Kaum ein anderer gebissloser Zaum ist derart mit Berührungsängsten belegt, wie der Kappzaum. Leider und unnötigerweise, denn es handelt sich um eine außerordentlich pferdegerechte und seit Langem bewährte Konstruktion. Ein Gastbeitrag von Horst Brindel.
Der Kappzaum ist ein verkanntes Genie in der Pferdeausbildung, dem ein größeres Comeback durchaus zu wünschen wäre. WENN … WENN der Kappzaum keinen - manches Mal negativen - „Heiligenschein“ hätte, die vielfältige Literatur eindeutiger wäre und keine Billigangebote verwirren würden. Kurz: WENN das Verständnis der Pferdeleute für diese doch etwas differenzierte Zäumung fundierter wäre.
Für den Interessierten ist es eventuell ein Problem, sich anhand der vielen Veröffentlichun-gen zum Kappzaum zu orientieren und unter seinen vielen angebotenen Modellvariationen den besten Zaum zu finden. Allzu oft fehlt das fundierte Wissen um seine pferdegerechte Beschaffenheit sowie die damit verbundenen Wirkungsgrundsätze. Nicht immer auch geht die eigene Philosophie einher mit gekonnter Ausbildung und wissender Rücksicht auf die Nöte des Pferdes.
Der Kappzaum ist ein „verkapptes“ Genie auf dem Weg zur Verständigung zwischen Mensch und Pferd. Wer ihn als Zwangswerkzeug benutzt, ist auf dem falschen Weg.
Bei korrektem Einsatz jedoch können Pferde schonender ausgebildet werden. Sie bleiben motiviert und länger gesund und leistungsfähig.
Als erste Orientierungshilfe für alle jene, die mit dem Kappzaum liebäugeln, soll dieses Exposé dienen.
Abb. 1: Ungleicher Zug oder Druck bewirkt durch den festen zentralen Ring zum Aufnehmen der Longe unter anderem auch ein Aufstellen des Gebisses im Pferdemaul. Foto: Stephanie Kosel
Die Anforderungen an den Pferdemenschen
Wer ein Pferd ausbilden will, muss sich selbst bereits einer Ausbildung unterzogen haben. Erst dann kann die Arbeit mit dem Pferd beginnen, die schonend und langsam erfolgen soll (siehe VFD-Papier „Zum Wohle der Pferde“ – Lernen wie Pferde lernen). Diese Erkenntnis ist nicht durch den Kappzaum entstanden, gilt für ihn jedoch ebenfalls als Voraussetzung. Wie alle gebisslosen Zäumungen kann auch der Kappzaum Pferden bei unsensiblem Einsatz Schmerz verursachen – von tierschutzrelevant bis tierschutzwidrig. Wir sprechen hier deshalb über korrektes Longieren – nicht über „Zentrifugieren“.
Der Kappzaum wirkt primär auf den knöchernen, sehr empfindlichen Nasenrücken, so dass man nie ins derbe, dauernde Ziehen kommen darf, da sonst Schmerzreaktionen und Ab-stumpfung drohen. Gleiches gilt natürlich für jede Zäumung; doch dass der schmerzhafte Zug der Longe am inneren Trensenring zudem das Pferd von der Hand bzw. Hilfe des Longenführers wegtreibt und darum oftmals in einen „Ziehwettbewerb“ ausartet, ist Stand der Erkenntnisse.
Der Einsatz der unsäglichen Longierbrille in ihrer heute angebotenen Machart (Abb. 1), die noch immer im Zubehörhandel angeboten wird, verbessert die Situation für das Pferd keinesfalls. Eine harte, starre Hand des Longenführers macht das Longieren für das Pferd immer zur Qual.
Die Anforderungen an das Pferd zur Arbeit mit dem Kappzaum
Gesund, halfterführig, natürliches Vorwärts, vorbereitet durch Bodenarbeit, Vertrauen zur Bezugsperson.
Die Anforderungen an den Kappzaum
Die hauptsächliche Aufgabe eines Kappzaumes ist es, sanft, verständlich und trotzdem präzise über den Nasenrücken auf das Pferd einzuwirken
• ohne seinen natürlichen Vorwärtsdrang negativ zu beeinträchtigen und
• ohne schmerzhafte Wirkung auf Laden, Unterkiefer oder die Knochenhaut am Nasenrücken und
• ohne die Zunge, die Maulwinkel und die Schleimhäute des Pferdemauls zu quetschen.
