Das sagt der Pferdetierarzt: zum Thema Chips 02.01.2024 / News
Chips bei Pferden sind eine gefürchtete Diagnose: Sie können im Gelenk zu Knorpelläsionen und zu Entzündungen führen und im schlimmsten Fall zu einer irreversiblen Lahmheit führen. Eine frühzeitige Erkennung und rechtzeitige Behandlung sind Schlüsselfaktoren, um dies zu verhindern, wie Pferdetierarzt Mag. Wolfgang Himsl im Interview verrät.
Die Fachgebiete von Mag. Wolfgang Himsl sind Kolikchirurgie, Orthopädie, Sportmedizin und Chirurgie. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at
ProPferd: Welche Bedeutung hat der lateinische Begriff ,Osteochondrose' (OC) beziehungsweise ,Osteochondrosis dissecans' (OCD)?
Mag. Himsl: Die Osteochondrose (OC) beschreibt eine Wachstumsstörung im Gelenk. Bei der OCD handelt es sich ebenfalls um eine Entwicklungsstörung des Gelenks, wobei es zur Ablösung eines sich verknöchernden Teils kommt, eben dem Chip!
ProPferd: Was genau ist ein Chip – und stimmt es, dass sie in den letzten Jahren bei immer mehr Pferden zu finden sind?
Mag. Himsl: Chips sind kleine Fragmente im Gelenk, die in der Regel bereits beim wachsenden Pferd entstehen und röntgenologisch sichtbar werden sobald sie einen gewissen Verknöcherungsgrad erreicht haben.
Die Frage, ob Chips in den letzten Jahren wirklich häufiger geworden sind, ist für mich schwer zu beantworten. Fakt ist jedoch, dass aufgrund der heutigen besseren Röntgentechnik jedenfalls viel weniger davon übersehen werden. Auch die steigende Anzahl an Röntgenbildern bei Kaufuntersuchungen hat zur Folge dass die Chance einen Chip zu übersehen deutlich sinkt.
Diagnose- und Operationsmethoden für Chips haben sich in den letzten Jahren entscheidend verbessert. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at
ProPferd: Wo finden sich im Regelfall Chips beim Pferd?
Mag. Himsl: Häufig finden wir die Chips in Sprung- und Fesselgelenken, gefolgt von Knie- und Hufgelenken, selten in Krongelenken. Chips in anderen Gelenken sind prinzipiell möglich aber selten.
Ein für uns eher neues Thema sind sicherlich Chipfragmente in den Facettengelenken der Halswirbelsäule, die wir früher schlichtweg kaum darstellen konnten. Heute finden wir sie dank besserer Röntgentechnik oder mittels Computertomographie.
ProPferd: Wie kommt es beim Pferd überhaupt zu Chips?
Mag. Himsl: Als Ursachen gelten erbliche Faktoren, aber auch die Konditionen des Aufwachsens sowie Qualität und Menge des Futters.
ProPferd: Mit welchen Folgen ist bei CHIPS für das Tier zu rechnen?
Mag. Himsl: Das Problem der Chips ist letztlich die Möglichkeit, dass sie im Gelenk Knorpelläsionen, sowie Gelenkentzündungen verursachen können. Wir können nur oft im Vorhinein nicht sagen, welcher Chip später mal zu einem klinischen Problem führen wird und welcher vielleicht ein Pferdeleben lang nicht stört.
ProPferd: Wann wird ein CHIP dann letztendlich zum Problem für das Tier?
Mag. Himsl: Wie bereits angedeutet wird es zum Problem, wenn der Chip den Knorpel verletzt. In manchen Fällen klemmt sich der Chip in Den Gelenksspalt ein und verursacht schwerwiegende Defekte des Knorpels.
Wird der Chip erst dann entfernt haben Sie später immer noch mit den Folgen der Verletzung zu kämpfen.
ProPferd: Wie diagnostizieren Sie CHIPS in Ihrer Klinik?
Mag. Himsl: Klassischerweise werden die Chips durch eine Röntgenuntersuchung dargestellt. Manchmal stellt es sich aber als herausfordernd dar, diese zu finden. Es kann durchaus sein, dass sie 4 oder mehrere Röntgenbilder eines Gelenks brauchen um einen Chip zu identifizieren.
Chips vor und nach einer OP. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at
ProPferd: Die Diagnose ,Chip' ist für viele Pferdebesitzer ein Horrorszenario. Ist das berechtigt – und wann müssen Chips tatsächlich entfernt werden?
Mag. Himsl: Das muss man sehr differenziert betrachten. Die Mehrheit der Chips bei unseren Sportpferden werden bereits früh diagnostiziert und je nach Lokalisation wird dann sehr oft prophylaktisch oder auch aus verkaufstaktischen Gründen das Gelenk arthroskopiert. Dabei wird der Chip entfernt und das Pferd kann nach kurzer Zeit wieder ohne Einschränkung belastet werden.
Schwieriger stellt sich die Situation dar, wenn das Gelenk durch einen oder mehrere Chips bereits massive arthrotische Veränderungen erfahren hat und irreversible Schäden im Gelenk entstanden sind. Da kann es tatsächlich auch sein, dass dieses Pferd nie wieder lahmfrei wird.
ProPferd: Mit welcher Methode werden Chips operativ entfernt?
Mag. Himsl: Heute werden Chips arthroskopisch entfernt, d.h. es wird mit einer Minikamera ins Gelenk geschaut, der bzw. die Chip(s) werden dargestellt und mit einer Zange, die durch ein zweites Portal ins Gelenk eingebracht wird, entfernt.
D.h. im Normalfall haben Sie am Ende der OP zwei kleine Schnitte die vernäht werden und nach einigen Tagen abgeheilt sind.
