Dr. Martin Jilch, Top-Jurist und Kammerdirektor-Stv. der NÖ Landes-Landwirtschaftskammer, über das Dilemma der landwirtschaftlichen Einstellbetriebe und die umstrittene Judikatur des Begriffs „Unterordnung“.
ProPferd: Über die konkrete Rechtslage bezüglich des Einstellens von Reittieren wurde schon viel geschrieben – wie ist diese aber überhaupt zustande gekommen?
Dr. Martin Jilch: Die österreichische Bundesverfassung stammt in ihren Grundzügen aus dem Jahr 1920 und wurde 1929 wesentlich geändert. Sie enthält keine Umschreibung der „Land- und Forstwirtschaft“, wohl weil sie als selbstverständlich und allgemein bekannt vorgefunden wurde. Die Gewerbeordnung regelt auch nur, was nicht zur Land- und Forstwirtschaft gehört – sie enthält somit bloß eine „negative Abgrenzung“. Bei einer Änderung der Gewerbeordnung im Jahr 1988 wurde eingefügt, dass das „Einstellen von Reittieren“ zu den land- und forstwirtschaftlichen Nebengewerben gehört. Damit ist sie ohne Gewerbeschein – wie das Vermieten von Pferden – nur wirtschaftlich untergeordnet zum Landwirtschaftsbetrieb, gleichsam als „Nebentätigkeit“ zulässig. Vom Prinzip her handelt es sich somit um eine jahrzehntealte Bestimmung, wo sich die Frage stellt, ob sie noch zeitgemäß ist. Daraus folgt, dass die Pensionspferdehaltung – auch mit eigenen Futtermitteln – derzeit nur zur Landwirtschaft gehört, wenn sie „untergeordnet“ ist. Die Schlangenzucht hingegen gehört auch als Haupttätigkeit und beim Einsatz fremder Futtermittel unproblematisch zur Landwirtschaft. Das ist für Landwirte schwer verständlich. Das Halten von Pferden und die naturgemäß damit verbundenen Tätigkeiten wie Füttern, Ausmisten und Koppelgang sind nach deren Verständnis – von den Arbeitsverrichtungen her – eindeutig Landwirtschaft. Es gibt auch kein Verständnis dafür, dass ein Unterschied zwischen dem Füttern und Ausmisten eigener oder fremder Pferde gemacht wird. Warum wird man bei typisch bäuerlichen Tätigkeiten plötzlich gewerblich, nur weil der Eigentümer der Tiere ein anderer ist? Wenn fremde Rinder oder Hühner gehalten werden oder bei Pferdezucht als Haupttätigkeit gibt es auch kein Problem – sagen Landwirte und verstehen nicht, dass die Gewerbeordnung in diesem Punkt nicht den Entwicklungen der Zeit angepasst wird.
ProPferd: Woran ist das bislang gescheitert?
Dr. Jilch: Weil die Wirtschaftskammer Österreich das ganz anders sieht. Sie argumentiert sinngemäß und formal richtig, dass es bei der Pensionspferdehaltung nicht um die Erzeugung bzw. Gewinnung von tierischen Urprodukten (z.B. Fleisch, Milch, Eier), sondern um das Betreuen fremder Pferde für Freizeitzwecke geht. Bei dieser Form der Tierhaltung handle es sich somit um keine landwirtschaftliche Tätigkeit, sondern um eine Dienstleistung für die Pferdebesitzer. Aufgrund dieses Zweckes ist – überspitzt gesagt: wie bei einer Katzen- oder Hundepension – von einem Gewerbebetrieb auszugehen.
Der entscheidende Unterschied ist aber, dass bei Pferden der Bezug zur Land- und Frostwirtschaft sehr nahe und auch über Jahrhunderte gewachsen ist. Pferde waren schon immer auf den Bauernhöfen, früher hauptsächlich als Arbeits- und Zugtiere, als Zuchttiere und später eben als eigene oder fremde Sport- und Freizeitpferde. Darum ist die gewerberechtliche Bestimmung aus dem Jahr 1988 dringend reparaturbedürftig.
ProPferd: In der Gewerberordnungsnovelle 1988 wurde aber überhaupt erstmals das „Vermieten UND Einstellen von Reittieren“ unter den landwirtschaftlichen Nebengewerben (Nebentätigkeiten) erwähnt – das war doch ein bedeutender Fortschritt...
Dr. Jilch: Zweifellos, denn bis dahin – so meine ich – war das Einstellen von Pferden überhaupt nicht auf landwirtschaftlichen Betrieben zulässig. So gesehen war die Regelung, in § 2 Abs. 4 Z 6 Gewerbeordnung, welche die Landwirte heute als Einschränkung sehen, sehr wohl ein Fortschritt. Diese Bestimmung ist mittlerweile aber über ein Vierteljahrhundert alt – seither hat sich vieles verändert – und es wäre hoch an der Zeit, auch diese Bestimmung zu modernisieren.
