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Gerichtsgeschichten & Pferdesachen: Gewährleistung
15.07.2023 / News

Im Laufe seiner jahrzehntelangen Tätigkeit hat der Tierarzt und gerichtlich beeidete Sachverständige Dr. Reinhard Kaun – der auch ein Leben lang Reiter, Gespann-Fahrer und Turnierrichter war – einen einzigartigen Wissensschatz zusammengetragen, der nahezu jeden Aspekt im Umgang mit Pferden berührt, der zu rechtlichen Problemen oder sogar zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen kann. Einen wichtigen Teil davon hat er im Handbuch „Über die forensische Relevanz im Umgang mit Pferden" zusammengefasst und systematisch dargestellt – von allgemeinen Fragen des Handlings und Umgangs mit Pferden bis zu Themen wie tierärztliche Sorgfaltsfehler, Pferdekauf, Schadenersatz, Wertermittlung, Strafrecht und Regelwerke, Tiertransporte, Straßenverkehrsordnung sowie Unterricht und Veranstaltungen, um nur einige zu nennen. All diese Themen sollen in der neuen Serie „Gerichtsgeschichten & Pferdesachen" auszugsweise und anhand real erlebter, aussagekräftiger Geschichten dargestellt und illustriert werden, die aus Gutachten von 1989 bis 2000 stammen. Jede Folge soll auf diese Weise Fachwissen vermitteln, vor allem aber auch das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit für einen möglichst sicheren und von ethischen Prinzipien getragenen Umgang mit dem Partner Pferd schärfen.

In der vierten Folge seiner Serie behandelt Dr. Reinhard Kaun ein Thema, das in der Pferdeszene große Bedeutung hat und regelmäßig für rechtliche Auseinandersetzungen – etwa nach einem Pferdekauf – sorgt: Gewährleistung.

Wenn vor den TV-Abendnachrichten eine aparte Moderatorin die gewinnreichen Lottozahlen verkündet, pflegt sie zum Abschluss hinzuzufügen:
„Diese Angaben sind – wie immer – ohne Gewähr.“
Befrägt man hilfsweise nun den DUDEN, so wird man aufgeklärt: „Gewähr ist etwas, was die Versicherung enthält bzw. verbürgt, dass etwas so wie erwartet oder angegeben ist.“ Daraus leitet sich, was in der Welt der Pferde von großer Bedeutung ist, ab – „Gewähr zu leisten“.
Wenn man nun nüchtern betrachtet, dass hier (TV) nicht einmal für die Richtigkeit von einem guten Dutzend Zahlen gebürgt wird, so kann man doch folgern, dass dort – in der vielfältigen Welt des Pferdes – nicht für Alles und Jedes eingestanden werden kann.

 

„Recht“ – welches angewandt werden muss, um die Notwendigkeit oder Rechtmäßigkeit einer Gewährleistung sachbezogen festzustellen und juridisch darzustellen – ist nicht immer einheitlich und  europaweit gleichermaßen anzuwenden, sondern stellt eine außergewöhnlich komplizierte und länderspezifische Gesetzesmaterie dar.
Der Verfasser dieser Zeilen beschränkt sich auf die rein hippologisch-fachliche Sicht der Interpretation – die intime Auslegung der umfangreichen Gesetzesmaterie bleibt dem dafür berufenen Stand der Juristen vorbehalten.

 

Gewährleistung § 922 ABGB                                
Wenn jemand eine Sache auf eine entgeltliche Art einem Andern überlässt, so leistet er Gewähr, dass sie die ausdrücklich bedungenen, oder gewöhnlich dabei vorausgesetzten Eigenschaften habe, und dass sie der Natur des Geschäftes, oder der getroffenen Verabredung gemäß benützt, und verwendet werden könne.

