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Pferde empfinden Schmerzen stärker als wir – Gertenverbot gefordert
26.03.2015 / News

Die neue Studie von Dr. Lydia Tong bringt den gesamten Rennsport in Argumentationsnot.
Die neue Studie von Dr. Lydia Tong bringt den gesamten Rennsport in Argumentationsnot. / Foto: Youtube-Video
Menschliche Haut: Mit einer speziellen Färbe-Technik wurden die empfindlichen Nervenenden dunkelrot eingefärbt
Menschliche Haut: Mit einer speziellen Färbe-Technik wurden die empfindlichen Nervenenden dunkelrot eingefärbt / Foto: Dr. Lydia Tong
Pferdehaut. Es zeigt sich deutlich, dass die Pferdehaut mehr Nervenenden (rot eingefärbt) aufweist als menschliche Haut.
Pferdehaut. Es zeigt sich deutlich, dass die Pferdehaut mehr Nervenenden (rot eingefärbt) aufweist als menschliche Haut. / Foto: Dr. Lydia Tong
Horse_Whipping_report Dr Lydia Tong.pdf

Das australische Wissenschafts-Magazin ,Catalyst' wollte wissen, ob Rennpferde durch den Einsatz der Gerte wirklich schneller laufen und dabei kaum Schmerzen spüren. Ihr Ergebnis: Die Gerte schmerzt Pferde – mehr als bislang angenommen.

 

Das Wissenschafts-Magazin ,Catalyst' des TV-Senders ABC ist für seine unkonventionelle Art, vermeintlich gesichertes Wissen zu hinterfragen und modernen „Mythen" auf den Grund zu gehen, in ganz Australien bekannt und beliebt. In seiner jüngsten Ausgabe hat das Magazin die Frage untersucht, welchen Sinn der Einsatz von Gerten bei Pferderennen wirklich hat und was dabei wirklich auf und unter der Pferdehaut passiert. Seit Jahrhunderten werden Gerten bei Pferderennen mehr oder weniger intensiv eingesetzt – und es galt bislang als allgemein akzeptiert, dass das Schlagen mit der Gerte die Pferde lediglich aufmerksamer macht und motiviert, schneller zu laufen – und dass sie aufgrund ihrer vermeintlich „dickeren" Haut dabei kaum Schmerzen verspüren.

Tierschützern war diese Argumentation schon seit langem suspekt. Zahlreiche Organisationen – darunter die britische Animal Aid sowie die deutschen Vier Pfoten – haben bereits 2012 im Rahmen einer europäischen Inititative ein generelles Verbot von Gerten bei Pferderennen gefordert, wie es beispielsweise Norwegen verwirklicht hat (hier sind Gerten bei Pferderennen bereits seit 1982 verboten). Trotz mancher Einschränkungen des Gerteneinsatzes ist es aber zu keinem europa- bzw. weltweiten Verbot gekommen. Das könnte sich – wenn sich die im Magazin ,Catalyst' präsentierten Ergebnisse bewahrheiten – gründlich ändern.

Die Verantwortlichen von ,Catalyst' haben sich für ihren Magazin-Beitrag ,Horse Whip' nämlich namhafte wissenschaftliche Unterstützung gesichert und die Expertise der Veterinär-Pathologin Dr. Lydia Tong eingeholt. Ihre Aufgabenstellung lautete: Gibt es irgendeinen anatomischen Grund anzunehmen, dass Pferde Schmerz anders empfinden als Menschen? Und auf diese einfache Frage lieferte Dr. Lydia Tong eine klare Antwort: Nein!

Sie untersuchte zuerst, ob Pferde tatsächlich – wie bei großen Tieren häufig angenommen – eine ,dickere' Haut haben, denn dies wird oft mit einem geminderten Schmerzempfinden und größerer Schmerztoleranz gleichgesetzt (nicht umsonst gibt es die Redewendung von der ,dickeren' Haut, die jemand hat). Aber wurde das jemals wissenschaftlich exakt untersucht? Dr. Lydia Tong konnte keine derartige Studie entdecken – und hat daraufhin analysiert, welche Unterschiede zwischen der Haut des Menschen und der Haut des Pferdes hinsichtlich ihrer anatomischen Struktur und ihres Schmerzempfindens bestehen. Sie untersuchte im Labor jeweils ein Hautstück aus der Flankenpartie eines Pferdes (wo  üblicherweise mit der Gerte hingeschlagen wird) und eines aus der entsprechenden Körperpartie eines Menschen.

