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Sicheres Reiten & Fahren im Straßenverkehr
28.11.2015 / Wissen

Niemals ohne: Nicht nur bei einbrechender Dämmerung kann eine Sicherheitsweste lebensrettend sein.
Niemals ohne: Nicht nur bei einbrechender Dämmerung kann eine Sicherheitsweste lebensrettend sein. / Foto: Dr. Reinhard Kaun
Negativ-Beispiel: Keine Sicherheitsbekleidung und unzureichende Ausrüstung machen einen Ausritt bei diesen Bedingungen zu einem gefährlichen Spiel...
Negativ-Beispiel: Keine Sicherheitsbekleidung und unzureichende Ausrüstung machen einen Ausritt bei diesen Bedingungen zu einem gefährlichen Spiel... / Foto: Dr. Reinhard Kaun
Sicherheitsregeln Gespannfahrer.pdf

Welche Vorschriften und Vorsichtsmaßnahmen sind zu beachten, wenn man mit seinem Pferd auf öffentlichen Straßen und Wegen unterwegs ist? Dr. Reinhard Kaun, Experte für Sicherheitsfragen & -management rund ums Pferd, hat die wichtigsten Verhaltensregeln zusammengestellt.

 

Sicherheit beginnt im Kopf

– Jede Person*, die mit Pferden am öffentlichen Leben und im allgemeinen Verkehr teilnimmt, muss sich im Klaren sein, dass sie einerseits durch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden kann,  aber auch darüber,  dass von Pferden allgemein ein hohes Risikopotential ausgeht.

– Der Reiter, Fahrer oder Pferdehalter unterliegt deshalb der Rechtsfigur der Allgemeinen Verkehrssicherungspflicht; er hat für eine Gefahr, die er schafft, einzustehen.

– Es sollte jedem Menschen, der mit Pferden umgeht, ständig bewusst sein, dass der OGH erkannt hat, dass „Pferde unberechenbare, von ihren Trieben und Instinkten geleitete Wesen sind“;  dies bedeutet, dass die spezielle Tiergefahr beim Pferd, also Durchgehen, Ausschlagen und Beißen sich jederzeit verwirklichen kann, daher als vorhersehbar und vermeidbar gilt.

Straßenverkehrsordnung

– Ein am öffentlichen Verkehr teilnehmender Reiter muss dazu körperlich geeignet und des Reitens kundig sein, sowie das 16. Lebensjahr vollendet haben. Die körperliche Eignung definiert sich u.a. an den Körperkräften des Reiters in Relation zu seinem „Reittier“ sowie an der Abwesenheit von Farbenblindheit und Schwerhörigkeit. Menschen mit  Behinderungen der Art, die ein Beherrschen eines Pferdes vorhersehbar erschweren oder in Frage stellen, sollten ihre Defizite einer ärztlichen Eignungsprüfung unterziehen lassen.

– Personen unter 16 Jahren müssen sich in einer solchen Begleitung Erwachsener befinden, die ein jederzeitiges Eingreifen ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ermöglicht. Die Begleitperson kann selber reiten, neben dem zu begleitenden Reiter bzw. Pferde hergehen  oder mit dem Fahrrad daneben herfahren.

– Hinsichtlich der Blutalkoholkonzentration gelten für Reiter im öffentlichen Verkehr dieselben Werte wie für Fahrzeuglenker.

– Alle Fahrregeln des § 7 StVO sind für Reiter sinngemäß anzuwenden.

– Reiter und Personen, die Pferde führen, dürfen nur die Fahrbahn oder gekennzeichnete Reitwege benützen; Reiten und Führen von Pferden auf der Bankette, einem Gehweg oder Radweg sowie auf Autobahnen und Autostraßen ist verboten.

Reiten im Wald

– Reiten im Wald ist generell verboten.

– Zum Bereiten von Forststraßen und privaten Wirtschaftswegen ist das Einverständnis des Grund- oder Waldbesitzers notwendig.
Anforderung an  Reiter

– Die StVO gibt vor, dass ein Reiter im öffentlichen Verkehr des Reitens kundig sein muss. Daraus ergibt sich, dass im Falle eines Unfalles der Reiter sein Reitvermögen nachweisen muss, der Besitz einer Qualifikation wie Reiterpass oder Reiternadel kann hierbei hilfreich sein, stellt aber nicht automatisch einen Freibeweis dar.

– Um überhaupt „frei reiten“ zu können, wird nach allgemeiner Ansicht von Experten der Nachweis von 15 – 30 Longestunden  gefordert.

– Ein Reiter und sein Pferd müssen bei allen Licht- und Witterungssituationen für andere Verkehrsteilnehmer klar erkennbar sein.

– Begegnung oder Vorbeireiten mit oder an anderen Reitern oder Gespannen darf nur im Schritt erfolgen.

Anforderung an Pferde

– Pferde, die am öffentlichen Verkehr teilnehmen, müssen einen hohen Grad an Grundgehorsam aufweisen, der sich in verlässlicher Durchlässigkeit beim Auf- und Absitzen,  beim  Halten und Stehen sowie in den Grundgangarten und beim Rückwärtsrichten äußert.

– Ungehorsame oder widersetzliche Pferde haben im Straßenverkehr nichts verloren.

– Habituelle Schläger müssen mit einer roten Schleife im Schweif gekennzeichnet sein, bissige Pferde müssen im öffentlichen Verkehr einen Maulkorb tragen.