Wir füllen das Gelenk während der OP mit Gas auf, um einen guten Überblick zu bekommen. Nach der Chipentfernung wird das Gelenk einer ausgiebigen Spülung unterzogen. Anschließend wird das Bein zum Schutz des operierten Gelenkes aufwendig verbunden.
Knorpelschäden im Fesselgelenk durch einen eingeklemmten Chip. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at
ProPferd: Mit welchen Kosten muss ich bei einer CHIP OP rechnen?
Mag. Himsl: Die Kosten für eine Chipentfernung können erheblich differieren, je nachdem, ob ein oder mehrere Gelenke operiert werden müssen, ob Voruntersuchungen notwendig sind, und wie viele Tage das Pferd in der Klinik bleibt. Am besten man spricht es vorher mit dem jeweiligen Tierarzt ab, dann gibt es später keine Überraschungen.
ProPferd: Wie schaut die Nachversorgung nach einer solchen Operation aus und wie lange bleibt das Pferd im Regelfall in Rekonvaleszenz?
Mag. Himsl: Im Regelfall kann ein arthroskopierter Patient bei uns drei Tage nach der OP die Klinik verlassen. Anschließend sollte das Bein noch alle zwei bis drei Tage einen neuen Verband bekommen, die Fäden mit denen die Arthroskopieportale verschlossen werden, sollten ca. 10 bis 12 Tage nach der OP gezogen werden.
Bis dahin hat das Pferd Boxenruhe und kann anschließend kontrolliert an der Hand Schritt geführt werden.
Normalerweise lasse ich die Pferde dann vier bis sechs Wochen nach der OP wieder mit dem Training beginnen, außer es müssen Nachbehandlungen wegen Knorpelschäden oder einer bestehenden Lahmheit erfolgen.
ProPferd: Wie kann ich dem Pferd die Rekonvaleszenz–Zeit so angenehm wie möglich gestalten?
Mag. Himsl: Ich denke, das 2-3 mal am Tag eine kurze Schrittbewegung günstig für das Pferd ist.
ProPferd: Sie sind selbst erfolgreicher Turnierreiter. Wie setzen Sie einen Trainingsplan für den Wiederaufbau des Pferdes nach einer CHIP-OP an?
Mag. Himsl: Letztlich hängt es von mehreren Faktoren ab. Die meisten Chip OPs werden ja mittlerweile prophylaktisch durchgeführt, sprich das Gelenk hat noch keine Schäden, der Patient war vor der OP nicht lahm.
Da es meist junge, noch nicht angerittene Pferde sind, die nicht unter dem Sattel aufgebaut werden können, lasse ich die oft schon nach vier Wochen wieder auf die Koppel.
Einen Patienten mit deutlichen Knorpelschäden empfehlen wir einige Zeit nach der Operation noch eine Nachbehandlung des Gelenks mit Stammzellen um die Reparatur des Gelenkknorpels zu unterstützen. Bei solchen Patienten nütze ich auch gerne die Möglichkeit eines Wasserlaufbands bevor mit der Arbeit unter dem Sattel begonnen wird.
ProPferd: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Britta Bruckmüller-Schweinhage.
Zur Person
Mag. Wolfgang Himsl ist Partner in der Pferdeklinik Tillysburg in Oberösterreich mit Studiumabschluss an der Vetmed Universität Wien 2005. Er ist erfahrener Kolikchirurg, enthusiastischer Orthopäde, Sportmediziner und Chirurg und zeichnet sich besonders durch seine Besonnenheit, Klarheit, treffsichere Diagnostik und Therapieansätze aus. Als unschlagbarer Pferdemensch hat er sich auch als internationaler Dressurreiter einen Namen gemacht. Für den österr. Pferdesportverband begleitete er die österreichischen Dressurreiter/innen als Mannschaftstierarzt zu den Olympischen Spielen, Europameisterschaften und Weltmeisterschaften.
Weitere Infos zum Thema gibt's auf der Website der Pferdeklinik Tillysburg!
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...Weitere Artikel zu diesem Thema:31.08.2023 - Das sagt der Pferdetierarzt: zum Thema Magengeschwüre
Das sagt der Pferdetierarzt: zum Thema Magengeschwüre 31.08.2023 / News
Ein erheblicher Teil der Pferde leidet an Magengeschwüren. Diese können schwerwiegende gesundheitliche Folgen für das Pferd haben und die Kolikgefahr deutlich erhöhen. Wir haben Pferdetierarzt Mag. Wolfgang Himsl nach Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und Heilungschancen gefragt.
Die Fachgebiete von Mag. Wolfgang Himsl sind Kolikchirurgie, Orthopädie, Sportmedizin und Chirurgie. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at
ProPferd: Man liest und hört immer wieder, dass viele Pferde an Magengeschwüren leiden – aber wie groß ist das Problem tatsächlich?
Mag. Wolfgang Himsl: Das Problem ist leider sehr groß und beschäftigt auch uns Pferdetierärzte intensiv. Aktuellen Studien zufolge leiden rund 37 % aller Freizeitpferde und 63 % aller Turnierpferde unter Magengeschwüren, sogar bei Fohlen sind es 50 % und bei Galopprennpferden besorgniserregende 90 %.
DEFINITION
ProPferd: Was ist ein Magengeschwür überhaupt – was darf sich der Laie darunter vorstellen?
Mag. Wolfgang Himsl: Ein Magengeschwür ist eine Schädigung der Schleimhaut des Magens. Geschwüre können je nach Schweregrad und nach Lokalisation im Magen eingeteilt werden: Der Magen des Pferdes besteht aus zwei verschiedenen Arten von Schleimhaut, der kutanen Schleimhaut und der drüsenreichen Schleimhaut. Dazwischen befindet sich der sogenannte Margo plicatus, der den Übergang zwischen den beiden bildet. Je nachdem, wo sich das Geschwür befindet, ist dies anders zu beurteilen. Die Tiefe und Form des Geschwürs ist natürlich auch relevant.