 

Eine Gewährleistungspflicht besteht also darin, dass jemand, der eine Sache, in unserem Zusammenhang also  eine „Sache Tier“, einem anderen überlässt, für Mängel einzustehen hat, die dieser „Sache“ zum Zeitpunkt der Erbringung der Überlassung anhaften.   
Der Käufer, selbst eines sehr einfachen technischen Gerätes – die nachstehend angeführten Beispiele stammen aus dem Manual von einem Fuß-Massagegerät, einer Body Cam und einem Diktiergerät -   wird in unseren Tagen mit einem umfangreichen, gedruckten Anweisungskonvolut konfrontiert, bei dessen Nicht- Einhaltung drastische Konsequenzen in Hinblick auf die Gewährleistungspflicht in Aussicht gestellt werden (Beispiele):
– Produkt vor Feuchtigkeit schützen
– Produkt vor direkter Sonneneinstrahlung schützen
– Diese Garantie gilt nur für Produkte, die der Käufer als Verbraucher erworben hat und ausschließlich zu persönlichen Zwecken im Rahmen des häuslichen Gebrauchs.
Ausdrücklich ausgenommen von einer Garantie (Beispiele):
– Unfall, Missbrauch, Verunreinigung oder andere äußere Ursachen
– Verlust oder Beschädigung beim Transport
– Schäden, die durch Nichtbeachtung der Sicherheitshinweise oder der Bedienungsanweisung entstanden sind.
– Produkte, die unsachgemäß und/oder entgegen den Bestimmungen der Bedienungsanleitung verwendet, gelagert oder gewartet wurden.
– Darf nicht in die Hände von Kindern gelangen.
– Lassen Sie das Produkt nicht an einem Ort, den Kinder oder Kleinkinder erreichen können.

Umgelegt auf den Handelsverkehr mit Pferden wären bei den oben angeführten Gewährleistungs-Ausschlüssen zumindest 50 % an gerichtsanhängigen Zwischenfällen nicht zustande gekommen – aber Technik lässt sich nun nicht 1:1 auf die Welt der Tiere übertragen – bewusst schränke ich hier nicht auf Pferde und hippologische Aspekte ein, denn Ansätze einer ähnlichen Fehlentwicklung wie im Reit- und Fahrsport sowie der Pferdehaltung ganz allgemein sind mittlerweile auch in der Kynologie, also der Wissenschaft von Hunden zu verzeichnen.
Hält man sich nun vor Augen, dass es in
Österreich    766.000 Hunde        120.000 Pferde                                      
Deutschland     6-8 Millionen Hunde     1,7 Millionen Pferde           
Schweiz     544.000 Hunde        105.000 Pferde
gibt, so ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zu vermuten, dass nicht alle Eigentümer, Besitzer, Reiter, Fahrer oder Halter die „Gebrauchsanweisung für Pferde oder Hunde“ kennen oder befolgen – ein Grund für die große Zahl an Unfällen und Gerichtsfällen.
Hand in Hand mit dieser Entwicklung geht naturgemäß eine andere, die dazu beiträgt, dass der rechte Kurs verlassen wird: Hobby-, Katheder- und Schreibtischhippologen und – kynologen, die selber nie im Sattel oder am Bock gesessen  oder Pferde und Hunde gehalten haben, überschwemmen mit allerlei fragwürdigen Zertifikaten und „weltweiten“ Zeugnissen – möglichst viele Buchstaben hinter dem Namenszug bedeuten offensichtlich mehr als rechtmäßig erworbene Titel davor - die Welt und sorgen mehr für Verwirrung als für Kurskorrektur.   

