Übergewicht verkürzt Pferdeleben und verringert Leistungsfähigkeit 15.02.2023 / News
Eine „übermäßige Kondition" – sprich: zuviel Körperfett – werde nach wie vor in bestimmten Disziplinen und Schauklassen belohnt, mit fatalen Folgen für die Pferdegesundheit, so die ForscherInnen. / Symbolfoto: Archiv Martin Haller
… das ist das beunruhigende Resümee einer soeben veröffentlichten Übersichtsstudie von US-Wissenschaftlern zum Problem von übergewichtigen Pferden. Sie bestätigen auch, dass Fettleibigkeit bei Pferden von vielen Besitzern noch immer verkannt wird – und in manchen Disziplinen sogar belohnt wird.
Die sportlichen Laufbahnen und die Leben vieler Pferde werden durch Übergewicht verkürzt, so der Befund zweier prominenter AutorInnen einer soeben veröffentlichten Übersichtsstudie, in der mehr als 100 einschlägige Untersuchungen und Forschungsarbeiten berücksichtigt wurden.
Die ForscherInenn wörtlich: „Trotz der überwältigenden Anerkennung der schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen von Fettleibigkeit bei unseren Pferden haben mehrere große Forschungsstudien gezeigt, dass Fettleibigkeit in unserer Pferdepopulation weit verbreitet ist. Übermäßige Gewichtsbelastung – sei es durch zuviel Körperfett und/oder zu großes Reitergewicht – scheint die Arbeitsbelastung von Pferden zu erhöhen und kann die Gliedmaßen eines Pferdes während des Trainings übermäßig belasten“, so Prof. Dr. Shannon Pratt-Phillips, Professorin für Pferdeernährung, und Co-Autor Ahmad Munjizun von der North Carolina State University.
„Eine zu hohe Gewichtslast erhöht zudem die Wahrscheinlichkeit zusätzlicher negativer Auswirkungen auf die Gesundheit wie Stoffwechselerkrankungen, Hufrehe, Entzündungen, kardiovaskuläre Veränderungen und/oder Arthritis“, so die ForscherInnen weiter – daher kann übermäßiges Körperfett zu potenziell verkürzten Sportkarrieren und/oder Leben dieser Pferde beitragen.
Pferde so zu füttern, dass sie in einem normalen, gesunden Körperzustand bleiben, könne folglich „ihre sportliche Karriere und ihr Leben verlängern“, so die ForscherInnen in ihrer Übersichtsstudie. Sie wiesen auch auf den irritierenden Umstand hin, dass in vielen Pferdedisziplinen offenkundig eine „übermäßige Kondition“ (sprich: mehr Fett) von den Richtern belohnt werde und eine erhöhte Gesamtinzidenz von Fettleibigkeit bei Pferden zu beobachten sei, wie einige Untersuchungen nahelegen – all dies gebe Anlass zu ernster Besorgnis.
Die AutorInnen stellten fest, dass viele Untersuchungen gezeigt haben, dass mehr als 50 % der Pferdepopulation übergewichtig sind, wobei 15–30 % davon als fettleibig eingestuft werden. Die Zahl der übergewichtigen Pferde liegt Berichten zufolge in den Vereinigten Staaten bei 22 bis 50 % und in Großbritannien zwischen 31,2 und 72 %.
Diese hohe Prävalenz von Fettleibigkeit ist wahrscheinlich auf das niedrigere Arbeitsniveau vieler Pferde und den besseren Zugang zu hochwertigem Futter sowie auf ein mangelndes Verständnis dafür zurückzuführen, wie übermäßiges Fett einzuschätzen ist. Die Autoren stellten fest, dass mehrere Studien berichteten, dass sich die Wahrnehmung der Besitzer des Fettgehalts auf Schläuchen verändert hat, so dass Besitzer oft übergewichtige oder sogar fettleibige Tiere nicht erkennen, möglicherweise teilweise aufgrund mangelnder Aufklärung.
„In vielen dieser Studien neigen Besitzer dazu, den Zustand ihres Pferdes im Vergleich zu einem Experten zu unterschätzen“, so ihr Befund. „Eine weitere Sorge ist die Überzeugung, dass von Sport- bzw. Schaupferden erwartet wird, dass sie mehr Körperfett aufweisen, um in bewerteten Klassen (wie etwa Exterieur-/Halter-Klassen, Hunter- und Dressurklassen) konkurrenzfähiger zu sein, insbesondere im Vergleich zu Disziplinen, in denen das Exterieur nicht bewertet wird (Springreiten, Vielseitigkeit, Polo, Pferderennen usw.).“
Pferdebesitzer berichteten in einer Studie, dass Tiere, die für den Showring bestimmt waren, „besser geeignet waren, wenn sie übergewichtig waren“. Diese Autoren befragten Pferdebesitzer zu ihrer Fähigkeit, Übergewicht in einer Gruppe von Fotos zu erkennen, und stellten fest, dass die Besitzer, die mit dem Vorführen von Pferden befasst somd, ein normalgewichtiges, gesundes Pferd eher als untergewichtig betrachten.
Wie aber kann sich Übergewicht auf die Leistung von Pferden auswirken? Auch bei dieser Frage kommen die beiden AutorInnen zu klaren Schlüssen: „Zusätzlich zu einer erhöhten Arbeitsbelastung kann sich das Tragen von zusätzlichem Gewicht auch auf die Bewegung eines Pferdes auswirken“, so die ForscherInnen.
