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Gerichtsgeschichten & Pferdesachen: Über die typische Tiergefahr
01.07.2023 / News

Im Laufe seiner jahrzehntelangen Tätigkeit hat der Tierarzt und gerichtlich beeidete Sachverständige Dr. Reinhard Kaun – der auch ein Leben lang Reiter, Gespann-Fahrer und Turnierrichter war – einen einzigartigen Wissensschatz zusammengetragen, der nahezu jeden Aspekt im Umgang mit Pferden berührt, der zu rechtlichen Problemen oder sogar zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen kann. Einen wichtigen Teil davon hat er im Handbuch „Über die forensische Relevanz im Umgang mit Pferden" zusammengefasst und systematisch dargestellt – von allgemeinen Fragen des Handlings und Umgangs mit Pferden bis zu Themen wie tierärztliche Sorgfaltsfehler, Pferdekauf, Schadenersatz, Wertermittlung, Strafrecht und Regelwerke, Tiertransporte, Straßenverkehrsordnung sowie Unterricht und Veranstaltungen, um nur einige zu nennen. All diese Themen sollen in der neuen Serie „Gerichtsgeschichten & Pferdesachen" auszugsweise und anhand real erlebter, aussagekräftiger Geschichten dargestellt und illustriert werden, die aus Gutachten von 1989 bis 2000 stammen. Jede Folge soll auf diese Weise Fachwissen vermitteln, vor allem aber auch das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit für einen möglichst sicheren und von ethischen Prinzipien getragenen Umgang mit dem Partner Pferd schärfen.

In der zweiten Folge geht es um die „typische Tiergefahr", die von Pferden ausgeht, um die besondere Stellung von Tieren in der heimischen Rechtsordnung und die verschiedenen Definitionen und Ansätze hinsichtlich des „Werts" eines Pferdes.

Die mögliche Gefahr, die von Pferden ausgehen kann, ist vor allem für Laien schwer einschätzbar ... (Symbolfoto: Archiv)


Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben….
Blauer Himmel, kühle Herbstluft, keine Fliegen, keine Pferdebremsen – die Ausfahrt mit den beiden Haflingern zum Festessen auf der Bauer-Alm sollte ein unvergessliches Erlebnis werden.  Gut angekommen, versorgte der Kutscher die beiden Pferde und band sie anschließend im Abstand von drei bis vier Pferdelängen mittels Stallhalfter und Stricken an zwei Birken fest, die auch Schatten spendeten. Der Wallach und die Stute standen ruhig und in Sichtkontakt miteinander und konnten grasen. Der Kutscher hatte die Pferde von der daneben befindlichen Terrasse im Blick.
Aus dem Gasthaus kamen plötzlich ein Mann und eine Frau mit zwei Kindern, gingen schnurstracks zu den Pferden und begannen, sie mit mitgebrachtem Zucker zu füttern. Ein Kind, noch zu klein, um selber zu gehen, saß dabei am linken Arm der Mutter, als diese plötzlich einen Schlag auf die Außenseite des rechten Oberschenkels erhielt und daraufhin mitsamt dem Kind am Arm stürzte.
Schien der Vorfall zunächst unbedeutend, gab eine Wesensveränderung beim Kinde dann aber Anlass zur Sorge, bei der Untersuchung im Kinderspital wurde ein Schädelbruch und eine Gehirnerschütterung festgestellt.