           

Die Kynologie (griechisch κύων kýōn, deutsch ‚Hund‘ und -logie) ist die Lehre von Rassen,[1] Zucht, Pflege, Verhalten, Erziehung und Krankheiten der Haushunde.[2]
Kynologe ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Es gibt keinen Lehrstuhl für Kynologie, aber seit Oktober 2010 einen Universitätslehrgang Angewandte Kynologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.[3] Außerdem gibt es Wissenschaftler mit kynologischer Schwerpunktsetzung wie Dorit Feddersen-Petersen oder Hansjoachim Hackbarth.
Es existieren Stiftungen zur Finanzierung kynologischer Forschung wie zum Beispiel die Albert-Heim-Stiftung am Naturhistorischen Museum Bern[4] und die Gesellschaft zur Förderung Kynologischer Forschung.[5]
In jüngerer Zeit findet sich als alternative Bezeichnung für die im universitären Rahmen betriebene Kynologie auch der englische Begriff der Canine Science ‚Hundewissenschaft‘ oder ‚Wissenschaft des Hundes‘.[6]

zit. Wikipedia


Frau K. kaufte per Handschlag eine Holsteiner-Stute, in erster Linie, um das Pferd als Fahrpferd einspännig einzusetzen – und – in zweiter Linie, um später einmal vielleicht mit der Stute zu züchten. Von einem Besuch zur Besichtigung des Pferdes wusste Frau K., dass die Stute beim Verkäufer im Zwei- und Vierspänner Dienst versah – die Absicht, die Stute in der Zucht einzusetzen, war dem Verkäufer seiner Angabe zufolge unbekannt.
Der Ehemann von Frau K., auf dessen Drängen der Kauf der Stute dann erfolgte, unternahm eine Reihe von Versuchen, sie zufriedenstellend als Einspänner zu fahren, was sich jedoch als zunehmend schwierig und zu guter Letzt als unmöglich erwies. Das Angebot des Verkäufers, die Stute zum Training wieder zu ihm zu bringen, nahm er an und im Vierspänner ging sie ohne Probleme und freudig.
Spätere neuerliche Versuche, das Pferd einspännig zu fahren, scheiterten wiederum und wurden schließlich aufgegeben – das Gericht wurde angerufen.

Symbolbild

 

Befunde:
– Zweck des Ankaufes war, die Stute als Fahrpferd einspännig einzusetzen.
– Während einer Probezeit von drei Wochen gab es massive Schwierigkeiten, das Pferd einspännig zu fahren.
– Der Verkäufer hat anlässlich der Verhandlungen ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass die Stute bei ihm lediglich mehrspännig, dies jedoch ohne Probleme, gefahren worden ist.
– Da die Stute am Seitenbauch eine, gemäß Vorgeschichte von einem Unfall herrührende, undefinierte Umfangsvermehrung aufwies, war sie mit € 1.500,00 sehr billig.

Aussagen der Käuferin (Klägerin)
– „Wir haben dann vereinbart, dass wir das Pferd für 3 Wochen auf Probe nehmen…..
– Wir haben dann zu Hause das Pferd in das Kutschengeschirr eingespannt und zeigte sich, dass das Tier sehr wild und ungestüm darauf reagierte – dies hat mein Mann gemacht.
– Während der restlichen Probezeit haben wir das Tier nicht mehr weiter unter Stress versetzt, insbesondere nicht mehr versucht, es ins Geschirr einzuspannen. [….] Nachdem das Tier noch nicht eingeritten war, haben wird die verbleibende Zeit eher dafür genutzt, das Tier einzureiten.
– Jedenfalls war der Status dann so, dass das Pferd sich zum zweispännig ziehen durchaus eignete und brav war. Wir dachten uns, dass wir an diesen Erfolg anknüpfen könnten […..]Hierbei stellte sich heraus, dass das Tier wie bisher in den ersten drei bis vier Tagen ohne Probleme zum einspännig Ziehen einzusetzen war und anschließend dies unmöglich war, sie hat sich gespreizt, ist rückwärtsgegangen und war nicht zum Gehen zu bewegen…..“ [zit.]

Aussagen des Ehemannes der Käuferin (Klägerin)
– „Ich habe im benachbarten Ausland einen Trainerkurs absolviert und habe auch eine Trainerausbildung
– Seit 5 Jahren beschäftige ich mich mit dem Kutschenfahren…
– Ich würde mich selbst als Pferdeprofi bezeichnen…
– Wenn wir das Pferd eine Zeit lang in Ruhe gelassen haben, war es dann so, dass die erste Zeit der Einsatz möglich war und nach einigen Tagen dies wieder unmöglich war.“ [zit.]


