Leitlinien für Diagnose und Behandlung von Cushing-Pferden veröffentlicht 09.10.2023 / News
Ein britisches Tierärzte-Team hat im Rahmen einer umfangreichen Übersichtsstudie erstmals Leitlinien für die Diagnose, Erstversorgung und Behandlung von Cushing-Pferden im klinischen Umfeld vorgelegt.
Hypertrichose (übermäßiger Fellwuchs) ist das häufigste klinische Zeichen, über das in den eingeschlossenen Studien bei Fällen von Cushing/PPID berichtet wurde, und gilt daher als besonders verdächtig. Foto: Nicola Menzies-Gow et.al.
Cushing bei Pferden – früher bekannt als Pituitary-Pars-Intermedia-Dysfunktion (PPID) – kommt bei älteren Pferden und Ponys häufig vor. Die Diagnose kann aufgrund des breiten Spektrums klinischer Symptome und unterschiedlicher Diagnosekriterien eine Herausforderung sein, auch die verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten seien begrenzt, so der Befund von Hauptautorin Nicola Menzies-Gow und ihrer KollegInnen im ,Equine Veterinary Journal’.
Die meisten veröffentlichten Studien zu dieser Erkrankung drehen sich um Expertenmeinungen oder Fallserien, so ihre Einschätzung: „Es gibt nur zwei systematische Überprüfungen der Genauigkeit eines verfügbaren diagnostischen Tests und eine systematische Überprüfung der Wirksamkeit einer Behandlung, um die klinische Entscheidungsfindung zu unterstützen.“
Die Entwicklung klinischer Leitlinien ist in der humanen Gesundheitsfürsorge gängige Praxis und hat nachweislich Einfluss auf die Entscheidungsfindung im klinischen Umfeld. Die britische Pferdetierärzte-Vereinigung BEVA (British Equine Veterinary Association) hat die Entwicklung einer Reihe von Leitlinien für die klinische Praxis initiiert, die im Equine Veterinary Journal veröffentlicht wurden. Die gerade veröffentlichten Richtlinien zum Equinen Cushing-Syndrom sind die neuesten in dieser wichtigen Reihe.
Das Autoren-Team machte sich daran, evidenzbasierte Leitlinien für die klinische Praxis bezüglich Diagnose und Behandlung der Erkrankung bei Pferden zu entwickeln, nachdem es zunächst durch ein Gremium von Experten und spezialisierten Tierärzten die zentralen Fragen identifiziert hatte, die für die klinische Praxis relevant waren. In einem zweiten Schritt wurden die aktuellen veterinärmedizinischen Erkenntnisse zu jeder einzelnen Frage systematisch analysiert und bewertet – und abschließend auf Grundlage dieser Erkenntnisse Empfehlungen zur Diagnose, Behandlung und Überwachung von Cushing-Pferden abgegeben.
Hier die Ergebnisse im Detail:
Auswahl-Kriterien für diagnostische Tests und Test-Genauigkeit
Die Autoren wiesen einleitend darauf hin, dass die Prävalenz von Cushing bei Equiden im Alter von 15 Jahren oder älter zwischen 21 % und 27 % liege. Übermäßiger Haarwuchs oder verzögerter/unvollständiger Fellabwurf sind zwei Symptome, die mit dem dringenden Verdacht auf Cushing verbunden sind: „Die Kombination aus klinischen Anzeichen und Alter gibt Auskunft über den klinischen Verdacht vor diagnostischen Tests“, so die ForscherInnen.
Die Forscher stellten weiters fest, dass die geschätzte PPID-Wahrscheinlichkeit vor dem Test bei der Interpretation diagnostischer Testergebnisse berücksichtigt werden sollte – und wiesen darauf hin, dass die PPID-Wahrscheinlichkeit vor dem Test bei Pferden unter 10 Jahren gering sei.
Sowohl die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung vor dem Test als auch die Testsaison haben einen starken Einfluss auf die Fähigkeit, PPID mittels Messung des basalen ACTH-Werts (= adrenocorticotropes Hormon, steuert die Corticoid-Abgabe durch die Nebennieren und wird vermehrt bei Stress ausgeschüttet) oder Ermittlung des ACTH-Werts nach einem TRH-Stimulationstest (TRH = Thyreotropin-Releasing-Hormon) zu diagnostizieren:
– Die allgemeine diagnostische Genauigkeit der basalen ACTH-Konzentrationen zur Diagnose von PPID lag je nach Wahrscheinlichkeit vor dem Test zwischen 88 % und 92 % im Herbst und 70 % und 86 % außerhalb des Herbstes.
