Fressbremsen sind eine effektive Maßnahme, um die Futteraufnahme zu bremsen und Pferde beim Abnehmen zu unterstützen – sie führen aber auch zu einer Veränderung des Sozialverhaltens, wie eine aktuelle Studie nahelegt.
Fressbremsen sind ein wirksames Hilfsmittel zur Gewichtskontrolle bei Pferden und können – wie diverse Studien bereits nachweisen konnten – die Futteraufnahme um 30-83% senken. Das Verdecken der Lippen und Nasenlöcher kann jedoch die Weidegewohnheiten eines Pferdes verändern und es bei seiner Kommunikation über körpersprachliche Signale und auch bei der Fellpflege einschränken. Dennoch verursacht dies alles keinen Stress – im Gegenteil könnten Fressbremsen sogar eine beruhigende Wirkung haben, wie eine aktuelle Studie bei einer Gruppe von Minipferden nahelegt, die beim Symposium der Equine Science Society (ESS) von 3.–6. Juni 2019 in Asheville, North Carolina, präsentiert wurde und die das Portal TheHorse.com nun vorgestellt hat.
Darin wollten Dr. Amy Burk, außerordentliche Professorin an der Universität von Maryland, und ihre Doktorandin Kristina Davis herauszufinden, wie sich Maulkörbe auf das Sozialverhalten und das Stresslevel auswirken.
Da Fressbremsen Nase und Maul bedecken, um die Futteraufnahme zu beschränken, können sie auch natürliche Verhaltensweisen wie gegenseitige Pflege, Mimik und abwehrendes Beißen beeinträchtigen und hemmen – was, so Dr. Amy Burk, möglicherweise Stress verursachen und sich negativ auf das Wohlbefinden der Pferde auswirken könnte. Ob das auch tatsächlich so ist, wollten die beiden Forscherinnen in einer zweiteiligen Studie untersuchen.
Im ersten Teil ihrer Studie verwendeten Burk und Davis sechs erwachsene Miniaturpferde – eine Rasse, die besonders anfällig für Fettleibigkeit ist – die rund um die Uhr auf rund 1.000 m2 großen Graskoppeln gehalten wurden. Je zwei Miniponys trugen dabei im Rotationsprinzip entweder keine Fressbremse, eine Fressbremse für 10 Stunden pro Tag oder eine für 24 Stunden pro Tag. Durch drei jeweils 21-tägige Testperioden hindurch durchlief jedes Pony-Paar diese drei Test-Anordnungen.
Davis machte zweimal pro Woche mehrere Stunden Videoaufnahmen vom Verhalten der Miniponys und überprüfte zu Beginn und am Ende jeder Testperiode ihr Körpergewicht, ihren Körperzustand und maß Fetteinlagerungen am Hals/Nacken (cresty neck score) und Bauchumfang. Sie gab jedem Mini auch eine Fressbremse-Akzeptanz-Bewertung auf einer Skala von 1 bis 5, wobei 1 = volle Akzeptanz und 5 = Ablehnung bedeutete. Sie kontrollierte wöchentlich die Herzfrequenz und den Cortisolspiegel im Speichel als Indikatoren für Stress.
Auf der Grundlage der gesammelten Daten stellten Burk und Davis Folgendes fest:
– Miniponys, die 24 Stunden lang die Fressbremse trugen, verloren Gewicht, wiesen darüberhinaus aber keine anderen physiologischen Veränderungen auf.
– Miniponys mit Fressbremse zeigten keinerlei Stereotypien oder Frustrations-Verhalten.
– Miniponys ohne Fressbremse verbrachten mehr Zeit damit, sich gegenseitig zu pflegen als Ponys mit Fressbremse.
– Miniponys, die 10 Stunden lang eine Fressbremse trugen, ruhten sich mehr aus und grasten weniger als die beiden anderen Gruppen.