Befunde für den Sachverständigenbeweis:
Klage: (eingebracht von den Eltern des verletzten Kindes)
– Das Ehepaar ging mit den Töchtern zu den Pferden, um diese zu füttern. Plötzlich schlug die Stute mit den Hinterhufen gegen die Frau.
– Dem Pferdehalter hätte bekannt sein müssen, dass die Stute rossig war und man damit rechnen musste, dass sie bei Annäherung ausschlagen würde. Somit hätte der Beklagte verhindern bzw. warnen müssen, dass eine Annäherung an die Pferde mit einer gewissen Gefahr verbunden ist.
– Das Kind, das verletzt wurde, konnte noch nicht gehen und musste von der Mutter dorthin getragen werden.
– Mein Mann gab dem einen Pferd Zucker, ich ging dann vorne weg und habe mich dem zweiten Pferd genähert – der Stoß war auf meinen Oberschenkel, ich bin getaumelt. Ich bin nicht weggeschleudert worden vom Pferd.
– Meine Frau hat das Kind, nachdem das Pferd mit beiden Hinterhufen ausgeschlagen hat [……]…dass das Pferd mit einem Huf meine Frau und mit dem zweiten Huf das Kind am Hinterhaupt – das vermute ich – den Schlag selber habe ich nicht gesehen.

Dasjenige Pferd, das den Schlag geführt hatte, war zum Zeitpunkt der Befunderhebung nicht mehr am Leben, bei Recherche ließen sich keine weiteren Vorfälle oder Auffälligkeiten für dieses Pferd erheben.


Sachverständige Analyse der Befunde:
Das Ehepaar ging mit den Kindern, aus eigenen und freien Stücken, zu den Pferden, um diese mit Zucker zu füttern. Jeder Pferdebesitzer ist ungehalten, wenn Fremde – ohne Zustimmung - zu seinen Pferden gehen und diese – ungefragt – füttern, weil man nie weiß, was verabreicht wird.
Es entspricht deshalb einer Gepflogenheit guten Benehmens, einem Pferdebesitzer die Absicht mitzuteilen bzw. seine Erlaubnis einzuholen – ungefragt diese Absicht umzusetzen ist verpönt.
Die mögliche, aber nicht nachvollziehbar erwiesene Rosse der Stute stellt per se auch fachlicher Sicht keinen Grund für eine besondere, verschärfte Verwahrung dar, solange keine Hengste im Nahbereich sind.
Von Klageseite wird als Grundlage der § 1320 ABGB – zweiter Satz: „Vernachlässigung der Verwahrung“ bemüht; aus fachlicher Sicht ist jedoch auch der erste Satz diese Paragrafen von forensischer Relevanz:

§ 1320 ABGB
1.    (1) Wird jemand durch ein Tier beschädigt, so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat.
2.    Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich, wenn er nicht beweist, dass er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte.

Für das vorgebrachte Ausschlagen der Stute sind aus fachlicher Sicht zumindest zwei Gründe in die Betrachtung einzubeziehen:
– Futterneid, wenn nicht beide Pferde zeitgleich den „Zucker“ bekommen haben;
– Berührungsempfindlichkeit, wenn von den vier in unmittelbarer Nähe der Pferde befindlichen Personen (zwei Erwachsene, zwei Kinder – eines am Arm der Mutter) eine unbedachte oder unbeabsichtigte Berührung am Hinterteil der Stute erfolgt ist.

Wie aus Beobachtung bekannt ist, fehlt Menschen, die keinen Umgang mit Tieren haben, das Wissen, dass Füttern von mehreren Tieren immer zeit- und mengengleich erfolgen muss, wenn kein Futterneid provoziert werden soll.

Futterneid als provoziertes und ausgelöstes Verhalten kann auch bei sonst sehr friedlich Tieren zu spontaner Aggression führen.

Die Beweglichkeit der an Bäumen angebundenen Pferde in einem Winkel von 360 Grad war bei Annäherung erkennbar: Wäre die klagende – später verletzte – Partei in sicherem Abstand verharrt, hätte sich der Unfall nicht ereignen können – erst durch den Umstand, dass sie, aktiv und wissentlich, die „kritische Distanz“ unterschritt, wurde der Unfall ermöglicht.