– Bei Ermittlung der ACTH-Konzentrationen nach einem TRH-Stimulationstest waren die Ergebnisse besser: Basierend auf einer einzelnen Studie lag die Gesamtdiagnosegenauigkeit zwischen 92 % und 98 % im Herbst und 90 % und 94 % im Nicht-Herbst.
Die Schlussfolgerung des Autoren-Teams: „Daher sollte beachtet werden, dass das Risiko eines falsch positiven Ergebnisses in Situationen steigt, in denen die Wahrscheinlichkeit vor dem Test gering ist, was bedeuten könnte, dass eine Behandlung für PPID eingeleitet wird, ohne nach einer wahrscheinlicheren alternativen Diagnose zu suchen. Dies könnte das Wohlergehen des Pferdes beeinträchtigen, weil eine lebenslange Therapie begonnen wird und/oder eine alternative, potenziell lebensbedrohliche Erkrankung nicht erkannt und behandelt wird.“
Verzögerter oder abnormaler Fellwechsel ist ebenfalls ein häufiges klinisches Zeichen, über das in den eingeschlossenen Studien bei Fällen von Cushing/PPID berichtet wurde – und gilt daher als besonders verdächtig. Foto: Nicola Menzies-Gow et.al.
Interpretation diganostischer Tests
Die Autoren stellten weiters fest, dass die Rasse einen signifikanten Einfluss auf die ACTH-Plasmakonzentrationen hat, insbesondere im Herbst, wobei bei einigen, aber nicht bei allen leichtfuttrigen Rassen die ACTH-Konzentrationen deutlich höher sind. Konzentrationen können auch durch Klimazone/Standort, Ernährung/Fütterung, Fellfarbe, kritische Erkrankung und Anhängertransport beeinflusst werden, wobei die Autoren anmerkten: „Es ist unwahrscheinlich, dass leichte Schmerzen einen großen Einfluss auf das basale ACTH haben, bei stärkeren Schmerzen kann jedoch Vorsicht geboten sein.“
Das Prüfteam kam auch zum Ergebnis, dass die Festlegung diagnostischer Schwellen- bzw. Grenzwerte, die alle möglichen Einflussfaktoren berücksichtigen, nicht praktikabel wäre – bewährt habe sich eher die Anwendung von Band- bzw. Schwankungsbreiten.
Ein weiterer wichtiger Befund: Pferde und Ponys mit PPID und Hyperinsulinämie (erhöhte Insulinspiegel im Blut) scheinen ein höheres Risiko für Hufrehe zu haben, ACTH sei jedoch kein unabhängiger Prädiktor für das Hufreherisiko, sagten sie.
Zu den klinischen Symptomen, die in den eingeschlossenen Studien bei Fällen von Cushing/PPID mäßig häufig auftreten, gehören Gewichtsverlust und ein dickbäuchiges Aussehen. Foto: Nicola Menzies-Gow et.al.
Medikamentöse Behandlungen
Was die Behandlungsmöglichkeiten betrifft, kamen die Autoren zu dem Schluss, dass Pergolid die meisten klinischen Symptome im Zusammenhang mit PPID bei der Mehrzahl der betroffenen Tiere lindert. Es senkt die basale ACTH-Konzentration und verbessert bei vielen Tieren die ACTH-Reaktion auf TRH. In den meisten Fällen verändern sich die Maße der Insulindysregulation jedoch nicht. Es gebe keine Hinweise darauf, dass Pergolid bei Pferden schädliche Auswirkungen auf das Herz habe, sagten sie. Das Medikament beeinflusst die Insulinsensitivität nicht.
Überwachung von Behandlungen mit Pergolid
Im Hinblick auf die Überwachung von mit Pergolid behandelten Fällen liefern Hormontests nur einen groben Hinweis auf die Hypophysenkontrolle als Reaktion auf die Pergolid-Therapie. Es ist aber nicht bekannt, ob die Überwachung der ACTH-Konzentrationen und die entsprechende Titrierung der Pergoliddosen mit verbesserten endokrinologischen oder klinischen Ergebnissen verbunden sind. Darüber hinaus ist nicht klar, ob die Überwachung der ACTH-Reaktion auf TRH oder klinischer Symptome mit einem verbesserten Ergebnis verbunden ist.