Normale Trensengebisse wirken nur auf Unterkiefer, Zunge und Maulwinkel und stören die Balance des Pferdes, da alle Pferde – insbesondere die jungen – sich hauptsächlich mit dem Kopf ausbalancieren (wie auch mit dem Schweif). Dies ist allgemeingültig, denn alle Säugetiere bewegen ihren Unterkiefer gegenüber der eigenen Bewegung leicht im Voraus. Dazu muss der Unterkiefer eines Pferdes ungestört beweglich bleiben. Die Parade am Kappzaum wirkt hingegen als leichter Impuls außen an der Nase und „holt diese herein“, ohne die Kiefer oder das Maul zu beeinträchtigen. Dabei kommt dem Nasenbügel am Kappzaum die Hauptaufgabe zu, weshalb er breit genug und gut angepasst sein muss.
Ein guter – zumindest gut brauchbarer – Kappzaum ist meist kein „Schnäppchen“. Auch wenn perfekte Einzelstücke, die individuell auf ein Pferd zugeschnitten sind, um etwa € 400-500 in Auftrag gegeben werden können, duldet die Realität kaum Preise über € 200.
Die Bestandteile des Kappzaums (Abb. 2) sind:
• Nasenriemen (Kappzaumeisen mit Ringen)
• Polster/Unterlage
• Genickriemen (Umlaufriemen) mit zwei Backenstücken
• Geteilter Ganaschenriemen
• Geteilter Kinnriemen
Abb. 2: schematisch dargestellte Lage des Kappzaums - Pferdekopf: gerades Profil, mittelgroße Ganaschen, deutliches Jochbein, Maulspalte mittel, normal große Nüstern, entspanntes Kinn, großes weiches rundes Auge. Zeichnung: Horst Brindel
Einen Kappzaum so leicht wie möglich zu halten, ohne dabei die Stabilität aufzugeben, ist die Anforderung. Seine korrekte Anpassung in Lage und Weite ist von größter Bedeutung. Der Kappzaum muss immer auf dem knöchernen Teil des Nasenrückens aufliegen.
Der Kappzaum ist der Vorläufer des hannoverschen Reithalfters. Deswegen liegt der untere Rand des Kappzaumeisens vier Fingerbreit oberhalb des Nüsternrandes. Der Abstand zwischen Kappzaum und Nasenrücken beträgt zwei flach angelegte Finger (nicht aufrecht gestellt) (Abb. 3). Bei Verwendung des kombinierten englischen Reithalfter wird der obere Rand des Nasenriemens zwei Fingerbreit unter der Jochbeinleiste verschnallt. Zwischen dem Nasenriemen und dem Unterkieferknochen muss ein Finger Platz finden. Die Problematik der individuellen Fingerstärken können durch die Verwendung des standardisierten ISES-Messkeil © (Abb. 4) vermieden werden.
Abb. 3: Bei der sog. Zwei-Finger-Regel liegen die Finger flach zwischen Pferdenase und Kappzaum. Foto: Stephanie Kosel
Abb. 4: Im Bild handelt es sich um ein Reithalfer, gezeigt wird der ISES-Messkeil ©, der die Anwendung von Finger-Regeln standardisiert; Sperrriemen sind beim Kappzaum in keinem Falle vorgesehen. Foto: Dr. Reinhard Kaun
Insgesamt ist die korrekte und wirksame Verschnallung beim Kappzaum eine wichtige An-forderung, denn dem Pferd bleibt relativ wenig Kiefermobilität. Es empfiehlt sich daher die eigentliche Arbeit nicht über weit mehr als 10 Minuten auszudehnen und erst nach der Anwärmphase den Zaum für die Kernarbeit zu justieren.
• Stirnriemen (Abb. 5) sind überflüssig, ebenso echte Kehlriemen. Sperrriemen jeder Art verbieten sich alleine durch Konstruktion und Wirkung. Sofern ein Stirnriemen doch vorhanden ist, ist ganz besonders darauf zu achten, dass er lang und breit genug ist und keinesfalls auf die Ohrmuscheln drückt (ideal: anatomisch angepasst ist).