In einer Studie hatten Pferde, die übermäßig gefüttert wurden, um Körperfett anzusetzen, neben Auswirkungen auf die Herzfrequenz und Temperatur auch die Bewegung verändert. Eine Studie über Reitschulpferde in Schweden ergab, dass asymmetrischere Bewegungen in den Hinterbeinen mit höheren BCS-Werten korrespondierten. „Darüber hinaus war die Asymmetrie sowohl in den Vorder- als auch in den Hinterbeinen bei Pferden mit höheren Körperkonditionswerten höher.“
In einem Fachartikel, der die Auswirkungen von Fett auf die Trainingsleistung bei Pferden untersuchte, stellten die Forsche fest, dass die Beweise ein hohes Auftreten von Fettleibigkeit dokumentieren, insbesondere in speziellen Disziplinen bzw. Schauklassen. „Das erhöhte Gewicht, das von solchen Pferden und Ponys getragen wird, kann die Arbeitsbelastung beim Reiten erhöhen, wobei diese Studien nur die kurzfristigen Auswirkungen der Gewichtslast untersuchen“, so die AutorInnen..
Übermäßiges Fett ist auch stark mit mehreren gesundheitlichen Problemen verbunden, darunter Insulin-Dysregulation und Hufrehe. Es ist wahrscheinlich, sagten sie, dass die langfristigen Auswirkungen von zu dickem Körper zusammen mit der übermäßigen Gewichtsbelastung sich über das Leben eines Pferdes addieren. Weitere Forschungen sind erforderlich, um diese Folgen zu dokumentieren, sagten die ForscherInnen.
In einer anderen Studie wurde berichtet, dass das Tragen von zusätzlichen 18 Kilogramm Gewicht bei einer Sprungübung das Landeverhalten und die gesamte Sprungkinematik veränderte. Diese Studie verwendete Videoaufnahmen von Pferden, die einen Reiter von etwa 61 kg mit oder ohne zusätzliche 18 kg schwere Kleidung trugen, um die Auswirkungen des Gewichts auf die Streckung der Gliedmaßen und die Standdauer bei der Landung aus einem 1,1-Meter-Sprung zu bestimmen.
Es sollte beachtet werden, so die AutorInnen weiter, dass Pferde, die aufgrund ihrer Rasse und ihres Körperbaus von Natur aus schwerer sind, wahrscheinlich schwerere Knochen haben, um die zusätzliche Kraft und das zusätzliche Gewicht zu tragen. „Bei einem kleineren Pferd, das zusätzliche Last in Form von Fett trägt, kann es zwar auch zu einem Knochenumbau kommen, um das Körpergewicht besser tragen zu können (wie beim Menschen), aber vielleicht nicht in ausreichendem Maße, zudem kann die Sehnenunterstützung negativ beeinflusst werden.“ Tatsächlich werde Fettleibigkeit sowohl bei Menschen als auch bei Hunden mit nichtentzündlichen Sehnenerkrankungen – sogenannten Tendinopathien – in Verbindung gebracht, so die ForscherInnen.
Übermäßiges Fett und erhöhte Arbeitsbelastung können auch andere leistungsbeschränkende Folgen haben, einschließlich einer unzureichen Körperkühlung. „Die isolierenden Eigenschaften von Fett können zusammen mit der reduzierten Oberfläche pro Kilogramm Körpergewicht zu Hitzestress bei übergewichtigen Tieren beitragen“, sagten sie.
Eine andere Studie, die die Auswirkungen des Reitergewichts auf Pferde untersuchte, zeigte höhere oberflächliche Körpertemperaturen bei Pferden mit schwereren Reitern, sagten sie. „Hitzestress ist eine der Hauptursachen für Ausfälle bei vielen Arten von Wettkämpfen, einschließlich Distanzrennen, kann aber auch Pferde in anderen Disziplinen gefährden, insbesondere bei heißem und feuchtem Wetter.“ Beim Menschen sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufig mit Fettleibigkeit verbunden, und ähnliche Zusammenhänge wurden bei Hunden und Katzen berichtet.
Eine weitere Studie berichtete über Veränderungen im Herzmuskel bei fettleibigen Pferden sowie über eine Zunahme des Fetts im und um das Herz herum. „Während Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Pferden als selten gelten, ist es möglich, dass aufgrund des Auftretens von fettleibigen Pferden mehr Fälle identifiziert werden. Weitere Forschung auf diesem Gebiet ist gerechtfertigt.“
Das abschließende Resümee der AutorInnen fiel eindeutig aus: „Das vermehrte Auftreten von Übergewicht in unserer Pferdepopulation hat eindeutig negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Pferden, wie z. B. ein erhöhtes Risiko für das metabolische Syndrom des Pferdes und Hufrehe. Übermäßiges Fettgewebe hat aufgrund einer kombinierten Entzündungsreaktion und der Auswirkungen einer übermäßigen Gewichtsbelastung auf die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit der Gliedmaßen wahrscheinlich auch negative Auswirkungen auf die Trainingsleistung.“
All das gebe Anlass zu großer Sorge und müsse von der gesamten Pferde-Community ernstgenommen werden – offene bzw. noch nicht eindeutig beantwortete Fragen sollten rasch durch weitere Forschungen geklärt werden, so die AutorInnen.
Die Studie „Impacts of Adiposity on Exercise Performance in Horses" von Shannon Pratt-Phillips und Ahmad Munjizun ist am 14. Feb. 2023 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...Weitere Artikel zu diesem Thema:05.10.2022 - BesitzerInnen können Übergewicht ihrer Pferde nur schlecht beurteilen
BesitzerInnen können Übergewicht ihrer Pferde nur schlecht beurteilen 05.10.2022 / News
/ Symbolfoto: Archiv/Horse World
PferdebesitzerInnen zeigten in einer aktuellen Studie italienischer WissenschaftlerInnen nur bescheidene Fähigkeiten, die körperliche Verfassung ihrer Tiere und deren Ausmaß an Fettleibigkeit bzw. Übergewicht korrekt einzuschätzen.