ProPferd: Hängen Magengeschwüre per se mit einer Magenschleimhautentzündung zusammen?
Mag. Wolfgang Himsl: Ja, meist steht eine sogenannte Gastritis mit Magengeschwüren in Verbindung.
UNTERSCHEIDUNG ESGD & EGGD
Oben: Magengeschwüre der kutanen Schleimhaut im oberen Teil des Magens (= ESGD). Darunter: Gesunde drüsenhaltige Schleimhaut ohne Magengeschwüre im Bereich des Magenausgangs. Fotos: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at
ProPferd: Wenn der Tierarzt vom Equine gastric ulcer syndrome (EGUS) spricht – was meint er damit?
Mag. Wolfgang Himsl: EGUS ist ein Überbegriff zwei Typen von Magengeschwüren, nämlich ESGD und EGGD. ESGD (= Equine squamous gastric disease, Anm.) bezeichnet ein Magengeschwür der kutanen Schleimhaut, also im oberen Teil des Magens. Im Gegensatz dazu bezeichnet EGGD (= Equine glandular gastric disease, Anm.) ein Geschwür in der drüsenhaltigen Schleimhaut also im Bereich des Magenausgangs.
ProPferd: Inwiefern ist die Lokalisation des Magengeschwürs ausschlaggebend für die Einstufung des Schweregrades?
Mag. Wolfgang Himsl: Bei ESGD gibt es ein international anerkanntes Scoring System, nach dem Geschwüre bei einer Magenspiegelung eingeteilt werden. Dabei ist 1 der leichteste Grad und 4 der schwerwiegendste Grad.
Bei EGGD ist es etwas schwieriger, weil es hier noch nicht genug wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, um ein Scoring System zu benutzen, daher werden hier die Schäden vor allem beschrieben. Allgemein kann man sagen, dass EGGD oft schwieriger zu behandeln ist als ESGD.
AUSLÖSER
ProPferd: Was ist der Hauptauslöser für Magengeschwüre bei Pferden?
Mag. Wolfgang Himsl: Magengeschwüre entstehen, wenn die Schleimhaut über längeren Zeitraum durch einen niedrigen, sauren pH-Wert gereizt ist. Risikofaktoren für eine Entstehung eines sauren Mageninhalts sind lange Futterpausen, limitierter Zugang zu Wasser, rohfaserarme Fütterung und stärkehaltige Fütterung. Weitere Ursachen sind außerdem Stressoren (Eingliederungs-/Rangordnungsprobleme, Bewegungseinschränkung, Überbeanspruchung im Training).
Häufig verwendete Schmerzmittel (nicht steroidale Antiphlogistika) hemmen die Bildung von wichtigen Prostaglandinen, die an einer funktionierenden Schleimhaut-Barriere des Magens beteiligt sind. Die Verabreichung kann potenziell die Bildung von Magengeschwüren begünstigen.
ProPferd: Gehören häufige oder lange Hänger-Fahrten auch zu potentiellen Stressfaktoren, die ein Magengeschwür bedingen könnten?
Mag. Wolfgang Himsl: Lange Transporte können einen Risikofaktor darstellen.
ProPferd: Erzeugen vorangegangene Koliken immer auch die potentielle Gefahr eines späteren Magengeschwürs?
Mag. Wolfgang Himsl: Kolik ist ein Symptom, dass grob „Bauchschmerzen“ beschreibt. Die Ursachen einer Kolik können vielfältig sein, aber einige Koliken lassen sich mit Magengeschwüren begründen, daher empfiehlt es sich, bei wiederholten Kolikepisoden eine Gastroskopie durchzuführen.
SYMPTOME
ProPferd: Welche Symptome weisen bei erwachsenen Pferden auf ein potentielles Magengeschwür hin?
Mag. Wolfgang Himsl: Typische Symptome neben Koliksymptomatik sind Gewichtsabnahme, wechselhafter Appetit, Koppen, Leerkauen, vermehrtes Gähnen und Leistungsintoleranz. Zudem sind betroffene Pferde häufig empfindlich beim Satteln, zeigen Gurtenzwang oder gar Unrittigkeit.
ProPferd: Sind die Anzeichen beim Fohlen die gleichen, die ein Magengeschwür vermuten lassen?
Mag. Wolfgang Himsl: Auch Fohlen, die noch Milch trinken oder gerade abgesetzt werden, können von Magengeschwüren betroffen sein. Sie zeigen ähnliche Symptome wie erwachsene Tiere wie z.B. Koliksymptome, Abmagerung oder Zähneknirschen.
VORGEHENSWEISE
ProPferd: Wenn sich der Verdacht einer Magenschleimhautentzündung oder eines Magengeschwürs erhärtet – was ist der nächste Schritt, wie sehen sinnvolle Untersuchungen zur Absicherung der Diagnose aus?
Mag. Wolfgang Himsl: Um die Magenschleimhaut zu beurteilen ist eine Gastroskopie – also eine Magenspiegelung – die sinnvollste Untersuchung. Nur hier kann wirklich beurteilt werden, ob Magengeschwüre vorhanden sind und welchen Schweregrad sie aufweisen.
ProPferd: Man liest in online Medien immer öfter, dass Tierärzte oder Heilpraktiker auf „gut Glück“ „etwas“ für den Magen verabreichen, ohne die von Ihnen gerade beschriebene Untersuchung vorzunehmen. Was sagen Sie dazu?