Abb. 5: Zu eng anliegender Stirnriemen. Foto: BG Pregarten/Österreich
• Die Backenstücke müssen in der Höhe verstellbar sein und einen verstellbaren (ver-schnallbaren) Ganaschenriemen besitzen, der das Genickstück nach hinten hält. Er darf nicht verschiebbar sein und muss unter den Augenwinkeln fixiert bleiben.
Optional können die Backenstücke auf jeder Seite über einen Befestigungsring verfügen, der es ermöglicht, dort einen Gebiss-Aufhänger einzuhängen. Das Verstellen der Backenstücke erfolgt am günstigsten über je eine Schnalle beidseitig, womit sich der gesamte Kappzaum beim Anpassen symmetrisch heben oder senken lässt und in der Folge nicht schief sitzt.
• Der Nasenbügel des Kappzaums muss dem Oberkiefer/Nasenrücken des Pferdes mög-lichst perfekt angepasst sein. Der (empfehlenswerte) Kappzaum mit ungeteiltem Nasenbügel hat kein Gelenk vorne mittig, sondern lediglich zwei seitliche Gelenke.
• Die beiden seitlichen Ringe am Nasenbügel sind traditionell Zügelringe. Sie werden bis heute immer noch angebracht und erlauben die Arbeit mit der Doppellonge. Traditionell wurden sie mit Reit- (oder Schlauf- oder Ausbinde-) Zügeln verwendet. Zum Wohle des Pferdes sind solche Hilfszügel nicht mehr zeitgemäß. Für die Handarbeit mit dem Pferd ist der mittlere Ring vorhanden; ob dieser drehbar oder starr sein muss, ist eine akademische Streitfrage.
• In jedem Falle muss der Nasenbügel über dem Nasenrücken des Pferdes nicht zu schmal und eher dünn gepolstert sein. Am Unterkiefer kann er zum besseren Einstellen schmaler werden (ggf. mit Unterlegleder). Auf diese leichte, keinesfalls zu weiche Polsterung des Nasenriemens auf dem Nasenrücken kann nicht verzichtet werden (empfohlen 3-4 mm Filzeinlage, bitte keinen Schaumgummi). Eine zu starke Polsterung wirkt schwammig und lässt die Hilfen ungenau werden. Eine pferdefreundliche Einwirkung des Kappzaums ergibt sich nämlich aus der guten Ausbildung von Mensch und Tier und der stets zum Nachgeben bereiten Hand des Pferdeführers: „Die Pferdenase ist so sensibel zu behandeln, wie das Pferdemaul heilig ist“.
• Die Unterschiede der Nasenbeine bei den verschiedenen Pferderassen und Pferdegrößen sind erstaunlicherweise nur geringfügig. (Die Erkenntnis der geringen Unterschiede innerhalb der Nasenbeine wird zukünftig in der Überarbeitung der deutschen „Leitlinien zur Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten“ berücksichtigt werden; die Hersteller von Stallanlagen und Heuraufen legen diese neuen Erkenntnisse ihren aktuellen Konstruktionen bereits überwiegend zugrunde).
Der Kappzaum ist ein gebissloses und maulschonendes Mittel zur korrekten Pferde-Ausbildung und -Korrektur. Er erlaubt eine feine Einwirkung über die empfindliche knöcherne Pferdenase und schont Maul, Laden und Kinngrube des Pferdes. Dabei ist seine korrekte Anpassung an den Pferdekopf (in Länge und Weite) wegen der vielen sensorischen Punkte am Nasenrücken von höchster Bedeutung.
Wie ist korrekt verschnallt?
