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Pferde in Gruppen- und Weidehaltung lernen besser
07.08.2023 / News

Die vielfältigen Reize auf einer Weide und in der Gruppe sind für Pferde anregend und herausfordernd – und befördern auch ihre Interaktionen und ihr Lernverhalten, so die AutorInnen.
Die vielfältigen Reize auf einer Weide und in der Gruppe sind für Pferde anregend und herausfordernd – und befördern auch ihre Interaktionen und ihr Lernverhalten, so die AutorInnen. / Symbolfoto: Pixabay/Peter Selbach

Ergebnisse einer neuen Studie zeigen, dass Pferde, die mit anderen Pferden auf der Weide leben, menschlichen Hinweisen deutlich besser folgen können als Pferde, die allein in Einzel- oder Paddockboxen leben. Der entscheidende Unterschied liege in der mentalen Stimulation, so die AutorInnen.


Studien-Autorin Océane Liehrmann, Doktorandin am Fachbereich Biologie der Universität Turku in Finnland, und ihre ForscherkollegInnen wollten herausfinden, wie sich das soziale und physische Lebensumfeld und die Beziehung der Pferde zu ihrem Halter auf ihre Fähigkeit auswirken, menschlichen Hinweisen bzw. Zeigegesten zu folgen. Für ihre Studie rekrutierten sie über soziale Medien 52 Pferdebesitzer mit insgesamt 57 Freizeitpferde auf 26 privaten Pferdehöfen in Südfinnland.

„Pferde besitzen bemerkenswerte Eigenschaften, wie zum Beispiel ihre Fähigkeit, menschliche Emotionen zu erkennen, und ihre außergewöhnliche Fähigkeit, vertraute Personen zu erkennen, selbst wenn sie verkleidet sind. Diese Eigenschaften machen Pferde zu einem hervorragenden Subjekt für die Untersuchung der Nuancen menschlicher Vertrautheit“, so Liehrmann.

Die für ihre Untersuchung ausgewählten Testpferde – 29 Stuten, 27 Wallache und ein Hengst verschiedener Rassen im Alter von 2 bis 26 Jahren – waren zumindest soweit ausgebildet, um in einer vertrauten Umgebung sicher an der Hand geführt zu werden, so Liehrmann.

Hinsichtlich ihres sozialen Umfelds wurden die Pferde drei Gruppen zugeordnet:
– Pferde in Gruppenhaltung (25 Pferde): Diese lebten mindestens acht Monate im Jahr in Gruppen von mindestens drei Tieren,
– Pferde in Paaren (12 Pferde): Diese wurden jeweils mit einem anderen Pferd gehalten, ebenfalls mindestens 8 Monate im Jahr;
– Pferde in Einzelhaltung (20 Pferde): Diese wurden allein in Einzel- bzw. Paddockboxen gehalten, ebenfalls mindestens 8 Monate im Jahr.

Hinsichtlich ihrer physischen Haltungsbedingungen ergab sich ebenfalls eine Dreiteilung: 15 lebten in Stallungen oder Sandpaddocks (ohne Unterstand und ohne der Möglichkeit zu grasen), 27 hatten ganzjährig Weidezugang (mit Bäumen bzw. Unterstand sowie der Möglichkeit zu grasen) – und 15 lebten größtenteils auf Sandpaddocks, hatten aber bis zu sechs Monate im Jahr Zugang zu einer Weide.

Alle Pferde durchliefen zunächst eine Trainingsphase, in der sie lernten, Karotten in einem abgedeckten Eimer zu finden. Dann wurden sie einzeln in eine vertraute Arena geführt, wo sie zwei abgedeckte Eimer vorfanden, die 1,5 Meter voneinander entfernt standen und zwischen denen ein Halter/Experimentator stand. Bei 28 Pferden war dies eine vertraute Person, bei den verbleibenden 29 Pferden war es einer von vier Menschen mit Erfahrung im Bodentraining von Pferden, den die Pferde jedoch nie zuvor gesehen hatten.

Beide Testeimer enthielten eine Karotte; bei jedem Test machte der Halter/Experimentator zufällig einen Schritt auf einen der Eimer zu, schaute ihn an und zeigte darauf. Das Team testete 56 Pferde zehnmal, wobei der Halter nie mehr als zweimal hintereinander auf einen Eimer zeigte. Ein Versuch wurde als ,erfolgreich’ beurteilt, wenn das Pferd seine Nase in weniger als einer Minute zumindest 10 cm oder näher an den Eimer heranführte, auf den zuvor gezeigt worden war.

Vertrauter vs. nicht vertrauter Halter

Handelte es sich beim Halter/Experimentator um eine vertraute Person, folgten sie in 72 % der Fälle erfolgreich dem Hinweis. Überraschenderweise unterschied sich die Erfolgsquote aber nicht wesentlich, wenn der Halter ein den Pferden unbekannter Mensch war – hier betrug die Erfolgsquote immerhin 65 %. „Es ist möglich, dass die Pferde die Anwesenheit des Menschen während des Tests schnell mit der Futterbelohnung in Verbindung brachten und so den potenziellen Stress oder die Angst, die mit der Interaktion mit einem Fremden verbunden sind, ablegen“, so Liehrmann.

