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Kriminelle Aspekte in der Hippologie: Über "Ross-Kuren" und andere Grobheiten
11.11.2023 / News

Nicht nur Pferdehändler waren Meister darin, ihre verkäuflichen Tiere mit fragwürdigen Methoden und Hilfsmitteln „herzurichten": Auch Gewerbe und Industrie stellten in früheren Zeiten eine ganze Reihe von Ausrüstungen und Apparaturen her, deren Anwendung man heutzutage als „tierschutzrelevant" bezeichnen würde, und zwar sowohl nach dem Tierschutz- wie auch dem Strafgesetz.

 

Billigt die Alltagssprache jemandem eine „Ross-Natur“ zu, so pflegt man damit zu unterstellen, dass der damit Privilegierte über ein Maß an Gesundheit, Widerstandskraft und Unempfindlichkeit verfügt, die empfindungslos für widrige Einflüsse macht. „Ross-Kuren“ werden – folgerichtig – also jenen zuteil, die man mit unsanften, der Pferdemedizin zugeordneten Methoden behandelt – nicht wenige dieser „Anwendungen“ haben – legt man heutige Maßstäbe an – Tierschutzrelevanz sowohl nach dem Tierschutz- wie auch dem Strafgesetz.

Unter einer Rosskur versteht man heute in der Umgangssprache eine medizinische Behandlung mit Hilfe von unsanften Methoden oder umstrittenen und drastischen Mitteln. Im Grimm`schen Wörterbuch steht, die Rosskur sei "eine gewagte kur mit ungeheuerlichen mitteln".
Wikipedia

Pferde symbolisieren seit langer Zeit Besitztum, Macht, Ansehen sowie Kraft und Stärke – die Pferdestärke (PS) ist bis heute gültige Maßeinheit. Groß war deshalb auch das Bemühen, gute Pferde – auch wenn sie „Macken“ hatten – zu behalten, indem man ihnen individuelle Kuren verpasste, verbunden und getragen von der Absicht und dem Wunsche einer Besserung oder zumindest Disziplinierung.

So wurde zum Beispiel Ingwer von routinierten Pferdehändlern mit Erfolg dafür verwendet, bösartige Pferde während der Dauer ihrer Musterung vor Kaufinteressenten von störenden Ausschreitungen abzuhalten. Eine in den Mastdarm eingeführte Ingwer-Pille brachte das Pferd dazu, den Schweif „hoch“ zu tragen, wodurch dem Ausschlagen vorgebeugt wurde.

„Das Pfeffern („Pfeffer in den Arsch reiben“) der Pferde ist eine der verbreitetsten, aber auch verabscheuungswürdigsten, auf Betrug hinausgehenden Gepflogenheiten der Mäkler. Es ist indes nicht zu leugnen, dass der Pfeffer seine Wirkung nie versagt, denn selbst das faulste Pferd bekommt Leben, Feuer, richtet sich auf, stellt sich breit, spannt den Rücken und trägt den Schweif, den es sonst vielleicht eingeklemmt hat. Auch zeigt ein solches „gepfeffertes“ Pferd mehr Aktion im Gehen, als man mit der Peitsche hervorbringen kann; doch alle diese erkünstelten Talente verschwinden, wenn das Pferd gemistet hat, und ein Zittern mit dem Schweife verrät die unsaubere Manipulation, wenn es inzwischen nicht gelungen ist, die Pfefferung unbemerkt zu erneuern.“
(Der Pferdehandel, K. von Onor, Jacobi Wien-Leipzig, um 1905)

„Der bis heute in der Alltagssprache gebräuchliche Ausdruck „gepfeffert“ (z.B. für Preise) dürfte sich von solchen Gepflogenheiten ableiten, so wie eine Reihe anderer Phrasen, wie „einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“ – was soviel bedeutet, dass ein Geschenk – gute Erziehung vorausgesetzt – keiner Wert- und Altersüberprüfung unterzogen wird.“

Lächelnd lehnte sich der alte Herr zurück.  Sein junger Gesprächspartner hatte heute seine aparte junge Freundin mitgebracht, die sofort lebhaft einwarf: „Ich habe kürzlich jemanden über Herrn B. sagen hören, er würde allen Sätteln gerecht?“