• Beurteilung der Kopfcharakteristika des Pferdes
• anatomisch angepasstes (gebogenes) Naseneisen vier Fingerbreit zwischen unterem Rand des Kappzaumeisens und Oberkante Nüsternrand liegend (keinesfalls noch auf der Knorpelspange über den Nüstern)
• zwei flach angelegte Finger (nicht aufrecht gestellt) für den Abstand zwischen Kappzaum und knöchernem Nasenrücken (besser: standardisierter ISES-Messkeil ©)
• Genickriemen mit den Backenstücken knapp hinter der Jochbeinleiste
• kein Verrutschen des Kappzaums zu den Augen hin ist sicherzustellen
• Kinnriemen möglichst mit Unterlegleder
• sofern vorhanden, Stirnriemen bequem weit
• (Schnallstößel des Kinnriemens zwecks einfacherer Handhabung links)
Häufige Fehler bei der (pferdefreundlichen) Verschnallung
• Verwendung unsachgemäßer Kappzaummodelle
• Verschnallung zu fest / zu lose (insbes. von Nasen- und Kinnriemen)
• Jochbeinleiste ganz oder teils vom Kappzaum überdeckt
• Ganaschenriemen nicht schräg vernäht
• Polsterung des Naseneisens zu dick / nicht vorhanden / Füllung mit Schaumstoff anstatt Filz
• mittlere Kappzaumeisen nicht gewölbt (nicht anatomisch angepasst), ggf. alle zu schmal
• Kinnriemen ohne Unterlegleder
• sofern vorhanden, Stirnriemen zu eng
• innenliegende Nähte der Ummantelung am Kappzaumeisen
• Verwendung von Longen mit Wirbeln anstelle von Schnallstrupfen
Longieren mit dem Kappzaum
1. Korrektes Longieren fördert Gleichgewicht, Kondition und Balance des Pferdes. Körper-sprache und Stimme des Longenführers und seine Hilfsmittel Longe und Peitsche sollen ein harmonisches Zusammenspiel ergeben. Die Grundgangarten sowie Tempiwechsel, Übergänge und Bahnfiguren lassen sich damit entwickeln. Mit Augenmaß und Gefühl können rekonvaleszente Pferde wieder in Arbeit genommen werden.
2. Die ideale Longe muss leicht sein und gut in der Longierhand liegen. Sie darf nicht ver-dreht eingesetzt werden. Nur so können feine Hilfen gut ankommen und das sensible Pferd kann sensibel bleiben. Ideales Material ist Baumwolle bzw. weiches Gurtmaterial, am besten mit einem ledernen Umschnallstück vorne, d. h. KEINE drehbaren (verdrehbaren) Karabiner, Wirbel etc. Vom Pferd werden das Gewicht der Longe und die Longe selbst wahrgenommen, und bei der Doppellonge über den Longiergurt auch die Berüh-rungen der Haut. (Für die Hersteller von Pferdezubehör wäre das Angebot von guten Longen und Handzügeln – die leider wenig zu bekommen sind – ein sicherlich lohnendes Gebiet.)
3. Die Longierpeitsche muss möglichst leicht sein und einen guten Schwerpunkt besitzen. Sie stellt die Verlängerung des menschlichen Arms dar. Der Schlag muss lang genug sein, um ggf. das Pferd auch berühren zu können. Die Wirkung der Longierpeitsche auf das Pferd ergibt sich über das Gesehenwerden (verlängerter Arm!), über den Kontakt (Haut) und über das Gehör.
4. Der Longierzirkel muss den gestellten Aufgaben entsprechen, die Bodenverhältnisse für die Pferdebeine „fachgerecht“ sein. Der Eingang zum Longierzirkel muss mit einer Hand zu bedienen sein, da die andere Hand immer das Pferd führt. Die Longier-Ausrüstung sollte vor der Arbeit bereits griffbereit geordnet am Longierzirkel hängen. Beim Longieren in der Halle möglichst nicht zu X stellen, sondern die Ecken ausnützen. Bei jungen Pferden mittels Cavaletti oder Strohballen eine deutliche Anlehnung zur offenen Seite herstellen.
Kurzbeschreibung einiger Kappzaum-Modelle (reitweisen- und länderbezogen)
Der „schwere“ Kappzaum
Oft wird er auch deutscher Kappzaum (Abb. 6) genannt. Das „Naseneisen“ besteht aus vier scharnierartig miteinander verbundenen Stahlplättchen auf einem eher dicken Lederpolster, wodurch seine „Feineinstellung“ grundsätzlich limitiert wird. Sofern sich der Kappzaum auf-grund der Stahlplättchen in Verbindung mit einer dicken Polsterung nicht optimal an die Pferdenase anschmiegt, wird die Einwirkung ungenau und schwammig. Zur eindeutigen Führung und um ein Aufscheuern des Nasenrückens zu vermeiden, muss ein solcher Kappzaumtyp entsprechend eng verschnallt werden. Dies kann für das Pferd jedoch das Kauen und Entspannen des Unterkiefers erschweren.
