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Zu geringes Körpergewicht als Risikofaktor einer Kolik-OP bei Pferden
08.06.2023 / News

Eine Kolik-OP ist trotz aller medizinischen Fortschritte nach wie vor mit beträchtlichen Risiken verbunden, so die AutorInnen.
Eine Kolik-OP ist trotz aller medizinischen Fortschritte nach wie vor mit beträchtlichen Risiken verbunden, so die AutorInnen. / Symbolfoto: University Nottingham

Italienische WissenschaftlerInnen haben im Rahmen einer umfangreichen retrospektiven Studie die Risikofaktoren untersucht, die das Ergebnis und die kurzfristige Überlebensrate bei Kolik-Operationen beeinflussen. Zu ihrer Überraschung war darunter auch ein zu geringer BCS-Wert – doch das war nicht die einzige spannende Entdeckung.

 

Trotz Fortschritten in der Anästhesie und den chirurgischen Techniken besteht immer noch ein erhebliches Risiko im Zusammenhang mit Kolikoperationen bei Pferden, so die AutorInnen einleitend. Es handelt sich um einen großen chirurgischen Eingriff, der mit Risiken wie Anästhesiekomplikationen, postoperativen Infektionen und schlechter Heilung der Operationsstelle verbunden ist. Darüber hinaus werden Kolikoperationen in der Regel bei akuten medizinischen Notfällen durchgeführt, wenn die Gesundheit des Pferdes bereits beeinträchtigt ist.

Selbst bei erfolgreicher Operation benötigen Pferde mit Koliken in der postoperativen Phase wahrscheinlich eine intensive Pflege und Überwachung, was kostspielig und zeitaufwändig sein kann. Für Pferdebesitzer ist es daher wichtig, sich der mit einer Kolikoperation verbundenen Risiken bewusst zu sein und ein offenes Gespräch mit ihrem Tierarzt über die möglichen Ergebnisse und die Prognose zu führen. Ein frühzeitiges Eingreifen und eine rechtzeitige chirurgische Behandlung können die Chancen auf einen positiven Ausgang verbessern, sind jedoch keine Garantie für den Erfolg.

Um die Risikofaktoren für Kolikoperationen besser einschätzen zu können, überprüfte ein italienisches Forscherteam die Aufzeichnungen und Krankengeschichten von Pferden, bei denen an drei großen Pferdekliniken in Nord- und Mittelitalien zwischen 2018 und 2021 eine Kolikoperation durchgeführt wurde. In der in der Zeitschrift ,animals' veröffentlichten retrospektiven Studie untersuchten Dr. Alessandro Spadari und seine Kollegen von den Veterinärmedizinischen Lehrkrankenhäusern der Universitäten Bologna, Perugia und Turin Daten von insgesamt 451 Pferden, die sich einer Kolikoperation unterziehen mussten.

Die ForscherInnen fanden heraus, dass die kurzfristige Überlebensrate für alle Pferde, die sich einer Operation unterzogen hatten, 68,5 % betrug (siehe Grafik unten), und für diejenigen, die sich sowohl von der Operation als auch von der Anästhesie erholten, betrug die Überlebensrate 80 %.

Besonders interessante Zahlen: Von den insgesamt 451 kolik-operierten Pferden der Studie starben 65 (= 14,5 %) während der Operation. Von den verbliebenen 386 Pferden, die sich von der Anästhesie erholten, starben aber noch weitere 77 (= 17,0 %) während des Aufenthalts an der Klinik. Die verbliebenen 309 Pferde (= 68,5 %) konnten aus der Klinik entlassen werden. Grafik: Alessandro Spadari et.al.

Die Studie identifizierte auch mehrere mögliche Risikofaktoren, die das Ergebnis der Operation beeinflussen könnten, darunter Alter, Körperzustand (Body Condition Score = BCS), Hämatokrit-Wert (= Anteil der zellulären Blutbestandteile am Volumen des Blutes, Anm.) und Gesamtproteinspiegel im Plasma vor und nach der Operation, weiters die Refluxmenge, Art der Erkrankung, Art der Läsion, Dauer der Operation, Erfahrung des Chirurgen und Menge der intra- und postoperativen Flüssigkeiten, die verabreicht werden.