– Miniponys, die 24 Stunden lang eine Fressbremse trugen, verbrachten mehr Zeit mit Grasen und ruhten sich weniger aus, was darauf hinwies, dass sie härter für ihr Futter ,arbeiten’ mussten.
– Miniponys, die 24 Stunden lang eine Fressbremse trugen, hatten eine niedrigere Herzfrequenz und eine größere Variabilität der Herzfrequenz als die anderen beiden Testgruppen.
– Es gab keinen Unterschied zwischen den Cortisolspiegeln im Speichel der jeweiligen Testgruppen, was die Forscherinnen überraschend fanden.
Im zweiten Teil ihrer Studie verwendeten Burk und Davis genau dasselbe Test-Design, stellten jedoch die sechs Miniponys gemeinsam auf eine rund 6.000 m2 großen Weide, um ihre freiwillige Bewegung sowie Auswirkungen auf Rangordnung und Gewichtsabnahme mit und ohne Fressbremse zu analysieren. Neben Videoaufnahmen und Überprüfungen des Körpergewichts, der Fressbremsen-Akzeptanz und von Stress-Indikatoren setzten die Wissenschaftlerinnen auch GPS-Tracking-Geräte ein, um exakt bestimmen zu können, welche Distanzen die Ponys während eines Tages zurücklegen würden. Die Ergebnisse waren auch in diesem Studien-Teil interessant:
– Die Miniponys, die 24 Stunden lang eine Fressbremse trugen, verloren durchschnittlich ca. 0,5 kg Gewicht, während die beiden anderen Gruppen Gewicht zulegten, im Durchschnitt ca. 1,5 kg. Dass auch jene Ponys zugenommen haben, die ihre Fressbremse nur 10 Stunden am Tag getragen hatten, ist lt. den Forscherinnen mit „kompensatorischem Grasen“ zu erklären – die Ponys haben in der Zeit ohne Fressbremse ihren Futter-Rückstand mehr als aufgeholt.
– Alle Miniponys legten pro Tag ungefähr 6,4 km zurück, weil sie als Herde gemeinsam umhergezogen sind.
– Miniponys, die 24 Stunden lang die Fressbremse trugen, hatten die längsten Stehzeiten, während Ponys ohne Maulkorb am meisten getrabt und galoppiert sind.
– Miniponys ohne Maulkorb waren am längsten mit der eigenen Fellpflege beschäftigt.
– Miniponys mit Fressbremse konnten keine normales Rangordnungs-Verhalten und auch kein abwehrendes Bissverhalten ausführen. Die Position innerhalb der Gruppe habe sich dadurch jedoch nicht geändert, so Dr. Amy Burk.
Sie kam zu dem Schluss, dass das Tragen von Fressbremsen für 10 oder 24 Stunden keinen Stress auslöst und auch nicht die freiwillige Bewegung beeinträchtigt. Es verändert jedoch das Verhalten – was die Ponys aber nicht weiter zu beeinträchtigen schien und auch keinen Stress verursachte. Tatsächlich könnten Fressbremsen sogar einen kardiovaskulären Nutzen haben, so die Wissenschaftlerinnen, weil die Ponys deutlich mehr Zeit mit Grasen verbrachten, was einen beruhigenden Effekt haben könnte, wie die niedrigeren Herzfrequenzen belegen. „In diesem Fall war eine Fressbremse über 24 Stunden ein guter Weg, um Gewichtszunahme zu verhindern, und wirkte sich auch nicht auf das Wohlbefinden der Ponys aus", so Dr. Burk zusammenfassend.
Quellennachweis: Effects of grazing muzzles on behavior and physiological stress of individually housed miniature horses. K. Davis, M. Iwaniuk, R. Dennis, P. Harris und A. Burk
Effects of grazing muzzles on voluntary exercise and physiological stress in a miniature horse herd. K. Davis, M. Iwaniuk, R. Dennis, P. Harris und A. Burk