Reiten im Konvoi

– Der Vor- und der Schlussreiter sollen als solche erkennbar gekennzeichnet sein.

– Um Aufreiten und Stockungen zu vermeiden, sollen die (auch im Schritt) schnelleren Pferde die Gruppe anführen.

– Werden Pferde innerhalb einer Gruppe geführt und geritten, sollen die berittenen Pferde vor den an der Hand Geführten gehen.

– Die Sicherheitsabstände von einer Pferdelänge (= 3 m) im Schritt und 2 Pferdelängen im Trabe müssen beachtet werden, im Galopp wird im öffentlichen Verkehr nicht geritten.

– Für die Einhaltung der Sicherheitsabstände ist jeweils der nachfolgende Reiter verantwortlich.

– Der Seitenabstand zu einem anderen Pferd beim Nebeneinander-Reiten beträgt mindestens eine Pferdebreite (= 80 cm).

– Beim Reiten in Reihe (am Straßenrand) und Glied (beim Überqueren einer Straße) gibt der Vorreiter die jeweiligen Zeichen für Richtungswechsel, Tempoerhöhung oder -reduktion) für den Gegenverkehr, der Schlussreiter für den Folgeverkehr;  beide vergewissern sich, dass die anderen  Verkehrsteilnehmer die Zeichen verstanden haben.

– Beim Umzügen, Paraden oder Brauchtumsritten werden jeweils nach Gruppen von 10 – 15 Pferden „Wellenbrecher“ eingebaut: dies sind pferdekundige Personen, die zu Fuß gehen und bei sich aufbauender Gefahr sofort eingreifen können.

Reiten im öffentlichen Verkehr

– Gemäß der Rechtsfigur der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht hat der Reiter sich in seinem Verhalten einer jeweiligen Situation anzupassen; bloßer warnender Zuruf an Dritte genügt nicht, nötigenfalls muss der Reiter absitzen und sein Pferd sicher verwahren.

– Nach einem Erkenntnis des OGH sind Pferde keine spurtreuen Wesen: dem muss Rechnung getragen werden, indem ein ständiger Sicherheitsabstand – speziell zur Seite und nach hinten - von 1.50 – 2 m, abhängig von der Größe des Pferdes,  zu anderen Verkehrsteilnehmern (Fußgänger, Radfahrer, Kraftfahrzeuge) eingehalten wird.

– Bei Begegnung mit schweren Ernte- oder Baumaschinen ist der Reiter angehalten, durch Blickkontakt mit deren Lenker  und Zeichengebung  einen reibungslosen Verkehr zu gewährleisten.

– In allen kritischen oder vom Sattel aus nicht beherrschbaren Situationen muss der Reiter absitzen und das Pferd durch korrekte Zügelhandhabung verwahren; dabei darf kein verhängter Zügel zum Einsatz kommen.

Ausrüstung der Reiter und Pferde

– Reiter sollen mit sicherer und zweckmäßiger Bekleidung ausgerüstet sein: Reithelm nach EN – Kriterien, Handschuhe und Schaftstiefel sind als Mindestbekleidung anzusehen.  Abhängig von besonderen Situationen sind Warnkleidung, Stirn – und Stiefellampen und Reflektorbänder  einzusetzen.

– Pferde müssen mit sicherem und vor jedem Ritt überprüftem Equipment ausgerüstet sein, wobei der Qualität und dem Pflegezustand der Zügel, Gebisse und Bügelriemen besonderes Augenmerk zu schenken ist. Alle Strupfen sollten ein Reserveloch aufweisen. Die bei uns üblichen Zäumungs- und Besattelungsregeln  sind einzuhalten.

– Reiter, die sich mit gebissloser Zäumung und ohne Sattel in den öffentlichen Verkehr begeben, haben im Falle eines Unfalles eine hohe Beweislast zu tragen.

§§ 1320 (Halterparagraf) und 1299 ABGB (Sachverständigenparagraf) – Reizen, Antreiben, Verwahren – Vorbildwirkung von Lehrpersonen

– Wer ein Pferd „an die Hilfen“ gestellt hat, treibt es an und muss notfalls beweisen, dass dies zweckmäßig und situationsgerecht war.

– Im Sattel zu rauchen, zu telefonieren oder   andere, für das Pferd möglicherweise irritierende Manipulationen vorzunehmen,  kann als „Reizen“ des Pferdes ausgelegt und haftungsrelevant werden;

– Das sichere und möglichst gefahrlose Verwahren gilt gleichermaßen für das gerittene wie geführte Pferde – als Halter gilt jeweils, wer die überwiegende Gewalt  über das Pferd hat.

– Anerkannten Lehrpersonen für den Reitsport wird ein höherer Einsichtsgrad in die Materie des Reitsports und seiner Gefahren sowie der Pferdekunde unterstellt, weswegen ihnen eine hohe Vorbildwirkung zukommt.  

*Es sind mit allen Aussagen jeweils Personen aller geschlechtlichen Varianten gemeint.

 

Univ.Lektor VR Mag. Dr. Reinhard Kaun ist Fachtierarzt für Pferdeheilkunde, Fachtierarzt für physikalische Therapie & Rehabilitationsmedizin sowie Allgemein beeideter & gerichtlich zertifizierter Sachverständiger (Sachverständigenbüro für klinische und forensische Veterinärmedizin, Tierhaltung & Pferdewissenschaften)
Kontakt: 2070 Retz, Herrengasse 7, Web: www.pferd.co.at | www.pferdesicherheit.at

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