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Soziale Motivation kann Angst bei Pferden lindern
25.08.2023 / News

Die Gruppe bietet Pferden Schutz und Sicherheit – und eine starke Motivation, mit furchteinflössenden Reizen entspannter umzugehen.
Die Gruppe bietet Pferden Schutz und Sicherheit – und eine starke Motivation, mit furchteinflössenden Reizen entspannter umzugehen. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

Soziale Motivation kann die Angst lindern, die bei Pferden durch einen furchteinflößenden Reiz verursacht wird – und dadurch auch Lernprozesse erleichtern. Dies sollten sich Pferdebesitzer bei Training und Ausbildung stärker zunutze machen, so die AutorInnen einer aktuellen Studie.


Das Leben in einer Herde hat für soziale Arten viele Vorteile, so Wiktoria Janicka, Izabela Wilk und Tomasz Próchniak in der Zeitschrift ,Animal Cognition': Sich dem Schutz einer größeren Gruppe anzuvertrauen biete dem einzelnen Individuum mehr Sicherheit und sei daher eine primäre Überlebensstrategie für Beutetiere. Zudem sei bekannt, dass die Anwesenheit anderer Artgenossen als „sozialer Puffer“ fungiere, der individuelle Stressreaktionen verringern könne.

Soziale Isolation ist für Pferde, die ausgesprochen gesellige Tiere sind, somit besonders belastend – es habe sich aber gezeigt, dass nicht alle Pferde gleichermaßen unter einer Absonderung bzw. Isolation von der Herde leiden, so das Studienteam der Universität für Biowissenschaften im polnischen Lublin.

Aus diesem Grund wollten die ForscherInnen herausfinden, ob sich mehr und weniger sozial selbstständige bzw. unselbstständige Individuen in ihren Reaktionen auf neuartige und plötzliche Geräusche unterscheiden würden, die in zwei verschiedenen Kontexten auftreten – nämlich wenn eine soziale Motivation besteht, sich einer Herde anzuschließen, oder wenn keine solche Motivation vorhanden war.

Angesichts der Bedeutung der sozialen Natur von Pferden stellten die ForscherInnen die Hypothese auf, „dass sozial unselbstständige/abhängige sowie selbstständige/unabhängige Individuen im nicht-sozialen Kontext unterschiedliche Angstreaktionen, im sozialen Kontext jedoch ähnliche und schwache Reaktionen zeigen könnten, was die Bedeutung der sozialen Motivation bei der Reduzierung des Angstverhaltens unterstreichen würde, um die Wirkung eines angsterregenden Reizes abzumildern.“

An der Studie nahmen 20 Warmblutpferde im Alter von 6 bis 16 Jahren (10 Stuten und 10 Wallache) teil, die zunächst zwei „Sozial-Tests“ unterzogen wurden, um den individuellen Grad ihrer sozialen Selbstständigkeit bzw. Abhängigkeit zu ermitteln.

Beim ersten Test wurde jedes Pferd von seiner Herde getrennt und auf eine kleine Koppel in etwa 300 m Entfernung gebracht. Nach dieser Separation wurde fünf Minuten lang das Verhalten des abgesonderten Tiers genau beobachtet. Nach der Analyse der Daten wurden die Pferde in drei Gruppen sozialer Selbstständigkeit bzw. Abhängigkeit eingeteilt:
1) selbstständige/unabhängige Pferde (Pferde, die auch ohne die soziale Unterstützung von Artgenossen ,funktionierten’)
2) mäßig abhängige Pferde
3) unselbstständige/abhängige Pferde (Pferde, die deutlich auf die soziale Isolation von ihren Artgenossen reagierten)

Im zweiten Test wurden die sozialen Interaktionen bestimmt, nachdem die Pferde am Morgen auf einer großen Koppel freigelassen wurden. Insbesondere wurden beziehungsoriente/kooperative sowie agonistische/konkurrierende Verhaltensweisen festgehalten. Anschließend wurde die Gesamtzahl der von jedem Pferd gezeigten assoziativen, aggressiven/bedrohlichen sowie unterwürfigen Verhaltensweisen berechnet.