„Ja!“ warf ihr Freund ein „weil er immer gute Steigbügelhalter hatte!“

Allen Sätteln gerecht zu werden, war in vergangen Zeit ein hohes Kompliment an Reiter beiderlei Geschlechts, die sowohl in Dressur wie auch bei Springen, aber auch bei Jagdritten oder Militarys mit Anstand   gute Figur machten – heute ehrt man – wenn wohlmeinend ausgesprochen -   eine vielseitige und sehr kompetente, gebildete Persönlichkeit mit dieser Eigenschaft. Der Steigbügelhalter jedoch gehörte zum Bodenpersonal, half beim Aufsitzen, verhinderte das Verrutschen des Sattels und bekam dafür den Bügelgroschen – heute verdienen Bügelhalter – also Aufstiegsgehilfen zu hohen Positionen – im übertragenen Sinne Millionen und sind stets gefürchtete Mitwisser – ihr größtes Bestreben ist es, alle bei der Stange zu halten (also „Abdeichseln“ zu verhindern) und danach zu trachten, dass alle an einem Strang ziehen, keiner eine andere – unerwünschte – Richtung einschlägt oder gar davon prescht – es könnte sonst  notwendig werden, so manchen altgedienten Mitläufer an die Kandare zu nehmen. Der Mitläufer ist das faule Pferd im Gespann.

Den Bügeltrunk bei der Jagd reichte übrigens immer nur die Hausfrau, nie Personal!“

Patentierter Momentausspanner – ein Federzug genügte!

Eine gebührende und sachgemäße Pflege von Pferden war in früheren Zeiten, als ausreichend Personal verfügbar war, zwar mühsam und zeitaufwändig, aber auf Grund der langen und kalten Winter auch schwierig und wurde deshalb vielfach unterlassen oder nur halbherzig durchgeführt, was zu diversen Erkrankungen z.B. der Haut oder des Atmungstraktes führte. Als gültige Regel für Österreich und Deutschland betrachtete man damals eine Schur, bevor das Winterhaar zu seiner ganzen Länge ausgewachsen war, dies auch deshalb, weil zur Schur mit pumpenden Handbewegungen die „Handmaschine“ bedient werden musste, was für das Personal kräfteraubend, für die Pferde höchst unangenehm war, wie ältere Pferdebesitzer vielleicht noch vom eigenen Besuch beim „Haarschneider“ wissen.  Auf der Suche nach Alternativen zum „Scheren“ kam man zunächst zum „Absengen“ der Haardecke mittels Spiritusflamme,
 

Die mittels pumpender Handbewegungen betriebene „Schere“, also ein rein mechanischer Schurapparat, war im Betrieb mühsam und kräfteraubend, für das Pferd aber höchst unangenehm.

Die mit Spiritus gespeisten „Brennmaschinen“ waren zwar bequemer, setzten sich jedoch wegen der hohen Verletzungsgefahr für Pferde auf Dauer nicht durch.
 
Hier stockte der alte Herr in seiner Erzählung, lehnte sich lächelnd zurück: „Ich erinnere mich noch, wie wenn es gestern gewesen wäre, liegt jedoch schon an die fünfzig Jahre zurück. Den Pferdehändler Ludwig Schauflinger, einer letzten Großen seiner Kaste, habe ich schon mehrmals in Anekdoten erwähnt – beim Verkauf eines sehr schönen, jungen Hannoveraners im Spätherbst zog er bei der Musterung vor potentiellen Käufern plötzlich sein Feuerzeug aus der Westentasche, gebot dem Stallburschen mit dem Pferde stehen zu bleiben. Ohne zu Zögern sengte er mit offener Flamme die langen Haare an den Ganaschen und am Unterhals weg und wischte dann einfach mit bloßer Hand darüber, bevor das Pferd noch reagieren konnte – „Adel des Pferdes verpflichtet zur Pflege“ war sein einziger Kommentar.
 

 Im Jahre 1905 brachte die, in der Pferdepflege sehr innovative Fa. Hauptner eine Pferde-Scher-Maschine auf den Markt, die auch zum „Einmann-Betrieb“ konzipiert war. Es wurde betont, dass ein auch völlig ungeübter Mann mit dieser Maschine ein Pferd in fünf oder sechs Stunden scheren kann. Mit einem Schliff konnte man etwa 15 Pferde scheren, sofern man das Gerät gut mit Baumöl einstrich.
 

 „Beim Scheren eines sehr kitzeligen und reizbaren Pferdes wird es kaum vermieden werden können, zur Bremse zu greifen. Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, dass die Schere nie das Innere des Ohres berühren darf. Hilft die Bremse nicht, so muss das widerspenstige Tier geworfen werden. […..] Dass man zur Vornahme der Schur einen nicht zu kalten oder windigen Tag auswählen wird, darf wohl als selbstverständlich angenommen werden.“
Wrangel Das Buch vom Pferde, I, 5. Auflage 1910.

