Pergolid-Alternative: Neue Behandlung für Cushing-Pferde 06.05.2024 / News
Vor allem ältere Pferde sind sehr häufig von Cushing betroffen – typische Symptome sind ua. ein übermäßiger Haarwuchs, Muskelschwund sowie eine Neigung zu Hufrehe. / Symbolfoto: Archiv/University College Dublin
Einer aktuellen Studie zufolge könnte Cabergolin eine vielversprechende Behandlungsoption für Pferde mit Cushing-Syndrom sein – und eine effektive Alternative für das vielfach eingesetzte Pergolid.
Morbus Cushing oder Hypophysen-Pars-Intermedia-Dysfunktion (PPID) ist die häufigste endokrine Erkrankung bei älteren Pferden und kommt in der klinischen Praxis verbreitet vor – epidemiologische Studien haben eine Krankheitsprävalenz von etwa 15–30 % bei Pferden über 15 Jahren gezeigt.
Zu den mit Cushing verbundenen klinischen Symptomen gehören übermäßiger Haarwuchs (Hypertrichose), Hufrehe (Laminitis), vermehrte Harnausscheidung (Polyurie), ein krankhaft gesteigertes Durstgefühl (Polydipsie), Lethargie, Muskelschwund und verzögerte Wundheilung.
Cushing ist auf eine erhöhte Aktivität im Zwischenlappen der Hypophyse (Hirnanhangdrüse) zurückzuführen. Diese übermäßige Aktivität wird Nervenschäden zugeschrieben, die ihre Regulierung beeinträchtigen, wobei Dopamin als entscheidender Neurotransmitter fungiert. Bei einem Mangel an Dopamin wird die Hypophyse überaktiv, was zur Ausschüttung verschiedener Hormone führt, etwa des adrenocorticotropen Hormons (ACTH).
Neben einer guten Haltung umfasst die Behandlung von PPID u.a. auch den Einsatz sogenannter dopaminerger Agonisten, die die Peptidsekretion aus der Pars intermedia reduzieren. Dopaminerge Agonisten sind Medikamente, die die Wirkung von Dopamin nachahmen, sie wirken durch die Stimulierung von Dopaminrezeptoren in der Hypophyse. Diese Stimulation führt zu einer Hemmung der Freisetzung bestimmter Hormone, einschließlich ACTH, und lindert dadurch klinische Symptome wie abnormales Haarkleid, Muskelschwund und Hufrehe.
Pergolid, ein Dopamin-Agonist, gilt heutzutage als primäre Behandlung zur Behandlung von Cushing und ist für die orale Verabreichung bei Pferden zugelassen. Allerdings kann es bei einigen Pferden zu einer Resistenz gegen die tägliche orale Gabe kommen. Cabergolin, ein weiterer Dopaminagonist wie Pergolid, ist derzeit nicht für die Anwendung bei Pferden zugelassen.
Eine kürzlich von Tania Sundra von Avon Ridge Equine Veterinary Services in Brigadoon, WA, Australien, zusammen mit Kollegen durchgeführte retrospektive Studie untersuchte die Wirksamkeit der intramuskulären Injektion von Cabergolin mit verlängerter Freisetzung (ERC) bei der Behandlung von Cushing. Obwohl diese Behandlungsmethode nicht zugelassen ist, wird sie in der klinischen Praxis zunehmend off-label zur Behandlung von PPID eingesetzt. Die Studie untersuchte klinische Aufzeichnungen von Privatpferden mit PPID, die sich in der Avon Ridge Equine Clinic einer intramuskulären Cabergolin-Behandlung unterzogen hatten.
Die Studie untersuchte die kurzfristigen (5–8 Tage) und längerfristigen (12 Monate) klinischen und endokrinologischen Reaktionen auf zwei Cabergolin-Dosen: eine niedrige Dosis (0,005 mg/kg) Cabergolin mit verlängerter Freisetzung (LDERC) und eine hohe Dosis (0,01 mg/kg) Cabergolin mit verlängerter Wirkstofffreisetzung (HDERC).