Fettleibigkeit und Übergewicht sind eine immer größere Gefahr für die Pferdegesundheit und werden bei Pferden immer häufiger beobachtet. Das zu hohe Körpergewicht sorgt nicht nur für eine Zunahme sogenannter ,Zivilisations-Krankheiten' wie EMS (Equines Metabolisches Syndrom), Cushing oder Insulin-Resistenz bei Pferden, sondern verursacht auch eine ganze Reihe weiterer Erkrankungen und verschärft gesundheitliche Probleme, etwa die Neigung zu Hufrehe, ein allgemein erhöhtes Verletzungsrisiko und Arthrose.
Um den Körperzustand und das Ausmaß von Übergewicht bei seinem Pferd beurteilen zu können, gibt es mehrere Wege und Möglichkeiten – zu den häufigsten und praktikabelsten zählt die Anwendung des sogenannten ,Body Condition Scores’ (BCS, ein Maßstab für subkutanes Körperfett) sowie des ,Cresty Neck Scores’ (CNS, ein Maßstab für Fett entlang des Halskamms). Beides sind wichtige Instrumente zur Einschätzung des Fettleibigkeitsrisikos, und Besitzer und Betreuer sollten in der Lage sein, ihre Tiere mit ihnen richtig zu beurteilen.
Aber sind sie das auch tatsächlich? Genau dieser Frage wollten italienische ForscherInnen rund um Sara Busechian und Luca Turini in einer nun veröffentlichten Studie auf den Grund gehen. Sie machten sich daran, die Fähigkeit von PferdebesitzerInnen zu vergleichen, die BCS- und die CNS-Werte ihrer Tiere richtig einzuschätzen, wobei sie deren Ergebnisse auch mit denen eines erfahrenen Prüfers — eines staatlich geprüften Tierarztes – verglichen.
Ihre Studie umfasste 259 erwachsene Pferde, die hinsichtlich Alter, Geschlecht, Rasse und Art der Disziplin/Aktivität breit gestreut waren und insgesamt 30 verschiedenen BesitzerInnen gehörten. 163 Pferde (62,9 %) waren als ,jung’ eingestuft, 77 (29,7 %) als ,erwachsen’ und 19 (7,4 %) als ,alt’. Hinsichtlich Geschlecht waren 25 Hengste (9,6 %), 153 Stuten (59,1 %) sowie 81 Wallache (31,3 %) in der Testgruppe, bezüglich Rasse waren 126 (48,6 %) Vollblüter, 92 (35,5 %) Warmblüter, 18 (7,0 %) Ponys, 13 (5,0 %) Kaltblüter und 10 (3,9 %) Barockpferde in der Kohorte enthalten.
Für jedes Pferd wurde der Body Condition Score von seinem Besitzer auf einer Skala von 0 bis 5 nach dem Carroll- und Huntington-System bestimmt. Der Cresty-Neck-Score wurde ebenfalls auf einer Skala von 0 bis 5 bewertet. Die Besitzer waren nicht an den beiden Bewertungssystemen geschult worden, keiner hatte Veterinärmedizin oder verwandte Disziplinen studiert, was sie auf die Bewertungen hätte vorbereiten können. Sie bekamen lediglich ein illustriertes Blatt ausgehändigt, das die einzelnen Bewertungsstufen der beiden Skalen darstellte, jeweils mit einer Skizze und einer kurzen Beschreibung in italienischer Sprache (siehe Grafik unten).
Alle BesitzerInnen waren aber der Ansicht, dass sie über umfassende Kenntnisse in Sachen Reiten sowie im Umgang mit Pferden verfügen und mindestens 10 Jahre lang Pferde besessen oder geritten haben.
Die Ergebnisse waren bemerkenswert – und auf den ersten Blick schienen sich die BesitzerInnen gar nicht so schlecht geschlagen zu haben: Sie schätzten ein, dass bei 29 % der Pferde eine Überkonditionierung (also ein zu hohes Körpergewicht) vorlag, im Vergleich zu 24 %, wie der Tierarzt feststellte. Die Besitzer schätzten weiters, dass 2 % der Pferde fettleibig waren, verglichen mit 1 %, wie der Tierarzt feststellte. Also alles nicht dramatisch weit auseinander, könnte man meinen.
Doch ein Blick auf die Detailergebnisse zeigte ein anderes Bild: Sobald man die Resultate der Einzelbewertungen näher betrachtete, wurde offensichtlich, dass die Übereinstimmung zwischen den Besitzern und dem Tierarzt bei beiden Bewertungsskalen nur gering war – und die Besitzer dazu neigten, Pferde entweder niedriger oder höher als der Tierarzt zu bewerten. Wie sehr man im Detail auseinander war, zeigen diese beiden Grafiken:
So haben die BesitzerInnen einen BCS-Wert von 3 für etwa 120 Pferde vergeben – während er seitens des Tierarztes für fast 160 Pferde vergeben wurde. Auch beim CNS-Wert gab es erhebliche Diskrepanzen: Der Wert 2 wurde seitens der BesitzerInnen für ca. 90 Pferde vergeben – während ihn der Tierarzt für fast 140 Pferde vergab. Dafür wurden die Werte 0 und 1 sowie die Werte 3, 4 und 5 von den BesitzerInnen deutlich öfter vergeben, mitunter um ein Vielfaches.