Der von der klagenden Partei beschriebene Unfallhergang konnte fachlich nicht nachvollzogen werden:
Wenn das Pferd mit beiden Hinterhufen ausgeschlagen hätte und dabei die Mutter mit einem Huf am rechten seitlichen Oberschenkel getroffen hat, hätte der Schlag mit dem zweiten Huf das Kind im Gesicht oder Vorderbrust treffen müssen, da es gemäß der Klageerzählung am linken Unterarm der Mutter saß und dabei – vermutlich – dieser das Gesicht zugewendet hatte.

Wäre jedoch die Blickrichtung des Kindes in der Gegenrichtung gewesen, hätte die Mutter das Kind mit ausgestreckten Armen vor sich hertragen müssen, damit es beim beidseitigen Ausschlagen parieto-okzipital getroffen worden wäre.

Aus sachverständiger Sicht wird der Unfall folgendermaßen rekonstruiert:

Durch das Annähern der Personengruppe mit den Kindern kam Unruhe bei den bisher ruhigen Pferden auf – speziell als begonnen wurde, Zuckerstücke anzubieten. Da vermutlich aber nur wenige Stücke Zucker verfügbar waren, begannen die Pferde zu betteln und Futterneid aufzubauen – beides beunruhigte die Menschen, es kam zu spontanen Bewegungen und Lautäußerungen.

Die Stute – möglichweise am Beginn der Rosse und „kitzlich“ - ist vermutlich mit ihrem Hinterteil entweder beim Wallach oder bei Menschen angestreift und hat deshalb „angedeutet“ – also eine Drohbewegung einer Hinterextremität ausgeführt – der als „Rempler“ am seitlichen rechten Oberschenkel der Mutter wahrgenommen wurde und deren Sturz zur Folge hatte – die schwere Verletzung entstand beim Bodenkontakt des Kindes – ein für einen Hufschlag typisches Verletzungsbild wird nicht beschrieben.


Der Pferdebesitzer als beklagte Partei hatte seine Pferde für vorhersehbare Imponderabilien ausreichend verwahrt, sie waren hoch genug, aber auch lang genug angebunden, waren ruhig, konnten grasen, haben sich nicht selbst befreit oder losgerissen und konnten aus geringer Entfernung ständig beobachtet werden – eine Erlaubnis zur Annäherung an die Pferde und ihre Fütterung hatte er nicht erteilt; insoferne hatte er auch nicht die Möglichkeit, eine Warnung auszusprechen, wie dies der Klagevertreter gefordert hat. Die Kinder waren unter der Aufsicht ihrer Eltern, der Pferdebesitzer konnte also nach Ansicht des Autors vom „gesunden Menschenverstand“ ausgehen.

Aus heutiger Sicht, also fast dreißig Jahre nach diesem Unfall, würde aus der Sicht des Gutachters in Anbetracht der Veränderung der Bevölkerungsstruktur und dem gesunkenen allgemeinen Bildungsgrad im Umgang mit Tieren noch hinzugefügt:
– Eine Aufsichtsperson hätte bei den Pferden bleiben müssen, die das Nähertreten von Personen und das Füttern der Pferde verhindert.
– In Anbetracht der Lage der Gastwirtschaft als Ausflugsziel in Stadtnähe ist zu erwarten, dass dort Menschen verkehren, die keinerlei Erfahrung, vor allem aber keinen Respekt vor (fremden) Tieren haben, weshalb  – vorhersehbar  – zu befürchten ist, dass Menschen unbefugt und ungefragt die „kritische Distanz“ zu den Pferden unterschreiten.

 

 Fotos aus dem Alltag: Obwohl bei diesem (grenznahen) Pferdebetrieb an allen Koppeln und Weiden zweisprachige Hinweisschilder zur Tiergefahr sowie gelbe Tafeln mit der Aufschrift „Füttern verboten“ angebracht sind, halten sich weder Erwachsene noch die, unter ihrer Aufsicht befindlichen Kinder daran.