Die Ergebnisse waren durchaus vielversprechend: Fünf bis acht Tage nach der ersten niedrigen Cabergolin-Dosis war die mittlere Konzentration von ACTH niedriger und reduzierte sich von 153 pg/ml auf 57 pg/ml. (pg = 1 Pikogramm = 1 Billionstel Gramm). Bei der höheren Cabergolin-Dosis betrug die mittlere ACTH-Konzentration ebenfalls 153 pg/ml vor und dann 56 pg/ml nach 5–8 Tagen Behandlung. Über einen Behandlungszeitraum von 12 Monaten lag die ACTH-Konzentration bei der niedrigen Cabergolin-Dosierung zwischen 14 und >1.250 pg/ml (Median: 51 pg/ml) und bei der höheren Dosierung zwischen 20 und 472 pg/ml (Median: 50 pg/ml). Bei 39,3 bzw. 52,3 % der mit LDERC bzw. HDERC behandelten Pferde blieben die Messwerte über dem saisonalen Referenzbereich.
Ähnliche Reaktionen wurden jedoch auch in früheren Studien zur Behandlung von PPID mit Pergolid festgestellt, wie die AutorInnen anmerkten. Dennoch wurden die Behandlungs-Fortschritte auch von den Haltern bzw. Besitzern der Pferde bestätigt: Sie berichteten von einer klinischen Verbesserung bei 78,3 % bzw. 100 % der mit niedriger bzw. höherer Dosierung behandelten Pferde.
Häufige Nebenwirkungen von Dopamin-Agonisten wie verminderter Appetit, Lethargie, Magen-Darm-Beschwerden und Verhaltensänderungen wurden beobachtet. Bemerkenswert ist, dass bei 30 % der LDERC-Fälle und 60 % der HDERC-Fälle eine teilweise, selbstlimitierende Appetitlosigkeit berichtet wurde, wobei sieben Pferde Lethargie zeigten.
Bei teilweiser Magersucht stellten die Besitzer fest, dass Pferde langstieliges Futter (Heu oder Gras) Futtermitteln auf Getreidebasis vorzogen. Die beobachteten klinischen und endokrinologischen Reaktionen stimmten mit früheren Berichten über die orale Pergolidbehandlung überein.
Die AutorInnen hielten fest, dass die wöchentliche Injektion von ERC eine wirksame Alternative zu Pergolid sein könnte. Die Dosis von 0,005 mg/kg schien genauso wirksam zu sein wie die Dosis von 0,01 mg/kg, jedoch mit einem geringeren Risiko einer Appetitlosigkeit. Ihr Resümee: „Die klinischen und endokrinologischen Reaktionen stimmten mit den Ergebnissen früherer Berichte über die orale Pergolidbehandlung überein. Die wöchentliche Injektion von ERC kann eine wirksame Alternative zu Pergolid sein. Die 0,005 mg/kg-Dosis schien ebenso wirksam zu sein und ein geringeres Risiko einer Appetitlosigkeit aufzuweisen als die 0,01 mg/kg-Dosis, über die zuvor berichtet wurde.“
Insgesamt erwies sich Cabergolin somit als vielversprechende Behandlungsoption für Cushing-Pferde – wenngleich noch weitere Untersuchungen erforderlich sind, um seine Wirksamkeit, sein Sicherheitsprofil und optimale Anwendungsprotokolle vollständig zu ermitteln, so die AutorInnen zusammenfassend.
Die Studie „Retrospective assessment of the use of extended-release cabergoline in the management of equine pituitary pars intermedia dysfunction" von Tania Sundra, Erin Kelty, Gabriele Rossi und David Rendle ist am 6. März 2024 in der Zeitschrift ,Frontiers in Veterinary Science' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...Weitere Artikel zu diesem Thema:16.01.2023 - Langzeit-Studie bestätigt gute Behandlungserfolge mit Pergolid bei Cushing-Pferden
Langzeit-Studie bestätigt gute Behandlungserfolge mit Pergolid bei Cushing-Pferden 16.01.2023 / News
Pergolid gilt bei vielen Cushing-Fällen als Mittel der Wahl – mit guten Behandlungserfolgen, wie eine aktuelle Untersuchung zeigt. / Symbolfoto: Archiv/University College Dublin
Die Behandlung mit Pergolid führt bei Pferden mit dem Cushing-Syndrom (PPID) fast immer zu einer Verbesserung der klinischen Symptome, wie eine Langzeit-Studie zeigt. Die Therapie stabilisiert manchmal die Ergebnisse endokriner Tests – selbst wenn die Dosen konstant niedrig bleiben, so ein führender Experte.
