Gerüche können gezielt dafür eingesetzt werden, um das Umfeld von Pferden zu bereichern und ihre Lebensqualität zu verbessern, darauf weisen erste wissenschaftliche Arbeiten hin, doch die Forschung dazu steckt noch in den Anfängen. Hier ein Überblick über das, was man bislang aus Studien und Untersuchungen weiß.
Die Geruchswahrnehmung hat für Pferde einen hohen Stellenwert und ist eine wichtige Möglichkeit, arttypische Verhaltensmuster auszuüben. Symbolfoto: Pixabay
Die brasilianische Wissenschaftlerin Ana Caroline Bini de Lima und ihre Kolleginnen untersuchten in einer gerade veröffentlichten Übersichtsstudie den Einsatz geruchsbasierter Stimulation als Mittel zur Bereicherung der Umwelt für Pferde.
Sie stellten einleitend fest, dass das Wohlergehen der Pferde die Aufmerksamkeit sowohl der wissenschaftlichen Gemeinschaft als auch der Öffentlichkeit auf sich gezogen habe.
Im häuslichen Umfeld werden Pferde häufig unter Bedingungen gehalten, die die Ausprägung arttypischer Verhaltensweisen einschränken und ihr Wohlergehen beeinträchtigen. Strategien zur Umweltanreicherung wurden als interessante Option identifiziert, um die häusliche Umgebung interaktiver und komplexer zu gestalten und so die Lebensqualität zu verbessern.
Im Allgemeinen umfassen derartige „Bereicherungsstrategien“ die Bereitstellung von Sinnesreizen, neuen Objekten, sozialen Kontakten und die Möglichkeit freiwilliger Bewegung, die es den Tieren ermöglicht, arttypische Verhaltensmuster auszuüben.
Die olfaktorische Stimulation ist eine Form der sensorischen Bereicherung der Umwelt, die darauf abzielt, den Geruchssinn durch die Einführung von Gerüchen zu aktivieren – und dies hat sich für Pferde als vielversprechend herausgestellt: „Gerüche“, so die Autorinnen, „sind relativ günstig, einfach aufzubewahren und können zeitlich und räumlich dynamisch werden, was einen Aspekt der Neuheit darstellt, der die olfaktorische Stimulation aus praktischer Sicht interessant macht.“
Pferde haben einen gut entwickelten Geruchssinn. Daher scheinen die aus Geruchsreizen gewonnenen Informationen für sie wichtig zu sein.
Hier ein Überblick über die anatomischen und zellulären Strukturen, die mit dem Riechsystem des Pferdes verbunden sind. Eine wichtige Schaltstelle ist das sogenannte Vomeronasalorgan (auch ,Jacobsonsches Organ' genannt), ein chemorezeptives Organ, mit dessen Hilfe Pferde sehr feine Duftstoffe wie z.B. Pheromone wahrnehmen können. Bildnachweis und Illustration: A.C. Bini de Lima
Die Autorinnen untersuchten daraufhin die Geruchswahrnehmung bei Pferden, ihre Rolle bei Stress und den Einsatz olfaktorischer Stimulation zur Bereicherung der Umwelt.
Tiere können auf unterschiedliche Weise mit Geruchsreizen konfrontiert werden – so können Geruchspräsentationen in konzentrierter, halbkonzentrierter oder dispergierter Form erfolgen.
Bei der konzentrierten Präsentation wird der Geruch in oder auf einem Behälter (Tuch, Becher und Holzscheite) bereitgestellt, während bei der halbkonzentrierten Präsentation das riechende Material in einem Sack oder einem ähnlichen Behälter deponiert wird, der normalerweise von den Tieren zerrissen wird. Dadurch wird der Geruch durch physikalische Einwirkung im gesamten Gehäuse verteilt.
Bei der dispergierten Präsentation hingegen handelt es sich um das Füllen des Gehäuses mit Geruch. Dies kann durch Auftragen auf die verschiedenen im Gehäuse vorhandenen Gegenstände oder durch Beduften der Luft durch Diffusoren oder Sprays erfolgen.
Konzentrierte und halbkonzentrierte Darbietungen ermöglichen den Tieren eine größere Autonomie bei der Interaktion mit dem Geruch, wohingegen verteilte Darreichungen den Individuen nicht die Möglichkeit bieten, sich vom Geruch zu entfernen, was bei der Verwendung potenziell aversiver Gerüche berücksichtigt werden muss. „Der Erfolg der olfaktorischen Stimulation als Methode zur Bereicherung der Umwelt könnte von der untersuchten Spezies abhängen, so die AutorInnen.
Abbildung a: Flehmen eines Hengstes nach olfaktorischer Stimulation mit ätherischem Pfefferminzöl (Bildnachweis: M.S.P. Hernandes); Abbildung b und c: Hengst zeigt Geruchsuntersuchung, gefolgt von Flehmen-Reaktion, nachdem er Stutenkot ausgesetzt wurde (Bildnachweis: M.S.P. Hernandes); Abbildung d: Infografik der Prozesse, die an der Flehmen-Reaktion beteiligt sind. (Illustration: A.C. Bini de Lima).
