaupt „böse“ Pferde??
Um einer Antwort auf diese Frage näher treten zu können, ist es – wieder einmal – hilfreich, den DUDEN Bedeutungswörterbuch zu konsultieren: Unter „böse“ finden wir
– moralisch schlecht (eine böse Tat, böse Absicht, böser Mensch), wobei als sinnverwandte Begriffe angeführt werden:
– bösartig, boshaft, böswillig, garstig, gehässig, gemeingefährlich, giftig, maliziös, schikanös, schlimm, übel, überwollend, unausstehlich, unleidlich.
– Die für Kinder gerne gebrauchte Zuordnungen von „böse“, wie „nicht folgsam“ oder „nicht artig“ sind – auf Pferde übertragen – eher Erziehungsfragen.
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„Tempora mutantur, nos et mutamur in illis“ – die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns mit ihnen, behauptet ein lateinisches Sprichwort, dessen Ursprung Ovid zugeschrieben wird“ mit dieser Intrada begrüßte der alte Herr seinen jungen Gast, der diesmal alleine zum Kamingespräch erschienen war. „Ich muss Ihnen etwas Bemerkenswertes vorlesen“ – er nahm eine großformatige Wochenzeitung zur Hand, „Einem (neu erschienenen Buch) ist – bezugnehmend auf das N-Wort – folgender Warnhinweis vorangestellt: Sprache und Sprachgebrauch wandeln sich im Lauf der Zeit. Was in einer bestimmten Epoche angemessen erscheint, kann in der nächsten schon unangemessen sein. Den Wünschen des Autors entsprechend, wurde die Sprache Amerikas in den Siebzigerjahren historisch getreu wiedergegeben.“
Der Autor des Buches (von schwarzer Hautfarbe) dazu befragt: >Dieser Hinweis taucht nur in der deutschen und niederländischen Übersetzung auf – deutsche und niederländische Leser hatten empört an die jeweiligen Verlage geschrieben, weil ich bestimmte Wörter verwendet hatte, ich mag es nicht, wenn die Verlage wütende Briefe von Schwachköpfen bekommen. Mir persönlich ist es ziemlich egal, ob da ein Warnhinweis steht! < Dazu ist anzumerken, dass der „Warnhinweis“ in Wirklichkeit nicht der Wunsch des schwarzen Autors war, sondern wohl der prophylaktischen Entlastung des Verlages dienen sollte.
Erzählt man aus der langen Geschichte der Wissenschaft von Pferden, ist es unvermeidlich, ein Vokabular – z.B. das „Z“-Wort (für diejenigen Leser, denen dessen Bedeutung unbekannt ist = „Zigeuner“) zu benützen, das auch der jeweiligen Epoche stammt, weil man sonst die Geschichte verfälschen würde – der zweite Satz des eingangs zitierten Sinnspruchs beinhaltet in meinen Augen eine Aufforderung an den zeitgenössischen Menschen, sich auf Basis des Bisherigen weiterzuentwickeln, ohne das „Alte“ zu vergessen oder gar zu verdammen. Ein großer österreichischer Staatsmann (ja, solche hat es früher hierzulande gegeben) hat es in einem Fernsehinterview auf den Punkt gebracht: Lernen Sie Geschichte, Herr Redakteur!
Über das Gesicht des jungen Gastes am Kaminfeuer huschte ein Lächeln: „Wie sich die Zeiten ändern, konnte ich kürzlich auch an einem Film der bekannten „Kottan-Serie“ aus den achtziger Jahren bemerken – es war in der Programmzeitschrift ein Inhalt um das Thema „Tierquälerei“ angekündigt nach dem Motto „Wie du mir, so ich dir!“ oder so ähnlich. Vermeintliche Tierquäler werden von einem Serienkiller mit den gleichen Methoden misshandelt, die sie bei Tieren angewandt haben – wirklich komisch und sarkastisch fand ich in dieser Klamauk- Anhäufung nur folgende Szene!“
Der junge Herr zeigte auf seinem Mobiltelefon das zugehörige Bild mit dem Untertitel:
„Ein Trabertrainer, der seine Pferde unbotmäßig mit der Gerte angetrieben hatte, wird vom „Killer“ vor dem Sulky zu Tode getrieben.“
„Nun, so weit muss ein Protest gegen das Schinden von Pferden ja nicht gleich gehen, schon früher haben mitfühlende Teile der Bevölkerung dagegen ihre Stimme erhoben!“ der alte Herr zog aus einem Regal seiner Bibliothek ein schmales Heftchen hervor, vielleicht zwanzig Seiten dick, das er vor vielen Jahren in einem Antiquariat erworben hatte, das zeitlich vermutlich den letzten Jahren der Monarchie zuzuordnen war; er reichte es dem neugierig gewordenen jungen Herren, der anhub, darin zu blättern, immer wieder stutzte, ungläubig den Kopf schüttelte und schließlich einige Passagen vorlas:
„Öffnet die Augen, lernt sehen, geht nicht blind und teilnahmslos an dem Elend unserer Pferde vorüber. Es kostet weder Arbeit, Zeit noch Geld, nur einigen guten Willen.“
„Eine schändliche Tierquälerei liegt auch darin, dass altersschwache, ja sogar schwer kranke Pferde solange angetrieben werden, bis sie auf der Straße zusammenbrechen und der Tod sie von ihrer Pein erlöst.“
„Das Pferd eines Ziegelwagens, der vom Laaerberg kam, war auf dem Weg wiederholt gestürzt. Beim Tandelmarkt im 9. Bezirk konnte es nicht mehr weiter. Das Tier war in Schweiß gebadet und zitterte am ganzen Körper. Auf das Eingreifen eines tierfreundlichen Herren wurde es endlich ausgespannt, zu Polizeikommissariate geführt und mittels Rettungswagens in das Tierspital geführt.“
„Ein gestürztes Pferd ist sofort auszuspannen. Das eingespannte Pferd darf nicht zu Aufstehen gezwungen werden.“
„Kann ein Pferd die Last nur mit dem äußersten Kraftaufwande oder gar nicht von der Stelle bringen, dann ist ungesäumt auf Kosten des Fuhrwerksbesitzers Vorspann zu nehmen.“
„Der Abend mit Ihnen, werter Herr Doktor…“ sagte der junge Besucher sichtlich beklommen und mit belegter Stimme, „war wieder bemerkenswert – jetzt weiß ich auch, was die Bezeichnung „Vorspannhof“ bedeutet!“
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„Böse Pferde
sind seltene Erscheinungen in solchen Ställen, wo das Pferd Gegenstand einer liebevollen und rationellen Wartung ist.“ (Wrangel: Das Buch vom Pferde, 1910).
Unter Bösartigkeit – dem Gegenteil von „fromm sein“ – versteht man bei Pferden in der Regel eine Verhaltenseigenart, die mit „Beißen oder Schlagen“ bzw. mit „Beißen und Schlagen“ einhergeht, aber auch das habituelle „Wuzeln“ – also an die Wand drücken – ist dazu zu rechnen, wenngleich Letzteres vornehmlich bei Pferden, die am Stand gehalten wurden, verbreitet war. In der älteren Literatur wurden Pferde auch dann als „böse“ angesehen, wenn sie ordnungsgemäßen Dienst unter dem Sattel oder vor dem Wagen beharrlich verweigerten – sei es durch Steigen, kontinuierliches Rückwärtsrichten oder klassisches Abwehrverhalten z.B. Nicht aufsitzen lassen.
„Ich erinnere mich besonders an drei Pferde: Jovanka, Romeo und einen Vollblutaraber-Hengst.