Befundaufnahme durch den bestellten Sachverständigen
– Das verwendete Brustblatt ist zu breit, drückt auf die Luftröhre und behindert das Buggelenk (Scheuerstellen).
– Unpassender Fahrzaum, Schnalle des Backenstücks drückt auf die Gesichtsleiste, die im zweiten Loch verwendete Postkandare „strotzt“, die (Reit-)Kinnkette ist zu eng angebracht. Der Nasenriemen hat bereits eine Eindellung am Nasenrücken hinterlassen, der Kehlriemen liegt straff an.
– Anstatt eines Sellets wird ein Teil eines Zweispänner-Geschirres verwendet, infolge des zu kurzen Brustblattes wird der Kammdeckel auf den Widerrist gezogen und hat dort eine blutige Scheuerstelle verursacht.
– Der Umgang für das Hinterzeug liegt in der Kniekehle.
– Die Stränge werden mit einer Strohschnur an den Anzen festgebunden.


Sachverständige Fallanalyse
Dem Ehemann der Käuferin (Klägerin), der als Wortführer auftrat und der sich selber als „Pferde-Profi“ bezeichnete, musste klar sein
– dass ein Pferd, das bisher ausschließlich zweispännig oder vierspännig gefahren wurde, das alleinige und dauernde Ziehen im Einspänner- Dienst erst lernen muss, ebenso wie die Verwendung im Geschirr ohne Teamgefährten.
– dass ein Pferd, das bisher ausschließlich in Kummet-Anspannung verwendet wurde, sich an die Brustblatt- Anspannung erst gewöhnen muss, insbesondere wenn diese schlecht angepasst und fehlerhaft positioniert ist.
– dass die Umstellung von Liverpool – Kandare auf Postkandare gewisse Zeit benötigt.
– dass das Pferd bei Übernahme nicht im Training war.
– dass die Vielzahl der Beschirrungs- und Anspannungsfehler einen ordnungsgemäßen Einsatz des Pferdes verhindern musste.
Da der Ehemann der Käuferin (Klägerin) sich als ihr „Trainer“ darstellte, sind alle aufgezeigten Fehler der Klageseite zuzuordnen.
Die Klage auf „Nichtigerklärung des Kaufvertrages“ mit Wandlung des Kaufes wurde vom Gericht abgewiesen.

 

 Man spricht – zu Recht – von Reit- und Fahrkunst: neben dem virtuosen Zusammenspiel mit Pferden muss eine Person, die sich dieser „Kunst“ verschreibt, auch das „Handwerkliche“ beherrschen: Reit- und Fahrlehre, Besattelungen und Beschirrung, täglicher Umgang und Pflege, Trainingsprinzipien. 

 

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass eine Waschmaschine, ein Massagegerät oder ein Diktaphon bei einer solchen Häufung von Anwendungsfehlern dauerhaft den Dienst quittieren würde – ein technisches Gerät wäre infolge fehlerhaften Gebrauchs zerstört; nicht so ein Pferd oder ein anderes Lebewesen, es lebt weiter auch in der Hand von Ignoranten und Tierquälern, aber psychisch, oft auch körperlich, schwer verletzt - der Weg zu „Abstaubern und Schnäppchenjägern“ ist frei, ein jahrelanger Leidensweg ist meist vorgezeichnet.      