Mag. Wolfgang Himsl: Es ist aus mehreren Gründen besser, eine Magenspiegelung durchzuführen, bevor man die Therapie startet. Erst durch eine Gastroskopie kann man sicher sein, dass wirklich Magengeschwüre die Ursache für das Problem sind, schließlich kann es zum Beispiel für Abmagerung oder Leistungsintoleranz auch noch andere Ursachen geben. Außerdem hat man durch eine Gastroskopie einen „status quo" erhoben. Bei einer eventuellen Kontrolle kann man dann die Befunde miteinander vergleichen und dadurch feststellen, ob die Therapie erfolgreich war.
BEHANDLUNG
ProPferd: Wie geht es nach der Diagnose weiter – welche Behandlungsoptionen stehen zur Verfügung?
Mag. Wolfgang Himsl: Je nachdem, wo und wie schwer die Geschwüre sind, kann sich die Therapie unterscheiden. Auch deshalb ist eine Gastroskopie vor der Therapie unbedingt sinnvoll. Magengeschwüre können in der Regel gut mit speziellen Medikamenten behandelt werden, die im Wesentlichen die Ausschüttung der Magensäure in den Magen reduzieren und so zu einer allmählichen Abheilung der Läsionen führen.
HEILUNGSCHANCEN
ProPferd: Wie sehen die Heilungschancen aus?
Mag. Wolfgang Himsl: Magengeschwüre haben prinzipiell eine gute Prognose, allerdings gibt es eine gewisse Rezidivgefahr. Das heißt, Medikamente allein lösen das Problem nur teilweise. Eine gewisse Haltungsoptimierung und Fütterungsumstellung ist mit großer Wahrscheinlichkeit notwendig.
ProPferd: Greifen die Medikamente und das Umstellen des Futter/Haltungsmanagements nicht, müssen Magengeschwüre dann operativ entfernt werden?
Mag. Wolfgang Himsl: Nein, eine chirurgische Therapie wird beim Pferd nicht gemacht.
NACH DER THERAPIE
ProPferd: Was müssen die BesitzerInnen von Pferden mit Magengeschwüren nach der Behandlung beachten?
Mag. Wolfgang Himsl: Abgesehen von den Medikamenten, die von der Tierärztin oder dem Tierarzt verschrieben werden, sollten einige Grundsätze in Bezug auf die Haltung und Fütterung berücksichtigt werden:
Die betroffenen Pferde sollten qualitativ hochwertiges rohfaserreiches Heu bekommen. Lange Fresspausen sollten vermieden und das Fresstempo möglichst verlangsamt werden, dies kann zum Beispiel durch ein Heunetz gewährleistet werden. Kohlenhydratreiche Futtermittel sollten ebenfalls vermieden oder zumindest deutlich reduziert werden.
Die Pferde sollten möglichst stressfrei gehalten werden, das heißt häufiger Stallwechsel oder ständige Änderungen der Herdenzusammenstellung sowie lange Transporte sollten vermieden werden. Auch sehr intensives Training kann Magengeschwüre fördern.
PRÄVENTION
ProPferd: Welche präventiven Maßnahmen sind für Pferde, die Magengeschwüre hatten, empfehlenswert – und wie beuge ich effektiv vor?
Mag. Wolfgang Himsl: Die bereits genannten Empfehlungen in Bezug auf die Haltung und Fütterung sollten auch dann weiter beherzigt werden, wenn das Pferd wieder gesund ist.
ProPferd: Herzlichen Dank für das interessante und aufklärende Gespräch!
Das Interview führte Britta Bruckmüller-Schweinhage.
ZUR PERSON
Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at
Mag. Wolfgang Himsl ist Partner in der Pferdeklinik Tillysburg in Oberösterreich mit Studiumabschluss an der Vetmed Universität Wien 2005. Er ist erfahrener Kolikchirurg, enthusiastischer Orthopäde, Sportmediziner und Chirurg und zeichnet sich besonders durch seine Besonnenheit, Klarheit, treffsichere Diagnostik und Therapieansätze aus. Als unschlagbarer Pferdemensch hat er sich auch als internationaler Dressurreiter einen Namen gemacht. Für den österr. Pferdesportverband begleitete er die österreichischen Dressurreiter/innen als Mannschaftstierarzt zu den Olympischen Spielen, Europameisterschaften und Weltmeisterschaften.
Weitere Infos zum Thema gibt's auf der Website der Pferdeklinik Tillysburg!
19.05.2023 - Das sagt der Pferdetierarzt: zum Thema Sehnenverletzungen
Das sagt der Pferdetierarzt: zum Thema Sehnenverletzungen 19.05.2023 / News
Sehnenverletzungen gehören zu den weitverbreiteten Erkrankungen des Bewegungsapparats bei Pferden. Die häufigsten Sehnenschäden entstehen durch eine Belastung über die Elastizitätsgrenze. Mag. Wolfgang Himsl von der Pferdeklinik Tillysburg gibt Antwort auf die wichtigsten Fragen – von Boxenruhe bis zur Stammzellentherapie.
Die Fachgebiete von Mag. Wolfgang Himsl sind Kolikchirurgie, Orthopädie, Sportmedizin und Chirurgie. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at
ALLGEMEIN & ALTERNATIV
ProPferd: Sehnenverletzungen sind für Pferdebesitzer/innen meistens der Super-Gau. Wie gehen Sie im Moment der Diagnose mit den Besitzer/innen um?
Mag. Wolfgang Himsl: Wenn die Diagnose gestellt ist, sind manche Besitzer direkt erleichtert, andere natürlich schwer deprimiert, weil vielleicht ein wichtiges Championat ansteht. Dann versuche ich, mit dem Besitzer eine Strategie zu besprechen, wie man das spezielle Problem am besten angehen könnte.
ProPferd: Welche Art von Sehnenverletzungen gibt es?
Mag. Wolfgang Himsl: Die häufigsten Verletzungen bei unseren Sportpferden und auch sportlich genutzten Freizeitpferden sind Verletzungen des Fesselträgerursprungs, der Fesselträgerschenkel, der oberflächlichen Beugesehne und etwas seltener der tiefen Beugesehne.