Die Nasenbremse, von ihren Liebhabern unter der Spezies homo sapiens auch liebevoll und verharmlosend als „Pfeiferl“ bezeichnet, lenkt – wenn nicht zur absichtlichen Schmerzzufügung gebraucht – die Aufmerksamkeit des Pferdes vom eigentlichen „Tatort“ ab – als Instrument der Schmerzzufügung ist die Bremse widerlich und abstoßend – speziell beim Gebrauch an den Ohren: kaum eine andere Methode erzeugt so verlässlich kopfscheue Pferde.
 

 Die Mode forderte um die vorletzte Jahrhundertwende das „Coupieren“ der Schwanzwirbel bei Gebrauchspferden, die weder dem orientalischen noch dem russischen Typus zugeordnet werden konnten. Schon damals wurde diese „Mode“ nicht gutgeheißen, weil sich das Pferd dann der Fliegen nicht erwehren könne – mit der Mode lässt sich nicht parlamentieren, schreibt Graf Wrangel dazu in seinem, oben erwähnten „Buch vom Pferde“.

Aber, wie in heutiger Zeit, löst in der Regel eine Mode-Torheit eine andere ab, und so ist das in noch früherer Zeit sehr beliebte Anglisieren (oder Englisieren) abgekommen:
….eine Operation, die im Durchschneiden gewisser Schweifmuskel besteht und den Zweck hat, den Schweif höher tragen zu machen, wodurch das Tier ein edleres, lebhafteres Aussehen bekommt.
Das Koupieren wird sehr schnell mit dem nach dem Prinzip der Guillotine konstruiertem Koupiermesser bewerkstelligt.
Beim Gebrauch der Koupierschere nach Dr. Hoffmann braucht das Pferd nicht gefesselt zu werden, sondern es genügt, demselben einen Vorderfuß aufzubinden.“

Die in unseren Tagen übliche und von Regeln, Normen und Gesetzen geprägte Haltung von Pferden in Boxen oder Offenstallungen ist eine Entwicklung der vergangenen zwanzig Jahre – davor war die Haltung auf Ständen, angebunden, die Norm – berücksichtigt man die Beengtheit früherer Städte und eine unglaubliche Zahl von Pferden, wäre „Boxenhaltung“ alleine räumlich gesehen, nicht möglich gewesen: Pferde des Hofes, Pferde im Transportwesen für Menschen und Frachten, Militärpferde, Privatpferde und – Schlachtpferde, letztere immerhin an die 11.000 Tiere in Wien des Jahres 1897 (Bauer, 1996).

Die Lipizzaner in der „Spanischen“ erhielten ihre Boxen erst nach 1980 – maßgeblich betrieben durch Brigadier Albrecht, der der „Schule“ bis 1985 vorstand.
Ein unangenehmes Übel bei der Haltung auf Ständen war das „Zurücktreten“ und das „Stall-Halfterabstreifen“ – wofür manche Pferde eine große Virtuosität erlangten, mit der Folge, dass „solche Windbeutel mit Vorliebe die Nacht zu ihren   Befreiungsversuchen benützten….., der Futterkiste einen Besuch abstatteten, Stallgenossen neckten und sonstige Allotria trieben.“ (Wrangel)
Der Menschen Hirn ersann deshalb – von dieser „Not gezwungen“, mancherlei Instrumente und Geräte, um den Pferden solche Stalluntugenden zu vergällen.

 

Ein Halseisen, das sich der Rundung des Halses anschmiegt, wurde von Oberveterinär Dr. Goldbeck-Sagan erfunden – die Verbindung des Eisenteiles mit dem Lederhalfter erfolgte durch Riemen, nächtliche Eskapaden hatten somit ein Ende.
 

 Einen äußerst schmerzhaften Druck auf das Nasenbein verbunden mit einer Einschnürung der Nasenatmung bewirkte dieses Halfter zur Verhinderung des Zurücktretens am Stand, trotz dieser Unannehmlichkeit spannten wahre „Könner in ihrem Metier“ die Nackenmuskulatur an und rissen das Halfter in zwei Teile – die gefällige und unauffällige, harmlos wirkende Form bescherte diesem Korrekturinstrument  große Verbreitung, so lange, bis es auffiel, dass Entfesselungskünstler erhebliche Schmerzen am Ansatz – und in klarer Folge – bei der Beizäumung hatten.   
 