Danach wurde das eigentliche Experiment – ein Audio-Test – durchgeführt, um die Reaktionen der einzelnen Pferde auf plötzliche Geräusche in zwei Szenarien zu vergleichen: nämlich einerseits während des Fressens (also einer nicht-sozialen Motivation) und andererseits während sich die getesteten Pferde auf die Herde zubewegten (also einer sozialen Motivation).

Die Ergebnisse bestätigten die Hypothese der ForscherInnen auf eindrucksvolle Weise: Die zuvor als sozial abhängig/unselbstständig eingestuften Pferde zeigten während des Fressens – also beim Versuch ohne soziale Motivation – ein ausgeprägteres Vermeidungsverhalten und benötigten deutlich mehr Zeit für die Wiederaufnahme der Nahrungsaufnahme. Daher schienen abhängige Tiere ängstlicher zu sein.

Während des zweiten Szenarios – also des Experiments mit einer sozialen Motivation – neigten hingegen Pferde beider Gruppen dazu, das Geräusch zu ignorieren oder dem Reiz nur begrenzte Aufmerksamkeit zu schenken und sich weiter auf die Herde zuzubewegen.

Die Reaktionen der Pferde beschränkten sich normalerweise darauf, langsamer zu werden, nachdem sie das Geräusch gehört hatten, oder nur für eine kurze Zeit anzuhalten, wie die AutorInnen feststellten: „Selbst wenn sie zögerten, beschlossen sie, vorwärts zu gehen, um näher an der Herde zu bleiben. Daher war die Motivation, sich der Gruppe anzuschließen, zu stark, als dass ein unerwartetes, neuartiges Geräusch sowohl selbstständige als auch unselbstständige Pferde von der weiteren Bewegung abhalten könnte.“

Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass das starke Bedürfnis, in der Nähe von Gruppenmitgliedern zu bleiben, die durch einen beängstigenden Reiz verursachte Angst mildert bzw. dämpft. Ihr Resümee: „Pferde sind hochmotiviert, in der Nähe ihrer Artgenossen zu bleiben, reagieren jedoch unterschiedlich auf soziale Absonderung bzw. Isolation. Im Gegensatz zu selbstständigen/unabhängigen Pferden fühlen sich sozial abhängige Pferde nicht wohl dabei, außerhalb der Herde allein gelassen zu werden. Auf einer Koppel nehmen sie jedoch auf ähnliche Weise an sozialen Interaktionen teil. Abhängige Individuen sind im Allgemeinen ängstlicher als unabhängige Tiere. Wenn sie jedoch plötzlichen, neuartigen Geräuschen in einem sozialen Motivationskontext (Motivation, sich einer Herde anzuschließen) ausgesetzt sind, reagieren sie ähnlich wie selbständigere Pferde. Somit kann soziale Motivation die Angst lindern, die bei Pferden durch ein furchteinflößendes Ereignis verursacht wird.“

Die Ergebnisse ihrer Studie könnten – und sollten – praktische Auswirkungen haben im täglichen Umgang mit Pferden berücksichtigt werden, so die AutorInnen: Pferdebesitzer sollten sich der sozialen Abhängigkeit bei Pferden und deren Zusammenhang mit Ängstlichkeit bewusst sein. Vorangegangene Studien hätten bereits nachdrücklich „die Rolle von Artgenossen als sozialer Puffer und die Bedeutung der sozialen Motivation zur Konfrontation mit einem Stressor bestätigt.“ So wurde in einer Untersuchung aus dem Jahr 2019 Pferden das Verladen in einen Anhänger in Gruppen beigebracht, wodurch ihre gesellige Natur im Lernprozess auf positive Weise genutzt werden konnte.

Die Empfehlung von Izabela Wilk und ihren KollegInnen geht daher eindeutig dahin, den Faktor der sozialen Motivation im generellen Umgang mit Pferden, vor allem aber auch in Training und Ausbildung stärker zu berücksichtigen.

Die Studie „Does social motivation mitigate fear caused by a sudden sound in horses?" von Wiktoria Janicka, Izabela Wilk und Tomasz Próchniak ist am 14. Juli 2023 in der Zeitschrift ,Animal Cognition' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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