Grundsätzlich teilen wie die Verletzung dann nach Lokalisation, Größe bzw. Ausdehnung (z.B. 20% des Sehnendurchmessers) und Art (zentral, randständig) ein.
ProPferd: Was sind die häufigsten Ursachen für Sehnenverletzungen?
Mag. Wolfgang Himsl: Auch wenn der Besitzer meistens von einem einmaligen Trauma ausgeht wissen wir, dass viele Sehnenschäden durch langfristige Überlastungen der Sehnenstruktur entstehen. Eine überlastete Sehne mit zu wenigen Regenerationsphasen hat eine deutlich höhere Chance einzureißen. Außerdem sind chronische Lahmheit (z.B. Arthrose am anderen Bein), eine inadäquate Stellung (Bockhuf) oder ein nicht idealer Beschlag wie z.B. permanente Stollen in den Wintermonaten klassische Wegbereiter für Sehnenverletzungen.
ProPferd: Was halten Sie bei Sehnenschäden von Boxenruhe?
Mag.Wolfgang Himsl: In der Akutphase, sprich wenn das Pferd frisch lahm ist und die betroffene Sehne deutlich warm ist, gilt es diese akute Entzündung zu bekämpfen. Dabei kühlt man das Bein konsequent und packt es ein. Ich nehme dazu gerne Heilerde und gebe entzündungshemmende Medikamente. In dieser Zeit ist Boxenruhe, bzw. leichte Schrittbewegung an der Hand obligatorisch.
Sobald diese Phase vorbei ist, sollten die Schrittphasen angepasst werden. Viele meiner Patienten kommen allerdings erst, wenn die Akutphase ohnehin lange vorbei ist; diese Pferde müssen dem Problem angepasst bewegt werden!
ProPferd: Es gibt immer mehr Pferdebesitzer/innen, die ihr Pferd für den Heilungsprozess für ½ - 1 h auf die Koppel stellen und gute Erfahrungen damit gemacht haben. Wie ist ihre Erfahrung dazu?
Mag. Wolfgang Himsl: Ja, der Wunsch der Besitzer ist verständlich aber da gilt es wirklich, entweder ich setze auf kontrollierte Bewegung, oder ich lasse die Natur heilen. Bedeutet aber, das Pferd auf die Koppel bzw. in den Offenstall zu geben. Das funktioniert oft gut, auch wenn es längere Zeit dauern wird. Hier ist wichtig zu beachten, dieses nicht während der Akutphase zu tun.
Ultraschall-Untersuchung: Eine möglichst exakte Diagnose bildet die Entscheidungsbasis dafür, welche Behandlungsmethoden für das jeweilige Pferd am sinnvollsten sind. Foto: Pferdeklinik Tillysburg
KLINIKALLTAG
ProPferd: Welche Sehnenverletzungen behandeln Sie in Ihrer Klinik am häufigsten?
Mag. Wolfgang Himsl: Am häufigsten habe ich mit Fesselträgerschäden und Läsionen der oberflächlichen Beugesehne zu tun, und etwas weniger oft mit Unterstützungsband - und TBS-Läsionen.
ProPferd: Sie sind für Ihre Treffsicherheit in der Diagnose von Sehnenverletzungen bekannt. Wie läuft eine Untersuchung ab?
Mag. Wolfgang Himsl: Die Sehnenläsion ist entweder offensichtlich, wenn der Patient mit einer deutlichen Schwellung und Druckschmerz der Sehnen vorgestellt wird, oder man muss mittels Anästhesien die betroffene Struktur zuerst lokalisieren. In beiden Fällen wird dann eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Hat man dann eine exakte Diagnose, kann man Überlegungen anstellen welche Behandlungsmethoden für das jeweilige Pferd am sinnvollsten sind.
Der geschulte Blick erkennt hier eine Randläsion der oberflächlichen Beugesehne im Bereich der Fesselbeugesehnenscheide. Foto: Pferdeklinik Tillysburg
ProPferd: Haben sie dann einen Sehnenschaden festgestellt, welche Behandlungsmethoden wenden Sie an?
Mag. Wolfgang Himsl: Ist die Läsion noch ganz akut, ist eine Ruhigstellung und Entzündungshemmung mittels kühlen und Medikamenten wichtig. Nach einigen Tagen lassen die Entzündungsanzeichen meistens nach, die Belastung wird wieder besser und die Schwellung um die geschädigte Sehne wird etwas nachlassen.
Nach dieser akuten Phase empfiehlt sich eine lokale Therapie. Wir injizieren dafür gerne Wachstumsfaktoren oder Stammzellen unter Ultraschallkontrolle, die eine Faser-Anbildung stimulieren. Das Ziel ist immer eine stabile und möglichst elastische Sehne zu bekommen.
ProPferd: Was können Sie uns zur Stammzelltherapie bei Sehnenverletzungen sagen?
Mag. Wolfgang Himsl: Vor fast 20 Jahren haben wir in meiner Assistenzzeit in Deutschland bereits mit Stammzellenbehandlungen bei Sehnenverletzungen gearbeitet. Damals war die Prozedur sehr aufwendig. Wir mussten Knochenmark aus dem Brustbein gewinnen und dieses einschicken. Schließlich wurden aus dem Knochenmarkspunktat Stammzellen isoliert und an gezüchtet. Es dauerte einige Wochen und dann wurden die Stammzellen in die Läsion injiziert. Man verwendete dazu körpereigene Stammzellen.
Heute wissen wir, dass es bessere und weniger gute Knochenmarkspender gibt und außerdem war die Zeitspanne zwischen Entnahme und Therapie nicht förderlich für den Erfolg.