Doch wie lassen sich diese z.T. gravierenden Unterschiede erklären? Die statistischen Auswertungen geben dazu einige Hinweise: So zeigte die Studie, dass die Übereinstimmung zwischen den Beobachtungen der Besitzer oder des Tierarztes auf verschiedene Weise durch Alter, Geschlecht, Rasse und Art der Aktivität beeinflusst werden kann. Die AutorInnen wörtlich: „Der Kappa-Koeffizient von Cohen (dieser bestimmt das Maß der Übereinstimmungen zwischen zwei Werten – je höher der Kappa-Wert, desto höher die Übereinstimmung, Anm.) nahm tendenziell mit dem Alter der Pferde zu und änderte sich von einer leichten Übereinstimmung zu einer moderaten Übereinstimmung bezüglich des CNS-Werts.“ Bei älteren Pferden war die Übereinstimmung zwischen BesitzerInnen und Tierarzt also größer – wofür die AutorInnen ebenfalls eine Erklärung liefern: „Ältere Pferde haben länger bei ihren Besitzern gelebt als die anderen, und ihre Halter waren höchstwahrscheinlich eher daran gewöhnt, ihr BCS und ZNS zu bewerten, um das Wohlbefinden ihrer Tiere besser zu überwachen, insbesondere wenn sie von chronischen Krankheiten betroffen sind.“
Auch die Art der Disziplin bzw. Aktivität beeinflusste den Grad der Übereinstimmung zwischen Besitzer- und Tierarzt-Bewertung von BCS und CNS, so die AutorInnen: „Tatsächlich hatten Besitzer von Westernpferden ein optimales Maß an Übereinstimmung mit dem Tierarzt für BCS, während andere keine oder nur eine geringe Übereinstimmung zwischen den Besitzern und dem Tierarzt hatten. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Besitzer hinsichtlich der Bewertung morphologischer Merkmale besser geschult sind.“ Die Rasse des Pferd scheint ebenfalls die Übereinstimmung zwischen BesitzerInnen und Tierarzt ebenfalls zu beeinflussen, so die AutorInnen.
Die AutorInnen sagten, dass ihre Ergebnisse im Wesentlichen mit jenen anderer Studien übereinstimmen und die Schwierigkeiten verdeutlichen, die BesitzerInnen haben können, das Risiko ihrer Pferde für Übergewicht und damit verbundene Krankheiten wie Hufrehe richtig einzuschätzen. Die Studie zeige außerdem, wie wichtig es ist, BesitzerInnen und Halter in dieser Fähigkeit noch besser und intensiver zu schulen. In Verbindung mit einer regelmäßigen tierärztlichen Untersuchung der Pferde könnte dies die Entwicklung von Fettleibigkeit, Überkonditionierung und damit verbundenen Krankheiten verhindern – insbesondere bei Rassen, die anfällig für EMS und Hufrehe sind, so das Resümee der AutorInnen.
Die Studie „Are Horse Owners Able to Estimate Their Animals’ Body Condition Score and Cresty Neck Score?" von Sara Busechian, Luca Turini, Micaela Sgorbini, Camillo Pieramati, Lorenzo Pisello, Simona Orvieto und Fabrizio Rueca ist am 3. Okt. 2022 in der Zeitschrift ,Veterinary Science' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
19.07.2022 - Studie schlägt Alarm: Dicke Ponys bekommen bessere Noten!
Studie schlägt Alarm: Dicke Ponys bekommen bessere Noten! 19.07.2022 / News
In bestimmten Teilen der Pferdeszene gibt es noch immer eine bemerkenswerte Toleranz gegenüber übergewichtigen Pferden und Ponys, wie auch die jüngste Studie bestätigt. / Symbolfoto: Archiv Martin Haller
Eine aktuelle Studie bei Pony-Bewerben in den USA deutet darauf hin, dass Richter noch immer übergewichtige Ponys bei der Notengebung bevorzugen – ein gefährlicher Sündenfall mit fataler Vorbildwirkung und bedrohlichen gesundheitlichen Konsequenzen, wie eine renommierte Ernährungsexpertin warnt.
Prof. Dr. Shannon Pratt-Phillips von der North Carolina State University zählt zu den renommiertesten Ernährungsexpertinnen der USA und forscht seit vielen Jahren nicht nur zu Fragen der Pferdeernährung und des Energiehaushalts, sondern beschäftigt sich auch intensiv mit dem Problem des Übergewichts bei Pferden und den damit verbundenen gesundheitlichen Folgen.
Ihre jüngste Untersuchung zu diesem Thema stellte sie kürzlich auf der „International Conference on Equine Exercise Physiology“ in Stockholm (Schweden) vor. Ihre Präsentation unter dem Titel „Judges favor adipositas in Athletic Show Ponies“ („Richter bevorzugen Fettleibigkeit bei Sportponys“) sorgte dabei für viel Aufsehen, wie das Portal Horsesport.com in seiner ausführlichen Nachlese berichtet.
Dr. Pratt-Phillips Studie basierte auf Erhebungen, die sie 2021 bei einem Pony Finalbewerb in Lexington/USA durchgeführt hatte. Nachdem sie einige Jahre zuvor diese Pony-Finalbewerbe besucht hatte, musste sie mit Schrecken feststellen, dass viele Ponys für den Wettbewerb förmlich „gemästet“ waren – was sie als ausgewiesene Ernährungsexpertin nachhaltig beunruhigte, ja, verstörte. Immerhin ist hinlänglich bekannt, dass Übergewicht und Fettleibigkeit das Risiko des Metabolischen Syndroms bei Pferden deutlich steigern – und dass erhöhte BCS-Werte (Body Condition Score, ein Maßstab für subkutanes Körperfett) sowie erhöhte CNS-Werte (Cresty Neck Score, ein Maßstab für Fett entlang des Halskamms) ebenfalls mit einem größeren Risiko für Hufrehe und/oder einem gesteigerten Schweregrad der Erkrankung verbunden sind. Zu hohes Körpergewicht steht auch im Verdacht, die ,Arbeitslast’ für die Tiere insgesamt zu erhöhen und so die Entwicklung von Arthrose zu begünstigen.