Das Prüfteam sagte, es gebe nur sehr schwache Hinweise darauf, dass eine Erhöhung der Pergoliddosis in den Herbstmonaten von Vorteil sein könnte. „Es bringt kaum Vorteile, nach Beginn der Pergolidtherapie mehr als einen Monat mit der Durchführung weiterer endokriner Tests zu warten“, sagten sie. Tatsächlich kann es sinnvoll sein, früher Wiederholungstests durchzuführen. Der Zeitpunkt der Probenahme im Verhältnis zur Pergolid-Dosierung verfälschte die Messung der ACTH-Konzentration nicht: „Es gibt keine Hinweise darauf, dass Änderungen nach der Interpretation der zu bestimmten Jahreszeiten gemessenen ACTH-Konzentrationen mit verbesserten Ergebnissen verbunden sind.“
Die Autoren wiesen auch auf einen anderen Aspekt hin: Die Evidenz sei zwar sehr begrenzt, allerdings scheine die exakte Einhaltung von Regeln und Vorgaben bei der PPID-Behandlung schlecht zu sein – und es sei unklar, ob dies das klinische Ergebnis beeinflusst.
Es gibt auch Hinweise darauf, dass Pferde mit klinischen Anzeichen einer PPID wahrscheinlich mehr Nematoden-Eier (Fadenwürmer) ausscheiden als Pferde ohne klinische Anzeichen einer PPID. „Es ist unklar, ob dies zu einem erhöhten Risiko für parasitäre Erkrankungen führt oder ob eine häufigere Beurteilung der Anzahl von Würmereiern im Kot erforderlich ist.“
Diese Grafik zeigt die Häufigkeit, mit der klinische Anzeichen bzw. Krankheitsbilder bei Cushing-Fällen in den eingeschlossenen Studien gemeldet wurden. Rote Balken zeigen einen hohen, orange einen mäßigen und grüne einen niedrigen klinischen Verdacht an. Die bei weitem alarmierendsten Symptome sind demnach übermäßiger Fellwuchs (Hypertrichosis) – entweder am ganzen Körper oder auf bestimmte Körperregionen beschränkt – sowie verzögerter bzw. abnormaler Fellwechsel. Grafik: Nicola Menzies-Gow et.al.
Die ForscherInnen meinten zusammenfassend, dass die begrenzte Anzahl relevanter Veröffentlichungen in der veterinärwissenschaftlichen Fachliteratur die größte Einschränkung ihrer Überprüfung darstellte. Ihre Erkenntnisse sollten von Tierärzten als Grundlage für die Entscheidungsfindung in der Grundversorgung von Pferden genutzt werden. Sie betonten, dass die meisten ihrer Empfehlungen auf einer kleinen Anzahl von Studien basieren, die ihrerseits wiederum nur eine kleine Anzahl von Tieren mit PPID umfassten. Daher seien weitere wissenschaftliche Arbeiten und Forschungen zum Thema Cushing/PPID dringend notwendig, um „in allen Bereichen der Diagnose und Behandlung von PPID" zu hochwertiger wissenschaftlicher Evidenz zu kommen, so das Resümee der AutorInnen.
Die Studie „BEVA primary care clinical guidelines: Diagnosis and management of equine pituitary pars intermedia dysfunction" von Nicola J. Menzies-Gow, Heidi E. Banse, Aimi Duff, Nicholas Hart, Joanne L. Ireland, Edward J. Knowles, Dianne McFarlane und David Rendle ist am 5. Okt. 2023 in der Zeitschrift ,Equine Veterinary Journal' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
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Langzeit-Studie bestätigt gute Behandlungserfolge mit Pergolid bei Cushing-Pferden 16.01.2023 / News
Pergolid gilt bei vielen Cushing-Fällen als Mittel der Wahl – mit guten Behandlungserfolgen, wie eine aktuelle Untersuchung zeigt. / Symbolfoto: Archiv/University College Dublin
Die Behandlung mit Pergolid führt bei Pferden mit dem Cushing-Syndrom (PPID) fast immer zu einer Verbesserung der klinischen Symptome, wie eine Langzeit-Studie zeigt. Die Therapie stabilisiert manchmal die Ergebnisse endokriner Tests – selbst wenn die Dosen konstant niedrig bleiben, so ein führender Experte.
