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Neil Davies Blog: Das Gedächtnis eines Pferdes
04.04.2015 / News

Man muss dem Pferd beibringen, sich genau in jener Bahn und in jener Geschwindigkeit vorwärts zu bewegen, die ich möchte.
Man muss dem Pferd beibringen, sich genau in jener Bahn und in jener Geschwindigkeit vorwärts zu bewegen, die ich möchte. / Foto: Neil Davies
Für diese Stute ist es der erste Ausritt – und auch hier ist es wichtig, dass sie sich genau dort und in genau der Geschwindigkeit bewegt, die ich von ihr verlange.
Für diese Stute ist es der erste Ausritt – und auch hier ist es wichtig, dass sie sich genau dort und in genau der Geschwindigkeit bewegt, die ich von ihr verlange. / Foto: Neil Davies

Pferde haben ein exzellentes Gedächtnis: Sie können sich viele Dinge merken, vergessen aber leider auch schlechte Erfahrungen oder Gewohnheiten nie völlig – und das sollten wir bei der Ausbildung niemals außer Acht lassen.

 

Eine Frau kam mit ihrem Pferd zu einem meiner Seminare und sagte: „Ich habe Probleme mit fliegenden Galoppwechseln. Kannst du ihm das beibringen? Ich mache Dressur und brauche fliegende Galoppwechsel.“

Es sind viele Schritte, die zu einem korrekten fliegenden Galoppwechsel führen. Das Pferd muss in der Lage sein, korrekt in Schritt, Trab und Galopp zu gehen. Es muss ihm beigebracht werden, sich in genau dem Kreis und mit der genauen Biegung, die du verlangst, zu bewegen. Es muss in der Lage sein, geschmeidig und korrekt von Trab zum Galopp und vom Schritt zum Galopp und wieder zurück in fließenden Übergängen zu wechseln.

Wenn irgendeiner dieser Schritte nicht sauber sitzt, wird es ein Problem mit dem fliegenden Galoppwechsel geben. Natürlich kannst du auf ein Pferd hüpfen, es im schnellen Galopp herumjagen und dein Gewicht und Timing so nutzen, dass es die Beine wechselt, aber das wird dir nicht helfen, einen korrekten Gangartenwechsel herzustellen.

Die Frau bei meiner Klinik hatte gehofft, dass die fliegenden Galoppwechsel nach ein paar einfachen Lektionen sozusagen „installiert“ sind. Viele Leute denken, dass fliegende Galoppwechsel, Spins und Wendungen in ein Pferd quasi „programmiert“ werden können – und wenn eine solche Lektion einmal einprogrammiert ist, wird sie dort immer abrufbar sein. Nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt.

Man muss sich das Pferdetraining auf lineare Weise vorstellen: Die erste Lektion ist, wenn du ein Fohlen das erste Mal berührst. Jede nachfolgende Lektion muss eine Weiterführung der vorigen sein. Wenn du versuchst von Lektion 10 zu Lektion 20 zu springen, wirst du später Probleme haben. An irgendeinem Punkt wirst du zurückgehen müssen und deinem Pferd die Lektionen beibringen, die du ausgelassen hast. Es wird viel länger brauchen, um dein Ziel zu erreichen und das Resultat wird nicht sehr gut sein.

Nichts, was du deinem Pferd beibringst, wird automatisch für immer „da“ sein. Wenn du nicht jedes mal sorgfältig und präzise bist, wenn du reitest, wird dein Pferd Abkürzungen nehmen. Wer könnte ihm das übelnehmen? Genau wie du und ich will das Pferd sich das Leben so leicht wie möglich machen.

Nehmen wir zum Beispiel den Wechsel vom Trab zum Galopp. Mit ein paar Monaten konsequentem Training kannst du deinem Pferd beibringen, in den Galopp zu wechseln bei genau jenem Impuls, den du verlangst – und das jedes Mal, wenn du es verlangst. Leute glauben dann fälschlicherweise, dass der Übergang vom Trab zum Galopp ab jetzt für immer „angelegt“ ist.

Jetzt passiert es aber, dass du mit der Zeit ein bisschen nachlässiger wirst und deinem Pferd ein paar Mal erlaubst, noch ein paar Schritte zu machen, bevor es in den leichten Galopp wechselt. Du glaubst, dass es egal ist; dein Pferd aber denkt, dass es ihm erlaubt ist, sein „eigenes Ding“ hin und wieder durchzuziehen: Vorsicht, dass ist der Anfang vom Ende.

Inkonsequentes Training ist sehr verwirrend für ein Pferd. Du hast tatsächlich den mühsam erarbeiteteten Übergang vom Trab zum Galopp durch deine Nachlässigkeit gleichsam wieder „de-installiert“. Dein Pferd hat jetzt zwei Dinge im Kopf. Muss es in den leichten Galopp wechseln, wenn du es verlangst? Oder kann es noch ein paar Schritte machen, bevor es das tut?

Aufgrund dieses Konflikts wird dein Pferd nervös und beunruhigt werden, wenn vom ihm verlangt wird, in den leichten Galopp zu wechseln. Und obwohl du zurückgehen kannst und deinem Pferd beibringen kannst, genau zu dem Zeitpunkt die Gangart zu wechseln, wenn du es verlangst, kannst du sein Gedächtnis nicht ganz auslöschen. Du kannst die Erinnerung von den paar Schritten nicht gänzlich aus seinem Gedächtnis entfernen. Eines Tages, wenn es unter Druck steht (vielleicht ausgerechnet bei einem Wettbewerb), wird es ein paar Schritte machen, bevor es wechselt, weil es so in seinem Gedächtnis war und dort immer blieben wird.

Vergiss das nie: Du kannst Bewegungen oder Lektionen in deinem Pferd nicht fix „installieren“ – und noch wichtiger, du kannst sie auch nicht wieder „de-installieren“. Es ist immer besser, wenn falsche oder schlechte Gewohnheiten gar nicht erst im Gedächtnis deines Pferd auftauchen.

Hier geht's zur Website von Neil Davies: www.fearfreehorsetraining.com


ZUR PERSON

Neil Davies ist seit 1977 professioneller Pferde-Trainer. In den ersten 15 Jahren seiner Trainerlaufbahn hat er Tausende Pferde angeritten und auch zahllose sogenannte ,Problempferde’ trainiert. Egal ob ein 100-Dollar-Pony aus dem Hinterhof oder millionenteure Vollblüter – Neil Davies kennt sie alle. Neil war einer der ersten Pferdetrainer, der seine Arbeit mit Hilfe von Videos dokumentierte. Diese Videos wurden weltweit verkauft, daneben führte er Clinics und Präsentationen in Australien, Neuseeland und den USA durch. Neils einzigartiges Wissen entstand in der Arbeit mit sovielen Pferden, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Obwohl nur wenige die Möglichkeit bzw. die Neigung haben, das zu tun was er tut, kann jeder Pferdefreund von seinem Wissen und seiner Erfahrung profitieren.

 

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