„Hat die Mutter der Sorgfalt entsprochen?“ – war eine der Fragen an den Gutachter. Der Sachverständige hat diese Frage naturgemäß nicht in juridischem Sinne zu beantworten, sondern sach- und situationsbezogen auf die Pferde bzw. den Unfall:

„Wir (Mutter mit Kind am Arm) standen vorne im Kopfbereich des Pferdes. Dann ging ich mit dem Kind vom Kopfende weg seitlich einen Schritt zurück; der Grund, einen Schritt zurückzugehen in Richtung Rücken des Pferdes, war, um vom Kopfbereich wegzukommen, damit das Pferd nicht beißen kann.“ [zit.]

Aus fachlicher Sicht hätte die Mutter mit dem Kinde am Arm gar nicht so nahe an die Pferde herangehen dürfen, dass die Gefahr eines Bisses entstanden wäre, als sie dies erkannte, reagierte sie aber falsch – anstatt von den Pferden wegzugehen, bewegte sie sich in Richtung der Hinterextremitäten des Pferdes.

 
 


Das Dilemma
Es ist im modernen Journalismus in Mode gekommen, Überschriften und Schlagzeilen als Frage zu formulieren oder mit einem Fragezeichen auszustatten, um zu zeigen, dass deren Verfasser „intellektuell hinterfrägt“.

Diesem „Mainstream“ folgend, sollte die Überschrift zu diesem Kapitel wohl lauten:
„Paragraf 285 a ABGB – ist das Tier tatsächlich keine Sache?“  Vom Autor dieser Serie werden jedoch Antworten erwartet, keine Fragen!

Das Fremdwörterbuch des DUDEN (Band 5) definiert den Begriff Dilemma griechischen Ursprungs als „Wahl zwischen zwei (gleich unangenehmen) Dingen bzw. als Zwangslage“ –
Wird ein Pferd misshandelt oder gequält – aktiv oder passiv – so gibt es wohl kaum jemanden, der nicht der Meinung ist, dass Tiere allgemein aus dem „Sachbegriff“ ausgenommen werden müssen, also wie im ersten Satz § 285 a ABGB festgehalten ist: „Tiere sind keine Sachen, sie werden durch besondere Gesetze geschützt“ – das Tierschutzgesetz und der § 222 des Strafgesetzes sind neben anderen die zwei wichtigsten dieser Schutz- Gesetze.

 

Kommt es jedoch im Zuge eines vermuteten Behandlungsfehlers, eines Unfalles  oder eines Kaufes zu Schadenersatzforderungen, so haben die vermeintlich Geschädigten keine Hemmungen, den ihnen zugefügten, angenommenen Schaden  „an der Sache Pferd“ in Geldes Wert zu fordern.  Diese Möglichkeit hat der kluge und vorausschauende Gesetzgeber im zweiten Satz des § 285 a ABGB geschaffen, indem anerkannt wird, dass jedes Tier einen materiellen, Lieblingstiere zusätzlich einen ideellen, Wert haben können. Der materielle Wert kann z.B. durch Schätzung ermittelt und vor Gericht erstritten werden, der ideelle Wert wird stets und ausschließlich vom Gericht festgestellt und bestimmt.

 

Josef S. fuhr mit seinem Zweispänner aus Kleinpferden, bespannt mit Brustblattgeschirr vor einer Wagonette in Richtung B. Gegen 15.10 Uhr wurde er von einem PKW, dessen Lenker durch die Blendwirkung der tiefstehenden Sonne kurzzeitig die Sicht verloren hatte, von hinten angefahren. Der Fahrer des Gespannes wurde durch die Wucht des Aufpralles auf das Handpferd geschleudert und fiel von dort auf die Straße. Das Handpferd wurde zu Boden geschleudert, erhob sich noch einmal kurz, um dann an der Unfallstelle tot zusammenzubrechen. Das Sattelpferd blieb weitgehend körperlich unverletzt, entwickelte aber eine deutliche Schocksymptomatik. Am pferdebespannten Fahrzeug entstand schwerster Schaden, das Brustblattgeschirr wurde ebenfalls stark beschädigt. Der Fahrer des Gespannes wurde schwer verletzt mit dem NAW ins Krankenhaus transportiert. Auf Grund der Blitzartigkeit des Ereignisses fehlen ihm Erinnerungsdetails. Er war zum Zeitpunkt des Unfalles ohne Beifahrer am Gespann.
 