Abb. 6: Gezeigt ist das Beispiel eines Kappzaum-Einzelstücks, gefertigt aus Serienelementen: kritisch ist die Lage nahe der Jochbeinleiste. Foto: Karin Haas/karinhaas.com
Der abgebildete individuell gefertigte Kappzaum ist ein Vier-Platten-drei-Gelenke-Modell (Naseneisen von Sprenger), das einige Merkmale des Wiener Kappzaums hat (lederummantelter Nasenbügel), einige des Modells Solibel von Busse (unterlegte Schnallen) und einige zusätzliche Verbesserungen gegenüber seriellen Standardmodellen (nur ein Ring im Nasenbügel; Ringe in den Backenstücken; doppelter Kinnriemen; beidseitige Backenschnallen).
Bei allen "Plattenmodellen", also auch jenen mit vier flachen Gliedern und drei Gelenken, ist festzustellen, ob die mittleren Platten leicht gewölbt oder nur gerade sind. In beiden Fällen ergibt die nötige enge Verschnallung des Zaums eine Einschränkung der Beweglichkeit des Unterkiefers beim Pferd.
• Sind die Eisenplatten angepasst gebogen und nur leicht unterpolstert, ist keine allzu enge Verschnallung nötig und die Einwirkung direkt und - anatomisch begünstigt - sehr präzise (Abb. 7).
Abb. 7: Gewölbte mittlerere Eisenpatten. Foto: Sabine Leistikow
• Sind die Platten gerade (Abb. 8), so erlauben sie unabhängig von der Stärke der Unter-polsterung kein anatomisch richtiges Anschmiegen an die Pferdenase. Sie liegen dann etwas V-förmig und stehen unter dem mittleren Gelenk vorne mittig etwas ab, wodurch sich eine ungünstige „Scherwirkung" bildet. Zusätzlich ergibt sich über die Verschnallung des Nasenriemens ein weiterer unerwünschter punktueller Druck auf den Nasenrücken.
Abb. 8: Typischer Kappzaum mit vier geraden Platten und drei Gelenken; passt sich der Kopfform nicht gut an (Scherwirkung). Bei ungenauer, zu lockerer Verschnallung ergibt sich wegen der geraden Eisen eine verschobene und unerwünschte punktuelle Einwirkung. Foto: Martin Haller
Modell Solibel von Busse (Abb. 9): Portugiesische Fertigung in guter Qualität; drei Platten, zwei Gelenke; unterlegte Schnallen, gute Passform für kleine bis mittlere, eher schmale Köpfe; starre Ringe. Gutes Preis-Leistungsverhältnis.
Abb. 9: Busse Solibel, wobei auf der Abbildung der Kappzaum die Jochbeinleiste bereits überlagert. Foto: Martin Haller
Der Wiener Kappzaum
Das Kernstück bei diesem wohl bekanntesten Modell ist das lederummantelte Kappzaumeisen (Abb. 10). Es entspricht der Form des Nasenrückens und erlaubt eine präzise Einwirkung. Das Kopfgestell ist zwar günstig geschnitten, besitzt jedoch nur eine Backenschnalle und einen relativ hoch angesetzten Ganaschenriemen (Abb. 11). Um eine optimale Passform zu gewährleisten, sollte der mittlere Teil des Naseneisens für ein Pferd individuell an dessen Nasenrücken angepasst werden.
Abb. 10 u. 11: Foto links: Wiener Kappzaum. Foto rechts: Korrekte Lage des Ganaschenriemens und Kappzaum (Verschnallung analog hannoverschem Reithalfter bedingt durch lange Maulspalte). Foto 10: Martin Haller; Foto 11: Desmond O'Brien.
Falsch als „Wiener Kappzaum“ benannte Modelle werden ebenfalls im Handel angeboten (Abb. 12). Sie orientieren sich am Pilarenzaum der Hofreitschule und es wird versucht, das Ausrüstungsteil „sanfter, da ohne Metall“ darzustellen.
