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Übergewicht verkürzt Pferdeleben und verringert Leistungsfähigkeit
15.02.2023 / News

Eine „übermäßige Kondition" – sprich: zuviel Körperfett – werde nach wie vor in bestimmten Disziplinen und Schauklassen belohnt, mit fatalen Folgen für die Pferdegesundheit, so die ForscherInnen.
Eine „übermäßige Kondition" – sprich: zuviel Körperfett – werde nach wie vor in bestimmten Disziplinen und Schauklassen belohnt, mit fatalen Folgen für die Pferdegesundheit, so die ForscherInnen. / Symbolfoto: Archiv Martin Haller

… das ist das beunruhigende Resümee einer soeben veröffentlichten Übersichtsstudie von US-Wissenschaftlern zum Problem von übergewichtigen Pferden. Sie bestätigen auch, dass Fettleibigkeit bei Pferden von vielen Besitzern noch immer verkannt wird – und in manchen Disziplinen sogar belohnt wird.


Die sportlichen Laufbahnen und die Leben vieler Pferde werden durch Übergewicht verkürzt, so der Befund zweier prominenter AutorInnen einer soeben veröffentlichten Übersichtsstudie, in der mehr als 100 einschlägige Untersuchungen und Forschungsarbeiten berücksichtigt wurden.

Die ForscherInenn wörtlich: „Trotz der überwältigenden Anerkennung der schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen von Fettleibigkeit bei unseren Pferden haben mehrere große Forschungsstudien gezeigt, dass Fettleibigkeit in unserer Pferdepopulation weit verbreitet ist. Übermäßige Gewichtsbelastung – sei es durch zuviel Körperfett und/oder zu großes Reitergewicht – scheint die Arbeitsbelastung von Pferden zu erhöhen und kann die Gliedmaßen eines Pferdes während des Trainings übermäßig belasten“, so Prof. Dr. Shannon Pratt-Phillips, Professorin für Pferdeernährung, und Co-Autor Ahmad Munjizun von der North Carolina State University.

„Eine zu hohe Gewichtslast erhöht zudem die Wahrscheinlichkeit zusätzlicher negativer Auswirkungen auf die Gesundheit wie Stoffwechselerkrankungen, Hufrehe, Entzündungen, kardiovaskuläre Veränderungen und/oder Arthritis“, so die ForscherInnen weiter – daher kann übermäßiges Körperfett zu potenziell verkürzten Sportkarrieren und/oder Leben dieser Pferde beitragen.

Pferde so zu füttern, dass sie in einem normalen, gesunden Körperzustand bleiben, könne folglich „ihre sportliche Karriere und ihr Leben verlängern“, so die ForscherInnen in ihrer Übersichtsstudie.  Sie wiesen auch auf den irritierenden Umstand hin, dass in vielen Pferdedisziplinen offenkundig eine „übermäßige Kondition“ (sprich: mehr Fett) von den Richtern belohnt werde und eine erhöhte Gesamtinzidenz von Fettleibigkeit bei Pferden zu beobachten sei, wie einige Untersuchungen nahelegen – all dies gebe Anlass zu ernster Besorgnis.

Die AutorInnen stellten fest, dass viele Untersuchungen gezeigt haben, dass mehr als 50 % der Pferdepopulation übergewichtig sind, wobei 15–30 % davon als fettleibig eingestuft werden. Die Zahl der übergewichtigen Pferde liegt Berichten zufolge in den Vereinigten Staaten bei 22 bis 50 % und in Großbritannien zwischen 31,2 und 72 %.

Diese hohe Prävalenz von Fettleibigkeit ist wahrscheinlich auf das niedrigere Arbeitsniveau vieler Pferde und den besseren Zugang zu hochwertigem Futter sowie auf ein mangelndes Verständnis dafür zurückzuführen, wie übermäßiges Fett einzuschätzen ist. Die Autoren stellten fest, dass mehrere Studien berichteten, dass sich die Wahrnehmung der Besitzer des Fettgehalts auf Schläuchen verändert hat, so dass Besitzer oft übergewichtige oder sogar fettleibige Tiere nicht erkennen, möglicherweise teilweise aufgrund mangelnder Aufklärung.

„In vielen dieser Studien neigen Besitzer dazu, den Zustand ihres Pferdes im Vergleich zu einem Experten zu unterschätzen“, so ihr Befund. „Eine weitere Sorge ist die Überzeugung, dass von Sport- bzw. Schaupferden erwartet wird, dass sie mehr Körperfett aufweisen, um in bewerteten Klassen (wie etwa Exterieur-/Halter-Klassen, Hunter- und Dressurklassen) konkurrenzfähiger zu sein, insbesondere im Vergleich zu Disziplinen, in denen das Exterieur nicht bewertet wird (Springreiten, Vielseitigkeit, Polo, Pferderennen usw.).“

Pferdebesitzer berichteten in einer Studie, dass Tiere, die für den Showring bestimmt waren, „besser geeignet waren, wenn sie übergewichtig waren“. Diese Autoren befragten Pferdebesitzer zu ihrer Fähigkeit, Übergewicht in einer Gruppe von Fotos zu erkennen, und stellten fest, dass die Besitzer, die mit dem Vorführen von Pferden befasst somd, ein normalgewichtiges, gesundes Pferd eher als untergewichtig betrachten.

Wie aber kann sich Übergewicht auf die Leistung von Pferden auswirken? Auch bei dieser Frage kommen die beiden AutorInnen zu klaren Schlüssen: „Zusätzlich zu einer erhöhten Arbeitsbelastung kann sich das Tragen von zusätzlichem Gewicht auch auf die Bewegung eines Pferdes auswirken“, so die ForscherInnen.

