Dr. Walter Hecker, Doyen der ungarischen Hippologen und international renommierter Fachbuchautor, wurde für seine vielfältigen Verdienste mit dem ungarischen Ritterkreuz ausgezeichnet: ein Salut von Martin Haller.
Unser östlicher Nachbar war und ist ein Pferdeland erster Güte – das hat sich in der langen und abenteuerlichen Geschichte, die wir gemeinsam durchlebt haben, oft bewiesen. Ohne die hervorragenden Gestüte Mezöhegyes, Bábolna und Kísber und viele andere wäre die cis-leithanische Reichshälfte der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn ein Land von Infanteristen gewesen. Nicht viele Ungarn haben jedoch ihr großes Wissen um die Pferde zu Papier gebracht; man darf sagen, dass sie die berühmte Zeile „Ja, das Schreiben und das Lesen, ist nie mein Sach gewesen“ aus der Strauß-Operette „Der Zigeunerbaron“ beinahe wörtlich zu nehmen pflegten. Doch für einen Ungarn gilt das zum Glück nicht: Zu den großen Förderern der hippologischen Literatur und Kultur Ungarns gehört Dr. Walter Hecker, Doyen der ungarischen Hippologen und ein „altösterreichischer Ungar“ oder ein „ungarischer Altösterreicher“ – kurz: ein Mann, der wie kein anderer die uralten Verbindungen unserer beiden Länder studiert und darüber publiziert hat, sie gewissermaßen lebt und predigt.
Hecker, Jahrgang 1937, entstammt einer deutschen, protestantischen Familie und ist ein glückliches Produkt jener Zeit, als man gute Bildung, gelebte Kultur, vielfältige Interessen und eine weltumspannende Freundlichkeit als durchaus wünschenswert, ja quasi „normal“ empfand. Der rüstige Mitt-Achtziger, der stolz seinen Spitznamen „Walzer“ aus Jugendtagen trägt, war und ist ein Botschafter der Pferde über alle Grenzen der vermaledeiten Politik, der Geografie und der typischen Engstirnigkeit der Pferdewelt hinaus. Als geschätzter Freund und Kollege so namhafter Hippologen wie Jasper Nissen in Holstein (später Schweden), Bertalán de Nemethy (USA) und Hans Brabenetz und zahlloser anderer, war Hecker stets auf Augenhöhe mit den internationalen Größen, wies in Ungarn den Weg in neue Zeiten und machte sich aufgrund seiner Hilfsbereitschaft zu einem unentbehrlichen Partner wenn es darum ging, die oft etwas nebulose Geschichte der Pferde hinter dem Eisernen Vorhang im Westen darzustellen. Im Sommer 2023 wurde ihm nun eine Ehrung zuteil, die beweist, welch hohen Stellenwert verdiente Pferdemenschen in Ungarn haben dürfen.
Im August, wenn die stolzen Ungarn ihren Staatsbegründer, den Heiligen Stephan feiern, werden ihre staatlichen Ehrungen verliehen. Das Diplom des ungarischen Ritterkreuzes wird vom Staatspräsidenten unterzeichnet, die Vorschläge zur Ehrung werden von den zuständigen Ministern unterbreitet. Alle Sportarten, und damit auch der Reitsport, gehören zum Ressort des Verteidigungsministeriums, also wurde Hecker von Minister Kristóf Szalay-Bobrovniczky ausgezeichnet. Als Begründung wird seine langjährige Tätigkeit für die ungarische Pferde- und Reitkultur hervorgehoben, die sich auf vielfältige Weise darstellt, besonders aber auf dem Gebiet der Literatur.
Als Hecker 1983 Generalsekretär des Ungarischen Pferdesport-Verbandes wurde, war kein einziges zeitgenössisches Fachbuch über Zucht und Ausbildung der Pferde zu haben. Als erster Schritt wurden Reprint-Ausgaben von berühmten ungarischen Autoren heraus gegeben, dann erwirkte Hecker, der fließend Deutsch spricht, einen Vertrag mit der FN Deutschland, und die besten deutschen Fachbücher konnten in ungarischer Sprache veröffentlicht werden. Mit Prof. Imre Bodó wurde dann ein modernes ungarisches Buch über Pferdezucht heraus gegeben - diese Aktion war möglich, weil der Präsident des Ungarischen Pferdesport-Verbandes, der Hecker zum Generalsekretär ernannte, zugleich stellvertretender Landwirtschaftsminister war. Mit dem Landwirtschaftsverlag wurde eine Buchreihe mit dem Titel „Lovas Akadémia“ verwirklicht, denn Hecker war damals auch Direktor der Hippologischen Akademie in Kaposvár. 17 Bände waren die beachtliche Ausbeute dieser Bemühung, darunter die bekannten Werke von Endrődy, Give your Horse a Chance, und Némethy, The Némethy Method, die in Englisch erschienen waren und seither auch in ungarischer Sprache zu lesen sind. Außerdem wurde Bertalan de Némethy auf Heckers Vorschlag Ehrendoktor der Hippologischen Akademie.
Hecker war vier Jahre Generalsekretär und fast 20 Jahre Vizepräsident des Ungarischen Pferdesport-Verbandes, verantwortlich für die Pferde- und Reitkultur. In dieser Zeit wurden viele internationale Kontakte gepflegt und angebahnt, die bis heute positive Auswirkungen zeigen.
Hecker ist mittlerweile in das Haus seines Sohnes am Stadtrand von Budapest gezogen und hat sich dort ein gemütliches Studierzimmer eingerichtet, dessen Wände von Pferdebüchern bedeckt sind – so manche darunter aus seiner eigenen Feder. Beinahe rastlos forscht und schreibt, organisiert und inszeniert der rüstige Opa im Dienst des ungarischen Pferdes; zu seinen jüngsten Projekten gehören die beinahe ausgestorbenen Szekler Pferde und die Vorarbeiten zum 150 Jubiläums-Jahr der ungarischen Wunderstute Kinscem; auch an einer großen Ausstellung des Landwirtschaftsmuseums ist er aktiv beteiligt. Langweilig wird ihm also NIE, wie er glaubhaft versichert.
Wir gratulieren etwas zeitversetzt, und darum besonders herzlich zur Verleihung des Ritterkreuzes! Mögen dem Parade-Hippologen Ungarns noch viele fruchtbare Jahre vergönnt sein!
Martin Haller