Abb. 12: Pilarenzaum. Foto: Martin Haller
Weil der Pilarenzaum jedoch als ganz spezieller Kappzaum ausschließlich zur Pilarenarbeit gebraucht wird, kann er nicht als Vorbild oder Modell eines gut gefertigten Wiener Kappzaum für Longieren oder Arbeit an der Hand gelten. Sehr breite, weiche und dick gepolsterte Zäume ohne festen Nasenteil sind für präzises Arbeiten (Ausbilden) wenig geeignet.
Das Caveçon
Das Caveçon ist leicht und passt sich gut der Pferdenase an (Abb. 13). Es eignet sich für die Arbeit des Pferdes an der Hand, sofern keine exakte Einwirkung oder Kontrolle erforderlich ist. In der französischen Tradition besteht das Caveçon aus einem gepolsterten Nasenteil, der von einer lederummantelten Fahrradkette gebildet wird. Scharfe Varianten des Caveçons, bei denen blanke Fahrradketten verwendet werden, sind aus Tierschutzgründen verboten. Selbst das ummantelte Caveçon sollten nur von feinfühligen und erfahrenen Aus-bildern verwendet werden. Die Anpassung ist wegen der Flexibilität sehr gut, eine zu lockere Verschnallung führt u. U. aber zum Verrutschen.
Abb. 13: Das Caveçon. Foto: Martin Haller
Das Caveçon markiert den Kappzaum im Übergang von Frankreich zu Portugal, wobei Portu-gal über die meisten Variationsmöglichkeiten an Kappzäumen verfügt (Abb. 14).
Abb. 14: Portugiesisches Kappzaum-Modell. Foto; Martin Haller
Der Pluvinel-Kappzaum
Eine wenig bekannte Variante des Caveçon stellt der Pluvinel-Kappzaum dar (Abb. 16). In den rein ledernen Nasenriemen sind die üblichen drei Ringe eingenietet. Sofern der Gana-schenriemen fehlt, wird die Einwirkung auf das Pferd sehr ungenau und der Zaum kann beim Longieren noch schneller zum Pferdeauge hingezogen werden.
Abb. 15: Historischer Puvinel-Kappzaum weich. Grafik: Desmond O'Brien
Die heute angebotenen Modelle sind historischen Vorläufern nachempfunden. Die Benennung nach dem französischen Reitmeister Antoine de la Baume Pluvinel (1552-1620) dürfte auf einer guten Marketing-Idee beruhen, da zu dessen Zeit für Kappzäume hauptsächlich Seil-Konstruktionen (Abb. 15) üblich waren.
Abb. 16: Historischer Kappzaum scharf. Grafik: Desmond O'Brien
Die Serreta
Abb. 17: Lederummantelte Serreta. Foto: Stephanie Kosel
Bei der spanischen Serreta (Abb. 17) besteht das Naseneisen aus einem vorgeformten Stahlbügel (glatt oder gezahnt), der nur bedingt zur Form der Pferdenase passt. Selbst bei dünner Polsterung wird die Version mit der gezahnten Innenseite relativ scharf auf den empfindlichen Nasenrücken ein-wirken (Abb. 18); ihr Einsatz ist bei uns aus Tierschutzgründen verboten - und selbst die Verwendung der ummantelten glatten und insbesondere die der gezahnten Version gehört in erfahrene fachkundige Hände.
Abb. 18: Blanke gezackte Serreta (Rohling); ihre Verwendung ist bei uns aus Tierschutzgründen verboten (in Iberien bei Hengsten im Einsatz). Foto: Klostersattlerei Gehrlein
Was noch gut zu wissen ist:
Zur Anpassung des Kappzaums durch den Nasenriemen hat sich die sog. englische Verschnallung deutlich bewährt: Man ermittelt den Abstand zwischen Jochbeinleiste (crista facialis) und Maulwinkel. Das genommene Maß wird halbiert und der Kappzaum so angelegt, dass die Oberkante des Naseneisens mit der Halbierungsli-nie abschließt. Die „Finger-Methode“ für den Nasenriemen funktioniert in der Praxis nur unzuverlässig, weil sie diverse Fingerstärken beim Menschen und Schädellängen bei Pferden nicht berücksichtigen kann. Dadurch wird diese Anwendung ungenau. Hilfreich ist hierzu der ISES-Messkeil ©, der eine standardisierte Anpassung garantiert.