ProPferd: Das entscheidende Problem der derzeit geltenden Regelung ist die vielzitierte Unterordnung der landwirtschaftlichen Nebengewerbe. Was bedeutet denn konkret ,untergeordnet’?
Dr. Jilch: Nach der Judikatur ist mit Unterordnung eine „wirtschaftliche Unterordnung“ nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall gemeint. Die „Unterordnung“ kann nicht an einem einzigen Punkt festgemacht werden. Man prüft dazu den Umsatz, den Gewinn, die Arbeitszeit, den Kapitaleinsatz etc. in der Land- und Forstwirtschaft einerseits und in der Pensionspferdehaltung andererseits. Wenn in der Landwirtschaft über Jahrzehnte nichts investiert wird, aber ein Pensionspferdebetrieb um mehrere 100.000,– Euro hingestellt wird, dann wäre dies sicher ein Punkt, der für Gewerblichkeit spricht. Das allein ist es aber nicht, denn es ist – wie schon gesagt – das Gesamtbild der Verhältnisse zu berücksichtigen: Welchen Eindruck hat ein objektiver Beobachter, der sich diesen Betrieb einmal genauer anschaut? Handelt es sich noch um einen Bauernhof mit einer typischen Ausstattung an Wirtschaftsgebäuden, Maschinen und Geräten und einer üblichen Flächenbewirtschaftung (Grünland, Ackerbau. Waldwirtschaft) und Einstellpferdehaltung oder werden wesentlich darüber hinausgehende Leistungen angeboten?
Wir als Landwirtschaftskammer sind der Meinung, dass die Pensionspferdehaltung mit Fütterung, Ausmisten und Koppelgang ohne besondere Zusatzleistungen zur Landwirtschaft gehören soll, auch wenn sie nicht untergeordnet ist. Wir verlangen nicht, dass eine Reiterkantine (Wirtshaus), eine klassische Reitschule oder ein typischer Kutschenbetrieb etc. zur Landwirtschaft gehört. Wir wollen nur, dass die gleichen Tätigkeiten, welche die Bauern seit Jahrzehnten für die eigenen Pferde durchführen, auch für fremde Pferde im Rahmen der Landwirtschaft zulässig sind, auch wenn die Pensionspferdehaltung nicht (mehr) untergeordnet ist. Wir sehen die Pferdewirtschaft generell als wichtigen Wirtschaftsfaktor deren Weiterentwicklung auch in Österreich forciert werden sollte. Damit werden auch Flächen in der Produktion gehalten und gepflegt, die sonst „zuwachsen“ würden. Mit der positiven Entwicklung der Pferdebestände ist auch das Unterordnungs-Problem gewachsen. Manche Landwirte haben dadurch andere Betriebszweige zurückgefahren oder ganz aufgegeben (z.B. Rinderhaltung) und sich fast ausschließlich auf die Pferdehaltung bzw. Pferdeeinstellung konzentriert. Das Erfordernis der Unterordnung war vielen Betrieben dabei nicht bewusst.
ProPferd: Als Laie könnte man annehmen, dass eine Unterordnung auch dann vorliegt, wenn ich maximal 49 % meines Betriebsumsatzes mit der Pferdeeinstellung mache. Damit würden doch viele Betriebe gut zurechtkommen....
Dr. Jilch: Bei Begriffen wie ,untergeordnet’, ,überwiegend’, ,hauptsächlich’ usw. handelt es sich um sogenannte ,unbestimmte Rechtsbegriffe’, die von der Rechtsprechung auszulegen sind. Tatsächlich ist es lange so gewesen, dass einzelne Bezirkshauptmannschaften eine Unterordnung bis 49 % akzeptiert haben. Diese Auslegung ist aber angesichts der jüngeren Judikatur nicht mehr haltbar: Der Verwaltungsgerichtshof als Höchstgericht hat zum landwirtschaftlichen Nebengewerbe bisher keine genaue Höchstgrenze genannt – also nicht 20 %, 30 % oder 49 %. Er hat aber im Einzelfall ausgesprochen, dass etwa 33 % Deckungsbeitrag zu viel sind, dass man diesfalls nicht mehr von untergeordnet sprechen kann. Dem entsprechend wird man eine Unterordnung meines Erachtens maximal bis zu einem 25 % Anteil der Pensionspferdehaltung am Gesamtbetrieb der Land- und Forstwirtschaft argumentieren können. Das ist unser derzeitiger Standpunkt, welcher auch der Unterordnung im Sinne des Steuerrechts entspricht – dort gibt es umfangreichere Judikatur.