Jovanka, eine Fuchsstute stand damals auf einem Stand zwischen einigen anderen Pferden; jedes Mal, wenn in der Stallgasse hinter ihr jemand vorbeiging, hob sie eines der Hinterbeine und „deutete“ an, wenn das Personal mit der Schubkarre fuhr, schlug sie treffsicher aus und war sichtlich zufrieden, wenn die mit Mist befüllte Karre durch die Stallgasse flog – ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit war ihr sicher. Trat man in ihren Stand, reagierte sie mit einem Drohgesicht, das wohl ein ganzes Bataillon in Flucht geschlagen hätte. Kam jedoch ihr Eigentümer mit Fahrzaum und Brustblattgeschirr über dem Arm in den Stand, war die Stute wie ausgewechselt – fromm, kooperativ und arbeitseifrig. Auch während des Anspannens gab es keine Drohgebärden mehr, an der Deichsel war ihr Leistungswille kaum zu übertreffen. Die Summe der positiven Eigenschaften sowohl im Reit- wie im Fahrdienst bewogen ihren Eigentümer, sie einem Hengst zuzuführen – mit gewisser Sorge sah man dem Augenblick der Geburt entgegen. Eine Woche vor dem erwarteten Ereignis kam sie in eine Abfohlbox, sie war sowohl beim assistierten Abfohlen wie auch in der späteren Säugeperiode bis zum Absetzen mustergültig und fromm- sowohl zu den vielen Menschen, die zum „Fohlenschauen“ kamen wie auch zu ihrem Nachwuchs – einige Wochen nach dem Absetzen kehrte sie zu ihren alten Untugenden zurück.
Romeo, ein großer Fuchswallach mit Dressurerfahrung und nicht mehr ganz jung, war im Reitdienst für seine Eigentümerin, die ihn abgöttisch liebte, der Inbegriff eines Traumpferdes. Als ein langer und schneereicher Winter Ausritte einschränkte, äußerte seine Eigentümerin den Wunsch, Romeo in einen „Goassl-Schnitten“ einzuspannen, wie dies einige Stallgefährten, wie auch ich, zu tun pflegten. Gesagt, getan – weder beim Aufschirren noch beim Heranführen an der Schlitten und Anspannen zeigte der große Fuchs irgend eine Erregung, auch nicht als ich am Schlitten Platz genommen hatte und ihn mit einem sanften „Komm“ und leichter Peitschenhilfe zu Angehen motivierte: Romeo richtete mit einer Ruhe und Konsequenz rückwärts, bis der Schlitten zerlegt und das Geschirr zerrissen war – eine Nachfrage bei seinem Vorbesitzer brachte zutage, dass dieses Verhaltensmuster bekannt war, aber Dienst an der Deichsel oder in den Anzen beim Kauf kein Thema war.
Weder Jovanka noch Romeo waren in meinen Augen böse Pferde.
Ein wirklich böses Pferd erlebte ich in Form eines vierjährigen Vollblutaraberhengstes, der als Jungpferd von seiner Besitzerin hoffnungslos verzärtelt worden war, ohne jemals in Grenzen gewiesen zu werden: es begann mit Zwicken, dann mit leichten Verletzungen, die lächelnd als „Liebesbisse“ eingestuft wurden, in der Folge begann der junge Rüpel ungestraft auf seine Besitzerin aufzuspringen – wobei er seine Absichten gar nicht zu verbergen suchte. Als der nunmehr gut Dreijährige kaum mehr aus der Box kam, weil er vollends unbeherrschbar wurde, kam ein „Trainer“, der mit Gewalt und Brutalität versuchte, dem inzwischen Vierjährigen seine Flausen auszutreiben – Aggressivität und bösartige Angriffslust waren der einzige „Lern-Effekt“ – unter dem Motto „Müßiggang ist aller Laster Anfang“ hatte das sehr schöne Pferd sein Leben verwirkt – umhüllt von falscher Liebe und ohne jede Erziehung.
Als mir der Hengst zur Kastration vorgestellt wurde, stellte sich heraus, dass er einseitiger Kryptorchide war – ein sogenannter „Klopfer“ – mit einem Hoden im Bauchraum – eine Abnormität, die häufig mit Bösartigkeit verknüpft ist.“
„Wehret den Anfängen“ sagen alte Rössler, wenn Pferde, die in Boxen gehalten werden, beginnen, herauszudrohen und nachzubeißen, wenn andere Pferde vorbeigeführt werden – irgendwann kann der Augenblick kommen, in dem das böse Spielchen auch beim Menschen versucht wird, vorzugweise bei Kindern.
Als „Fehler“ wird Bösartigkeit dann klassifiziert, wenn sie gewohnheitsmäßig auftritt und nicht nur ein Einzelereignis darstellt – aber dennoch nicht immer oder vorhersehbar auftritt, weshalb sie auch gelegentlich als verborgener Mangel vorkommt.
Als erblichen Charakterfehler muss man Bösartigkeit dann betrachten, wenn in der väterlichen oder mütterlichen Linie vermehrt und regelmäßig solches Verhalten auftritt. Hengste, kitzlige und übernervöse Pferde, hier vornehmlich Stuten, können solche Verhaltensabweichungen – manchmal sehr schnell – entwickeln, wenn die ersten Anzeichen nicht ernst genommen und augenblicklich abgestellt werden – eine Strafe muss jedoch in der Sekunde des Angriffes durch Beißen oder Schlagen erfolgen und nicht erst Minuten oder Stunden später – verbunden immer mit Reduktion von Kraftfutter und Erhöhung des Arbeitspensums; denn sticht der Hafer, nützt alles andere wenig!
Verhalten, wie es dieses Bild zeigt, wird häufig dadurch entwickelt, dass Kindern – aber nicht nur diesen – gestattet wird, Pferde mit Futter zu locken, wie dies auf dem unteren Bild dargestellt ist.
Ein kleiner Bub lief – von seiner reitenden Mutter nicht beaufsichtigt – längere Zeit zwischen Stallgasse und Wiese vor dem Stall hin und her und brachte den Pferden Grünfutter – plötzlich kam Geschrei auf, weil der Junge eine schwere Gesichtsverletzung aufwies. Im folgenden Gerichtsverfahren wurde das „Täter-Pferd“ sowohl von der Kindesmutter wie auch deren Rechtsvertretung als „bekannt bösartig“ dargestellt, obwohl es noch nie einen negativen Vorfall mit diesem Wallach gegeben hatte – die Rekonstruktion des Vorfalls kam zu dem Ergebnis, dass der Knabe gegen den eisernen Halfterring und den Pferdeschädel geprallt war und sich dabei eine Platzwunde zugezogen hatte.
Das Pferd hatte – in Erwartung eines Grasbüschels – nur den Kopf herausgestreckt.
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„Erkennt man „Bösartigkeit“ bei einem Pferd durch Beobachtung – das ist eine Frage, die ich mir in all diesen Fällen immer stellte, wenn „Branchen-fremde“ von gefährlichen und bösen Pferden sprachen?“ der alte Herr griff nach seinem iPad, auf dem er einige Fotos vorbereitet hatte. „Als wesentlicher Bestandteil der Bösartigkeit bei Menschen wird – sieht man Fachpublikationen und erzählende Literatur durch – die Heimtücke beschrieben, also (DUDEN) ein Wesen und Verhalten, das vom Streben bestimmt ist, jemandem heimlich und auf versteckte Weise zu schaden - als sinnverwandte Begriffe dienen Arglist, Bosheit, Falschheit, Hinterfotzigkeit, Hinterhältigkeit, Hinterlist; ich bezweifle, dass Pferde solch bewusster und geplanter Niedertracht fähig sind. Nach meiner Erfahrung ist „Bösartigkeit bei Pferden“ eine situationsabhängige reaktive, erlernte und kultivierte Verhaltensform – geprägt unter anderem von der Erkenntnis, dass Angriff die beste Verteidigung sei.
Einfühlsame Menschen können durch Beobachtung und Schlussfolgerung manches über die Geschichte eines Pferdes lernen und vermuten, das anamnestische Sofa des Psychiaters wird uns beim Pferde über weite Strecken dennoch verborgen bleiben.
Sofern Pferdefreunde unserer Tage überhaupt willens sind, sich mit charakterlich verdorbenen Pferden zu befassen, ist tiefe Kenntnis der Ausdrucksweisen dieser Tiere Voraussetzung, verbunden mit der Fähigkeit und dem Willen, die eigene Sicherheit (sofern sie besteht) mit dem Pferde zu teilen, klare Grenzen zu setzen und auf sinnlose Bestrafung zu verzichten.
Das homöopathische Prinzip „similis similibus curentur“ (also gleiches wird mit gleichem geheilt) funktioniert in diesem Falle nicht – wer also glaubt, einen „Pferde-Verbrecher“ mit dessen eigenen Methoden kurieren zu können, wird scheitern – denn es steht immer eine kraftvolle Pferdestärke gegen eine vergleichsweise schwächliche Menschenstärke – wer es nicht mit Geist, Geduld und Vertrauen schafft, sondern mit Tücke, wird letztendlich Heimtücke ernten.