Bemerkenswerte Toleranz gegenüber übergewichtigen Pferden & Ponys
Angesichts dieser Tatsachen und der bedrohlichen gesundheitlichen Konsequenzen gibt es aber in bestimmten Teilen der Pferdeszene nach wie vor eine bemerkenswerte Toleranz gegenüber übergewichtigen Pferden und Ponys: So haben Studien gezeigt, dass Richter übergewichtige Pferde und Ponys nachsichtiger beurteilen als dünnere Pferde und Ponys – oder dass Besitzer einen sozialen bzw. Gruppen-Druck verspüren, ihre Pferde auf einem höheren BCS-Level zu halten, um in Wettbewerben erfolgreich zu sein.
Genau diesen Punkt wollte Dr. Pratt-Phillips näher unter die Lupe nehmen bzw. vertiefen. Sie wählte für ihre Erhebungen den USEF Pony Finalbewerb 2021 im Kentucky Horse Park in Lexington/USA – nicht nur wegen ihrer zuvor gemachten verstörenden Beobachtungen bei diesem Event, sondern auch wegen der Möglichkeit, Hunderte von Ponys an einem Ort zu beobachten und zu beurteilen, also über eine große und repräsentative Testpopulation verfügen zu können.
Zusammen mit einem Kollegen bewertete sie insgesamt 337 mittelgroße und große Ponys hinsichtlich ihres Body Condition Scores (BCS, beurteilt nach der Skala von Henneke von 1–9) sowie ihres Cresty-Neck-Scores (CNS, beurteilt nach der Skala von Carter von 0–5). Die Beurteilung erfolgte während der sogenannten ,Model’-Phase des Bewerbs, also jenem Teil der Prüfung, in der die Ponys an der Hand vorgestellt und hinsichtlich Exterieur und Aussehen beurteilt werden. Diese Phase wurde auch deshalb gewählt, weil hier die Bewertung im Vergleich zu den anderen beiden Teilprüfungen (einem Reit- und einem Springbewerb) weniger vom Reiter bzw. Vorführer beeinflusst wird. In der ,Model’-Phase werden die Ponys von 0 bis 100 Punkten von drei unabhängigen Richtern bewertet, um eine Gesamtpunktzahl von 300 in dieser Teilprüfung zu erhalten.
Ergebnisse ernüchternd und besorgniserregend
Die von Dr. Pratt-Phillips und ihrem Kollegen vergebenen Werte für BCS und CNS wurden dann mit der Gesamtpunktzahl des Ponys in der ,Model’-Phase verglichen. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Insgesamt waren die meisten Ponys klar übergewichtig – mit einen durchschnittlichen Wert von 6,7 auf der BCS-Skala nach Henneke von 1–9. Die Werte reichten von 5,25 – 8,25 – was nicht nur darauf hinweist, dass keines der Ponys mit einem BCS-Wert von 5 – also als „ideal“ – eingestuft wurde, sondern dass die meisten von ihnen entweder übergewichtig (BCS-Wert von 6 oder mehr) oder sogar fettleibig (BCS-Wert von 7 oder mehr) waren. Der durchschnittliche Cresty-Neck-Score betrug 2,8 (auf dem Cresty-Neck-Score von Carter von 0–5), was auch darauf hinweist, dass diese Ponys überwiegend dazu neigten, sehr dicke Hälse zu haben.
Beim Vergleich der BCS-Werte mit der vergebenen Gesamtpunktezahl im Bewerb wurde deutlich, dass Übergewicht im Vorführring tatsächlich belohnt wurde: Es gab eine signifikante statistische Verbindung zwischen dem Körperkonditions-Score und dem Gesamt-Model-Score, was darauf hindeutet, dass dickere Ponys tatsächlich höhere Punktezahlen in der ,Model’-Phase hatten.
Dicke Ponys schneiden besser ab
Bei den großen Ponys war dieser Zusammenhang noch offensichtlicher. Interessant war auch, dass kein Pony mit einem Body-Condition-Score unter 6 eine Gesamtpunktzahl von mehr als 245/300 erzielte (der Durchschnitt lag eher bei 225/300). Immerhin gab es einen einzigen kleinen Lichtblick – der darin bestand, dass extrem fettleibige Ponys (BCS von 8 oder höher) durchschnittlich nur 235/300 Gesamtpunkte erhielten. Es gewannen also keine Ponys mit idealeren BCS-Werten – aber immerhin auch keine extrem fetten Ponys. Dennoch belegen die statistischen Korrelationen, dass unabhängig vom Körperbau eines Ponys dickere Ponys insgesamt besser abschneiden.
Dies ist ein zweifellos besorgniserregender Befund, da zu befürchten ist, dass Ponybesitzer und -trainer ihre Ponys weiter mästen, um bei Pony-Bewerben besser abzuschneiden und dadurch letztendlich das Wohlergehen ihrer Tiere um des Gewinnens willen aufs Spiel setzen. Dr. Pratt-Phillips plädiert daher eindringlich dafür, dass Richter und Stewards über die Bewertung des Körper- und Ernährungszustands besser informiert werden, und dass auch Strafen für übergewichtige Tiere möglich sein sollten (genauso wie Tiere, die als zu dünn gelten, vom Wettbewerb ausgeschlossen werden können). Die Veranstalter von Pferdeshows könnten sogar überlegen, einen Ernährungsberater einzustellen, um die Tiere auf der Show professionell zu bewerten – oder auch Anreize für die am besten konditionierten Tiere anzubieten, ähnlich wie bei der „Weigh to Win“-Serie in Großbritannien.
