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Kriminelle Aspekte in der Hippologie: Der Pferdehändler des Grauens
28.10.2023 / News

Wenn gewerbsmäßigen Pferdehändlern – sehr zum Leidwesen ihrer seriösen Kollegen – oftmals ein schlechter Ruf vorauseilt, so hat dies nicht zuletzt mit Figuren wie dem Händler B. zu tun. Dieser trieb vor vielen Jahren auch in Österreich sein Unwesen und verstand es geschickt, für seine kriminellen Machenschaften immer wieder Handlanger und Komplizen zu finden, wie dieser drastische Fall zeigt ...

Symbolfoto: Archiv ProPferd/Petr Blaha


Wenn der Bock zum Gärtner wird….

Vechemite kam am 17. Oktober 1984 in Argentinien zur Welt, sie war zart von Gestalt, hatte große, ausdrucksstarke Augen und rötliches Haar, ihre Familie hatte nicht unbedeutende Namen in der internationalen Welt des Sports hervorgebracht und so war es nicht verwunderlich, dass die zierliche, schnelle und ausdauernde Sportlerin den Weg nach Europa nahm, wo ihre Karriere einen durchaus erfolgreichen Verlauf nehmen sollte.

Die Geschichte
Am 30. Jänner 2007 wurde die mittlerweile 23 jährige Vechemite  von dem einschlägig bekannten Händler B. im fernen Österreich als etwa 13 jähriges Freizeitpferd an eine völlig unerfahrene Reitanfängerin verkauft, die schmerzbedingte Lahmheit an allen vier Extremitäten wurden von einem – ebenfalls (einschlägig) bekannten Pferdetierarzt – als ein, für Poloponys „typischer“ Gang deklariert, aber sonst – so dieser Tierarzt - der auch gleich selbst den Antrag für ein Duplikat eines Pferdepasses mit dem falschen Geburtsjahr 1994 verfasst hatte, sei das Pferd vollkommen gesund und bei Verwendung als Freizeitpferd bedenkenlos einzusetzen. Dieser Tierarzt räumte noch ein, dass er den Hof und Pferdebestand des Händlers B. ständig betreue - ein Proberitt durch die Käuferin problemlos verlaufen wäre. Auf einem schriftlichen Befund wurde festgehalten, dass die Fuchsstute Vechemite, der mittlerweile der Name „Little Lady“ zugeteilt worden war, keine Abweichungen von physiologischen Werten aufwies, alle Beugeproben ein negatives Ergebnis hatten, das Gangbild für ein Polopony „typisch“ wäre und der „Gesundheitszustand dem Alter gemäß wäre“ [zit.]

Der tatsächliche Zustand und das Erscheinungsbild dieses Pferdes waren mit dieser Beschreibung jedoch nicht in Deckung zu bringen, weshalb die Käuferin einen weiteren Tierarzt beizog, der nach klinischer und röntgenologischer Untersuchung folgende Feststellung traf: Massive artikuläre und periartikuläre Knochenzubildungen an beiden vorderen Fesselgelenken (massive Arthrosis deformans) mit Chipfragmenten. (zit.)
 
Der Verkäufer, der versierte Pferdehändler B., der in seinem Leben nie die Milch der frommen Denkungsart getrunken hatte, gab (vor Gericht) später an, dass er sehr wohl gewusst habe, dass die Stute als Polopferd nicht mehr einsetzbar war, er hatte jedoch keine Einschränkungen an den Beinen festgestellt. Er teilte ferner mit, dass er bei der Untersuchung dieses Pferdes durch „seinen“ Tierarzt – im Gegensatz zur Käuferin – persönlich anwesend war und dass „sein“ Tierarzt die Stute „als nettes Pferd ohne grobe Mängel“ [zit.] eingestuft hat. Sein – B.s-  Hof ist ein Verkaufsstall, es wird dort Pferdehandel betrieben.

Ein krankes Pferd
Die klinische Untersuchung des Pferdes, nach Einbringung der Klage durch die Käuferin, erlaubte die phänotypische Zuordnung des Pferdes als Polopony. Der Gang war im Schritt extrem spießig, im Trabe „stakelig“ und gebunden. In der Bewegung war ein deutliches Schmerzgesicht feststellbar, die Ohren wurden angelegt, die Gesichtszüge grimassenhaft verzerrt. Eine ordnungsgemäße Durchführung von Beugeproben war – wegen heftiger Abwehr - an keiner der Extremitäten möglich. Ober- und Unterkiefer wiesen ein extrem verändertes Gebiss auf (Barrenwetzer-Gebiss), eine Zahnaltersschätzung war nicht annähernd möglich.