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Frau S. wollte ihren nahen Ruhestand mit einem Pferd verschönern, auch für ihre Kreuzschmerzen war ihr Reiten von Seiten der Ärzte empfohlen worden. Über ein Inserat geriet sie an einen Händler, das angebotene Pferd, ein schmucker Brauner, gefiel ihr bei jedem Besuch besser, Proberitte verliefen zufriedenstellend und ohne Zwischenfall – Frau S. kaufte das Pferd.
Erst später, bei der gerichtlichen Aufarbeitung des Falles fiel ihr auf, dass sie das Pferd, bei ihren Besuchen beim Händler, nie in seiner Box gesehen hatte, jedes Mal stand das Pferd bereits ausgebunden und gesattelt auf dem Putzplatz.
Das Pferd in seiner Box bei der Befundaufnahme durch den Privatgutachter – der Betrachter möge sich selbst ein Bild von der charakterlichen Verfassung machen.
Das Pferd – vorgestellt im Freien – bei der Befundaufnahme durch den Privatgutachter – der Betrachter möge sich ein Bild von der charakterlichen Verfassung machen.
Innerhalb weniger Tage fügte dieser Wallach seiner Eigentümerin, dem Stallbesitzer und dessen Frau die abgebildeten Bissverletzungen zu. Der Privatgutachter kam in seiner Befundanalyse zur Schlussfolgerung, dass das Pferd durch langen Wasserentzug für den Kauf „vorbereitet“ worden war.
Unbeantwortet musste die Frage bleiben, aus welchem Grund der Braune dieses aggressive Verhaltensmuster angenommen hatte – neben dem bereits Erwähnten griff das Pferd – an der Longe bewegt – auch den Longenführer frontal an.
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Im Lehrbuch „Gerichtliche Tierheilkunde“ von Eugen Fröhner aus dem Jahre 1915 – eine Zeit, als man sehr häufigen Kontakt mit bösen Pferden hatte – wird dazu ausgeführt:
„In manchen Fällen kann indessen auch eine fortgesetzte unzweckmäßige Behandlung namentlich durch Strafen und Necken die Ausbildung von Bösartigkeit zur Folge haben.
[…..]
Bei der Untersuchung eines Pferdes auf Beißen oder Schlagen hat man sich davor zu hüten, gewisse unerhebliche Untugenden mit Bösartigkeit zu verwechseln.
[…..]
Die Entwicklung des Beißens und Schlagens geschieht in den meisten Fällen langsam; bei vielen Pferden handelt es sich sogar um einen angeborenen Charakterfehler […] Die schnelle Ausbildung des Schlagens kommt speziell bei unleidlichen, nervösen und kitzligen Pferden vor, wenn diese wiederholt fehlerhaft behandelt werden. Hierbei wirkt ein Wechsel des Standortes, des Wärters und Dienstes unterstützend mit.“
Das Lehrbuch „Gerichtliche Veterinärmedizin“ von Harro Köhler (Wien) und Helmut Kraft (München) aus 1984 definiert „Bösartigkeit“ als ein gewohnheitsmäßiges Verhalten eines Pferdes, dessen Handlungen an sich geeignet sind, die Gesundheit von Menschen oder Tieren zu schädigen. Der Mangel, äußert sich in Beißen und /oder Schlagen und An-die-Wand -drücken. Der Fehler ist teils habituell, meist aber erworben, wenn Pferde mit leicht erregbarem, empfindlichem Temperament fortgesetzt geneckt, lieblos oder falsch behandelt (gestraft) werden. Der Fehler findet sich am häufigsten bei warmblütigen Pferden, im Allgemeinen bei Hengsten, bei kitzligen oder nymphomanischen Stuten am wenigsten bei Wallachen.“
Aus der persönlichen Erfahrung des Autors dieser Zeilen muss hinzugefügt werden, dass er – in jungen Jahren – das An-die-Wand-Drücken als Spezialität von Norikern jedweden Geschlechts als Fast-Nahtod-Erlebnis mehrfach über sich ergehen lassen musste – mit 800 bis 1200 Kilogramm Lebendgewicht verfügen diese Pferde über sehr überzeugende Argumente – Klimakleben ist im Vergleich dazu ein Kinkerlitzchen.
Das „Lehrbuch der Gerichtlichen Tierheilkunde“ (Eikmeier, Fellmer, Moegle) aus dem Jahre 1990 führt den Begriff „Bösartigkeit“ zwar im Register an, ohne aber im Text näher darauf einzugehen – dies ist vermutlich als Indiz dafür aufzufassen, dass dieses Phänomen in unserer Zeit keine große Rolle mehr spielt. Unter dem Sammelbegriff Verhaltensstörungen und Untugenden werden Erscheinungen aufgezählt, die den ordnungsgemäßen Dienstgebrauch infolge gewohnheitsmäßiger Widersetzlichkeit erheblich mindern oder gar verhindern, wie Stätigkeit (sich nicht anschirren oder anspannen lassen, nicht zugfest Sein, Schlagen nach den Strängen oder dem Wagen, Leinenfangen), Widersetzlichkeit gegen den Schweifriemen, Sattelzwang, Gurtzwang, Ganaschenzwang, Steigen, Bocken, Kleben, Kopfscheue, Scheuen, Durchgehen, sich nicht Verladen oder Beschlagen lassen, Bösartigkeit, Schlagen, Beißen, Faulheit u.a.
Fotos, Grafiken und Literatur: Archiv & ex libris Dris. Kaun
17.11.2023 - Kriminelle Aspekte in der Hippologie: Heiße Luft & harsche Korrektur-Methoden
Kriminelle Aspekte in der Hippologie: Heiße Luft & harsche Korrektur-Methoden 17.11.2023 / News
Nicht immer sind die Dinge so, wie sie auf den ersten Blick erscheinen – diese einfache Weisheit bewahrheitete sich auch beim Fall einer vermeintlichen Pferde-Misshandlung vor etlichen Jahren. Diese Causa führt – nicht ganz zufällig – zu Korrektur-Methoden, bei denen man zu allen Zeiten kräftig über die Stränge geschlagen hat.
Heiße Luft und das Od der Pferde
„Seit geraumer Zeit….“ so begann der alte Herr das Gespräch am Kamin an diesem Abend „befassen wir uns mit Kriminalfällen im Umfeld von Pferden – in Form von Gutachten und Berichten. Es ist wohl an der Zeit, einige Klarstellungen zu treffen: Kriminalistik, Kriminologie und Kriminalität usw. – Begriffe, die äußerst ähnlich klingen, denen dennoch völlig verschiedene Bedeutungen innewohnen:
– Kriminalistik
– Kriminologie
– Kriminalität
– Kriminaltaktik
– Kriminaltechnik
– Kriminalistische Hypothesenbildung
Die wesentliche Aufgabe der Kriminalistik besteht darin, Straftaten und Verbrechen zu untersuchen, zu bekämpfen und – folgerichtig – zu verhindern. Die Aufklärung durch Untersuchung von kriminalistisch relevanten Sachverhalten hat das Ziel, die Wahrheitsfindung zu unterstützen, indem Beweise gesucht, gesammelt und ausgewertet werden – richterliche Entscheidungen sollen dergestalt auf dem Fundament wissenschaftlicher Grundlagen vorbereitet und unterstützt werden. Die forensische Hippologie, die bemüht ist, Vorfälle, Vergehen und Straftaten im Umfeld von Pferden auch wissenschaftlich zu ergründen, stellt einen kleinen Teilbereich dar. Die von mir in Jahrzehnte langer Arbeit entwickelten Methoden sind wissenschaftlich fundiert und praktisch anwendbar. Und werden in ihrer Klarheit von der Richterschaft geschätzt – was ich jedoch auch anmerken möchte, ist, dass viele Zivilrichter beiderlei Geschlechts, besonders an Bezirksgerichten, in Ausübung ihres Amtes nicht mehr den Talar – das schwarze Amtsgewand der Richterschaft – anlegen, sondern die Verhandlung in Zivilkleidung führen. Ich finde, dass hier ein verkehrtes Signal ausgesendet wird – Richter und Richterinnen sind in Ausübung ihres Richteramtes Vertreter der staatlichen Rechtsordnung und der Justiz – und eben nicht Personen wie Du und ich!