Ziel der Untersuchung war es, zwei wesentliche Fragen abzuklären:
1) Welche Unterschiede bestehen hinsichtlich der Dicke bzw. Stärke zwischen Menschen- und Pferdehaut?
2) Wie viele Nerven weist die Pferdehaut im Vergleich zum Menschen auf?

Die mikroskopische Untersuchung brachte dabei erstauliche Antworten zutage: 1) Die Pferdehaut ist tatsächlich dicker als jene des Menschen – aber lediglich um 0,8 mm (menschliche Haut: 2,4 mm Stärke – Pferdehaut: 3,2 mm Stärke). Und diese größere Stärke ist lediglich auf die tiefe Kollagenschicht zurückzuführen, die sich unterhalb des schmerzempfindlichen Oberhautgewebes befindet.

2) Die Epidermis von Pferden – also die oberste Schicht des Hautgewerbes, in dem sich die schmerzempfindlichen Nervenzellen befinden – ist sogar dünner als jene des Menschen. Das bedeutet, dass Pferde weniger Hautzellen haben, die zwischen dem Schmerzauslöser (z. B. der Gerte) und den schmerzempfindlichen Nervenenden liegen. Man kann also durchaus argumentieren, dass bei Schmerzimpulsen die Pferdehaut ,dünner', sprich: empfindlicher ist als jene des Menschen.

3) Zuletzt untersuchte Dr. Tong auch noch mit Hilfe einer speziellen Färbe-Technik („Immunohistochemie"), wieviele Nervenenden in der Haut von Menschen und Pferden nachzuweisen sind. Das unerwartete Ergebnis: Pferde haben beträchtlich mehr sensorische Nervenenden in ihrem Hautgewebe und insbesondere auch in der Epidermis, wo das primäre Schmerzempfinden ausgelöst wird.

Dr. Lydia Tong: „Diese einfachen Tatsachen haben uns sehr erstaunt!" Und ihr Resümee war eindeutig: „Diese kleine Pilot-Studie zeigt, dass die Pferdehaut tatsächlich nicht diesen ,dicken Schmerzpolster' aufweist, den wir bei großen Tieren gerne annehmen. Mehr noch: Die Haut des Pferdes an ihrer Flanke, wo die Gerte auftrifft – ist möglicherweise noch schmerzempfindlicher als jene des Menschen." Um der Sache wirklich auf den Grund zu gehen, wären weitere Untersuchungen bei Pferde- und Menschenhaut sinnvoll, so Dr. Tong – und diese Forschungen möchte die Veterinärpathologin auch selbst weiterführen. „Ich glaube, der beste Weg, eine Entscheidung über den Gerteneinsatz zu treffen, ist jener, der auf wissenschaftlichen Tatsachen basiert. Setzen wir Schmerz gezielt ein, um Pferde schneller laufen zu lassen? Zum jetzigen Zeitpunkt sieht es ganz so aus..."

Im Magazin ,Catalyst' kommt zu diesem Thema auch Peter McGauran, Geschäftsführer des Australian Racing Boards, zu Wort: Er sei nach wie vor der Überzeugung, dass der Einsatz der Gerte bei Rennen keine Tierquälerei darstelle – man habe die Anzahl sowie die Art und Weise des Gerteneinsatzes streng reglementiert und auch die Form der Gerte verändert. Aber er gab auch zu: Falls es Beweise gebe, nach denen Pferde durch Gerten Schmerz zugefügt würde, dann „würden wir selbstverständlich Gerten verbieten", so Peter McGauran. Sein Wort in Gottes Ohr...

Die Studie von Dr. Lydia Tong ist jedenfalls Wasser auf die Mühlen der australischen Tierschützer. Die Organisation ,Animals Australia' hat bereits eine Mailing-Aktion mit dieser Forderung gestartet: „Tell Aussie Racing Bosses to ban whips" – zum Formular geht's hier! Das Thema wird wohl – nach der bahnbrechenden Studie von Dr. Lydia Tong – auch in anderen Ländern diskutiert werden...

Hier der Beitrag ,Horse Whip' des TV-Magazins ,Catalyst' in voller Länge...

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