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Fohlen absetzen: Abrupte Methode langfristig besser?

27.03.2015 / News

Die abrupte Entwöhnung des Fohlens könnte langfristige Vorteile bringen – das fanden tschechische Wissenschaftler heraus.
Die abrupte Entwöhnung des Fohlens könnte langfristige Vorteile bringen – das fanden tschechische Wissenschaftler heraus. / Foto: Simone Aumair

Tschechische Wissenschafter haben in einem Feldversuch zwei unterschiedlich radikale Varianten des Fohlen-Absetzens getestet – und kamen zu einem interessanten Ergebnis: Die radikalere Variante könnte langfristig vorteilhafter sein.


Das Entwöhnen der Fohlen von der Mutter – im Fachjargon ,Absetzen' genannt – zählt nicht gerade zu den angenehmsten Aufgaben eines Züchters. Unter Experten ist zudem umstritten, wie der Entwöhnungsprozess idealerweise gestaltet werden sollte, wobei es Varianten von äußerst langsam und schrittweise bis hin zu mehr oder weniger radikalen bzw. abrupten Wegen gibt. Viele dieser Varianten wurden bereits im Rahmen von Studien untersucht – mit teils widersprüchlichen und nicht immer aussagekräftigen Ergebnissen. In jedem Fall ist der Prozess des Absetzens für die Fohlen mit einer deutlichen Stressbelastung verbunden – zudem kann die gewählte Absetz-Methode auch die künftige Entwicklung von Fohlen nachhaltig beeinflussen.

Den Diskussionen, welche Methode des Absetzens denn nun empfehlenswert oder zu bevorzugen sei, haben vor kurzem tschechische Wissenschaftler neue Nahrung gegeben. Die Forscher Jana Dubcová, Jitka Bartošová und Martina Komárková haben einen Feldversuch durchgeführt, der insgesamt 56 Kladruber-Fohlen umfasste und sich über zwei Zuchtsaisonen erstreckte. Bei den Fohlen, die in einem Alter zwischen 165 und 250 Tagen alt waren, wurden nach dem Absetzen sowohl die Wachstums-Parameter (Größe, Gewicht etc.) als auch der Cortisol-Spiegel im Speichel der Tiere gemessen, der als allgemein akzeptierter Indikator für die Stressbelastung gilt. Die Ergebnisse der Studie wurden im ,Journal of Veterinary Behavior' veröffentlicht.

Dubcová und ihre Kolleginnen haben bei ihrer Untersuchung zwei verschiedene Absetz-Methoden miteinander verglichen, die beide als relativ ,abrupt' bzw. ,radikal' einzustufen sind, sich aber graduell unterscheiden:
– Bei der ersten Methode wurden die Fohlen von einem Tag auf den anderen aus ihrem angestammten Laufstall zu einem rund 5 km entfernten Aufzuchthof gebracht. Dort wurden sie nach Geschlechtern getrennt und gemeinsam mit älteren, bereits abgesetzten Herdengenossen untergebracht.
– Bei der zweiten ,sanfteren' Entwöhnungsmethode blieben die Fohlen in ihrem angestammten Laufstall, jedoch wurden ihre Mütter in einen 2 km entfernten Außenhof gebracht. Die Fohlen blieben so eine Woche in ihrem bekannten Umfeld und waren auch weiter mit anderen Stuten-Fohlen-Paaren zusammen.

Die Ergebnisse waren durchaus bemerkenswert: Die Wachstumsraten der Fohlen in den beiden Gruppen unterschieden sich deutlich voneinander. Die Fohlen in Gruppe 1 (Aufzuchthof in 5 km Entfernung) zeigten eine weitgehend stabile Gewichtszunahme, während die Fohlen der zweiten Gruppe (Mütter auf einem 2 km entfernten Außenhof)  nach dem Absetzen drei Wochen lang deutlich an Gewicht verloren. Die Gewichts-Unterschiede zwischen beiden Fohlengruppen war auch noch fünf Monate nach dem Absetzen vorhanden.