Fallstudien über mehr als ein Jahrzehnt deuten darauf hin, dass Pergolid das Leben von Pferden mit dem Equinen Cushing-Syndrom (in Fachkreisen auch als PPID = Pituitary pars intermedia dysfunction, bekannt, übersetzt: Hypophysen-Pars-Intermedia-Dysfunktion) zwar nicht zu verlängern scheint, aber immerhin deren Lebensqualität über längere Zeiträume verbessert. Dies ist das zentrale Resümee einer Studie, die Prof. Harold C. Schott II, ein führender Endokronologe für Pferde und Professor für Innere Medizin bei Pferden an der Michigan State University in East Lansing (USA), über einen Zeitraum von rund 13 Jahren durchführte und kürzlich der Öffentlichkeit präsentierte. Zudem sind Pferdebesitzer im Allgemeinen sehr zufrieden mit der Langzeitbehandlung mit Pergolid, so der Experte weiter.
„Wie wir alle wissen, wird PPID zunehmend erkannt und behandelt, und wir versuchen, diese längerfristigen Behandlungsentscheidungen zu treffen, da die finanziellen Auswirkungen für unsere einzelnen Kunden eine Herausforderung darstellen können“, sagte Prof. Schott in einer Rede anlässlich der Jahrestagung der Amerikanischen Pferdetierärzte-Vereinigung (AAEP), die vom 18. bis 22. November 2022 in San Antonio, Texas, stattfand und über die das Portal TheHorse.com auf ihrer Website berichtete.
Tierärzte verschreiben häufig Pergolid zur Behandlung von PPID-Pferden, aber es gibt nur sehr wenig Forschung zu den langfristigen Auswirkungen einer solchen Behandlung, so Prof. Schott. Diesem Mangel an belastbaren wissenschaftlichen Daten wollte er mit seiner Langzeit-Studie entgegenwirken: Seit 2009 verfolgen er und seine Forscherkollegen den Gesundheitszustand von 28 Pferden und zwei Ponys von der ersten Gabe von Pergolid gegen PPID bis zu ihrem Lebensende. Sie waren zu Beginn der Behandlung durchschnittlich 23,1 Jahre alt, teilweise basierend auf Altersschätzungen für einige der Equiden.
Die Hälfte der Tiere begann mit einer Dosis von 1 Milligramm pro Tag, die andere Hälfte mit der doppelten Menge, sagte er. Die Forscher untersuchten jedes Pferd oder Pony nach 2,5, 3, 3,5, 4,5, 5,5, 6,5, 9,5 und 12,5 Jahren Behandlung. Alle drei Monate befragten sie die Besitzer der Tiere.
Im Durchschnitt haben die Equiden etwas mehr als drei Jahre überlebt, so Prof. Schott. Die Überlebenszeiten waren jedoch sehr unterschiedlich und reichten von sieben Monaten bis zu 12,5 Jahren nach Beginn der Pergolidtherapie. Eines der 30 Pferde bzw. Ponys, die ursprünglich in die Studie aufgenommen wurden, ist nach wie vor am Leben.
Fünf Pferde mussten wegen PPID-bedingter Hufrehe eingeschläfert werden, die anderen 24 wurden eingeschläfert oder starben an Krankheiten, die bei alternden Equiden üblich sind.
Bei sieben der Tiere, die ursprünglich mit einer relativ niedrigen Dosis begonnen hatten, wurde diese nach den ersten zwei bis fünf Jahren auf 2 Milligramm pro Tag erhöht. Aber insgesamt zeigten die Equiden im Laufe der Jahre eine kontinuierliche Verbesserung der klinischen Symptome: Selbst nach fünfeinhalb Jahren berichteten die Besitzer, dass sich der Zustand der 13 überlebenden Equiden weiter verbessert hatte und diese ein besseres Haarkleid, ein verbessertes Energieniveau, einen besseren Appetit und weniger häufige Anfälle von Hufrehe zeigten. Drei Viertel hatten sogar normale endokrine Testergebnisse, so Prof. Schott.
„Das war ziemlich überraschend für mich, dass wir auch nach längerer Behandlung diese Verbesserung gesehen haben“, stellte er weiter fest, dennoch hatten vier Jahre später nur zwei der verbleibenden sechs Equiden normale endokrine Tests, wie er hinzufügte.