In einer Studie hatten Pferde, die übermäßig gefüttert wurden, um Körperfett anzusetzen, neben Auswirkungen auf die Herzfrequenz und Temperatur auch die Bewegung verändert. Eine Studie über Reitschulpferde in Schweden ergab, dass asymmetrischere Bewegungen in den Hinterbeinen mit höheren BCS-Werten korrespondierten. „Darüber hinaus war die Asymmetrie sowohl in den Vorder- als auch in den Hinterbeinen bei Pferden mit höheren Körperkonditionswerten höher.“

In einem Fachartikel, der die Auswirkungen von Fett auf die Trainingsleistung bei Pferden untersuchte, stellten die Forsche fest, dass die Beweise ein hohes Auftreten von Fettleibigkeit dokumentieren, insbesondere in speziellen Disziplinen bzw. Schauklassen. „Das erhöhte Gewicht, das von solchen Pferden und Ponys getragen wird, kann die Arbeitsbelastung beim Reiten erhöhen, wobei diese Studien nur die kurzfristigen Auswirkungen der Gewichtslast untersuchen“, so die AutorInnen..

Übermäßiges Fett ist auch stark mit mehreren gesundheitlichen Problemen verbunden, darunter Insulin-Dysregulation und Hufrehe. Es ist wahrscheinlich, sagten sie, dass die langfristigen Auswirkungen von zu dickem Körper zusammen mit der übermäßigen Gewichtsbelastung sich über das Leben eines Pferdes addieren. Weitere Forschungen sind erforderlich, um diese Folgen zu dokumentieren, sagten die ForscherInnen.

In einer anderen Studie wurde berichtet, dass das Tragen von zusätzlichen 18 Kilogramm Gewicht bei einer Sprungübung das Landeverhalten und die gesamte Sprungkinematik veränderte. Diese Studie verwendete Videoaufnahmen von Pferden, die einen Reiter von etwa 61 kg mit oder ohne zusätzliche 18 kg schwere Kleidung trugen, um die Auswirkungen des Gewichts auf die Streckung der Gliedmaßen und die Standdauer bei der Landung aus einem 1,1-Meter-Sprung zu bestimmen.

Es sollte beachtet werden, so die AutorInnen weiter, dass Pferde, die aufgrund ihrer Rasse und ihres Körperbaus von Natur aus schwerer sind, wahrscheinlich schwerere Knochen haben, um die zusätzliche Kraft und das zusätzliche Gewicht zu tragen. „Bei einem kleineren Pferd, das zusätzliche Last in Form von Fett trägt, kann es zwar auch zu einem Knochenumbau kommen, um das Körpergewicht besser tragen zu können (wie beim Menschen), aber vielleicht nicht in ausreichendem Maße, zudem kann die Sehnenunterstützung negativ beeinflusst werden.“ Tatsächlich werde Fettleibigkeit sowohl bei Menschen als auch bei Hunden mit nichtentzündlichen Sehnenerkrankungen – sogenannten Tendinopathien – in Verbindung gebracht, so die ForscherInnen.

Übermäßiges Fett und erhöhte Arbeitsbelastung können auch andere leistungsbeschränkende Folgen haben, einschließlich einer unzureichen Körperkühlung. „Die isolierenden Eigenschaften von Fett können zusammen mit der reduzierten Oberfläche pro Kilogramm Körpergewicht zu Hitzestress bei übergewichtigen Tieren beitragen“, sagten sie.

Eine andere Studie, die die Auswirkungen des Reitergewichts auf Pferde untersuchte, zeigte höhere oberflächliche Körpertemperaturen bei Pferden mit schwereren Reitern, sagten sie. „Hitzestress ist eine der Hauptursachen für Ausfälle bei vielen Arten von Wettkämpfen, einschließlich Distanzrennen, kann aber auch Pferde in anderen Disziplinen gefährden, insbesondere bei heißem und feuchtem Wetter.“ Beim Menschen sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufig mit Fettleibigkeit verbunden, und ähnliche Zusammenhänge wurden bei Hunden und Katzen berichtet.

Eine weitere Studie berichtete über Veränderungen im Herzmuskel bei fettleibigen Pferden sowie über eine Zunahme des Fetts im und um das Herz herum. „Während Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Pferden als selten gelten, ist es möglich, dass aufgrund des Auftretens von fettleibigen Pferden mehr Fälle identifiziert werden. Weitere Forschung auf diesem Gebiet ist gerechtfertigt.“

Das abschließende Resümee der AutorInnen fiel eindeutig aus: „Das vermehrte Auftreten von Übergewicht in unserer Pferdepopulation hat eindeutig negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Pferden, wie z. B. ein erhöhtes Risiko für das metabolische Syndrom des Pferdes und Hufrehe. Übermäßiges Fettgewebe hat aufgrund einer kombinierten Entzündungsreaktion und der Auswirkungen einer übermäßigen Gewichtsbelastung auf die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit der Gliedmaßen wahrscheinlich auch negative Auswirkungen auf die Trainingsleistung.“

All das gebe Anlass zu großer Sorge und müsse von der gesamten Pferde-Community ernstgenommen werden – offene bzw. noch nicht eindeutig beantwortete Fragen sollten rasch durch weitere Forschungen geklärt werden, so die AutorInnen.

Die Studie „Impacts of Adiposity on Exercise Performance in Horses" von Shannon Pratt-Phillips und Ahmad Munjizun ist am 14. Feb. 2023 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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