Durch multivariate Analyse stellten die Forscher fest, dass insgesamt drei Faktoren eine besonders hohe Vorhersagekraft für das kurzfristige Überleben nach einer Kolikoperation hatten: nämlich der Hämatokrit-Wert bei der Ankunft in der Klinik, der Gesamtproteinspiegel im Plasma nach der Operation – und der BCS-Wert: Die Auswertungen zeigten, dass Pferde mit einem Body Condition Score (BCS) von weniger als 4 (von 9 Stufen) ein höheres Risiko für ein negatives Ergebnis in der Studie hatten.

Dies war für die AutorInnen selbst bemerkenswert und durchaus überraschend: „Soweit uns bekannt wurde BCS nie in Zusammenhang mit dem kurzfristigen Ergebnis (einer Kolik-OP, Anm.) gebracht. In dieser Studie hatten Pferde mit einem niedrigeren BCS ein höheres Risiko für ein negatives Ergebnis. Dieser Aspekt hängt wahrscheinlich mit der Tatsache zusammen, dass dünne Pferde nach einer Kolikoperation stärker geschwächt waren und daher eine verminderte Erholungsfähigkeit hatten.

Darüber hinaus hatten Pferde, die mit einem Hämatokrit-Wert von mehr als 50 % und einem Gesamtproteinspiegel im Plasma unter 5,7 oder über 7,4 im Überweisungszentrum ankamen, eine schlechtere Prognose als Pferde mit anderen Werten.  Auch die Art der Läsion spielte eine wichtige Rolle für das Ergebnis der Operation, wobei Pferde mit der Diagnose Dickdarmvolvulus, gestieltes Lipom und Dünndarmvolvulus die schlechteste Prognose hatten.

Auch die Betrachtung weiterer untersuchter Parameter erbrachte andere Ergebnisse als in der früheren Literatur berichtet, wie beispielsweise das Alter. Dazu die AutorInnen: „In früheren Studien wurde der Einfluss des Alters auf das Ergebnis kontrovers diskutiert. Einige Studien zeigten, dass ältere Pferde häufiger starben, andere berichteten, dass bei älteren Pferden die Wahrscheinlichkeit, aus dem Krankenhaus entlassen zu werden, ähnlich hoch sei wie bei ausgewachsenen Pferden [4,14]. In dieser Studie erzielten die ausgewachsenen Pferde im Alter zwischen 10 und 14 Jahren die besten Ergebnisse. Dies kann durch die Tatsache erklärt werden, dass junge und ältere Tiere unterschiedliche prädisponierende Bedingungen haben können, die auch durch das mögliche Vorhandensein begleitender Pathologien verschlimmert werden können.“

Wie bereits in früheren Studien berichtet, ist auch die intravenöse Verabreichung von Kristalloiden eine lebensrettende Maßnahme, die bei der Behandlung von Pferden mit Koliken von grundlegender Bedeutung ist – allerdings würden exakte Richtlinien zu Infusionsvolumen und -geschwindigkeit noch fehlen, so die AutorInnen. Sie plädierten jedoch nachdrücklich für die sogenannte „zielgerichtete“ Flüssigkeitstherapie, die nicht mit höheren postoperativen Komplikationen verbunden, aber kostengünstiger ist und auch die Aufenthaltsdauer in der Klinik verkürzt. Die ForscherInnen wörtlich: „Die Verabreichung von Kristalloiden beeinflusste das Ergebnis dieser Studie und obwohl es keine Studien gibt, die die Auswirkung einer Überhydrierung auf das Ergebnis bei Pferden belegen, bestätigen die Ergebnisse unserer Studie die Notwendigkeit einer zielgerichteten Flüssigkeitstherapie.“

Die AutorInnen der Studie gehen davon aus, dass ihre Ergebnisse Chirurgen dabei helfen könnten, fundierte Entscheidungen zu treffen und überweisende Tierärzte und Pferdebesitzer über die Risiken zu informieren. Sie empfehlen die Durchführung zusätzlicher prospektiver Studien, um die Auswirkungen der in dieser Studie untersuchten Vorhersageindizes auf das kurzfristige Überleben zu validieren.

Die Studie „Short-Term Survival and Postoperative Complications Rates in Horses Undergoing Colic Surgery: A Multicentre Study" von Alessandro Spadari, Rodolfo Gialletti, Marco Gandini, Emanuela Valle, Anna Cerullo, Damiano Cavallini, Alice Bertoletti, Riccardo Rinnovati, Giulia Forni, Nicola Scilimati und Gessica Giusto ist am 20. März 2023 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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