Im Allgemeinen waren die Besitzer sehr zufrieden mit der Wirkung von Pergolid bei ihren PPID-Pferden, so sein Resümee: Nach 10 Jahren Behandlung stimmten 71 % der Pferdebesitzer voll und ganz zu und weitere 25 % stimmten zu, dass das Medikament die Lebensqualität ihrer Pferde verbessert hat. Darüber hinaus stimmten 88 % der Besitzer stimmten ausdrücklich bzw. eher zu, dass sie eine lebenslange Behandlung zulassen würden. Fast drei Viertel der Besitzer waren bereit, für die Dauer des Lebens ihres Tieres mindestens 1.000 US-Dollar pro Jahr in die Behandlung mit Pergolid zu investieren.
13.10.2022 - Cushing bei Pferden: Früherkennung bleibt größte Herausforderung
Cushing bei Pferden: Früherkennung bleibt größte Herausforderung 13.10.2022 / News
Typische klinische Anzeichen von Cushing sind das übermäßige Fellwachstum (Hypertrichose) sowie der aufgetriebene Bauch (Pendelbauch). / Foto: Naomi C. Kirkwood et.al.
Cushing wird dank intensiver Forschungen besser verstanden, auch bei der Behandlung wurden deutliche Fortschritte gemacht – doch frühe klinische Anzeichen des Cushing-Syndroms bei Pferden werden häufig übersehen, weshalb die Therapie oft erst in einem fortgeschrittenem Krankheitsstadium begonnen werde, so die AutorInnen einer Übersichtsstudie.
Die im Fachterminus als PPID (= pituitary pars intermedia dysfunction, deutch: Hypophysen-Pars-Intermedia-Dysfunktion) bezeichnete Krankheit, in der Szene als Cushing bekannt, werde oft erst diagnostiziert, wenn der Zustand weit fortgeschritten und die Erkrankung bereits schwerwiegend ist, so die WissenschaftlerInnen Naomi Kirkwood, Kristopher Hughes und Allison Stewart.
Die drei WissenschaftlerInnen haben sich in einer Übersichtsstudie mit dem aktuellen Forschungsstand in Sachen Cushing bei Pferden auseinandergesetzt, die vorhandene wissenschaftlichen Arbeiten analysiert und versucht, einen Überblick über aktuelle Perspektiven auf den Krankheitsverlauf, klinische Anzeichen, Diagnose und Behandlung zu geben.
Trotz intensiver Forschungen und erheblicher Fortschritte in der Behandlung seien die gestörten physiologischen Prozesse hinter PPID noch nicht vollständig verstanden. Insgesamt habe aber das Bewusstsein für endokrine Erkrankungen wie PPID in der Pferde-Community in den letzten Jahren deutlich zugenommen, so die ForscherInnen einleitend.
PPID ist mittlerweile die häufigste hormonelle Erkrankung älterer Pferde und beeinträchtigt die Lebensqualität, die Funktion des Immunsystems und die sportliche Leistungsfähigkeit. Klinische Anzeichen können übermäßiger Haarwuchs (Hypertrichose), Muskelschwund, Senkrücken und herabhängender Bauch (Pendelbauch), wiederkehrende Infektionen, Lethargie, Lahmheit und übermäßiges Trinken und Harnlassen sein.
Pferde mit PPID erfordern ein sehr effizientes Management und eine vorbeugende Gesundheitsversorgung, sagten sie. Wenn Pferde mit PPID eine Vorgeschichte von Hufrehe haben oder bei denen eine Insulindysregulation diagnostiziert wurde, sollte eine Fütterung mit hohem Gehalt an nicht-strukturellen Kohlenhydraten vermieden werden. „Da Pferde mit PPID jedoch häufig an Gewichtsverlust und Muskelschwund leiden, sollte dem Körperzustandswert (Body Condition Score) des Pferdes große Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wenn Pferde anfangen, Gewicht zu verlieren, sollte eine zusätzliche Fütterung erfolgen, um den körperlichen Zustand zu verbessern, die Ernährung sollte zudem auf der Grundlage des Insulin-Dysregulationsstatus angepasst werden.“
Die Ernährung sollte stets auf das Alter, die körperliche Verfassung und die sportliche Verwendung abgestimmt sein, so die AutorInnen weiter. Sie wiesen auch auf die mögliche Korrelation zwischen niedrigem Vitamin B12 und PPID bei älteren Pferden hin, weshalb in diesen Fällen eine Supplementierung mit Vitamin B12 gerechtfertigt sein könnte. Hierzu seien jedoch weitere Forschungen notwendig. Auch die Immunfunktion ist bei Pferden mit PPID verändert, es sollten daher strenge vorbeugende Gesundheitsmaßnahmen und Biosicherheitsprotokolle eingeführt werden.