Einfluss des sozialen Umfelds

Im Gegensatz dazu hatte das soziale Umfeld einen erheblichen Einfluss auf die Erfolgsquote: Insgesamt hatten in Gruppen lebende Pferde eine Erfolgsquote von 82 %, während Pferde in Einzelhaltung lediglich 63 % erreichten. Interessanterweise schnitten die Pferde, die in Paaren lebten, noch schlechter ab, mit einer Erfolgsquote von nur 57 %. Das könnte – so die AutorInnen – daran liegen, dass Interaktionen mit mehreren Pferden komplexer sind und die sozialen kognitiven Fähigkeiten und die Lernfähigkeit verbessern könnten, erklärte sie.

Einfluss der Haltungsbedingungen

Auch die physischen Lebensbedingungen beeinflussten die Ergebnisse deutlich: Diejenigen, die ganzjährig auf Weiden lebten, hatten bei den Tests eine Erfolgsquote von 79 %; bei denjenigen, die zeitweise auf Paddocks und auf der Weide lebten, waren es 64 % – und nur 62 % bei denjenigen, die Stallungen oder Sandpaddocks gehalten wurden.

Angemessene Lebensbedingungen, die die ethologischen/ökologischen Bedürfnisse der Pferde, zu grasen, herumzulaufen und ihre eigenen Entscheidungen über ihre Aktivitäten zu treffen, respektieren, fördern wahrscheinlich die kognitive Stimulation, so Liehrmann. „Der Unterschied zum Leben auf dem Paddock oder im Stall liegt für mich darin, dass die Pferde auf einer großen Weide ihre Aktivitäten frei wählen können“, erklärte sie. „Wenn sie also in den Schatten gehen wollen, um Insekten oder Regen auszuweichen, können sie das tun, oder sie können sich dafür entscheiden, in den hinteren Teil der Weide zu gehen, weil es dort kühler ist, oder sie gehen später zur Baumgrenze, weil sie etwas fressen wollen oder weil das Wasser in der Nähe ist. All diese kleinen Dinge sind anregend; Die Pferde haben die Kontrolle über ihr Zeitbudget. Auf einer kleinen Sandkoppel ist einfach alles da – und man wartet nur darauf, dass irgendetwas passiert, was letztlich zu Depressionen und Langeweile führen kann.“

Das Alter spielt eine Rolle

Eine weitere interessante Entdeckung war, dass auch das Alter ein sehr bedeutsamer Faktor war, so Liehrmann. Die jüngsten Pferde hatten bei den Tests eine durchschnittliche Erfolgsquote von 47 %, verglichen mit 86 % beim ältesten Pferd im Alter von 26 Jahren. „Ältere Pferde können einfach aufgrund ihrer größeren Erfahrung besser auf menschliche Signale reagieren“, so Océane Liehrmann. „Mit zunehmendem Alter waren sie wahrscheinlich mit einem breiteren Spektrum menschlicher Verhaltensweisen und Interaktionen konfrontiert, was es ihnen ermöglicht, ein besseres Verständnis menschlicher Kommunikationssignale zu entwickeln.“ Das Geschlecht hatte unterdessen keinen Einfluss auf die Ergebnisse, da Stuten und Wallache bzw. Hengste gleichermaßen gute Ergebnisse erzielten.

Die Ergebnisse deuten insgesamt darauf hin, dass Pferde im Laufe der Zeit lernen könnten, die Zeigegesten von Menschen zu verstehen, dass gutes Wohlergehen, Haltung und geistige Stimulation ihre Lernfähigkeit jedoch stark beeinflussen können, so Liehrmann: „Das wichtigste Ergebnis unserer Studie ist, dass Pferde, die in Gruppen und auf größeren Koppeln bzw. Weiden leben, den Hinweisen des Menschen häufiger folgten als Pferde, die allein auf einer kleineren Paddocks oder in Einzelboxen lebten." Ihre zentrale Schlussfolgerung daher: „Soziale Stimulation und Interaktionen mit anderen Pferden können sich positiv auf die Entwicklung ihrer sozialen Fähigkeiten auswirken – und  möglicherweise auch auf ihre Fähigkeit, mit Menschen zu kommunizieren.“

Und sie fügte hinzu: „Es ist zwar wichtig anzuerkennen, dass mentale Stimulation nicht der einzige entscheidende Faktor für den Erfolg oder das Verhalten von Pferden ist, es unterstreicht jedoch die generelle Bedeutung einer solchen Stimulation. Wenn Ihre Pferde in kleinen Koppeln oder in Stallungen leben und nicht mit anderen Pferden interagieren können, ist es vielleicht eine gute Idee, sie mit Spielzeug, Futterreizen, Kratzgelegenheiten etc. auszustatten – um Langeweile vorzubeugen und ihr Gehirn herauszufordern, wenn sie nicht gerade geritten oder trainiert werden.“

Die Studie „What drives horse success at following human-given cues? An investigation of handler familiarity and living conditions" von Océane Liehrmann, Camille Cosnard, Veera Riihonen, Alisa Viitanen, Emmi Alander, Plotine Jardat, Sonja E. Koski, Virpi Lummaa und Léa Lansade ist am 19. April 2023 in der Zeitschrift ,Animal Cognition' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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