Die Kriminologie ist davon abzugrenzen, sie ist – übersetzt – die Lehre vom „Kriminellen“, beschäftigt sich also vornehmlich mit den Ursachen, Erscheinungsformen und Vorbeugungsmöglichkeiten in einer allgemein gültigen, aber weitgehend fallunabhängigen Form.
Der Begriff Kriminalität (vom Lateinischen „crimen: Beschuldigung, Anklage, Schuld, Verbrechen“) orientiert sich im Wesentlichen an der juristischen Definition der Straftat. Während sich die „Straftat“ oder der materielle Verbrechensbegriff jedoch eher an Einzelverhalten misst, werden mit „Kriminalität“ die Straftaten als Gesamtphänomen – gesellschaftlich gesehen - bezeichnet. Gemeint ist mit dem Terminus nicht nur das, von der Justiz als Straftat eingestufte Verhalten, sondern sämtliche Rechtsverletzungen in Form von strafrechtlichen Tatbeständen.
Die Kriminaltaktik ist ein wesentlicher Teil der Kriminalistik, der auf Basis theoretischer und wissenschaftlicher Grundlagen Erkenntnisse und Methoden umsetzt und zu einer Ergebnisbewertung führt.
Der Begriff Kriminaltechnik umfasst das Auffinden, Erkennen, Sammeln und Auswerten von Spuren und Beweismitteln aller Art. Der Bogen technisch-wissenschaftlicher Arbeitsmethoden ist hier fast unbegrenzt und entwickelt sich ständig weiter. Spurensicherung beginnt beim Erkennen einer Spur als Beweismittel bis zur Asservierung – eine nicht erkannte Spur ist meist für immer verloren.
Vereinzelte Schweif- und Mähnenhaare, die auf Grund ihrer Farbe und Struktur eine grobe Zuordnung erlauben, können durch DNA-Untersuchung einem Individuum zugeordnet werden.
Eine Kriminalistische Hypothesenbildung muss in sich logisch, praktikabel und widerspruchsfrei sein. Es werden Versionen formuliert, wie ein „Geschehen“ sich hätte ereignen „können“, wenn alle bekannten Informationen, Zeitabläufe und Erfahrungen berücksichtigt werden, ohne dass eine „vorläufige Version“ jedoch als „letzte Wahrheit“ angesehen wird. Vor allem zwei Verfahren finden Anwendung: Heuristik und Hermeneutik.
Heuristik bezeichnet die Kunst, mit begrenztem Wissen und wenig Zeit dennoch zu wahrscheinlichen Aussagen oder praktikablen Lösungen zu kommen. Es bezeichnet ein analytisches Vorgehen, bei dem mit begrenztem Wissen mit Hilfe mutmaßender Schlussfolgerungen Aussagen über ein Geschehen getroffen werden. Der Fachbegriff leitet sich vom (angeblichen) Ausruf des Archimedes „heureka!“ (Ich habe es gefunden)ab, als er das hydrostatische Grundgesetz des Auftriebs im Wasser entdeckt hatte.
Die Hermeneutik ist das wissenschaftliche Verfahren zur Auslegung von Texten (Aussagen, Protokolle) und des Verstehens von Handlungen. Das Verstehen von Sinnzusammenhängen in Lebensäußerungen aller Art aus sich selbst heraus (z. B. in Kunstwerken, Handlungen, geschichtlichen Ereignissen). (Oxford Languages)
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„Ich erinnere mich an einen Fall, der sich vor etwa 10 Jahren zugetragen hat, als es innerhalb weniger Monate eine Häufung von Verletzungen am Sexualtrakt von Stuten gab; es war die Zeit der beginnenden, seuchenhaften Ausbreitung verschiedener sozialer Medien – eine damals noch junge, sehr modern anmutende Möglichkeit der Kommunikation, auch innerhalb des Kreises von Pferdehaltern. In wenigen Stunden hatten sich die „beängstigenden Neuigkeiten“ im Sozialen Netzwerk verbreitet, wurden dort „bearbeitet“ und bis zur Unkenntlichkeit verändert. Mich erinnerte dieser Verlauf damals an die berühmte Verleumdungsarie aus dem „Barbier von Sevilla“ – die Bass-Arie des Dr. Bartolo, die ich mit dem wunderbaren Gottlob Frick dutzende Male gehört (und mitgesungen) hatte:
Die Verleumdung, sie ist ein Lüftchen
Kaum vernehmbar, in dem Entstehen
Still und leise ist sein Wehen
Horch, nun fängt es an zu säuseln
Immer näher, immer näher kommt es her
Sachte, sachte, nah zur Erde
Kriechend, schleichend - dumpfes Rauschen
Wie sie horchen, wie sie horchen
Wie sie lauschen, wie sie lauschen
Und das zischelnde Geflüster
Dehnt sich feindlich, dehnt sich feindlich aus und düster
Und die Klugen und die Tröpfe
Und die tausend hohlen Köpfe
Macht sein Sausen voll und schwer
Und von Zungen geht's zu Zungen
Das Gerede schwellt die Lungen
Das Gemurmel wird Geheule
Wälzt sich hin in Hast und Eile
Und der Lästerzungenspitzen
Zischen drein mit Feuerblitzen
Und es schwärzt sich Nacht und Schrecken
Schaurig immer mehr und mehr
Endlich bricht es los, das Wetter
Unter grässlichem Geschmetter
Durch der Lüfte Regionen
Tobt's wie Brüllen der Kanonen!
Und der Erde Stoss und Zittern
Widerhallt in den Gewittern
In der Blitze Höllenschlund.
Und der Arme muss verzagen
Den Verleumdung hat geschlagen
Schuldlos geht er dann, verachtet
Als ein Ehrenmann zu Grund!
Gerücht, Lüge und Verleumdung sind nahe Verwandte, das Od oder der Odem wurde vom Naturphilosophen Reichenbach als eine (angeblich vom menschlichen) Körper ausgestrahlte, den Lungen entströmende, das Leben lenkende Kraft angesehen, es liegt also auf der Hand, Gerüchte, Verleumdungen, Lügen – oder zeitgenössisch „Fakes“ – als den schlechten Atem und den Mundgeruch als Abweichung von der reinen Atmung anzusehen. Bevor die „aufgeklärte“, heutige Menschheit in den Besitz der einzigen und reinen Wahrheit über Pferde gelangte – also in der „Jetzt-Zeit“, geprägt von Gurus, Experten und Allwissenden – war man der Meinung, dass Gesundheit die Balance von „guten und schlechten Säften“ bedeutet und dass bei Krankheit insbesondere „schlechte“ Säfte wie gelbe und schwarze Galle und Schleim überwiegen würden. In der Sprache hat sich diese Ansicht bis heute in Wörtern wie gallig, vergällen erhalten, aber auch die Bezeichnung „ein schleimiger Typ“ ist nicht zwingend als wertschätzendes Prädikat zu verstehen. Jene „Gallen“ jedoch, als Umfangsvermehrung an den Sehnenscheiden und Gelenken von Pferden entstehen können, dürften in ihrer Ableitung jedoch lateinischen Ursprungs sein und weisen vermutlich keine Verwandtschaft mit dem früher – vermeintlich – üblen Saft auf.
In den meisten medizinischen Epochen hat es Allheil-Mittel gegeben, in der Zeit der „schlechten Säfte“ war dies der Aderlass – der bei (fast) allen Erkrankungen bei Pferden und Menschen als wichtigste Behandlungsmethode zur Anwendung kam.
Das Titelbild der Broschüre aus 1571 zeigt die unterschiedlichen Stellen, die für Aderlass empfohlen wurden. Nach der Quelle dieser Abbildung (Haikal: Von der Schönheit und den Leiden der Pferde, WBG Theiss, 2020) konnten in Einzelfällen über hundert solcher Stellen zum „Lassen“ dokumentiert werden.