Die heutigen Stammzellenprodukte werden von ausgewählten Spendertieren gewonnen und man hat diese bereits fertig zur Anwendung im Eisschrank. Die Erfahrungen die ich damit gemacht habe sind, wie auch die mit den Wachstumsfaktoren, gut. Für einen guten Behandlungserfolg ist dabei eine sterile und ultraschallgestützte Injektion unerlässlich.
ProPferd: Behandeln Sie sämtliche Sehnenverletzungen mit Stammzellen oder Wachstumsfaktoren?
Mag. Wolfgang Himsl: Nein, es gibt wirklich Sehnenschäden, die entweder aufgrund ihrer Lage oder Chronizität besser auf andere Therapieoptionen ansprechen. So wird ein randständiger Sehnenschaden unter dem Fesselringband nicht abheilen, wenn es zu einer Kompression der geschädigten Sehne durch das Ringband kommt. Hier empfiehlt sich eine operative Durchtrennung des Fesselringbandes und anschließend eine Therapie der Sehne.
Bei chronischen Entzündungen am Sehnenansatz, z.B. Desmopathie des Fesselträgerursprungs ist oftmals eine Stoßwellenbehandlung oder eine Gelenkinjektion in das unmittelbar benachbarte Gelenk einer Sehneninjektion überlegen. Da bei diesen Pferd oft gar nicht so sehr die Sehne, sondern der Knochen, an dem die Sehne angeheftet ist, den Schmerz macht. Hierbei sind auch Biphosphonate eine gängige Behandlung bei diesen Patienten.
ProPferd: Was können Sie uns bezüglich Heilungszeitraum bzw. Behandlungserfolgen sagen?
Mag.Wolfgang Himsl: Prinzipiell erhöht ein Sehnenschaden das Risiko für eine erneute Sehnenverletzung, daher ist nach einer überstandenen Verletzung erhöhte Vorsicht geboten. Früher wurden die Pferde mit Sehnenverletzungen oft ewig in die Box gesperrt und nur kurz am harten Boden bewegt. Wir lassen die Pferde heute so früh wie möglich viel im Schritt auf unterschiedlich Böden gehen, und auch einen vorsichtigen Trabaufbau lassen wir oft schon nach wenigen Wochen starten.
Ein regelmäßiges Untersuchen der Sehnenstruktur mittels Ultraschall lässt uns den Fortschritt der Heilung gut kontrollieren und individuell den Aufbauplan anpassen. Im Idealfall verbessert sich die Sehnenstruktur im Schall mit fortschreitendem Aufbau, bis sich das Gewebe kaum vom restlichen Sehnengewebe unterscheidet.
ProPferd: Welche Maßnahmen setzen Sie zur Vermeidung von Sehnenverletzungen bzw. Rezidiven?
Mag. Wolfgang Himsl: Wichtig ist es, die Bedingungen für das Pferd hinsichtlich Hufbearbeitung/ Beschlag und Bodenbeschaffung möglichst zu optimieren. Außerdem sollten die Sehnen immer wieder ihre Pausen bekommen. So lasse ich Pferde nach einer Verletzung gerne über 2-3 Tage aufbauend arbeiten, und gebe dann einen Erholungstag mit lediglich Schritt oder Paddock. Auch an Arbeitstagen ist es wichtig, immer wieder Schrittpausen einzulegen und nicht zu lange auf Vollbelastung zu reiten.
Was man auch bedenken muss ist, dass ein gut ausbalanciertes Pferd das locker über den Rücken schwingt weniger Risiko hat, einen Sehnenschaden zu bekommen.
Nach einer anstrengenden Trainingseinheit die Beine runter zu kühlen macht meiner Meinung nach genauso Sinn, wie auch ein lockeres warm reiten zu Beginn des Trainings.
ProPferd: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Britta Bruckmüller-Schweinhage
ZUR PERSON
Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at
Mag. Wolfgang Himsl ist Partner in der Pferdeklinik Tillysburg in Oberösterreich mit Studiumabschluss an der Vetmed Universität Wien 2005. Er ist erfahrener Kolikchirurg, enthusiastischer Orthopäde, Sportmediziner und Chirurg und zeichnet sich besonders durch seine Besonnenheit, Klarheit, treffsichere Diagnostik und Therapieansätze aus. Als unschlagbarer Pferdemensch hat er sich auch als internationaler Dressurreiter einen Namen gemacht. Für den österr. Pferdesportverband begleitete er die österreichischen Dressurreiter/innen als Mannschaftstierarzt zu den Olympischen Spielen, Europameisterschaften und Weltmeisterschaften.
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28.03.2023 - Das sagt der Pferdetierarzt: zum Thema Ankaufsuntersuchung
Das sagt der Pferdetierarzt: zum Thema Ankaufsuntersuchung 28.03.2023 / News
Beim Kauf eines Pferdes spielen viele Faktoren eine Rolle – die Gesundheit des Pferdes festzustellen ist zweifellos ein ganz wesentlicher, und das geschieht in der Regel durch eine tierärztliche Ankaufsuntersuchung. Alles Wissenswerte darüber verrät Pferdetierarzt Mag. Wolfgang Himsl von der Pferdeklinik Tillysburg im ProPferd-Interview.
Die Fachgebiete von Mag. Wolfgang Himsl sind Kolikchirurgie, Orthopädie, Sportmedizin und Chirurgie. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at
ProPferd: Was passiert genau bei einer Ankaufsuntersuchung – und wie umfassend ist sie?
Mag. Wolfgang Himsl: Die Basis jeder Ankaufsuntersuchung bildet eine klinische Kaufuntersuchung, beim sogenannten „großen TÜV“ werden außerdem Röntgenbilder angefertigt.
Bei der klinischen Untersuchung werden, grob gesagt, die Organsysteme wie Haut, Herz-Kreislaufsystem, Lunge, Augen, Maulhöhle und insbesondere der Bewegungsapparat untersucht.