Nachforschungen
Recherchen auf Basis der Gerichts-Akten ergaben, dass der nun vorgelegte Pferdepass von der Käuferin beantragt worden war, und sämtliche Angaben in diesem „Dokument“ vom Verkäufer B. und seinem Tierarzt stammten, Originaldokumente lagen bei Ausstellung dem BFV nicht vor.
Im Zuge weiterer Recherchen in der einschlägigen, als elitär geltenden Szene der Poloställe kam der Verfasser in Kontakt mit der Tierärztin Mag. K., die als ihre Vorbesitzerin das gegenständliche Pferd Vechemite an dem typischen Farbabzeichen an der Hinterextremität zweifelsfrei erkannte und sich an den Namen „Vechemite“ und an das Alter von 23 Jahren erinnerte.

 An diesem sehr typischen Farbabzeichen erkannte die Vorbesitzerin und Tierärztin das Pferd ohne jeden Zweifel, weil sie es im Rahmen von Untersuchungen für ihre Dissertation eingesetzt gehabt hatte und daher Geburtsland Argentinien und   Geburtsdatum mit exakt 17.10.1984 angeben konnte.
 
Der Pferdehändler B. hatte mit ihr - der Vorbesitzerin Mag. K. über die Pferdebörse Kontakt aufgenommen, er besichtigte das Pferd und hatte bei dieser Gelegenheit eine (nicht Deutsch sprechende) Frau mit einem Baby am Arm in seiner Gesellschaft – eine bekannte und beliebte „Maskerade“ zum Aufbau von Vertrauen.

Der Kaufvertrag für insgesamt 3 Poloponys, die er damals übernahm, weist einen symbolischen Kaufpreis von je € 100.00 auf, verbunden mit der Auflage, dass eine Schlachtung nicht erlaubt sei. Zu zwei der drei Pferde wird zudem festgehalten, dass sie dämpfig sind bzw. koppen.
Bei Kaufvertragsabschluss zum Ankauf der drei Polopferde durch den Pferdehändler B. und späteren Verkäufer war ausdrücklich und klar ausbedungen, dass diese nur mehr als reine Beistellpferde, keinesfalls als „Reitpferde – in welcher Weise auch immer“ verwendet werden dürfen – B. hat damals erzählt, dass er großes Land mit vielen Apfelbäumen besitzt und die Pferde dort als Rasenmäher gehalten werden.
„Meine Absicht“, so die Tierärztin und Vorbesitzerin Mag. K., „war es, diesen Pferden nach einem anstrengenden Leben im Polosport einen schönen Lebensabend zu schenken.“


Das Zivilverfahren
Im Jänner 2007 war dieses Pferd als etwa 14 Jährige mit dem Namen „Little Girl 4“ vom erwähnten Händler B. in Österreich zusammen mit Zubehör um € 3000.00 an eine Frau verkauft worden, die bisher mit Pferden kaum Erfahrung hatte, einen Kaufberater hatte sie nicht beigezogen, zwei Proberitte waren in ihren Augen ohne Bedenken verlaufen.
Als die Stute im neuen Stall von pferdekundigen Personen „beäugt“ wurde, kamen erste, aber massive Zweifel zunächst über das tatsächliche Alter des Pferdes, aber auch über dessen Gesundheitszustand auf – in der Folge wurden zwei Tierärzte konsultiert, die Befunde und Diagnosen des zweiten Veterinärs hatten eine Wandlungsklage zur Folge.

Röntgenbefunde
 

Klinische Befunde
 
Befunde, erhoben vom „Haustierarzt“ des Pferdehändlers B.:
– Die Untersuchung erfolgte nach Abschluss der Kaufvereinbarung
– Der Tierarzt kam zum Ergebnis, dass das Pferd für den vorgesehenen Zweck, nämlich das Ausreiten und die Benützung als Hobbypferd, geeignet sei.
– Der Tierarzt betreut den Hof des Beklagten ständig, er erklärte, dass das Pferd gesund und unbedenklich sei – es habe ein Alter von etwa 11 Jahren.
– In einem schriftlichen Befund an die Klägerin teilt er mit, „…dass das Pferd ca. 14 Jahre alt sei und keine Abweichungen von den physiologischen Werten zeige, alle Beugeproben waren negativ, das Gangbild ist für ein Polopony typisch, der Gesundheitszustand dem Alter gemäß entsprechend.“ [zit.]
– Ein Ersatzpferdepass wurde vom BFV auf Basis der Angaben des Hoftierarztes ausgestellt, mit Geburtsjahr 1994.
– Nach einem „Ankaufstest“ teilte der Hoftierarzt telefonisch mit, dass das Pferd zwischen 12 und 14 Jahre alt sei, es passe so alles, das Pferd habe lediglich einen atypischen Gang. (zit.)
 