Bemerkenswert ist ein Nachsatz: „Die Mehrzahl der Veterinärmediziner lehnt den Aderlass als Therapie heute ab. In der Vergangenheit aber war er das Mittel der Wahl und wurde oft in Verbindung mit astrologischen und abergläubischen Überzeugungen praktiziert (z.B. Mondphasen und Sternzeichen).“
Großer Ernst überzog die Miene des alten Herren. „Es ist schade, dass viele Pferdemediziner glauben, um modern zu wirken, müsse man Althergebrachtes und Überliefertes mit Spott garnieren, belächeln und zurückweisen. Ich habe den isovolämischen Aderlass viele Jahre an mir selber und als Co-Therapeutikum bei Pferden in allen Fällen, bei denen eine Polyglobulie, also eine Bluteindickung (mit Hämatokritwerten deutlich über 40 %,) praktiziert – immer mit Erfolg: in Fällen von chronischen Hauterkrankungen, Herzinsuffizienz, Kreuzschlag oder Hufrehe, bei letzterer kombiniert mit einem Mikro-Aderlass an der Zehenwand der (Vorder-)Hufe. Die Empfehlung der Hildegard von Bingen, einen Aderlass an den ersten Tagen nach Vollmond – also bei abnehmendem Mond – durchzuführen, ist zweifelsohne von Bedeutung, ebenso wie die Schonung der Augen (von Pferden und Menschen) vor grellem Sonnenlicht in den ersten Tagen nach dem „zur Ader Lassen“!
Wer dies belächelt, darf auch Ebbe und Flut nicht anerkennen.
Das immer wieder vorgebrachte Argument, dass für solche, in ihrer Dauer aufwändige Verfahren heute kein zeitlicher Spielraum bestünde, kann ich aus berufsethischen Gründen nicht gelten lassen – auch wenn man beruflich sehr eingespannt ist und von früh bis spät im Geschirr hängt, ist die Wahl der, für den jeweiligen Patienten besten Methode eine medizinische Verpflichtung!
Eine Frage, die ich mir in unseren Tagen häufig vorlege ist die, nach einem geistig – seelischen Aderlass zur Reinigung von galligen und schleimigen Gedanken.“ Der alte Herr stockte kurz in seinem Vorbringen und setzte sodann mit feinem Lächeln fort: „Der intellektuelle Aderlass hingegen, so will mir scheinen, hat den Kreis seiner Anhänger eher vergrößert, besonders in Hohen Häusern - wobei ein stockender Bau von anmaßenden Hochhäusern in manchen Europäischen Städten als Symptom von geistiger Galle und verderblichem Schleim einzuschätzen ist!“
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Frau M. hatte, als Reitbeteiligung, mit einer Stute einen Ausritt unternommen, war wieder zum Stall zurückgekehrt und hatte das Pferd am Putzplatz angebunden, um es abzusatteln und den Sattel zu versorgen – dann führte sie das Pferd in die Reithalle, um es wälzen zu lassen und darauf in die Box. Nach etwa einer Stunde wurde das Pferd verletzt vorgefunden.
Ich wurde vom BKA von diesem Vorfall informiert, um Befunderhebung und Beweissicherung ersucht.
Aus sachverständiger Sicht sind die Hautinseln und die Haareinsprengungen in die Wunde auffällig – ein Verdacht auf eine Schürfverletzungen liegt auch wegen der geringen Blutung nahe, wohingegen „Scheren-Schnitte mit sauberen Schnitträndern“ nicht erkennbar sind.
Nach Mitteilung der Klinik-Tierärztin, die sich selbst(!) in der Unfallrekonstruktion sehr sattelfest wähnte, war das Pferd bei der Anlieferung und Erstversorgung ruhig und kooperativ, zeigte auch keine Schreckhaftigkeit, die unmittelbar auf ein (psycho-)traumatisches Ereignis kurze Zeit zuvor schließen ließe; die Wunde, obwohl erst einige Stunden alt, blutete kaum und war nur unbedeutend berührungsempfindlich.
Die behandelnde Klinik- Tierärztin zeigte sich überzeugt, dass ein unbekannter Täter mit einer Schere die Verletzungen zugefügt hatte. Sie stimmte mit dem SV nur insoweit überein, als das Verletzungsmuster vermuten lässt, dass das schädigende Ereignis vor ungefähr 4 – 6 Stunden stattgefunden haben muss. In der Tiefe waren – bei Untersuchung mit dem Spekulum - keine gravierenden Veränderungen zu erkennen gewesen. Den Einwand des SV, dass das Beiseite-Halten des Schweifes, das Spannen der Schamlippen und das Betätigen einer Schere wohl drei bis vier Hände notwendig machen würden, wischte die Klinik-Chefin mit einer müden Handbewegung beiseite, sie hätte „solche Operationen“ hunderte Male durchgeführt und man dürfe fachlich nicht mit Scheuklappen durchs Leben gehen.
Der Sinn von Scheuklappen bei Fahrpferden liegt nicht darin, die Sicht zu nehmen, sondern – korrekt eingestellt – sollen sie verhindern, dass einzelne Pferde eines Gespannes nach hinten auf die Peitsche „schielen“ – wodurch erfahrungsgemäß der Vorwärtsdrang des ohnehin Fleißigen noch motiviert wird. Die Scheuleder werden korrekt mittels der Blendenriemen – ein rund genähtes Lederstück mit Drahtseele – auf einen Winkel von etwa 45 Grad eingestellt, bieten weitgehend freie Sicht nach vorne, ohne auf Wimpern, Lider, Augen oder Knochen zu drücken.
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Zur Chronologie (basierend auf den Aussagen des Stallbetreibers und des Stallburschen bei der Befundaufnahme):
6:00 Uhr: Pferd kommt auf seine Einzelkoppel
10:00 Uhr: Pferd kommt in seine Box
11:00 Uhr: Mitreiterin kommt, putzt und sattelt das Pferd und unternimmt einen gut 60 minütigen Ausritt
12:30 Uhr: Mitreiterin kommt zurück, sattelt ab und führt das Pferd in die Reithalle, um es wälzen zu lassen, anschließend führt sie das Pferd zur Box, um es fressen zu lassen
ca. 13:30 Uhr: Die Verletzung wird bemerkt, eine Tierärztin wird verständigt, das Pferd wird von der Eigentümerin notversorgt
ca. 17:00 Uhr: Tierärztin trifft ein und überweist das Pferd an eine Klinik, wo es um
18:00 Uhr ankommt.
Vom Stallbetreiber und seinem Stallburschen wurde bei der Beweissicherung mitgeteilt, dass die Stute auf dem rechten Auge blind wäre und deshalb bei Betreten der Box - auch von ihr, bekannten Personen - immer eine gewisse, nicht völlig gefahrlose Hektik aufkäme. Zum Ausmisten wird das Pferd deshalb immer mit Halfter und Strick auf dem Putzplatz verwahrt. Der Stallbetreiber berichtete ferner, dass den Stallburschen das Ereignis so ergriffen hätte, dass er die ganze Nacht geweint hätte.
Vorläufige Beurteilung:
– Es konnten keine Anhaltspunkte gefunden werden, an denen sich die Stute die Verletzungen selbst zugefügt haben konnte.
– Es wird von niemandem zu keinem Zeitpunkt vom Auffinden von Blutspuren berichtet oder Beobachtung von fremden Personen.
– Das Verletzungsmuster eröffnet in den Augen des SV Zweifel an der „Scherentheorie der Klinik-Tierärztin“.
– Über Befragen durch die Polizei teilte die Fremdreiterin mit, dass das Pferd beim Ausritt auf einem steilen Wegstück mit grobem Kies (wie bei Eisenbahntrassen) bergab kurz ausgerutscht und mit der Hinterhand eingesunken ist.
– Vor dem Ausritt war keine Verletzung vorhanden.
– Der zeitliche Ablauf und das Verletzungsmuster machen einen Anschlag auf das Pferd mit einer Schere wegen der nahezu unmöglichen technischen Durchführbarkeit durch eine einzige Person unwahrscheinlich. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die Verletzung durch Bodenkontakt mit grobem (Eisenbahn-) Schotter entstanden. Eine Zufügung durch einen (zunächst) unbekannten Täter ist in hohem Maße unwahrscheinlich.
– Im Hinblick auf einen abstrakt theoretisch möglichen Anschlag durch einen Menschen sei auf den Stallburschen, der untypischerweise die „ganze Nacht“ geweint haben soll, hingewiesen.
Auf Grund dieser vorläufigen Beurteilung sahen die Ermittlungsbehörden keinen weiteren Handlungsbedarf – es gab auch in den folgenden Jahren im Umkreis kaum mehr einschlägige Ereignisse.“
„Im Frühsommer des Jahres 1963,“ fuhr der alte Herr in seiner Erzählung fort, „bekamen acht junge Herren mit einem trockenen „Gratuliere“ des hoch respektierten „Herrn Direktor Professor Dr. Angsüsser“ (sein Name war – um „st“ erweitert, acht Jahre lang „Programm“ gewesen) das Reifezeugnis ausgehändigt, jene acht Schüler, die zusammen mit 64 anderen die erste Klasse begonnen hatten und dann ohne Schleifenbildung bis zur Matura vorgedrungen waren.