 

Da dem Grunde nach (Schuldfrage) die Sache klar war, hatte der Gutachter folgendes zu klären:
– Wert des zu Tode gekommenen Pferdes
– Wertverlust beim überlebenden Pferd
– Zeitwert des zerstörten Wagens und der geknickten Deichsel
– Zeitwert der zerstörten Geschirre

Für den interessierten Leser sind die verschiedenen Definitionen und Ansätze -also die „Tools“ um dem Gutachtensauftrag nachzukommen - bedeutsam:

Taxationsverfahren
– Vergleichswertverfahren
– Ersatzwertverfahren
– Ertragswertverfahren

Preis
Ein Preis ist ein Geldbetrag, der unter Berücksichtigung individueller Einflüsse zufällig für ein bestimmtes Wirtschaftsgut verlangt, geboten oder bezahlt wird.

Wert
Von einem Wert spricht man bei einem statistisch repräsentativen Durchschnittspreis (Mittelwert) von mehreren konkreten Preisen.

Verkehrswert
– Flexibler Wertbegriff, der keinem konkreten Wert zugeordnet werden kann.
– Ergebnis einer Schätzung, ist ein Wert > der halbe Schätzwert ist jedoch der Ausrufpreis
– Im ABGB wird der Terminus „Preis“ gleichbedeutend mit „Wert“ angewandt, nicht jedoch in der Taxationslehre

Marktwert
– Ist der ordentliche gemeine Preis, den eine bestimmte Sache zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort hat.
– Kommt beim Kauf zwischen Privaten zu tragen (Privatverkaufswert)
– Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der gewöhnlich im Geschäftsverkehr nach Beschaffenheit des „Wirtschaftsgutes“ bei einer Veräußerung zu erzielen wäre

Zeitwert
– Flexibler Wertbegriff, der keinem konkreten Wert zugeordnet werden kann.
– Beschreibt den Wert eines Objekts zu einem festgelegten Zeitpunkt
– Die Zeitkomponente wird bei der Wertermittlung berücksichtigt
– Bei Wirtschaftsgütern: der um die bisherigen Abschreibungen verminderte Anschaffungswert

Sachwert:
– Ist der von Wirtschaftsgütern verkörperte Gebrauchswert
– Ist unabhängig von Geldwertschwankungen
– Nur für Liegenschaften, Immobilien und im Sachwertverfahren

Ertragswert:
Der Wert von Rendite-Objekten wird durch Kapitalisierung der Nettoerträge, die mit diesen Objekten voraussichtlich erwirtschaftet werden, ermittelt.
– Ertragswertverfahren
– Vermietung und Verpachtung
Für die Wertermittlung von Pferden, die Erlöse erzielen: Mietpferde, Zuchtstuten, Deckhengste, Rennpferde, Stuntpferde

Vergleichswert
– Ableitung des Wertes aus tatsächlichen erzielten Verkäufen vergleichbarer Objekte
Pferde: Rasse, Schlag, Geschlecht, Alter, Farbe, Pedigree, Ausbildungsstand nach objektivierbaren Daten

Wiederbeschaffungswert (Händlerverkaufswert)
– Darunter versteht man den Durchschnittspreis, der am redlichen inländischen Markt bei einer Wiederbeschaffung vom Geschädigten voraussichtlich zu zahlen sein wird.
– Objektiv - abstrakte Ermittlung des allgemeinen und gewöhnlichen Nutzens zum Zeitpunkt einer Beschädigung
– Durch Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung
Der Begriff „Totalschaden“ ist bei Pferden wegen ihrer Individualität nicht anwendbar – ein zu Tode gekommenes Pferd kann nicht 1:1 wiederbeschafft werden
 