Ich möchte aber nicht verschweigen, dass manchen sogar dieser Prozentsatz schon zu weit geht, weil in den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs nach langer Zeit auch wieder von „geringfügig“ die Rede ist.
ProPferd: Der nächste ,unbestimmte Rechtsbegriff’, ohje....
Dr. Jilch: Und damit wird die Sache noch komplizierter. Mittlerweile gibt es Sachverständige, die auf jüngere Urteile des Verwaltungsgerichtshofs zum Gewerberecht verweisen, wonach ,geringfügig’ oder ,in geringem Umfang’ maximal 10 % bedeutet und man folgerichtig auch schließen könne, dass der Wert der Nebentätigkeit maximal 10 % der Haupttätigkeit ausmachen darf. Das damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit einhergeht, ist klar.
ProPferd: Ausjudiziert ist das aber nicht, oder?
Dr. Jilch: Meines Wissens hat der Verwaltungsgerichtshof zu den landwirtschaftlichen Nebengewerben noch keinen fixen Prozentsatz festgelegt, bis zu dem – im Verhältnis zur Hauptätigkeit – Nebengewerbe oder Nebentätigkeiten vorliegen. Im Steuerrecht ist das ausjudiziert und, wie schon gesagt, die Grenze mit 25 % festgelegt. Im Steuerrecht ist es im Übrigen auch völlig unbeachtlich, ob es sich um eigene oder fremde Tiere sind, die ich versorge bzw. betreue – solange dies ohne besondere Zusatzleistungen erfolgt und eine entsprechende Selbstbewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen erfolgt. Im Steuerrecht gilt also z. B. auch die Fütterung fremder Rinder, Schweine oder Pferde – als landwirtschaftliche Tätigkeit. Wir wollen gar nicht die Größenordnung an Vieheinheiten, die das Steuerrecht insbesondere für Viehmastbetriebe ermöglicht. Das, was im Steuerrecht bei der Einheitsbewertung als normaler, nicht überdurchschnittlicher Tierbestand – bezogen auf die landwirtschaftliche Nutzfläche angesehen wird, sollte aber auch im Gewerberecht für landwirtschaftliche Einstellbetriebe erlaubt sein. Basierend darauf, hat die Landwirtschaftskammer gemeinsam mit der ZAP schon vor längerer Zeit einen konkreten Vorschlag für eine gesetzliche Neuregelung erarbeitet. Dieser wird gerade in Form einer Petition präsentiert. Danach sollten, ganz grob gesagt, bis zu einer Betriebsgröße von 20 ha 2 Vieheinheiten pro ha reduzierter landwirtschaftlicher Nutzfläche und darüber hinaus 1 Vieheinheit pro ha erlaubt sein. Alle Details dazu kann man in der Online-Petition nachlesen – wir unterstützen diesen Vorschlag jedenfalls und können ihn auch mit guten Argumenten begründen. Wir sind aber selbstverständlich verhandlungsbereit, denn am Ende wird wohl ein Kompromiss notwendig sein.
ProPferd: Es taucht in manchen Diskussionen immer wieder die Behauptung auf, dass der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung erlassen hat, dass die Pensionspferdehaltung als Teil der Freizeitwirtschaft anzusehen ist und daher nicht Landwirtschaft wäre. Was ist da dran?
Dr. Jilch: Bei der angesprochenen Entscheidung des EuGH ging es einzig und allein um das Umsatzsteuerrecht, konkret um die steuerrechtliche Frage, ob die Pensionspferdehaltung den begünstigten Steuersatz von 10 % beibehalten darf. Vereinfacht ausgedrückt, ob diese Pferdehaltung im weitesten Sinn der „Lebensmittelwirtschaft“ zuzurechnen ist oder nicht. Diese Frage hat der EuGH mit ,Nein’ entschieden, was die hinlänglich bekannte MwSt-Erhöhung für Einstellbetriebe nach sich gezogen hat. Dass die Einstellpferdehaltung der tierischen Urproduktion dient, hat wirklich niemand behauptet. Und dass zukunftsorientierte Landwirtschaft weit über die Lebensmittelproduktion hinausgehen muss (zB Energie aus nachwachsenden Rohstoffen) bestreitet wohl niemand (mehr) ernsthaft.
ProPferd: Eines der Hauptprobleme für landwirtschaftliche Einstellbetriebe sind mögliche Konflikte mit der Raumordnung bezüglich der Widmung des Betriebes. Die Betriebe befinden sich überwiegend im Grünland – und wenn die Pensionspferdehaltung nicht mehr untergeordnet ist, müssten sie eigentlich den Betrieb schließen oder verlegen...