Als in meinem Umfeld bekannt wurde, dass ich Veterinärmedizin studieren wolle, war der häufigste Kommentar, den ich zu hören bekam: „Das ist sehr mutig, denn Tiere können ja nicht sprechen!“ Mit dem Hochmut des eben amtlich „reif Gewordenen“, wurde es zu meiner Gepflogenheit, lächelnd zu erwidern: Ich beabsichtige, ein guter Diagnostiker zu werden! – Heute, nach einem langen und ereignisreichen Leben in diesem Beruf würde ich antworten: „Das ist von Vorteil, denn Tiere können nicht lügen!“.
Die acht Jahre am Realgymnasium Khevenhüller Staße zu Linz hatten mein schon damals kritisches, aber ethisches Weltbild dank des eindrücklichen Unterrichts durch den Deutschlehrer Prof. Dr. Stumptner, von zehn auf elf Gebote erweitert.
Das 11. Gebot lautete: „Du sollst nicht leere Phrasen dreschen!“
Auch heute gibt es noch Pferde, die mit Passion gegen Wände schlagen und davon zweierlei Vergnüglichkeiten ableiten
– Erstens das donnernde Geräusch
– und zweitens, den prompt und fast echohaften Ruf des Namens dieses Übeltäters durch das Personal.
Der Lerneffekt: die Missetat bringt Aufmerksamkeit.
Die Schlagkugel mit einem Gewicht von einem bis eineinhalb Kilogramm, mit einem Riemen oberhalb des Sprunggelenks fixiert, gewöhnte nur in seltenen Fällen solchen Pferden diese Untugend ab, sorgt aber in allen Fällen für Entzündungen der Beinhaut und in der Folge für Überbeine.
Das Scharren mit den Vorderbeinen kann bei manchen Pferden Ausmaße annehmen, die Hufeisen, Stallboden und die Einstreu beschädigen. Da diese Untugend vornehmlich bei Haltung am Stand zu beobachten war, ist sie in unserer Zeit fast „ausgestorben“ – das Anlegen von Fesseln – das nach Unfällen oder Zwischenfällen von Rechtsvertretern immer wieder gefordert wird, ist verboten. Solche Methoden würden bedeuten, „ein Pferd von hinten aufzuzäumen“ oder „den Tierschutzgedanken gegen den Strich zu bürsten!“
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„Seit geraumer Zeit bemerke ich beunruhigende Phänomene in allen Bereichen, die sich grob unter Journalismus zusammenfassen lassen“ fuhr der der alte Herr mit seinem Vortrag am Kaminfeuer fort: „eines davon ist, dass das Ei klüger sein will als das Huhn. Besonders unangenehm stieß es mir beim Fernsehbericht des CSIO Aachen auf – der Kommentator konnte es einerseits nicht ertragen, einen „Ritt“ ohne sein Gefasel auf den Betrachter wirken zu lassen, andrerseits wusste er (der immerhin zwei oder drei Jahre im Sattel gesessen hatte) scheinbar jeweils genauer als Reiterinnen und Reiter selber, wo ihnen Fehler unterlaufen waren inklusive Ratschläge zu deren Vermeidung – ich meine damit, den zwanghaften Trieb von Interviewern, hemdsärmelig und mit den Händen fuchtelnd, ihr persönliches und in der Vorbereitung schnell angelesenes (Halb-)Wissen zu verbreiten, anstatt die Gesprächspartner reden zu lassen – denn es ist deren Meinung, deren Wissen und Erfahrung, die Zuschauer vorrangig interessiert – auch ich möchte in einem Interview keinen „Austausch von Meinungen“ (wie man modern sagt), sondern über Ansicht und Wissen der Hauptperson – nämlich des oder der Befragten - erfahren.
Als eine weitere, ungute Zeiterscheinung empfinde ich, dass selbst in Fachzeitschriften schnöde Plattitüden, leere Phrasen (11. Gebot!!) fett gedruckt in die Textbalken gesetzt werden und scheinbare Kompetenz vortäuschen – drei Beispiele:
• Nur wenn wir uns die Frage stellen, welche Themen uns als Gesellschaft bewegen, wird es uns gelingen, Antworten zu finden.
• Nur wenn man miteinander spricht, kann man Lösungen finden.
• Nur wenn wir denken, der Mensch ist Teil des großen Ganzen, dann kommen wir dazu, nicht nur über unsere eigene, sondern auch über die planetare Gesundheit nachzudenken.
Die bei unzähligen und sinnlosen Konferenzen, Meetings und Versammlungen produzierte „heiße Luft“ wird die Erderwärmung zusammen mit den Transport-Fahrzeugen zu diesen Treff-Punkten exponentiell beschleunigen!
Zwei Begriffe tauchen in den Reden dieser hauptberuflich, um das Wohl der Welt Besorgten immer wieder auf – als Worthülsen: die Gretchenfrage und die Nagelprobe.
Die „Gretchenfrage": Sag Heinrich, wie hältst Du es mit der Religion?“ (Faust I) zielt auf ein (Glaubens-)Bekenntnis ab.
Die „Nagelprobe“ wurde bei der Kavallerie und Artillerie bei der Morgenmusterung eingesetzt – der inspizierende Offizier fuhr mit einem Hufnagel sanft gegen den Haarstrich des frisch gestriegelten Pferdes – dabei durfte keine Schmutzlinie entstehen.
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Gar manches wurde erfunden, um „Pferde im Zaum zu halten“ – wie zum Beispiel der „Schlagriemen“ – zum Kurieren von Schlägern. Das Pferd kann sich zwar (weitgehend) ungehindert bewegen, aber sobald es mit den Hinterbeinen ausschlagen will, versetzt es sich selbst einen mehr oder weniger schmerzhaften Ruck auf die Nase. Der Erfinder dieser Erziehungsmethode, Graf Alexander von Keller, weist selbst darauf hin, „dass ein sehr kräftiges Ausschlagen bei kurzen Leinen einen Bruch des Nasenbeins zu Folge haben könnte!“
„Der „Spanische Reiter“ ist ein Instrument, das in England allgemein bei der Dressur junger Pferde benutzt wird. Derselbe hat jedoch in letzter Zeit, hauptsächlich wohl deshalb, weil er dem Pferdemaul das feine Gefühl raubt, viele Widersacher gefunden!“ (Wrangel)
„Der „Ganaschenarbeiter“, eine Erfindung des kaiserlich-russischen Majors v. Lange, besteht aus einer Verbindung von Spiralfedern, die in die Zäumung des Pferdes eingeschaltet werden und deren Wirkung das weiche Annehmen und Nachgeben der Zügel, also die Faustbewegung, zum Ausdruck bringt!“ (Wrangel)
Die moderne Reitlehre definiert die Anlehnung als gleichmäßig, aber nicht gleichbleibend.
Auch heute noch wird bei der Wahl von Korrektur-Methoden kräftig über die Stränge geschlagen!
Fotos, Grafiken und Literatur: Archiv & ex libris Dris.Kaun
11.11.2023 - Kriminelle Aspekte in der Hippologie: Über "Ross-Kuren" und andere Grobheiten
Kriminelle Aspekte in der Hippologie: Über "Ross-Kuren" und andere Grobheiten 11.11.2023 / News
Nicht nur Pferdehändler waren Meister darin, ihre verkäuflichen Tiere mit fragwürdigen Methoden und Hilfsmitteln „herzurichten": Auch Gewerbe und Industrie stellten in früheren Zeiten eine ganze Reihe von Ausrüstungen und Apparaturen her, deren Anwendung man heutzutage als „tierschutzrelevant" bezeichnen würde, und zwar sowohl nach dem Tierschutz- wie auch dem Strafgesetz.
Billigt die Alltagssprache jemandem eine „Ross-Natur“ zu, so pflegt man damit zu unterstellen, dass der damit Privilegierte über ein Maß an Gesundheit, Widerstandskraft und Unempfindlichkeit verfügt, die empfindungslos für widrige Einflüsse macht. „Ross-Kuren“ werden – folgerichtig – also jenen zuteil, die man mit unsanften, der Pferdemedizin zugeordneten Methoden behandelt – nicht wenige dieser „Anwendungen“ haben – legt man heutige Maßstäbe an – Tierschutzrelevanz sowohl nach dem Tierschutz- wie auch dem Strafgesetz.