Aufgrund des erhöhten Risikos für altersbedingte Zahnerkrankungen und des erhöhten Risikos für Sekundärinfektionen und Parasitenprobleme sollten zudem regelmäßige zahnärztliche Untersuchungen und Eizählungen in Kotproben durchgeführt werden.
Pferden mit Zahnerkrankungen, die den Verzehr von langfaseriger Trockenmasse nicht vertragen, sollte Häcksel oder Faserpellets (Rübenschnitzel) angeboten werden, um den Bedarf an Trockenmasse zu decken. Pferde, die aufgrund mangelnden Schwitzens oder übermäßigem Fellwachstums Schwierigkeiten haben, ihre Körpertemperatur zu kontrollieren, sollten ausreichend Schatten und frisches Wasser erhalten und nach Bedarf geschoren werden. Auch die Anwendung der Blaulichttherapie könne zu einer Verringerung des übermäßigen Fellwachstums führen, so die AutorInnen.
Einen kritischen Punkt – und eine erhebliche Herausforderung für alle Beteiligten – stelle nach wie vor die frühzeitige Diagnose von Cushing-betroffenen Pferden dar: Noch immer werden frühe klinische Anzeichen des Cushing-Syndroms bei Pferden häufig übersehen, weshalb die Therapie oft erst in einem fortgeschrittenem, schwerwiegenden Krankheitsstadium begonnen werde, so die AutorInnen. Sie betonten vor allem die Bedeutung einer verbesserten Erkennung früher klinischer Anzeichen und Diagnosen, da der Beginn der Behandlung in der Regel auch zu einer verbesserten Lebensqualität führt.
Der genaueste diagnostische Test zur Identifizierung einer frühen Erkrankung ist seit einigen Jahren der sogenannte Thyrotropin-Releasing-Hormon (TRH)-Stimulationstest, und der häufigste diagnostische Test ist die Konzentration des basalen adrenocorticotropen Hormons (ACTH). Die Interpretation der Testergebnisse sei jedoch diffizil, so die AutorInnen, es müsse das klinische Erscheinungsbild in die Gesamtbeurteilung einbezogen werden, zudem sollten Referenzintervalle und saisonale Grenzwerte berücksichtigt werden, um falsch negative oder falsch positive Ergebnisse zu reduzieren.
Wie eine vielbeachtete Studie aus dem Jahr 2021 nachweisen konnte, variieren die basalen ACTH-Werte bei Pferden erheblich, wobei auch Faktoren wie Alter, Geschlecht und Körperzustandswert (BCS) deutlichen Einfluss haben. Experten weisen deshalb darauf hin, dass in frühen Stadien bzw. zu gewissen Jahreszeiten eine einmalige Bestimmung des ACTH Wertes oft nicht ausreichend ist, weshalb ein sogenannter TRH-Stimulationstest durchgeführt werden sollte. Hierbei wird ein Medikament verabreicht, welches die Hypophyse anregt oder hemmt, und der ACTH- Wert wird vor und nach Verabreichung des Medikamentes bestimmt.
Eine Diagnose allein auf der Grundlage klinischer Anzeichen sei zwar grundsätzlich möglich, so die Autorinnen, doch sei die Krankheit oft schon weit fortgeschritten, sobald klinische Anzeichen offensichtlich sind. Zur Verbesserung der Lebensqualität und sportlichen Leistungsfähigkeit wird eine Behandlung mit Pergolidmesylat empfohlen.
Zwei Beispiele für die erfolgreiche Behandlung mit Pergolid – oben bei einem 18-jährigen Irischen Sportpferd, darunter bei einem 25 Jahre alten Australischen Stockhorse. Fotos: Naomi C. Kirkwood et.al.
Insgesamt meinten die AutorInnen, dass zukünftige Forschung darauf abzielen sollte, die Genauigkeit der Diagnose der Krankheit zu verbessern, da die basale ACTH-Konzentration wenig aussagekräftig sein kann und das TRH, das für den Stimulationstest verwendet wird, in vielen Ländern nicht als steriles registriertes Produkt im Handel erhältlich ist. Auch die Beziehung zwischen PPID und Insulin-Dysregulation und ihre Verbindung mit Hufrehe sowie zusätzliche Managementpraktiken und langfristige Reaktionen auf die Behandlung mit Pergolid erfordern weitere Untersuchungen, so das Resümee der AutorInnen.