Fallstudien über mehr als ein Jahrzehnt deuten darauf hin, dass Pergolid das Leben von Pferden mit dem Equinen Cushing-Syndrom (in Fachkreisen auch als PPID = Pituitary pars intermedia dysfunction, bekannt, übersetzt: Hypophysen-Pars-Intermedia-Dysfunktion) zwar nicht zu verlängern scheint, aber immerhin deren Lebensqualität über längere Zeiträume verbessert. Dies ist das zentrale Resümee einer Studie, die Prof. Harold C. Schott II, ein führender Endokronologe für Pferde und Professor für Innere Medizin bei Pferden an der Michigan State University in East Lansing (USA), über einen Zeitraum von rund 13 Jahren durchführte und kürzlich der Öffentlichkeit präsentierte. Zudem sind Pferdebesitzer im Allgemeinen sehr zufrieden mit der Langzeitbehandlung mit Pergolid, so der Experte weiter.
„Wie wir alle wissen, wird PPID zunehmend erkannt und behandelt, und wir versuchen, diese längerfristigen Behandlungsentscheidungen zu treffen, da die finanziellen Auswirkungen für unsere einzelnen Kunden eine Herausforderung darstellen können“, sagte Prof. Schott in einer Rede anlässlich der Jahrestagung der Amerikanischen Pferdetierärzte-Vereinigung (AAEP), die vom 18. bis 22. November 2022 in San Antonio, Texas, stattfand und über die das Portal TheHorse.com auf ihrer Website berichtete.
Tierärzte verschreiben häufig Pergolid zur Behandlung von PPID-Pferden, aber es gibt nur sehr wenig Forschung zu den langfristigen Auswirkungen einer solchen Behandlung, so Prof. Schott. Diesem Mangel an belastbaren wissenschaftlichen Daten wollte er mit seiner Langzeit-Studie entgegenwirken: Seit 2009 verfolgen er und seine Forscherkollegen den Gesundheitszustand von 28 Pferden und zwei Ponys von der ersten Gabe von Pergolid gegen PPID bis zu ihrem Lebensende. Sie waren zu Beginn der Behandlung durchschnittlich 23,1 Jahre alt, teilweise basierend auf Altersschätzungen für einige der Equiden.
Die Hälfte der Tiere begann mit einer Dosis von 1 Milligramm pro Tag, die andere Hälfte mit der doppelten Menge, sagte er. Die Forscher untersuchten jedes Pferd oder Pony nach 2,5, 3, 3,5, 4,5, 5,5, 6,5, 9,5 und 12,5 Jahren Behandlung. Alle drei Monate befragten sie die Besitzer der Tiere.
Im Durchschnitt haben die Equiden etwas mehr als drei Jahre überlebt, so Prof. Schott. Die Überlebenszeiten waren jedoch sehr unterschiedlich und reichten von sieben Monaten bis zu 12,5 Jahren nach Beginn der Pergolidtherapie. Eines der 30 Pferde bzw. Ponys, die ursprünglich in die Studie aufgenommen wurden, ist nach wie vor am Leben.
Fünf Pferde mussten wegen PPID-bedingter Hufrehe eingeschläfert werden, die anderen 24 wurden eingeschläfert oder starben an Krankheiten, die bei alternden Equiden üblich sind.
Bei sieben der Tiere, die ursprünglich mit einer relativ niedrigen Dosis begonnen hatten, wurde diese nach den ersten zwei bis fünf Jahren auf 2 Milligramm pro Tag erhöht. Aber insgesamt zeigten die Equiden im Laufe der Jahre eine kontinuierliche Verbesserung der klinischen Symptome: Selbst nach fünfeinhalb Jahren berichteten die Besitzer, dass sich der Zustand der 13 überlebenden Equiden weiter verbessert hatte und diese ein besseres Haarkleid, ein verbessertes Energieniveau, einen besseren Appetit und weniger häufige Anfälle von Hufrehe zeigten. Drei Viertel hatten sogar normale endokrine Testergebnisse, so Prof. Schott.
„Das war ziemlich überraschend für mich, dass wir auch nach längerer Behandlung diese Verbesserung gesehen haben“, stellte er weiter fest, dennoch hatten vier Jahre später nur zwei der verbleibenden sechs Equiden normale endokrine Tests, wie er hinzufügte.