Unter einer Rosskur versteht man heute in der Umgangssprache eine medizinische Behandlung mit Hilfe von unsanften Methoden oder umstrittenen und drastischen Mitteln. Im Grimm`schen Wörterbuch steht, die Rosskur sei "eine gewagte kur mit ungeheuerlichen mitteln".
Wikipedia
Pferde symbolisieren seit langer Zeit Besitztum, Macht, Ansehen sowie Kraft und Stärke – die Pferdestärke (PS) ist bis heute gültige Maßeinheit. Groß war deshalb auch das Bemühen, gute Pferde – auch wenn sie „Macken“ hatten – zu behalten, indem man ihnen individuelle Kuren verpasste, verbunden und getragen von der Absicht und dem Wunsche einer Besserung oder zumindest Disziplinierung.
So wurde zum Beispiel Ingwer von routinierten Pferdehändlern mit Erfolg dafür verwendet, bösartige Pferde während der Dauer ihrer Musterung vor Kaufinteressenten von störenden Ausschreitungen abzuhalten. Eine in den Mastdarm eingeführte Ingwer-Pille brachte das Pferd dazu, den Schweif „hoch“ zu tragen, wodurch dem Ausschlagen vorgebeugt wurde.
„Das Pfeffern („Pfeffer in den Arsch reiben“) der Pferde ist eine der verbreitetsten, aber auch verabscheuungswürdigsten, auf Betrug hinausgehenden Gepflogenheiten der Mäkler. Es ist indes nicht zu leugnen, dass der Pfeffer seine Wirkung nie versagt, denn selbst das faulste Pferd bekommt Leben, Feuer, richtet sich auf, stellt sich breit, spannt den Rücken und trägt den Schweif, den es sonst vielleicht eingeklemmt hat. Auch zeigt ein solches „gepfeffertes“ Pferd mehr Aktion im Gehen, als man mit der Peitsche hervorbringen kann; doch alle diese erkünstelten Talente verschwinden, wenn das Pferd gemistet hat, und ein Zittern mit dem Schweife verrät die unsaubere Manipulation, wenn es inzwischen nicht gelungen ist, die Pfefferung unbemerkt zu erneuern.“
(Der Pferdehandel, K. von Onor, Jacobi Wien-Leipzig, um 1905)
„Der bis heute in der Alltagssprache gebräuchliche Ausdruck „gepfeffert“ (z.B. für Preise) dürfte sich von solchen Gepflogenheiten ableiten, so wie eine Reihe anderer Phrasen, wie „einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“ – was soviel bedeutet, dass ein Geschenk – gute Erziehung vorausgesetzt – keiner Wert- und Altersüberprüfung unterzogen wird.“
Lächelnd lehnte sich der alte Herr zurück. Sein junger Gesprächspartner hatte heute seine aparte junge Freundin mitgebracht, die sofort lebhaft einwarf: „Ich habe kürzlich jemanden über Herrn B. sagen hören, er würde allen Sätteln gerecht?“
„Ja!“ warf ihr Freund ein „weil er immer gute Steigbügelhalter hatte!“
„Allen Sätteln gerecht zu werden, war in vergangen Zeit ein hohes Kompliment an Reiter beiderlei Geschlechts, die sowohl in Dressur wie auch bei Springen, aber auch bei Jagdritten oder Militarys mit Anstand gute Figur machten – heute ehrt man – wenn wohlmeinend ausgesprochen - eine vielseitige und sehr kompetente, gebildete Persönlichkeit mit dieser Eigenschaft. Der Steigbügelhalter jedoch gehörte zum Bodenpersonal, half beim Aufsitzen, verhinderte das Verrutschen des Sattels und bekam dafür den Bügelgroschen – heute verdienen Bügelhalter – also Aufstiegsgehilfen zu hohen Positionen – im übertragenen Sinne Millionen und sind stets gefürchtete Mitwisser – ihr größtes Bestreben ist es, alle bei der Stange zu halten (also „Abdeichseln“ zu verhindern) und danach zu trachten, dass alle an einem Strang ziehen, keiner eine andere – unerwünschte – Richtung einschlägt oder gar davon prescht – es könnte sonst notwendig werden, so manchen altgedienten Mitläufer an die Kandare zu nehmen. Der Mitläufer ist das faule Pferd im Gespann.
Den Bügeltrunk bei der Jagd reichte übrigens immer nur die Hausfrau, nie Personal!“
Patentierter Momentausspanner – ein Federzug genügte!
Eine gebührende und sachgemäße Pflege von Pferden war in früheren Zeiten, als ausreichend Personal verfügbar war, zwar mühsam und zeitaufwändig, aber auf Grund der langen und kalten Winter auch schwierig und wurde deshalb vielfach unterlassen oder nur halbherzig durchgeführt, was zu diversen Erkrankungen z.B. der Haut oder des Atmungstraktes führte. Als gültige Regel für Österreich und Deutschland betrachtete man damals eine Schur, bevor das Winterhaar zu seiner ganzen Länge ausgewachsen war, dies auch deshalb, weil zur Schur mit pumpenden Handbewegungen die „Handmaschine“ bedient werden musste, was für das Personal kräfteraubend, für die Pferde höchst unangenehm war, wie ältere Pferdebesitzer vielleicht noch vom eigenen Besuch beim „Haarschneider“ wissen. Auf der Suche nach Alternativen zum „Scheren“ kam man zunächst zum „Absengen“ der Haardecke mittels Spiritusflamme,
Die mittels pumpender Handbewegungen betriebene „Schere“, also ein rein mechanischer Schurapparat, war im Betrieb mühsam und kräfteraubend, für das Pferd aber höchst unangenehm.
Die mit Spiritus gespeisten „Brennmaschinen“ waren zwar bequemer, setzten sich jedoch wegen der hohen Verletzungsgefahr für Pferde auf Dauer nicht durch.
Hier stockte der alte Herr in seiner Erzählung, lehnte sich lächelnd zurück: „Ich erinnere mich noch, wie wenn es gestern gewesen wäre, liegt jedoch schon an die fünfzig Jahre zurück. Den Pferdehändler Ludwig Schauflinger, einer letzten Großen seiner Kaste, habe ich schon mehrmals in Anekdoten erwähnt – beim Verkauf eines sehr schönen, jungen Hannoveraners im Spätherbst zog er bei der Musterung vor potentiellen Käufern plötzlich sein Feuerzeug aus der Westentasche, gebot dem Stallburschen mit dem Pferde stehen zu bleiben. Ohne zu Zögern sengte er mit offener Flamme die langen Haare an den Ganaschen und am Unterhals weg und wischte dann einfach mit bloßer Hand darüber, bevor das Pferd noch reagieren konnte – „Adel des Pferdes verpflichtet zur Pflege“ war sein einziger Kommentar.
Im Jahre 1905 brachte die, in der Pferdepflege sehr innovative Fa. Hauptner eine Pferde-Scher-Maschine auf den Markt, die auch zum „Einmann-Betrieb“ konzipiert war. Es wurde betont, dass ein auch völlig ungeübter Mann mit dieser Maschine ein Pferd in fünf oder sechs Stunden scheren kann. Mit einem Schliff konnte man etwa 15 Pferde scheren, sofern man das Gerät gut mit Baumöl einstrich.
„Beim Scheren eines sehr kitzeligen und reizbaren Pferdes wird es kaum vermieden werden können, zur Bremse zu greifen. Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, dass die Schere nie das Innere des Ohres berühren darf. Hilft die Bremse nicht, so muss das widerspenstige Tier geworfen werden. […..] Dass man zur Vornahme der Schur einen nicht zu kalten oder windigen Tag auswählen wird, darf wohl als selbstverständlich angenommen werden.“
Wrangel Das Buch vom Pferde, I, 5. Auflage 1910.
Die Nasenbremse, von ihren Liebhabern unter der Spezies homo sapiens auch liebevoll und verharmlosend als „Pfeiferl“ bezeichnet, lenkt – wenn nicht zur absichtlichen Schmerzzufügung gebraucht – die Aufmerksamkeit des Pferdes vom eigentlichen „Tatort“ ab – als Instrument der Schmerzzufügung ist die Bremse widerlich und abstoßend – speziell beim Gebrauch an den Ohren: kaum eine andere Methode erzeugt so verlässlich kopfscheue Pferde.