ProPferd: Wann ist eine Ankaufsuntersuchung notwendig?
Mag. Wolfgang Himsl: Prinzipiell ist bei jedem Pferdekauf sinnvoll, das Objekt der Begierde von einem sachverständigen Tierarzt begutachten zu lassen.
Wenn Sie ein Pferd mit gewissen Mängeln erwerben, haben Sie oft erhebliche Folgekosten zu tragen und unter Umständen einen Dauerpatienten.
Auch für den Pferdeverkäufer ist eine Kaufuntersuchung ein gewisser Schutz vor Rückabwicklungen, oder nachträglichen Abwertungen des Kaufpreises.
ProPferd: Wie sieht der Ablauf der klinischen Untersuchung aus?
Mag. Wolfgang Himsl: Vor der eigentlichen Untersuchung gilt es, durch gezieltes Erfragen, bekannte Mängel, Probleme oder durchgemachte Erkrankungen sowie Operationen aufzudecken!
Transparenz hilft hier, Vertrauen zu schaffen. Außerdem kann z.B. eine verschwiegene Kolik-OP oder Arthroskopie, auch wenn diese zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht mehr sichtbar ist, jedoch später zum Vorschein kommt, zu rechtlichen Problemen führen.
Anschließend wird das Pferd systematisch anhand einer Checkliste durchuntersucht.
Hier werden Befunde, die von der Norm abweichen, festgestellt und im Protokoll vermerkt.
Wir protokollieren beispielsweise Narben, Hautwarzen, Asymmetrien des Körpers, Fehlstellungen, Huferkrankungen und vieles mehr.
Wurde das Pferd im Ruhezustand ordentlich inspiziert, wird das Pferd nun auf harten Boden auf der Geraden und am Zirkel im Schritt und Trab untersucht.
Hierbei achte ich besonders auf Gangkorrektheit, eventuelle Lahmheiten und Anzeichen von neurologischen Problemen, wie Ataxie.
Die Beugeprobe, bei der ein Bein nach dem anderen in maximaler Beugehaltung für circa 60 Sekunden gehalten wird, ist ebenfalls ein wichtiger Indikator, ob Probleme im Gelenks- und Sehnenbereich vorliegen.
Die Beugeprobe wird mit negativ und geringgradig, mittelgradig oder hochgradig positiv bewertet.
Nach der Beurteilung auf dem harten Boden, wird das Pferd nun auf dem weichen Boden an der Longe oder unter dem Sattel beurteilt. Dabei wird beobachtet, ob unter Belastung Lahmheiten sichtbar werden.
Nach der Belastung wird das Pferd nochmals an Herz und Lunge abgehört, dabei werden die Frequenz sowie das Auftreten von Herz- und Lungengeräuschen vermerkt.
ProPferd: Was ist das Ziel der klinischen Ankaufsuntersuchung (AKU)?
Mag. Wolfgang Himsl: Am Ende der Untersuchung werden die Befunde zusammengefasst und bewertet. Das Ziel ist es, dem Auftraggeber einen möglichst vollständigen Zustandsbericht des Pferdes zu übermitteln.
Die festgestellten Befunde oder Mängel sollten erklärt werden. Hier spielt die Erfahrung des untersuchenden Tierarztes eine bedeutende Rolle. Sie sollte helfen, dem medizinischen Laien aufzuzeigen, welche Probleme für ihn relevant sind oder welche Befunde vielleicht für seinen Verwendungszweck von untergeordneter Bedeutung sind.
ProPferd: Wie treffsicher ist eine klinische Untersuchung?
Mag. Wolfgang Himsl: Der Wert der Klinischen Untersuchung hängt natürlich vom Untersucher ab! Es ist trotzdem nicht möglich, nach circa einer Stunde Untersuchung, alle Probleme oder verborgenen Erkrankungen eines Pferdes zu benennen. Viele Erkrankungen wären nur mit weiterführenden Untersuchungen zu diagnostizieren. Der Großteil der Befunde ist aber objektiv beurteilbar und damit sehr treffsicher! Es kommt sllerdings nicht selten vor, dass eine AKU abgebrochen wird, weil das Pferd lahmt, obwohl dem Verkäufer oder auch den Interessenten dies zuvor nicht aufgefallen ist. In manchen Fällen werden dann weitere Untersuchungen empfohlen, um den Auftraggeber in seiner Entscheidungsfindung zu unterstützen.
ProPferd: Was unterscheidet den „großen TÜV“ von der „klinischen AKU“?
Mag. Wolfgang Himsl: Beim großen TÜV wird, zusätzlich zum klinischen Ankauf, ein Satz Röntgenbilder angefertigt.
Als Standard in Österreich gelten nach wie vor 10 Röntgenbilder. Diese beinhalten Aufnahmen der Hufrolle, der Zehengelenke von der Seite und der Sprunggelenkes in zwei Ebenen.
In der Praxis werden allerdings meistens auch die Kniegelenke in zwei Ebenen und der Rücken, sowie immer öfter auch die Halswirbelsäule mit geröntgt.
Bei etwas teureren Pferden sind zusätzliche Aufnahmerichtungen üblich und so werden häufig 30-50 Röntgenaufnahmen gewünscht.
ProPferd: Seit 2018 gibt es in Deutschland den „Röntgenleitfaden”, nach dem auch in Österreich standardisierte Röntgenaufnahmen beurteilt werden können. Wie werden heute Röntgenbefunde eingeteilt?
Mag. Wolfgang Himsl: Röntgenbefunde werden im Wesentlichen eingeteilt in
• Normalbefunde
• Befunde, bei denen ein Risiko, eine Lahmheit zu verursachen, nicht zuverlässig eingeschätzt werden kann
• Risikobefunde
ProPferd: Welche weiteren Untersuchungen empfehlen Sie Ihren Klienten beim „großen TÜV“?