In Zusammenarbeit mit Karl Friedrich von Holleuffer (FN Fahrlehrer und Gebissexperte) wurde das Beris-Longiergebiss entwickelt, das „sich durch seine pferdeschonende, seitliche Führung auszeichnet. Pferde die häufig an der Longe laufen, haben spezielle Ansprüche, welche durch dieses Gebiss optimal abgedeckt werden. So wurden zum Beispiel zusätzliche Ösen für die Backenstücke hinzugefügt, wodurch sich der Genickdruck auf ein Minimum reduziert und zum Wohlbefinden des Pferdes beiträgt. Die Longe selbst wird in einem separaten Ring, dem sogenannten „Führungsring“ eingehängt, wodurch ein Verkanten der Trensenringe un-möglich gemacht wird.“
Was noch zu bedenken ist:
Die Pferdewelt bewegt mittlerweile das Thema der sozialen Anerkennung („Social License“) in Zusammenhang mit Pferdehaltung und -nutzung. Es gewinnt an Fahrt. Endlich werden nun allgemein der Messkeil für Nasenriemen, limitierter Gerteneinsatz und Sporenschutz gefordert. Grund genug, das geniale, heute häufig vernachlässigte bis verkannte Ausbil-dungsmittel des Kappzaums in den Fokus zu stellen. In diesem Zusammenhang darf an frühe Aussagen zweier Persönlichkeiten erinnert werden, die damit der Zeit voraus waren:
Dr. Gerd Heuschmann: „Oberstes Prinzip ist die Gesundheit des Pferdes und die Harmonie mit dem Reiter. Nur wenn wir diese beiden Hauptargumente in den Vordergrund stellen, werden wir in 30 Jahren noch reiten. Irgendwann werden die Tierschützer nämlich sagen: Ihr habt Autos und Motorräder. Ihr braucht euch nicht auf diese wundervollen Pferde zu setzen, wenn Ihr sie quält. Die Welt ist gerade dabei aufzuwachen, und der Tierschutzgedanke kommt. Da können wir uns nicht mehr verschließen. Gott sei Dank, einerseits, aber wenn wir es nicht hinbekommen, diese Probleme selber zu regeln, dann macht das jemand anderer für uns. Und wenn das die Nichtreiter für uns erledigen, dann gehen wir wahrscheinlich zu Fuß.“
Sadko Solinski: „Dem Freizeitreiter geht es weder darum, Blumentöpfe zu gewinnen, noch darum, in irgendeiner vereinsinternen Erfolgsbilanz zu erscheinen. Er ist weder Berufsreiter, noch Jäger zu Pferd, noch Sportreiter; er reitet höchstens um des Reitens willen, dann allerdings „pferdegemäß“. Dem Freizeitreiter geht es mehr um sein Pferd und dessen Wohlergehen, als um den Spaß am eigenen Reiten, er interessiert sich ebenso sehr für Pferdehaltung und Pferdewartung wie für das Reiten.“
Autor: Horst Brindel
Quellenangaben zu weiteren maßgeblichen Grundlagen:
Desmond O’Brien – Klassische Arbeit am Kappzaum, 2015, Cadmos Verlag, Schwarzenbek – ISBN 978-3-8404-1056-7
Martin Haller - Der Kappzaum – ein verkanntes Genie, 18.03.2015 / Wissen-ProPferd.at
Magazin St. Georg, Dezember 2017
Weitere Quellen: Fritz Stahlecker (HSH-Schulzaum), Busse Kappzaum, Beris-Longiergebiss und Gerd Heuschmann, Sadko Solinski.
Das vorliegende Exposé entstand anhand umfangreicher eigener Erfahrungen und Recherchen in der vorhandenen Literatur durch Horst Brindel*. Wichtige Beiträge und Hinweise sind Martin Haller und Desmond O'Brien* sowie Karl-Friedrich von Holleuffer* und Dr. Reinhard Kaun zu verdanken.
* Mitglieder im Fachbeirat der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland e.V. (VFD)