Im Lichte der realen Geschichte sollten also sowohl Zusicherungen wie auch Wunschvorstellungen möglichst ihre Deckung finden. Fragwürdige und problematische Zusicherungen sollten jeweils auf ihren Gehalt geprüft und mit den eigenen Vorstellungen verglichen werden:

Brav, gesund und leicht zu reiten: eine Zusicherung, die wohl jeder Pferdekäufer gerne akzeptiert – die Frage ist, ob der Käufer das Wissen und das Können im Umgang mit Pferden hat, diese zugesicherten Eigenschaften „abzurufen“.
Problemlos im Umgang: jede Person, die mit Pferden umzugehen beabsichtigt, muss deren Sprache und Ausdrucksformen kennen oder – vor der Übernahme – durch Beobachtung kennenlernen. Scheinbare Selbstverständlichkeiten wie Führen aus dem Stall, Anlegen von Halfter und Zaumzeug, Satteln und Aufschirren, Reinigen der Hufen bzw. Aufheben der Beine und vieles andere kann beim Verkäufer eine spezielle Handschrift haben, ein Abgehen von Gewohnheiten verunsichert Pferde jedoch!

– In Zeiten, in denen Pferde vorwiegend durch Militärpersonen ausgebildet wurden, herrschten klare Reglements zu allen notwendigen Handlungsabläufen wie Füttern, Putzen, Hufpflege, Ausmisten, Führen an der Hand, Aufzäumen, Satteln, Aufstellen und Aufsitzen bzw. Aufschirren, Aufstellen und Anspannen.
– Die jeweils mit militärischer Disziplin und Reihenfolge abgeführten Handgriffe und Tätigkeiten machte die Obsorge für die Pferde von persönlichen Launen und Variationen ihrer Pfleger, Reiter oder Fahrer unabhängig, gab ihnen Sicherheit und innere Stabilität, unabhängig von der Muttersprache der Menschen.  
– Die Jahrhunderte lang übliche Regel, dass alle Manipulationen (der Adjustierungsnotwendigkeit folgend) von des Pferdes linker Seite erfolgen (Herantreten, Ab- Aufhalftern, Aufzäumen, Satteln und Übersatteln, Führen, Aufsitzen) hat heute kaum mehr Bedeutung; wurde ein Pferde jedoch mit solchen Traditionsmanieren erzogen und ausgebildet, kann das Abgehen davon – verbunden mit einem Umgebungswechsel – zur schweren Verunsicherung führen.
– Dieses Phänomen kann bei Verkauf eines Pferdes oder bei Pferdewechsel zur Irritation des Pferdes  
(im Sinne von „Antreiben, Reizen“ - § 1320 ABGB) führen, weil es für die täglichen Verrichtungen keine Norm bzw. „Gebrauchanweisung“ – keine klare, dem Pferde verständliche „Sprache“ mehr gibt, was in der Folge zu seiner Verwirrung führt.  Es hat sich ein Kauderwelsch in der Kommunikation zwischen Mensch und Pferd herausgebildet, mit dem „Erfolg“, dass das gegenseitige Vertrauen und  Verständnis abhandengekommen ist, weil Jeder und Jede glaubt – frei nach Frank Sinatra – richtig ist, „when I do it my way“!
– Ein Wandlungsbegehren wegen angeblichen Fehlens zugesicherter Eigenschaften ist oft die Folge – in Wirklichkeit liegen Verständigungsschwierigkeiten vor!
– Pferdekäufer sollten sich deshalb geraume Zeit nehmen, im Stall des Verkäufers die „Üblichkeiten“ im Umgang mit Pferden und bei  Standardabläufen  kennen zulernen.
 

Anfängertauglich: ist einer der schwammigsten Begriffe – in der Folge von Unfällen wird dann mit advokatorischer Hilfe meist ein „blutiger Anfänger“ – einem solchen sollte aber weder ein Pferd verkauft noch übergeben werden – Anfänger gehören in die Reitschule!

Kindertauglich: ist eine besonders gefährliche Zusicherung, zumal sie beim Käufer oder Übernehmer eines Pferdes auch mit der irrigen Vorstellung verbunden ist, man könnte „Kinder jeden Alters“ ohne Aufsicht mit Pferden solcher Zusicherung alleine lassen.