Im Allgemeinen waren die Besitzer sehr zufrieden mit der Wirkung von Pergolid bei ihren PPID-Pferden, so sein Resümee: Nach 10 Jahren Behandlung stimmten 71 % der Pferdebesitzer voll und ganz zu und weitere 25 % stimmten zu, dass das Medikament die Lebensqualität ihrer Pferde verbessert hat. Darüber hinaus stimmten 88 % der Besitzer stimmten ausdrücklich bzw. eher zu, dass sie eine lebenslange Behandlung zulassen würden. Fast drei Viertel der Besitzer waren bereit, für die Dauer des Lebens ihres Tieres mindestens 1.000 US-Dollar pro Jahr in die Behandlung mit Pergolid zu investieren.
09.10.2023 - Leitlinien für Diagnose und Behandlung von Cushing-Pferden veröffentlicht
Leitlinien für Diagnose und Behandlung von Cushing-Pferden veröffentlicht 09.10.2023 / News
Ein britisches Tierärzte-Team hat im Rahmen einer umfangreichen Übersichtsstudie erstmals Leitlinien für die Diagnose, Erstversorgung und Behandlung von Cushing-Pferden im klinischen Umfeld vorgelegt.
Hypertrichose (übermäßiger Fellwuchs) ist das häufigste klinische Zeichen, über das in den eingeschlossenen Studien bei Fällen von Cushing/PPID berichtet wurde, und gilt daher als besonders verdächtig. Foto: Nicola Menzies-Gow et.al.
Cushing bei Pferden – früher bekannt als Pituitary-Pars-Intermedia-Dysfunktion (PPID) – kommt bei älteren Pferden und Ponys häufig vor. Die Diagnose kann aufgrund des breiten Spektrums klinischer Symptome und unterschiedlicher Diagnosekriterien eine Herausforderung sein, auch die verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten seien begrenzt, so der Befund von Hauptautorin Nicola Menzies-Gow und ihrer KollegInnen im ,Equine Veterinary Journal’.
Die meisten veröffentlichten Studien zu dieser Erkrankung drehen sich um Expertenmeinungen oder Fallserien, so ihre Einschätzung: „Es gibt nur zwei systematische Überprüfungen der Genauigkeit eines verfügbaren diagnostischen Tests und eine systematische Überprüfung der Wirksamkeit einer Behandlung, um die klinische Entscheidungsfindung zu unterstützen.“
Die Entwicklung klinischer Leitlinien ist in der humanen Gesundheitsfürsorge gängige Praxis und hat nachweislich Einfluss auf die Entscheidungsfindung im klinischen Umfeld. Die britische Pferdetierärzte-Vereinigung BEVA (British Equine Veterinary Association) hat die Entwicklung einer Reihe von Leitlinien für die klinische Praxis initiiert, die im Equine Veterinary Journal veröffentlicht wurden. Die gerade veröffentlichten Richtlinien zum Equinen Cushing-Syndrom sind die neuesten in dieser wichtigen Reihe.
Das Autoren-Team machte sich daran, evidenzbasierte Leitlinien für die klinische Praxis bezüglich Diagnose und Behandlung der Erkrankung bei Pferden zu entwickeln, nachdem es zunächst durch ein Gremium von Experten und spezialisierten Tierärzten die zentralen Fragen identifiziert hatte, die für die klinische Praxis relevant waren. In einem zweiten Schritt wurden die aktuellen veterinärmedizinischen Erkenntnisse zu jeder einzelnen Frage systematisch analysiert und bewertet – und abschließend auf Grundlage dieser Erkenntnisse Empfehlungen zur Diagnose, Behandlung und Überwachung von Cushing-Pferden abgegeben.
Hier die Ergebnisse im Detail:
Auswahl-Kriterien für diagnostische Tests und Test-Genauigkeit
Die Autoren wiesen einleitend darauf hin, dass die Prävalenz von Cushing bei Equiden im Alter von 15 Jahren oder älter zwischen 21 % und 27 % liege. Übermäßiger Haarwuchs oder verzögerter/unvollständiger Fellabwurf sind zwei Symptome, die mit dem dringenden Verdacht auf Cushing verbunden sind: „Die Kombination aus klinischen Anzeichen und Alter gibt Auskunft über den klinischen Verdacht vor diagnostischen Tests“, so die ForscherInnen.