Mag. Wolfgang Himsl: Eine weitere, durchaus sinnvolle Untersuchung ist die Ultraschalluntersuchung des Fesselträgers und der Beugesehnen, da Vernarbungen der Sehne oder Knochenreaktion am Sehnenansatz wichtige Hinweise auf Sehnenerkrankungen geben. Ich mache relativ viele Ankaufsuntersuchungen in der Mehrzahl der Fälle mit 18 oder mehr Röntgenbildern.
ProPferd: Man hört immer wieder, es sollte auch das Blut untersucht werden. Wie sehen Sie das?
Mag. Wolfgang Himsl: Bezüglich Blutuntersuchung unterscheiden wir einerseits ein Blutbild und Organprofil, andererseits eine Medikationsuntersuchung des zu untersuchenden Pferdes.
Um eine gute Gesamtübersicht über das Pferd zu bekommen, halte ich ein Blutbild für durchaus sinnvoll.
Die Frage der Medikationsuntersuchung (bzw. Dopinguntersuchung) ist aber vielleicht noch interessanter.
Sollte das zu untersuchende Pferd zum Beispiel gezielt oder durch Unachtsamkeit Entzündungshemmer verabreicht bekommen haben, ist natürlich der Wert der klinischen Untersuchung zu hinterfragen.
Außerdem würde es mich natürlich interessieren, ob ich mir ein Pferd kaufe, welches vielleicht Anabolika, Sedativa oder Schmerzmittel bekommen hat.
Bei teuren Pferden werden diese Untersuchungen sehr oft gemacht, allerdings sind die Laborkosten relativ hoch.
ProPferd: Wo empfehlen Sie eine AKU durchzuführen?
Mag. Wolfgang Himsl: Selbstverständlich kann eine AKU im Stall vorgenommen werden, was ich auch mache. Mir ist es aber wichtig, dass die äußerlichen Bedingungen eine korrekte Untersuchung erlauben. Diese sind in einer Klinik obligatorisch. Bei uns in der Klinik bieten wir unseren Kund/innen die klinische Kaufuntersuchung, den „großen TÜV“, Röntgenuntersuchungen und Befundung anhand Röntgenleitfaden, zusätzliche Endoskopie, Blutuntersuchung (Doping-Substanzen), Ultraschalluntersuchung, Ophthalmologische Untersuchung im Rahmen eines Ankaufes an.
ProPferd: Wer beauftragt Sie in der Regel? Der Käufer oder der Verkäufer und wer zahlt am Ende?
Mag. Wolfgang Himsl: Der Auftraggeber der Untersuchung zahlt in der Regel die Untersuchung, alles andere ist Absprache zwischen Verkäufer und Käufer.
Der Tierarzt ist seinem Auftraggeber verpflichtet. Rechtlich ist es daher für den Käufer besser, selber die Untersuchung zu beauftragen als einen Bestehenden „TÜV“ zu übernehmen.
Wenn Sie ein Pferd kaufen, das z.B. vor 4 Wochen bei der klinischen Untersuchung nicht beanstandet wurde, heißt das nicht dass es heute auch in Ordnung ist.
ProPferd: Mit welchen durchschnittlichen Kosten muss man bei einer klinischen Untersuchung und einem „großen TÜV“ in der Klinik und welchen im Stall rechnen?
Mag. Wolfgang Himsl: Die Kosten für die klinische Untersuchung belaufen sich bei uns aktuell auf ca. 420,– Euro. Eine Kaufuntersuchung mit 10 Röntgenbildern kostet derzeit ca. 900,– Euro. Für Untersuchungen im Stall kommen noch Anfahrtskosten dazu.
Es empfiehlt sich, denke ich, die zu erwartenden Kosten je nach Umfang der Untersuchung festzulegen, dann gibt es hier keine Überraschungen.
ProPferd: Erwarten die Auftraggeber am Ende der AKU eine Empfehlung pro oder contra dem Kauf des Pferdes?
Mag. Wolfgang Himsl: Es ist nicht meine Aufgabe dem Auftraggeber zu sagen, ob er das Pferd kaufen soll oder nicht, sondern ihm einen möglichst vollständigen Bericht über den Gesundheitszustand des Pferdes zu geben.
Viele Faktoren spielen eine Rolle, ob das Pferd mit gewissen Befunden zu dem Käufer und dessen Anforderungen passt. So kann zum Beispiel ein klinisch gesundes Pferd mit relativ schlechtem Hufrollenröntgen für einen Endverbraucher passend und für einen potentiellen Wiederverkäufer uninteressant sein.
Auch die zukünftige Verwendung, sowie das Alter des Pferdes werden sich darauf auswirken, ob gewisse Befunde als eher problemlos oder problematisch eingeschätzt werden.
ProPferd: Herzlichen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Britta Bruckmüller-Schweinhage.
ZUR PERSON
Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at
Mag. Wolfgang Himsl ist Partner in der Pferdeklinik Tillysburg in Oberösterreich mit Studiumabschluss an der Vetmed Universität Wien 2005. Er ist erfahrener Kolikchirurg, enthusiastischer Orthopäde, Sportmediziner und Chirurg und zeichnet sich besonders durch seine Besonnenheit, Klarheit, treffsichere Diagnostik und Therapieansätze aus. Als unschlagbarer Pferdemensch hat er sich auch als internationaler Dressurreiter einen Namen gemacht. Für den österr. Pferdesportverband begleitete er die österreichischen Dressurreiter/innen als Mannschaftstierarzt zu den Olympischen Spielen, Europameisterschaften und Weltmeisterschaften.
Weitere Infos zum Thema gibt's auf der Website der Pferdeklinik Tillysburg!
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