„Fett sollte nicht das Rassen-Ideal sein!“
Eine Einschränkung der Studie war die Unfähigkeit, die Pferde tatsächlich zu berühren, um das subkutane Fett besser zu fühlen, aber dies war nicht möglich, da die Ponys „bis zum Äußersten“ herausgeputzt, eingeölt und eingesprüht waren, wie Dr. Pratt-Phillips beschreibt. Trotz dieser Einschränkung kann aber kaum Zweifel darüber bestehen, dass ihr geschulter Expertenblick treffsicher erkennen konnte, ob diese Ponys tatsächlich fett und nicht muskulös waren.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist für Dr. Pratt-Phillips auch, dass viele Züchter annehmen, dass das „fleischige“ Aussehen für viele dieser Ponyrassen die Rassenorm ist. Dem hält Dr. Pratt-Phillips entgegen, dass „Fett nicht das Ideal sein sollte – und wenn es so sein sollte, dann müssen sich die Rassestandards ändern.“ Es sei auch nicht auszuschließen, dass einige Besitzer und Züchter ihre Vierbeiner bewusst üppig füttern, um mögliche Konformationsfehler ihrer Ponys zu kaschieren, weil Schulter- und Kruppenwinkel weniger sichtbar sind, wenn Fett diese Bereiche verdeckt. Dr. Pratt-Phillips meint, dass die Beurteilung während der ,Model’-Phase primär auf struktureller Korrektheit basieren sollte, wobei das ideale Pferd die richtige Balance, korrekte Gelenkwinkel und Gliedmaßenlinien zeigen soll, mit dem Ziel, die sportliche Langlebigkeit eines Tieres zu fördern.
Dr. Pratt-Phillips bemüht sich intensiv darum, mit Pferdesport- und Zuchtverbänden zusammenzuarbeiten, um die Beteiligten nicht nur über die Gefahren von Übergewicht und Fettleibigkeit aufzuklären, sondern auch darüber, wie man diese Syndrome am besten erkennt und Strategien zur Gewichtsabnahme für ihre Tiere entwickelt. Sie ist aber auch überzeugt, dass Besitzer und Trainer niemals aufhören werden, zu fette Tiere zu halten, solange Richter, Stewards und Ausstellungsbeamte nicht konkrete Schritte unternehmen, damit die „Belohnung“ übergewichtiger Tiere ein Ende hat.
21.03.2022 - Übergewicht bei Pferden schlägt sich auch aufs Herz
Übergewicht bei Pferden schlägt sich auch aufs Herz 21.03.2022 / News
Übergewicht bei Pferden ist ein immer größeres Problem. / Symbolfoto: Archiv/Irene Gams Das Bild links zeigt das Herz eines extrem fettleibigen Pferdes, umgeben von Perikardfett. Das Bild rechts zeigt einen Querschnitt der Herzwand, Perikardfett infiltriert die Herzwand. / Foto: Siwinska et al. Linkes Bild: Mikroskopische Aufnahme der Herzmuskel-Gewebeprobe eines extrem übergewichtigen Pferdes; rechtes Bild: Gewebeprobe eines normalgewichtigen Pferdes. / Foto: Siwinska et al.
Polnische WissenschaftlerInnen konnten in einer Studie zeigen, dass bei fettleibigen Pferden erhebliche Veränderungen in der Architektur des Herzmuskels und der Blutgefäße auftreten, die zu schweren Erkrankungen führen können.
„Fettleibigkeit ist ein globales Problem, nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Haustieren, einschließlich Pferden“, so die AutorInnen der Studie, die vor wenigen Tagen in der Zeitschrift ,animals' veröffentlicht wurde. „Es ist allgemein bekannt, dass Fettleibigkeit bei Pferden mit einem erhöhten Risiko für Hufrehe, anderen orthopädischen Problemen, Fortpflanzungsstörungen und einer verminderten körperlichen Leistungsfähigkeit verbunden ist. Bei Menschen hingegen ist Fettleibigkeit bekanntermaßen von großer Bedeutung für die Erhöhung des Risikos von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und damit für die Erhöhung der Sterblichkeitsrate“ , so Natalia Siwinska und ihre ForscherkollegInnen am Institut für Veterinärmedizin der Warschauer Universität für Umwelt und Lebenswissenschaften.
Die ForscherInnen wollten feststellen, ob bei übergewichtigen Pferden mikroskopische Veränderungen in der Herz- und Gefäßstruktur auftraten – ähnlich wie sie auch bei fettleibigen Menschen nachzuweisen sind. Wie sie anmerkten, war ihre Arbeit ihres Wissens nach die erste, die die Gewebeproben des Herz-Kreislauf-Systems bei übergewichtigen Pferden analysierte.
Ihre Ergebnisse basierten auf der Analyse von Herz- und Arterienproben von 19 Kaltblutpferden im Alter von vier Jahren, die für die Schlachtung bestimmt waren. Zwölf der Tiere wurden als extrem fettleibig beurteilt (Body Condition Score 9/9 auf der Skala nach Hanneke), während sieben Tiere einen normalen Körperzustand aufwiesen (Body Condition Score 4–5/9).