Für Pferde, eine Tierart, bei der chemische Kommunikation ein wichtiger Teil ihrer sozialen Interaktion ist, birgt die olfaktorische Stimulation ein erhebliches Potenzial. Zu den biologisch relevanten Gerüchen zählen solche, die vom Körper, Urin oder Fäkalien ausgehen.
Vor allem ein Punkt sei aber entscheidend, so die Forscherinnen: „Es ist wichtig zu betonen, dass die Verwendung biologisch relevanter Gerüche die Übertragung chemischer Informationen beinhaltet; Daher ist die Identifizierung des Senders und Empfängers dieser Informationen für den Erfolg der olfaktorischen Stimulation und die Vermeidung unerwünschter Ergebnisse von entscheidender Bedeutung.“
Die Vermeidung der Verwendung von Gerüchen gestresster Pferde sowie von Pferden, die aggressive Interaktionen mit dem Tier hatten, dem der Geruch ausgesetzt wird, kann eine wichtige Maßnahme sein, um zu verhindern, dass beim Empfänger eine mögliche Stressreaktion ausgelöst wird.
Die Autorinnen wandten sich anschließend den Gerüchen zu, die sie als „biologisch irrelevant“ bezeichneten: „Obwohl ätherische Öle und andere pflanzliche Gerüche für viele Tiere nicht als biologisch relevant angesehen werden, können sie den Ergebnissen neuerer Arbeiten zufolge das Wohlergehen bestimmter Arten verbessern. Während einige dieser Gerüche offenbar zur Entspannung anregen und Stress abbauen, scheinen andere eine eher anregende Wirkung auf Tiere zu haben.“
Die meisten mit Pferden durchgeführten Forschungen konzentrierten sich auf die Verwendung von ätherischem Lavendelöl. Dieses ätherische Öl ist allgemein für seine angstmindernde Wirkung in Tiermodellen bekannt. Aktuellen Studien zufolge hat es bei Pferden das Potenzial, die Intensität von Stressreaktionen zu reduzieren.
Neuere Forschungen haben begonnen, die Wirkung einer breiteren Palette ätherischer Öle zu untersuchen. Forscher testeten in einer Studie die beruhigende Wirkung von Vetiver (Vetiveria zizanioides), Indischer Narde (Nardostachys jatamansi) und römischer Kamille (Anthemis nobilis). Die Forscher dieser Studie kamen zu dem Schluss, dass Nardenkraut und römische Kamille Pferde offenbar besser beruhigen als Lavendel. Während die Indische Narde einen entspannteren Gesichtsausdruck hervorruft, ist die römische Kamille besser für die Muskelentspannung geeignet.
Das Studienteam sagte, dass der Geruchssinn des Pferdes, obwohl er im Vergleich zu anderen Sinnen noch wenig erforscht sei, in mehrerlei Hinsicht relevant sei: „Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass mehrere Komponenten des Verhaltensrepertoires von Pferden durch olfaktorische Stimulation beeinflusst werden können. Geruchsreize haben das Potenzial, die Verhaltensvielfalt und die Fähigkeit von Tieren, mit Herausforderungen umzugehen, zu erhöhen und arttypische Verhaltensweisen anzuregen.“
Dennoch ist festzuhalten, dass es in diesem Forschungsgebiet noch immer viele offene Fragen gibt, die angegangen werden müssen, so die Autorinnen: So müssten etwa die Auswirkungen verschiedener Formen der Geruchspräsentation, das ideale Intervall zwischen der Einführung verschiedener Gerüche, der Einfluss des Gewöhnungsprozesses, langfristige Auswirkungen und mögliche Gesundheitsrisiken (z. B. Toxizität und Übertragung von Krankheitserregern und Parasiten) noch näher untersucht werden.
Ihr Rat daher an Pferdebesitzer: „Wenn Fachleute, die mit Pferden arbeiten, die olfaktorische Stimulation als Bereicherung für die Umgebung nutzen, sollten sie darauf achten, olfaktorische Reize zu verwenden, die bereits in wissenschaftlichen Umgebungen getestet wurden und für diese Tierart als sicher und wirksam gelten.
Darüber hinaus müssen olfaktorische Reize „in ähnlichen Kontexten verwendet werden, wie sie in Experimenten getestet wurden (z. B. ätherisches Lavendelöl zur Stressreduzierung). Dies kann auf der Grundlage der in dieser Arbeit vorgestellten wissenschaftlichen Studien erreicht werden, so die Forscherinnen.
Ihr Resümee ist indes eindeutig – und kann durchaus als Auftrag für die Zukunft verstanden werden: „Eine anregende Umgebung kann das Wohlergehen von Pferden verbessern, und die olfaktorische Stimulation kann ein nützliches Instrument sein, um die Umgebung von Hauspferden zu bereichern.“
Die Studie „Olfactory Stimulation as Environmental Enrichment for Domestic Horses — A Review" von Bini de Lima, Vanessa Cristini Sebastião da Fé, Maria Simara Palermo Hernandes und Viviane Maria Oliveira dos Santos ist am 12. Okt. 2023 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.