Die Cortisol-Konzentrationen im Speichel unterschieden sich in den beiden Gruppen ebenfalls deutlich voneinander – und waren am höchsten in der Gruppe 1 unmittelbar nach dem Absetzen und der Übersiedlung in den 5 km entfernten Aufzuchthof. Bei der Gruppe 2 stiegen die gemessenen Cortisol-Konzentrationen im Speichel nicht so deutlich an, diese Absetz-Methode verursachte also  offenkundig weniger Stress bei den Fohlen – hatte jedoch langfristig negative Effekte auf die Wachstumsraten der Fohlen im Vergleich zur Gruppe 1.

Die Forscher sehen daher eher ,abrupte' Absetzmethoden mit einer Übersiedlung der Fohlen in einen weit entfernten Aufzuchthof gegenüber ,sanfteren' Methoden im Vorteil – auch wenn letztere kurzfristig weniger  Stress bei den betroffenen Fohlen verursachen. „Bis zu einem bestimmten Grad scheint die Verbringung der Fohlen weg vom gewohnten Umfeld und vom heimatlichen Stall einigen Elementen des natürlichen Absetzens zu ähneln. Eine solche Übersiedlung kommt möglicherweise der natürlichen Erfahrung nahe, die Fohlen durchleben, wenn sie ihre ursprüngliche Herde verlassen und neue Herden bzw. Gruppen bilden bzw. sich zu solchen zusammenschließen – auch wenn diese Vorgänge in der Natur erst zu einem viel späteren Zeitpunkt, etwa zwischen einem und drei Jahren, stattfinden." (Anmerkung: In der Natur dauert die Entwöhnungsphase etwa ein Jahr und verläuft Schritt für Schritt: Die Mütter wehren die Fohlen zuerst schwach, dann immer vehementer ab, wenn sie saugen wollen, und produzieren zudem immer weniger Milch. So muss sich der Nachwuchs vermehrt um andere Nahrung bemühen, wird dadurch selbstständiger und entwöhnt sich so selbst immer mehr von seiner Mutter.)

Dubcová und ihre Kolleginnen bestätigten, dass die ,abrupte' Methode des Absetzens, bei der Stute und Fohlen plötzlich und durch eine so große Distanz voneinander getrennt werden, daß sie sich weder hören noch sehen oder riechen konnten, in der Vergangenheit die am weitesten verbreitete Praxis des Absetzens war – möglicherweise, weil sie als einfacher und kostengünstiger galt als sanftere, schrittweise Methoden der Trennung von Stute und Fohlen.

In vergangenen Studien wurde immer wieder auf mögliche negative Effekte einer zu abrupten Entwöhnung hingewiesen – neben erhöhtem Stress (häufiges Wiehern, verstärktes Herumlaufen etc.) konnten sogar Steroetypien und Verhaltensstörungen beobachtet werden. Abruptes Absetzen kann somit negative gesundheitliche Folgen nach sich ziehen.

Dies wurde in der Untersuchung von Jana Dubcová nicht bestätigt. „Insgesamt unterstützen unsere Ergebnisse jedenfalls nicht eine Methode, bei der die Fohlen in den ersten beiden Wochen nach dem Absetzen in ihrem angestammten Umfeld verbleiben; wir nehmen an, dass so zusätzlicher Stress vermieden werden kann. Langfristig scheint ein abrupter, radikaler Weg des Absetzens und die Übersiedlung in ein neues Umfeld für die Fohlen besser zu sein."

Womit wohl wieder für neue Diskussionen gesorgt ist – nicht nur in Kreisen der Wissenschaft...

 

Die Studie ,Effects of prompt vs. stepwise relocation to a novel environment on foals’ responses to weaning in domestic horses (Equus caballus)' ist im ,Journal of Veterinary Behavior' erschienen und hier nachzulesen.

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