Affektionsinteresse – Wert der besonderen Vorliebe
– Bezifferung eines immateriellen Schadens
– Bemessung durch das Gericht, nicht durch den SV
– Kein Vermögensschaden

Wertminderung
– Wertminderung durch planmäßigen oder außerplanmäßigen Wertverlust von Gütern durch Schäden oder Nutzungseinschränkung
– Differenz von Zeitwert vor Schadenseintritt zu Zeitwert nach Schadenseintritt

Merkantiler Minderwert
– Schönheitsfehler oder Funktionsbeeinträchtigung
– Altersabhängige Wertminderung
– Ausbildungsdefizite
Gefühlsmäßige Abneigung beim Käuferpublikum bei (vermuteten)bleibenden körperlichen und/oder psychischen Schäden z.B. Unfallfolgen, Behandlungsfehler, Naturereignisse.
Im Gegensatz zu Fahrzeugen, wo die merkantile Wertminderung üblichen Formeln (z.B. Salzburger Modell) unterliegt, ist bei Pferden die Einschätzung eines „merkantilen Minderwertes“ wesentlich diffiziler: Ist ein körperlicher Schaden eventuell noch nachvollziehbar durch Narben, Farbveränderungen des Haarkleides usw., so ist der „Nachweis“ eines psychischen und /oder Schmerz-bedingten Traumas, nachdem Zeit verstrichen ist, nahezu unmöglich.
Deshalb bergen Pferde, die nach Unfällen oder anderen physischen oder psychotraumatischen Insulten nachwirkend geschädigt wurden, ein erhöhtes Risiko im täglichen Umgang, das jedoch durch keine Kaufuntersuchung aufgedeckt werden kann – unumgänglich ist infolgedessen, dass der Verkäufer den Kaufinteressenten über die gesamte ihm bekannte Geschichte eines Pferdes aufklärt, will er sich nicht „arglistiges Verschweigen“ vorwerfen lassen. Bei Pferden mit vielen Vorbesitzern kann jedoch diese Kette der Transparenz – absichtlich oder zufällig – unterbrochen sein.
Klärt ein Verkäufer aber den möglichen Käufer eines Pferdes über bedeutsame traumatische Ereignisse körperlicher und/oder psychischer Art auf, wird dieser entweder vom Kaufinteresse Abstand nehmen oder den verlangten Preis drücken – also nur bereit sein – einen merkantilen Minderwert zu bezahlen.
Der Verfasser kann sich an eine Vielzahl von Pferden erinnern, die auf Grund solcher Ereignisse unbrauchbar geworden sind – deshalb die Empfehlung:
Traumatische Ereignisse (Verkehrsunfälle, Stürze, Gewalteinwirkungen auf Pferde) sollten in ihrer Schwere und Dimension nie nur danach bemessen werden, ob „Blut geflossen“ ist – gerade „gedeckte“ Verletzungen mit Schäden an Muskeln, Knochen oder Stützgewebe können sehr schmerzhafte, bleibende Areale hinterlassen, die bei kleinsten Irritationen infolge des assoziativen Schmerzgedächtnisses plötzlich und unvorhersehbar zu heftigen Reaktionen wie Ausschlagen, Beißen oder Durchgehen führen.
Nach jedem, auch scheinbar glimpflich verlaufenem, Trauma müssen Pferde deshalb einer sorgfältigen medizinischen Untersuchung am gesamten Körper unterzogen und das Ergebnis in einem Untersuchungsprotokoll dokumentiert werden. Video- und Fotomaterial kann wertvolle Unterstützung sein.

Univ.Lektor VR Mag. Dr. Reinhard Kaun
http://www.pferd.co.at | http://www.pferdesicherheit.at

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