Das Studienteam berichtete, dass die Herzen der fettleibigen Pferde von einer ausgeprägteren Menge an Perikardfett (Fett am Herzbeutel) umgeben waren, im Gegensatz zur mageren Gruppe, bei der dieses Fett vernachlässigbar war. Bei einigen fettleibigen Pferden war die Infiltration von Fettgewebe in die Herzmuskelstruktur deutlich sichtbar. Das Herzgewebe und die großen Arterien zeigten im Vergleich zur gesunden Gruppe stärkere Störungen in ihrer Architektur.
Änderungen des Arteriendurchmessers bei fettleibigen Pferden können auf die Umgestaltung der Arterienwände und ihre allmähliche Versteifung zurückzuführen sein, wie sie auch bei fettleibigen Menschen beobachtet werden. Mehrere Pferde in der fettleibigen Gruppe zeigten auch Fibrose – also eine Verdickung oder Vernarbung des Gewebes. Das Vorhandensein derartigen Gewebes kann darauf hindeuten, dass normales Gewebe nach dem Tod von Herzzellen durch fibröses Gewebe ersetzt wurde.
Die Autoren stellten fest, dass die bei den Pferden beobachtete Fettleibigkeit, die von zwei verschiedenen Züchtern zum Zweck der Schlachtung aufgezogen wurden, ernährungsbedingt war. Die fettleibigen Tiere wurden mit 14 bis 18 kg Getreide pro Tag gefüttert, plus einer kontinuierlichen Versorgung mit Heu. Die Gruppe der normalgewichtigen Pferde wurde mit Hafer und Heu in einer Ration von 7 bis 9 kg pro Tag gefüttert. Alle Pferde wurden in einem Offenstall-System mit freiem Weidezugang gehalten.
Aufgrund der Art der Studie wurde die Herzfunktion nicht bewertet. „Die Ausweitung der Forschung auf die Beurteilung der Herzfunktion bei übergewichtigen Pferden wäre besonders interessant“, so die ForscherInnen – und merkten an, dass sich dies als schwierig erweisen könnte, da dicke Fettschichten das Eindringen von Ultraschallwellen behindern können.
Die Studie sei darauf ausgelegt gewesen, Pferde mit dem gleichen Body-Condition-Score zu testen – in diesem Fall extrem fettleibige Pferde mit dem höchsten Index-Score von 9. „Es wäre interessant, die Studie auf Tiere mit weniger starkem Übergewicht auszudehnen, um die genaue Korrelation dieses Parameters mit histologischen Veränderungen im Herz-Kreislauf-Gewebe zu ermitteln.“
Zusammenfassend stellten die ForscherInnen fest, dass die mikroskopischen Veränderungen, die im Herzmuskel und in den Arterien beobachtet wurden, denen ähnelten, die auch bei übergewichtigen Menschen beobachtet wurden. „Mikroskopische Veränderungen im Herzgewebe können ein Indikator für eine subklinische Kardiomyopathie und Veränderungen in den Gefäßen der Extremitäten sein – Hufrehe.“
Die sichtbaren strukturellen Veränderungen ähnelten denen bei übergewichtigen Menschen und könnten einen erheblichen Einfluss auf die Funktion des Herz-Kreislauf-Systems haben. Dies könnte nicht nur zu einer Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit führen, sondern auch schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben, die die Lebensdauer des Tieres verkürzen.
Die Ergebnisse geben Anlass zu einer vertieften Reflexion über die Auswirkungen von Fettleibigkeit auf den Körper von Pferden und weisen auf die Notwendigkeit der Prävention hin. Die direkten Auswirkungen von Fettleibigkeit auf die kardiovaskuläre Gesundheit und Funktion bedürfen weiterer Erforschung, so die AutorInnen.
Die Studie „Influence of Obesity on Histological Tissue Structure of the Cardiovascular System in Horses" von Natalia Siwinska, Izabela Janus, Agnieszka Zak-Bochenek und Agnieszka Noszczyk-Nowak ist am 15. März 2022 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
21.09.2021 - Geringere Fitness, schlechtere Blutwerte: Schon leichtes Übergewicht belastet Pferde
Geringere Fitness, schlechtere Blutwerte: Schon leichtes Übergewicht belastet Pferde 21.09.2021 / News
Bedenklich: Schon geringes Übergewicht kann negative Effekte auf Fitness und Gesundheit haben, wie eine Studie an Islandpferden nun gezeigt hat. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay
Pferde, die zuviele Kilos mit sich herumschleppen, müssen beim Training mehr körperliche Anstrengung aufwenden – und das nicht nur wegen des zusätzlichen Gewichts. Laut einer Studie beeinflusst Körperfett die Leistungsfähigkeit auch auf chemischer Ebene und erhöht Bewegungsasymmetrien.
Dass Übergewicht schlecht für die Gesundheit ist, ist undbestritten und gilt für Menschen und Pferde gleichermaßen. Bei Pferden fällt der Blick dabei oftmals auf die Folgen von sehr deutlicher Fettleibigkeit – die etwa zu EMS oder Hufrehe führen kann. Wissenschaftler in Schweden und Island haben nun aber herausgefunden, dass bereits ein geringer Anstieg des Körperfetts zu unerwünschten Veränderungen der Blutwerte während und nach dem Training sowie zu Bewegungsasymmetrien führen kann, ebenso zu niedrigeren Leistungswerten bei körperlicher Anstrengung, wie Anna Jansson, PhD, Professorin am Institut für Anatomie, Physiologie und Biochemie an der Schwedischen Universität für Landwirtschaft und Wissenschaften in Uppsala, und ihre Forscherkollegen herausfanden.