Misstrauisch geworden, zog die Käuferin einen zweiten Tierarzt bei, auf Anraten von erfahrenen Stallgefährten, mit Praxissitz in einem anderen Bundesland.

Die Käuferin schilderte dessen Reaktion so: „Dr. T. schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als er das Pferd sah, er machte Röntgenbilder und bestätigte, dass das Pferd an fortgeschrittenen Arthrosen leidet“. (zit.)

Der Pferdehändler B. war damals – Anfang des Jahrtausends – weder unbekannt noch ein unbeschriebenes Blatt – Kraft seines Auftretens und seines überzeugenden Redeschwalls, in dem „Klagedrohungen“ ständiges Repertoire waren, gingen ihm aber viele Menschen auf den Leim.

Auf der inzwischen geschlossenen Homepage „Gut XXXXXXXhof“ findet sich folgender Eintrag vom 19.02.2012 unter „Berufsreiter“:

„Hallo ich kenne ihn gut! War bei ihm Bereiter wir verkauften mehr über 100 Pferde im Jahr ! Ich denke wenn er so schlecht ist warum kaufen die Leute dann immer wieder Pferde bei ihm...Komisch ! Ich kann nur sagen das viele Leute Pferde gekauft haben die vorher nichts Gutes über ihn gesagt Haben ,aber dann doch gekauft haben...Komisch !?Naja er hat dann immer zu unserer Verwunderung Gesagt" Wer Schimpft der Kauft" Und noch eine Frage an alle ! Wäre es nicht besser für Reitanfänger die sich ein Pferd kaufen möchten mal vorher eine Reitschule zu besuchen !!! Dann gebe es nicht mehr so viele Korrektur-Pferde ! Die armen Hoppas !! Frohe Ostern und der sei ohne Sünde, der werfe den ersten Stein so stehts in der Bibel."

Anmerkung: Da unzählige Recht-Schreib- Fehler diesen kurzen Text nahezu unleserlich gestalteten, nahm der Verfasser dieser Zeilen einige „Begradigungen“ vor.
 

Soweit der Bericht des alten Herrn. Er erhob sich, warf zwei Buchenscheiter in das Kaminfeuer – mit besorgter Miene sagte er dann: „Jahrelang treiben solche Menschen ihr Unwesen – aus ihrer Ignoranz, aber auch aus dem Schamgefühl der betrogenen Käufer werden nur geringe Fallzahlen weiteren Kreisen bekannt oder gerichtsanhängig – dabei liegt im geschilderten Fall der  VECHEMITE (und des mit ihr übergebenen Zubehörs) eine Reihe von strafrechtlich relevanten Vergehen vor, die von Vertragsbruch, arglistiger  Täuschung über Betrug zur besonders schwer wiegenden Tierquälerei einen kriminellen Bogen spannen.

Die Hauptfigur in diesem Pferdedrama, der Händler B., unterhielt vor mehr als zwanzig Jahren eine Homepage eines von ihm gegründeten Vereines „European Horse World“ – dort stellte er sich selbst als besonders intimer Kenner der grausamen Welt der Pferdeschinder dar. Besonders betrüblich ist es aber, wenn Angehörige von Berufen, denen die Gesellschaft eine unerschütterliche Garantenverpflichtung für das Wohlergehen von Pferden zuschreibt, sich – aus welch unerfindlichen Beweggründen auch immer – zu Handlangern und Komplizen von Kriminellen missbrauchen lassen.“

Der alte Herr griff nach einem kleinen Büchlein, rückte seine Brille zurecht und las vor:

„Der Einkauf von Pferden ist ein schwieriges Geschäft, welches vielseitige Kenntnisse, langjährige Erfahrung und ein sehr geübtes Auge verlangt. Aber auch ausgerüstet mit diesen Erfordernissen, kann man noch immer betrogen werden, da selbst der beste Pferdekenner sich zuweilen täuscht und in keinem Handelszweig im Allgemeinen – Ausnahmen wird Niemand leugnen – die Verkäufer so wenig gewissenhaft zu Werke gehen, wie im Pferdehandel“

Dieses Zitat, geschätzter Freund – es stammt aus dem Taschenbuch für Pferdebesitzer und Reiter aus dem Jahre 1861, sollten sich insbesondere alle selbstgerechten >Erfinder des Pferdes< immer vor Augen halten und auch ihre Kenntnisse in der kritischen Beurteilung des Umfelds von Pferden kontinuierlich schärfen!“

Fotos, Grafiken und Literatur: Archiv & ex libris Dris.Kaun     

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