Die Mode forderte um die vorletzte Jahrhundertwende das „Coupieren“ der Schwanzwirbel bei Gebrauchspferden, die weder dem orientalischen noch dem russischen Typus zugeordnet werden konnten. Schon damals wurde diese „Mode“ nicht gutgeheißen, weil sich das Pferd dann der Fliegen nicht erwehren könne – mit der Mode lässt sich nicht parlamentieren, schreibt Graf Wrangel dazu in seinem, oben erwähnten „Buch vom Pferde“.
Aber, wie in heutiger Zeit, löst in der Regel eine Mode-Torheit eine andere ab, und so ist das in noch früherer Zeit sehr beliebte Anglisieren (oder Englisieren) abgekommen:
„….eine Operation, die im Durchschneiden gewisser Schweifmuskel besteht und den Zweck hat, den Schweif höher tragen zu machen, wodurch das Tier ein edleres, lebhafteres Aussehen bekommt.
Das Koupieren wird sehr schnell mit dem nach dem Prinzip der Guillotine konstruiertem Koupiermesser bewerkstelligt.
Beim Gebrauch der Koupierschere nach Dr. Hoffmann braucht das Pferd nicht gefesselt zu werden, sondern es genügt, demselben einen Vorderfuß aufzubinden.“
Die in unseren Tagen übliche und von Regeln, Normen und Gesetzen geprägte Haltung von Pferden in Boxen oder Offenstallungen ist eine Entwicklung der vergangenen zwanzig Jahre – davor war die Haltung auf Ständen, angebunden, die Norm – berücksichtigt man die Beengtheit früherer Städte und eine unglaubliche Zahl von Pferden, wäre „Boxenhaltung“ alleine räumlich gesehen, nicht möglich gewesen: Pferde des Hofes, Pferde im Transportwesen für Menschen und Frachten, Militärpferde, Privatpferde und – Schlachtpferde, letztere immerhin an die 11.000 Tiere in Wien des Jahres 1897 (Bauer, 1996).
Die Lipizzaner in der „Spanischen“ erhielten ihre Boxen erst nach 1980 – maßgeblich betrieben durch Brigadier Albrecht, der der „Schule“ bis 1985 vorstand.
Ein unangenehmes Übel bei der Haltung auf Ständen war das „Zurücktreten“ und das „Stall-Halfterabstreifen“ – wofür manche Pferde eine große Virtuosität erlangten, mit der Folge, dass „solche Windbeutel mit Vorliebe die Nacht zu ihren Befreiungsversuchen benützten….., der Futterkiste einen Besuch abstatteten, Stallgenossen neckten und sonstige Allotria trieben.“ (Wrangel)
Der Menschen Hirn ersann deshalb – von dieser „Not gezwungen“, mancherlei Instrumente und Geräte, um den Pferden solche Stalluntugenden zu vergällen.
Ein Halseisen, das sich der Rundung des Halses anschmiegt, wurde von Oberveterinär Dr. Goldbeck-Sagan erfunden – die Verbindung des Eisenteiles mit dem Lederhalfter erfolgte durch Riemen, nächtliche Eskapaden hatten somit ein Ende.
Einen äußerst schmerzhaften Druck auf das Nasenbein verbunden mit einer Einschnürung der Nasenatmung bewirkte dieses Halfter zur Verhinderung des Zurücktretens am Stand, trotz dieser Unannehmlichkeit spannten wahre „Könner in ihrem Metier“ die Nackenmuskulatur an und rissen das Halfter in zwei Teile – die gefällige und unauffällige, harmlos wirkende Form bescherte diesem Korrekturinstrument große Verbreitung, so lange, bis es auffiel, dass Entfesselungskünstler erhebliche Schmerzen am Ansatz – und in klarer Folge – bei der Beizäumung hatten.
Krippensetzer (Aufsetzkopper) und Barrenwetzer galten – ihrer Vorbildwirkung wegen – als besondere Störenfriede- deren Laster mittels allerlei „Korrektur-Vorrichtungen“ unterbunden werden sollte.
Die Vorbildwirkung – also Nachahmen des Koppens durch andere Pferde – gilt zwar heute unter modernen Pferdehaltern als nicht bewiesen – doch auch für die gegenteilige Behauptung will niemand eintreten. Extreme Korrekturmethoden sind zwar verschwunden, der Kopper-Riemen existiert jedoch in verschiedenen Schattierungen immer noch-
nur am Rande sei erwähnt, dass ich auch in Offenstallungen begnadete Kopper ihrer Passion mit Inbrunst nachgehen gesehen habe – ich denke, dass Langeweile und Fadesse auch eine Interieur-Eigenschaft sein kann.
Der Riemen für den Aufsetzkopper soll das Anspannen der Halsmuskulatur verhindern, ein normales Fressen ist mit diesem „Halfter“ nicht möglich – das Gerät muss also für die Futterzeiten abgenommen werden. Eine Rauhfutter-Aufnahme zwischen den Kraftfuttermahlzeiten ist nicht möglich – Langeweile wird also eher gefördert.
Beißkörbe als Verhütungsmittel für Stalluntugenden wurden in vielen Varianten entwickelt – primär sollte aber ein Beißkorb gegen Pferdebisse schützen und nicht die Futteraufnahme behindern.
Die Stange dieses Beißkorbes wird dem Pferde wie eine Kandaren-Stange angelegt, das Pferd kann zwar nicht beißen ………????
Besonders „pferdefreundliche“ Geräte – mit oder ohne Mundstück – gegen Krippensetzen und Frei - Koppen.
Der leere und stiere Blick dieses Pferdes, die Ohrenhaltung und das Gesamtbild sprechen wohl für sich.
Beim Krippensetzer-Halfter dringen dem Pferde eiserne Spitzen in den empfindlichen Teil von Nasenspiegel, Nüstern, Ober- und Unterlippe, beim Burdajewics´schen Apparat wird der Kehlgang verletzt – beide „Methoden“ erfreuten sich großer Verbreitung und Beliebtheit – zur Fütterung mussten sie entfernt werden.
Fritz Schönpflug: „Preussens Gloria“
„Die Phrase „auf dem hohen Ross sitzen“ leitet sich von früheren Epochen ab, als beritten zu sein, Aristokraten und Militärs vorbehalten war, selbst Kirchenfürsten reisten nur bespannt. Zum Fuß-Volk sprach man daher vom Sattel aus, also vom hohen Ross. In unserer Zeit gilt die Redewendung als Synonym für Arroganz und Überheblichkeit, aufgeblasenes und blasiertes Wesen eines Menschen, der sich als etwas Besseres fühlt. Vom Sattel aus „herunter zu reden“, ohne abzusitzen, spricht für ein Defizit der reiterlichen Kinderstube – aber auch ein Erlebnis anderer Art verbinde ich damit. Kürzlich, an einem der letzten warmen Tage dieses Jahres, überholte mich auf einer Schnellstraße ein schnittiges offenes Cabriolet einer britischen Nobelmarke, am Steuer eine aparte Dame, am Kofferraum-Deckel ein weitsichtbares, aber in der Eile unleserliches „Pickerl“. Wie es der Zufall wollte, kam ich an der nächsten Tankstelle hinter diesem Wagen zu stehen und konnte so die Inschrift des Aufklebers lesen:
Ich bremse auch für Tiere
stand da in großen Lettern zu lesen. Die Dame aus dem Cabrio, eine Schönheit in abnehmender Blüte, bemerkte meine Neugierde – ich verbeugte mich, wies auf den Text und frug: Ist dies nicht selbstverständlich?
Die Antwort kam belehrend, feindselig und ….vom hohen Ross.“
Die Furie auf sprengendem Pferd
Furienmeister (tätig um 1600‒1625)
1610, Elfenbein, Holz, Bein, Höhe 41 cm
Das Herzstück der Sammlung Reiner Winkler ist die „Reitende Furie“. Der Notname des unbekannten Bildhauers bezieht sich auf die Darstellung einer „Furie“ im Kunsthistorischen Museum in Wien. Furien galten in der Mythologie als Rachegöttinnen, die ihre Opfer in Raserei verfolgten.
Fotos, Grafiken und Literatur: Archiv & ex libris Dris.Kaun
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