Krippensetzer (Aufsetzkopper) und Barrenwetzer galten – ihrer Vorbildwirkung wegen – als besondere Störenfriede- deren Laster mittels allerlei „Korrektur-Vorrichtungen“ unterbunden werden sollte. 
Die Vorbildwirkung – also Nachahmen des Koppens durch andere Pferde – gilt zwar heute unter modernen Pferdehaltern als nicht bewiesen – doch auch für die gegenteilige Behauptung will niemand eintreten. Extreme Korrekturmethoden sind zwar verschwunden, der Kopper-Riemen existiert jedoch in verschiedenen Schattierungen immer noch-
nur am Rande sei erwähnt, dass ich auch in Offenstallungen begnadete Kopper ihrer Passion mit Inbrunst nachgehen gesehen habe – ich denke, dass Langeweile und Fadesse auch eine Interieur-Eigenschaft sein kann. 
 

 Der Riemen für den Aufsetzkopper soll das Anspannen der Halsmuskulatur verhindern, ein normales Fressen ist mit diesem „Halfter“ nicht möglich – das Gerät muss also für die Futterzeiten abgenommen werden. Eine Rauhfutter-Aufnahme zwischen den Kraftfuttermahlzeiten ist nicht möglich – Langeweile wird also eher gefördert.
 

Beißkörbe als Verhütungsmittel für Stalluntugenden wurden in vielen Varianten entwickelt – primär sollte aber ein Beißkorb gegen Pferdebisse schützen und nicht die Futteraufnahme behindern.
 

Die Stange dieses Beißkorbes wird dem Pferde wie eine Kandaren-Stange angelegt, das Pferd kann zwar nicht beißen ………????
                  

Besonders „pferdefreundliche“ Geräte – mit oder ohne Mundstück – gegen Krippensetzen und Frei - Koppen.
 

Der leere und stiere Blick dieses Pferdes, die Ohrenhaltung und das Gesamtbild sprechen wohl für sich.


Beim Krippensetzer-Halfter dringen dem Pferde eiserne Spitzen in den empfindlichen Teil von Nasenspiegel, Nüstern, Ober- und Unterlippe, beim Burdajewics´schen Apparat wird der Kehlgang verletzt – beide „Methoden“ erfreuten sich großer Verbreitung und Beliebtheit – zur Fütterung mussten sie entfernt werden.
 

 Fritz Schönpflug: „Preussens Gloria“


„Die Phrase „auf dem hohen Ross sitzen“ leitet sich von früheren Epochen ab, als beritten zu sein, Aristokraten und Militärs vorbehalten war, selbst Kirchenfürsten reisten nur bespannt. Zum Fuß-Volk sprach man daher vom Sattel aus, also vom hohen Ross.  In unserer Zeit gilt die Redewendung als Synonym für Arroganz und Überheblichkeit, aufgeblasenes und blasiertes Wesen eines Menschen, der sich als etwas Besseres fühlt. Vom Sattel aus „herunter zu reden“, ohne abzusitzen, spricht für ein Defizit der reiterlichen Kinderstube – aber auch ein Erlebnis anderer Art verbinde ich damit. Kürzlich, an einem der letzten warmen Tage dieses Jahres, überholte mich auf einer Schnellstraße ein schnittiges offenes Cabriolet einer britischen Nobelmarke, am Steuer eine aparte Dame, am Kofferraum-Deckel ein weitsichtbares, aber in der Eile unleserliches „Pickerl“. Wie es der Zufall wollte, kam ich an der nächsten Tankstelle hinter diesem Wagen zu stehen und konnte so die Inschrift des Aufklebers lesen:
Ich bremse auch für Tiere
stand da in großen Lettern zu lesen. Die Dame aus dem Cabrio, eine Schönheit in abnehmender Blüte, bemerkte meine Neugierde – ich verbeugte mich, wies auf den Text und frug: Ist dies nicht selbstverständlich?
Die Antwort kam belehrend, feindselig und ….vom hohen Ross.“

 

 

Die Furie auf sprengendem Pferd
Furienmeister (tätig um 1600‒1625)
1610, Elfenbein, Holz, Bein, Höhe 41 cm

Das Herzstück der Sammlung Reiner Winkler ist die „Reitende Furie“. Der Notname des unbekannten Bildhauers bezieht sich auf die Darstellung einer „Furie“ im Kunsthistorischen Museum in Wien. Furien galten in der Mythologie als Rachegöttinnen, die ihre Opfer in Raserei verfolgten.
 
Fotos, Grafiken und Literatur: Archiv & ex libris Dris.Kaun     

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