Dr. Jilch: Das ist korrekt, denn Grünland sollte grundsätzlich von Verbauung freigehalten werden. Ausgenommen ist – bundesländerweise unterschiedlich – nur die Berufsgruppe, die dort ihre Tätigkeit auszuüben muss, im Wesentlichen die Land- und Forstwirte. Wenn man also die Pensionspferdehaltung nicht mehr als landwirtschaftliche Tätigkeit qualifiziert – siehe oben – werden Baulichkeiten für Tierhaltung an diesem Standort zum Problem. Aber gerade Pferdebetriebe suchen und brauchen den Anschluss an die Natur, an Reitwegenetze, an Ausreitmöglichkeiten – und sind daher meist in der Flächenwidmung Grünland angesiedelt. Die fehlende Unterordnung würde folgerichtig zu einer Betriebssperre oder womöglich gar zu einem Abbruchbescheid führen, weil diese Art von Tätigkeit dort nicht erlaubt ist.
ProPferd: Dieses Problem ist unseres Wissens noch ungelöst, mit der einzigen Ausnahme Niederösterreich. Hier hat das Land vor kurzem eine Änderung des NÖ Raumordnungsgesetzes beschlossen – was ist da genau geändert worden?
Dr. Jilch: In Niederösterreich ist – ausdrücklich hervorgehoben sei auch die Wirtschaftskammer NÖ – generell viel Verständnis für einen funktionsfähigen ländlichen Raum vorhanden. Aus diesem Grund wurde, weil eben jahrelang die Gewerbeordnung (Bundesrecht) nicht angepasst wurde, eine Teillösung des Problems im Landesrecht umgesetzt. Jene Betriebe, die aus unserer Sicht jedenfalls landwirtschaftlich sind, die (wertmäßig) überwiegend eigene Erzeugnisse (Futtermittel, Heu, Stroh, Kraftfutter etc.) – aus dem Landwirtschaftsbetrieb einsetzen, sollen auch bei fehlender Unterordnung keine Umwidmung benötigen. Damit wurde für viele das „Standortproblem“ gelöst. Sie bleiben dann zwar Gewerbebetriebe, weshalb man auch nur von einer Notlösung sprechen kann, aber der Betrieb und „Arbeitsplatz Bauernhof“ ist nicht in seiner Existenz bedroht. Die Gewerbeordnung kann der Landesgesetzgeber nicht ändern, dabei handelt es sich um eine Bundesmaterie.
ProPferd: D. h. Betriebe, auf die das genannte Kriterium zutrifft, brauchen keine Umwidmung...?
Dr. Jilch: Richtig – diese Betriebe können auf ihrem Standort in der Flächenwidmung Grünland bleiben und auch neue Wirtschaftsgebäude – soweit erforderlich – errichten, obwohl sie rechtlich als Gewerbebetriebe gelten. Man darf nicht vergessen, eine Umwidmung ist keine Kleinigkeit, sie ist in bestimmten Fällen mit erheblichen Kosten, Aufschließungsgebühren etc. verbunden und zudem eine autonome Entscheidung der Gemeinde. Man hat keinen Rechtsanspruch darauf. Wenn die Gemeinde nicht umwidmen möchte, aus welchem Grund auch immer, ist diese nicht durchsetzbar.
Die Teillösung in NÖ ändert nichts daran, dass eine bundesweite Regelung in der Gewerbeordnung erforderlich ist. Denn alle anderen Probleme sind nicht gelöst – diese Betriebe brauchen eine zweite Sozialversicherung, sie müssen sich einen Gewerbeschein lösen, werden Mitglied in der Wirtschaftskammer, sie brauchen nicht nur eine Baubewilligung, sondern eine Betriebsanlagengenehmigung usw.
Unseres Erachtens ist ein Bauernhof mit Pensionspferdehaltung und entsprechender Flächenbewirtschaftung jedenfalls bis zu einer gewissen Größe ein einheitlicher Wirtschaftsbetrieb, den man nicht künstlich in zwei Teile spalten soll, weil es dann kompliziert und bürokratisch wird. Zumindest bäuerliche Familienbetriebe, die von ihrer Größenordnung im Wesentlichen mit den familieneigenen Arbeitskräften, wirtschaften –sollten der Landwirtschaft zugeordnet werden. Alle Einstellbetriebe brauchen sichere und faire Rahmenbedingungen, um die Pferdewirtschaft in Österreich voranzubringen und den Arbeitsmarkt zu beleben; jene, die ihrer Charakteristik nach landwirtschaftlich sind bzw. schon seit Generationen waren, sollte man in ihrer Entwicklung nicht behindern, sondern ganzheitlich betrachten.
ProPferd: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview mit Dr. Martin Jilch führte Leopold Pingitzer.