Freizeit- und Ausreitpferd: eine solche Beschreibung bezieht sich meist auf Pferde, die im Leistungs- oder Turniersport nicht oder nichtmehr einsetzbar sind oder versagt haben. Die Zusicherung „Ausreitpferd“ beinhaltet einen hohen Grad von Verlässlichkeit – zu fragen ist, ob der Mensch im Sattel in der Lage ist, dem Pferde die Sicherheit geben kann, verlässlich zu sein. Welche Reitweise ist beabsichtigt: englisch, western, iberisch. Trainingszustand.

 


Ausgebildet / geritten bis Klasse XX: Zusicherungen, die sich auf den Ausbildungs- bzw. Förderungsgrad eines Pferdes beziehen, können in der Regel durch Vorlage von Ergebnislisten untermauert werden – offen bleibt meist die Frage, ob ein künftiger Reiter oder Fahrer über ein Können verfügt, das dem des Pferdes entspricht – je höher das Schwierigkeitsniveau ist, umso diffiziler wird die Verständigung durch Hilfen. Es ist ratsam, gemeinsam mit dem Verkäufer den Weg zum Pferde zu suchen und finden.

Eingespannt: Viele Fragen ergeben sich aus dieser Zusicherung

– Einspännig – ohne Begleitpferd ausgefahren
– Zweispännig – in welcher Position
– Vierspännig – in welcher Position
– Geschirrtyp, Gebiss – Passform
– Einsatz >Turnier, Gesellschaftsfahrten, kommerzielle Fahrten
– Wagentyp > starre Bracke oder Spielwaage
– Trainingszustand


Das OLG Graz hielt in einer Entscheidung [RS 41 Cg 71/XX] zu diesem Thema fest:

– Der Mensch als das dem Pferd übergeordnete Wesen muss ihm Sicherheit geben, um jederzeit Vertrauen, Kontrolle und Verwahrungssicherheit auszustrahlen.  
– Diese grundlegende Vertrauensbrücke nach dem Ankauf eines Pferdes aufzubauen oder wieder herzustellen, ist das oberste Gebot des Pferdesportlers und ist nicht delegierbar.
– Ist dieses Grund- und Urvertrauen zwischen Pferd und Reiter nicht vorhanden, beginnt ein sensibles Pferd regelmäßig auszuloten, wie weit es die Grenzen zum Ungehorsam erweitern kann.
– Die Klägerin versuchte nach Ankauf des noch jungen und hoch im Blut stehenden Pferdes dieses Defizit mit Beritt durch einen anderen Reiter auszugleichen.
– Während die Klägerin ihrerseits nicht in der Lage war, dort anzuknüpfen, wo das Pferd unter der Beklagten im Ausbildungsstand positioniert war, vermeinte der mit dem Beritt beauftragte Reiter, das Pferd „brechen“ und dessen vermeintlichen Ungehorsam austreiben zu müssen. Während der Dauer seines Berittes hat sich das Pferd kontinuierlich verschlechtert. Der beauftragte Reiter hat das Pferd auf grobe Art verritten und es somit weiter von der Klägerin entfernt.
Ein anfängertaugliches Pferd muss folgende Eigenschaften aufweisen: Ehrlich, ruhig, psychisch belastbar, nicht schreckhaft, angenehm zu sitzen, problemlos im Handling. Diese Grundeigenschaften sind einem Pferd jedoch nicht eingebrannt, sondern können sich durch Umgang, Fütterung und Haltung auch innerhalb kurzer Zeit verändern. Das verfahrensgegenständliche Pferd war jedenfalls bis zum Beginn der Intervention durch beauftragten Reiter zum definierten Gebrauch durch die Klägerin als Reitanfängerin bzw. Wiedereinsteigerin geeignet. Es wies zum Kaufzeitpunkt die vereinbarten Eigenschaften „ruhig und geduldig“ im Rahmen einer normalen und üblichen Bandbreite für Freizeitpferde auf. Eine besondere, über die Bandbreite und Toleranzgrenze der typischen Tiergefahr hinausgehende Schreckhaftigkeit lag nicht vor.  
Die reiterlichen Probleme fallen mit dem Beginn der Intervention des beauftragten Reiters zusammen, einerseits in Form seines Reitunterrichts, andererseits durch seinen Beritt. Sein Reit-Stil und Ausbildungsmodus waren für das verfahrensgegenständliche Pferd nicht geeignet. Er hat das Pferd rasch und anhaltend verdorben. Steigen ist ein nicht untypisches Verhaltensmuster bei Hengsten im Kampf, für Stuten hingegen nicht typisch. Eine Stute steigt, wenn ihr Schmerz zugefügt wird, speziell, wenn die Zügelhilfen grob eingesetzt werden. Sein Beritt des Pferdes zwang dieses aufgrund unklarer Hilfen und provokanter Forderungen zum Steigen, denn vorwärtstreibende Hilfen (mit Sporen und Kreuz) und gleichzeitig applizierte verwahrende (bremsende) Hilfen mit Zügel und Gebiss lassen dem Pferd nur den Weg „nach oben“ offen. Schmerzen in der „Lade“ (Gebisslage im Maul) sind für das Pferd sehr eindrucksvoll und setzten sich im Schmerzgedächtnis fest. Um diesem Schmerz zu entgehen, kann sich das Verhaltensmuster „Steigen“ als habituelle Schmerzprophylaxe sehr rasch im Pferd verankern. Es gibt nämlich keinen Befund, der „Steigen“ als Verhaltensmuster der verfahrensgegenständlichen Stute zum Zeitpunkt der Übergabe vermuten ließe.
– Dass das verfahrensgegenständliche Pferd vor der Übergabe anfängertauglich, brav und ruhig war, ergab sich nicht nur aus den diesbezüglichen Schilderungen der Zeuginnen, sondern auch aus der sachverständigen Untersuchung anlässlich der Befundaufnahme. Dabei wurden mit der Fremdreiterin mehrfach kritische Situationen nachgespielt, wie sie auch während des Trainings durch den, mit Beritt beauftragten Reiter stattfanden, wobei sich aber keine Auffälligkeiten bemerkbar machten. Ganz im Gegenteil, das Pferd passte sich an seine Reiterin an, nahm die Hilfen dankbar an und meisterte so auch schwierige Situationen ohne Probleme.
– Bereits im Urteil des Erstgerichtes war festgehalten worden, dass der Käufer eines Pferdes dieses so pfleglich zu behandeln habe, dass im Falle einer Wandlung das zurückgegebene dem übernommenen Pferd entspricht. Dass ein Pferd auch zukünftig unter dem Sattel und im Geschirr einsetzbar bleibt und gehorsam ist, liegt auch in der Verantwortung des Käufers (Übernehmers). Dass die Erwartungen des Käufers (Klägers) nicht erfüllt werden konnten, lag nicht am Pferd als solches, sondern vielmehr an seinen eigenen mangelhaften Erfahrungen, es ordnungsgemäß weiter zu betreuen. [zit.]

 

Damit ist klar ausgedrückt, dass beim Handel mit Tieren sowohl die Verkäufer- wie auch die Käuferseite in der Pflicht ist – bei Pferden ist z.B. häufig die Frage zu stellen: Können Käufer nachvollziehen, was das Pferd schon kann?
Der Erwerb eines Tieres ist eine Lebensentscheidung mit weitreichenden Konsequenzen – ein Tier „legt man sich nicht zu“, sondern man nimmt es im Bewusstsein der damit verbundenen Verpflichtung in die persönliche Sphäre auf: der „Internet-Bestell-, Rücksende- und Umtauschgesellschaft“ scheint dies nicht immer klar zu sein.

Univ.Lektor VR Mag. Dr. Reinhard Kaun
http://www.pferd.co.at | http://www.pferdesicherheit.at

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