Die Forscher stellten weiters fest, dass die geschätzte PPID-Wahrscheinlichkeit vor dem Test bei der Interpretation diagnostischer Testergebnisse berücksichtigt werden sollte – und wiesen darauf hin, dass die PPID-Wahrscheinlichkeit vor dem Test bei Pferden unter 10 Jahren gering sei.
Sowohl die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung vor dem Test als auch die Testsaison haben einen starken Einfluss auf die Fähigkeit, PPID mittels Messung des basalen ACTH-Werts (= adrenocorticotropes Hormon, steuert die Corticoid-Abgabe durch die Nebennieren und wird vermehrt bei Stress ausgeschüttet) oder Ermittlung des ACTH-Werts nach einem TRH-Stimulationstest (TRH = Thyreotropin-Releasing-Hormon) zu diagnostizieren:
– Die allgemeine diagnostische Genauigkeit der basalen ACTH-Konzentrationen zur Diagnose von PPID lag je nach Wahrscheinlichkeit vor dem Test zwischen 88 % und 92 % im Herbst und 70 % und 86 % außerhalb des Herbstes.
– Bei Ermittlung der ACTH-Konzentrationen nach einem TRH-Stimulationstest waren die Ergebnisse besser: Basierend auf einer einzelnen Studie lag die Gesamtdiagnosegenauigkeit zwischen 92 % und 98 % im Herbst und 90 % und 94 % im Nicht-Herbst.
Die Schlussfolgerung des Autoren-Teams: „Daher sollte beachtet werden, dass das Risiko eines falsch positiven Ergebnisses in Situationen steigt, in denen die Wahrscheinlichkeit vor dem Test gering ist, was bedeuten könnte, dass eine Behandlung für PPID eingeleitet wird, ohne nach einer wahrscheinlicheren alternativen Diagnose zu suchen. Dies könnte das Wohlergehen des Pferdes beeinträchtigen, weil eine lebenslange Therapie begonnen wird und/oder eine alternative, potenziell lebensbedrohliche Erkrankung nicht erkannt und behandelt wird.“
Verzögerter oder abnormaler Fellwechsel ist ebenfalls ein häufiges klinisches Zeichen, über das in den eingeschlossenen Studien bei Fällen von Cushing/PPID berichtet wurde – und gilt daher als besonders verdächtig. Foto: Nicola Menzies-Gow et.al.
Interpretation diganostischer Tests
Die Autoren stellten weiters fest, dass die Rasse einen signifikanten Einfluss auf die ACTH-Plasmakonzentrationen hat, insbesondere im Herbst, wobei bei einigen, aber nicht bei allen leichtfuttrigen Rassen die ACTH-Konzentrationen deutlich höher sind. Konzentrationen können auch durch Klimazone/Standort, Ernährung/Fütterung, Fellfarbe, kritische Erkrankung und Anhängertransport beeinflusst werden, wobei die Autoren anmerkten: „Es ist unwahrscheinlich, dass leichte Schmerzen einen großen Einfluss auf das basale ACTH haben, bei stärkeren Schmerzen kann jedoch Vorsicht geboten sein.“
Das Prüfteam kam auch zum Ergebnis, dass die Festlegung diagnostischer Schwellen- bzw. Grenzwerte, die alle möglichen Einflussfaktoren berücksichtigen, nicht praktikabel wäre – bewährt habe sich eher die Anwendung von Band- bzw. Schwankungsbreiten.
Ein weiterer wichtiger Befund: Pferde und Ponys mit PPID und Hyperinsulinämie (erhöhte Insulinspiegel im Blut) scheinen ein höheres Risiko für Hufrehe zu haben, ACTH sei jedoch kein unabhängiger Prädiktor für das Hufreherisiko, sagten sie.
Zu den klinischen Symptomen, die in den eingeschlossenen Studien bei Fällen von Cushing/PPID mäßig häufig auftreten, gehören Gewichtsverlust und ein dickbäuchiges Aussehen. Foto: Nicola Menzies-Gow et.al.
Medikamentöse Behandlungen
Was die Behandlungsmöglichkeiten betrifft, kamen die Autoren zu dem Schluss, dass Pergolid die meisten klinischen Symptome im Zusammenhang mit PPID bei der Mehrzahl der betroffenen Tiere lindert. Es senkt die basale ACTH-Konzentration und verbessert bei vielen Tieren die ACTH-Reaktion auf TRH. In den meisten Fällen verändern sich die Maße der Insulindysregulation jedoch nicht. Es gebe keine Hinweise darauf, dass Pergolid bei Pferden schädliche Auswirkungen auf das Herz habe, sagten sie. Das Medikament beeinflusst die Insulinsensitivität nicht.