Die Studie „Review Article: Pituitary Pars Intermedia Dysfunction (PPID) in Horses" von Naomi C. Kirkwood, Kristopher J. Hughes und Allison J. Stewart ist am 10. Okt. 2022 in der Zeitschrift ,Veterinary Sciences' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
04.01.2021 - Cushing-Pferd überstand 110-fache Überdosis Pergolid
Cushing-Pferd überstand 110-fache Überdosis Pergolid 04.01.2021 / News
Eine Ponystute in Deutschland überstand dank rascher Gegenmaßnahmen eine drastische Überdosierung des Cushing-Medikaments Prascend mit dem Wirkstoff Pergolid. / Symbolfoto: Archiv/Uschi Haller
Eine Ponystute in Deutschland hat eine deutliche Überdosis Pergolid weitgehend unbeschadet überstanden – es hatte versehentlich die 110-fache Menge des Wirkstoffs erhalten.
Der seltene Fall einer extremen Überdosierung mit dem Wirkstoff Pergolid wurde von der deutschen Wissenschaftlerin Dr. Bianca Schwarz dokumentiert und im Rahmen einer Studie aufgearbeitet: Eine 26-jährige Ponystute (ca. 180 kg Körpergewicht) war als Notfall in eine Pferdeklinik gebracht worden, da sie irrtümlich das 110-fache ihrer Standarddosis Pergolid (Prascend) oral erhalten hatte: Anstelle einer halben Tablette (0,5) des Medikaments Prascend wurden 55 1-mg-Tabletten verabreicht, was etwa vier Stunden später bemerkt worden war. Das Pony wurde daraufhin sofort in eine Klinik gebracht. (Anmerkung: Pergolid gilt bei vielen Cushing-Fällen als Mittel der Wahl, wirkt als Dopamin-Agonist und soll die übermäßige körpereigene Produktion des Stresshormons Cortisol hemmen bzw. verhindern.)
Die klinische Untersuchung war anfangs normal, mit Ausnahme einer erhöhten Herzfrequenz von 52 Schlägen/min. Das Pony wurde symptomatisch mit Paraffinöl und Aktivkohle via Magensonde behandelt, um eine weitere Aufnahme des Pergolids zu verhindern und die Ausscheidung des Wirkstoffs über das Verdauungssystem zu beschleunigen. Darüber hinaus erhielt das Pony 400 mg Dopamin-Antagonisten Azaperon (Stresnil) intramuskulär, gefolgt von 80 mg alle 6 Stunden zweimal und dann 60 mg alle 6 Stunden zweimal (ebenfalls intramuskulär). Zusätzlich wurden 40 mg Verapamil (Verapamil-ratiopharm) zwei Tage lang alle 4 Stunden pro os verabreicht, gefolgt von 40 mg alle 6 Stunden für weitere 5 Tage.
Das Pony wurde klinisch engmaschig überwacht. Es blieb die ganze Zeit über wach und aufmerksam, und die Herzfrequenz normalisierte sich innerhalb eines Tages wieder. Die einzigen Anomalien, die 24 Stunden nach der Einnahme der Pergolid-Überdosis festgestellt wurden, waren ein verminderter Appetit und Ängstlichkeit, möglicherweise ein durch das Dopamin verursachter zentralnervöser Effekt. In den nächsten Tagen kehrte der Appetit zurück, und auch die Ängstlichkeit verschwand.
Eine Überdosierung von Pergolid wird als sehr selten angesehen. Nach Kenntnis der Autoren ist dies der erste Bericht mit einer schweren Überdosierung von Pergolid (Prascend). Da eine versehentliche Überdosierung von Medikamenten ein häufiger Fehler in der Medizin ist, ist es wichtig zu wissen, welche Nebenwirkungen auftreten können und wie in solchen Fällen zu reagieren ist.
Die Studie „Accidental Overdose of Pergolide (Prascend) Followed by Loss of Appetite, Tachycardia, and Behavioral Abnormalities in a Pony Mare" von Dr. Bianca Schwarz ist am 6. Juli 2020 in der Zeitschrift ,Journal of Equine Veterinary Science' veröffentlicht worden und kann in englischer Kurzfassung hier nachgelesen werden.
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