Prof. Jansson war schon seit längerem aufgefallen, dass Reiter manchmal mit Pferden bei Turnieren antreten, die fülliger sind, als sie sein sollten – was sie als Wissenschaftlerin beschäftigte. „Wir sehen viele übergewichtige Pferde, und oft sind sich die Besitzer dessen nicht bewusst“, so Jansson gegenüber dem Portal TheHorse.com. „Sie denken, das Pferd sei in Ordnung oder sogar ‚muskulös‘.“
Jansson fragte sich, inwieweit der Fettgehalt selbst die Art und Weise beeinflussen würde, wie der Körper Energie auf molekularer Ebene nutzt. Deshalb entwarfen sie und ihre Kollegen eine bemerkenswerte Studie, mit der sie untersuchen konnten, ob bzw. wie mehr oder weniger Körperfett den Stoffwechsel und die Leistungsfähigkeit ein und derselben Pferdes beeinflusst.
Dazu arbeiteten sie mit neun isländischen Wallachen im Alter von 6 bis 8 Jahren, die alle ungefähr die gleiche Größe, das gleiche Gewicht (ca. 400 kg), die gleiche Körperkondition und das gleiche Trainingsniveau hatten. Dann, 36 Tage lang, erhöhten oder verringerten sie ihre normale Kalorienaufnahme um etwa 20-25%. Am Ende dieses 36-tägigen Zeitraums wechselten sie zum entgegengesetzten Fütterungsprogramm, was bedeutete, dass die Pferde, die zuvor überfüttert worden waren, nun 36 Tage lang unterfüttert wurden und umgekehrt.
Währenddessen wurden die Pferde weiter wettkampfmäßig trainiert. Zu Beginn der Studie und am Ende jedes 36-tägigen Testzeitraums wurden die Pferde Belastungstests vor erfahrenen Richtern, die nicht über die jeweilige Testphase der Pferde informiert waren, sowie auf Laufbändern mit standardisierten wissenschaftlichen Verfahren unterzogen. Die Forscher sammelten Daten über die Pferde durch Bluttests, Bewegungsanalysesensoren und klinische Bewertungen.
Im Durchschnitt waren die Pferde am Ende der Überfütterungsphase um 19 kg schwerer als in der Unterfütterungsphase, sagte Jansson. Bei Überfütterung wiesen sie an den meisten Körperstellen eine größere Rumpffettdicke, einen größeren Körperfettanteil, eine größere Fettmasse sowie erhöhte Körperzustandswerte (Body Condition Scores) an etlichen Körperregionen auf. An Körperstellen, die oftmals als zuverlässige ,Fettanzeiger’ gelten – etwa am Rücken oder beim Halsumfang – waren die BCS-Werte jedoch nicht erhöht, die Pferde wiesen auch nicht den typischen Fettansatz am Hals (cresty neck) auf.
Das erhöhte Körpergewicht war also nicht einfach auf den ersten Blick erkennbar – aber es zeigte sich, dass es sehr deutliche Auswirkungen auf den Körperzustand, die Bewegungen und andere wichtige Gesundheits-Parameter hatte: Beim Training zeigten Bewegungssensoren an, dass die Pferde im Vergleich zu den zu dünnen Pferden leicht asymmetrisch waren. Wenn die Pferde schwerer waren, zeigten ihre Blutwerte zudem eine schlechtere Laktatentfernung und Glukoseverfügbarkeit sowie eine verringerte anaerobe Energieschwelle, die Pferde hatten zudem einen geringeren Anteil an roten Blutkörperchen, die im Blut zirkulierten. Sie brauchten auch länger, um nach dem Training ihre normale Atemfrequenz wieder zu erreichen.
All diese Faktoren deuten auf eine schlechtere metabolische und physiologische Fitness hin, so die Wissenschaftler zusammenfassend. „Wir wollten den physiologischen und metabolischen Hintergrund für den Leistungsabfall untersuchen – mit anderen Worten, um zu wissen, ob mehr dahintersteckt, als nur mehr Gewicht zu tragen, was natürlich die Leistung einschränkt“, so Prof. Jansson. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass dem tatsächlich so ist.“
Der relative Rückgang der roten Blutkörperchen – ein unerwarteter Befund – ist ein Beispiel dafür, so Prof. Jansson: „Dies deutet auf erhebliche Veränderungen der Gewebefunktion hin, die die Leistung einschränkt“, sagte sie. Reduzierte Hämatokritwerte (Prozentsatz der roten Blutkörperchen im Blut) als Reaktion auf Veränderungen des Körperfetts wurden bisher bei keiner Spezies festgestellt, erklärte sie. All das lasse nur eine Schlussfolgerung zu – und die sei in hohem Maße besorgniserregend: „Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass bereits eine Erhöhung des Körperfettanteils, des Körpergewichts und des Körperzustandswerts (BCS) um 5 bis 8 % die physiologische und metabolische Fitness senkt und die tatsächliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt“, so das Resümee der Wissenschaftler.
Die Studie unterstreicht auch, wie wichtig es ist, Pferde fit zu halten und zu erkennen, wann sie übergewichtig werden. „Lernen Sie, wie Sie die Körperkondition bewerten und Ihre Freizeit- und Sportpferde in einer moderaten Körperkondition halten. Das unterstützt sowohl die Gesundheit als auch die Leistungsfähigkeit“, so Prof. Jansson abschließend.
Die Studie „Increased body fat content in horses alters metabolic and physiological exercise response, decreases performance, and increases locomotion asymmetry" von Anna Jansson, Vikingur Þ Gunnarsson, Sara Ringmark, Sveinn Ragnarsson, Denise Söderroos, Einar Ásgeirsson, Tanja R. Jóhannsdóttir, Charlotta Liedberg und Guðrún J. Stefánsdótti ist am 10. Juni 2021 in der Zeitschrift ,Physiological Reports' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
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