Überwachung von Behandlungen mit Pergolid
Im Hinblick auf die Überwachung von mit Pergolid behandelten Fällen liefern Hormontests nur einen groben Hinweis auf die Hypophysenkontrolle als Reaktion auf die Pergolid-Therapie. Es ist aber nicht bekannt, ob die Überwachung der ACTH-Konzentrationen und die entsprechende Titrierung der Pergoliddosen mit verbesserten endokrinologischen oder klinischen Ergebnissen verbunden sind. Darüber hinaus ist nicht klar, ob die Überwachung der ACTH-Reaktion auf TRH oder klinischer Symptome mit einem verbesserten Ergebnis verbunden ist.
Das Prüfteam sagte, es gebe nur sehr schwache Hinweise darauf, dass eine Erhöhung der Pergoliddosis in den Herbstmonaten von Vorteil sein könnte. „Es bringt kaum Vorteile, nach Beginn der Pergolidtherapie mehr als einen Monat mit der Durchführung weiterer endokriner Tests zu warten“, sagten sie. Tatsächlich kann es sinnvoll sein, früher Wiederholungstests durchzuführen. Der Zeitpunkt der Probenahme im Verhältnis zur Pergolid-Dosierung verfälschte die Messung der ACTH-Konzentration nicht: „Es gibt keine Hinweise darauf, dass Änderungen nach der Interpretation der zu bestimmten Jahreszeiten gemessenen ACTH-Konzentrationen mit verbesserten Ergebnissen verbunden sind.“
Die Autoren wiesen auch auf einen anderen Aspekt hin: Die Evidenz sei zwar sehr begrenzt, allerdings scheine die exakte Einhaltung von Regeln und Vorgaben bei der PPID-Behandlung schlecht zu sein – und es sei unklar, ob dies das klinische Ergebnis beeinflusst.
Es gibt auch Hinweise darauf, dass Pferde mit klinischen Anzeichen einer PPID wahrscheinlich mehr Nematoden-Eier (Fadenwürmer) ausscheiden als Pferde ohne klinische Anzeichen einer PPID. „Es ist unklar, ob dies zu einem erhöhten Risiko für parasitäre Erkrankungen führt oder ob eine häufigere Beurteilung der Anzahl von Würmereiern im Kot erforderlich ist.“
Diese Grafik zeigt die Häufigkeit, mit der klinische Anzeichen bzw. Krankheitsbilder bei Cushing-Fällen in den eingeschlossenen Studien gemeldet wurden. Rote Balken zeigen einen hohen, orange einen mäßigen und grüne einen niedrigen klinischen Verdacht an. Die bei weitem alarmierendsten Symptome sind demnach übermäßiger Fellwuchs (Hypertrichosis) – entweder am ganzen Körper oder auf bestimmte Körperregionen beschränkt – sowie verzögerter bzw. abnormaler Fellwechsel. Grafik: Nicola Menzies-Gow et.al.
Die ForscherInnen meinten zusammenfassend, dass die begrenzte Anzahl relevanter Veröffentlichungen in der veterinärwissenschaftlichen Fachliteratur die größte Einschränkung ihrer Überprüfung darstellte. Ihre Erkenntnisse sollten von Tierärzten als Grundlage für die Entscheidungsfindung in der Grundversorgung von Pferden genutzt werden. Sie betonten, dass die meisten ihrer Empfehlungen auf einer kleinen Anzahl von Studien basieren, die ihrerseits wiederum nur eine kleine Anzahl von Tieren mit PPID umfassten. Daher seien weitere wissenschaftliche Arbeiten und Forschungen zum Thema Cushing/PPID dringend notwendig, um „in allen Bereichen der Diagnose und Behandlung von PPID" zu hochwertiger wissenschaftlicher Evidenz zu kommen, so das Resümee der AutorInnen.
Die Studie „BEVA primary care clinical guidelines: Diagnosis and management of equine pituitary pars intermedia dysfunction" von Nicola J. Menzies-Gow, Heidi E. Banse, Aimi Duff, Nicholas Hart, Joanne L. Ireland, Edward J. Knowles, Dianne McFarlane und David Rendle ist am 5. Okt. 2023 in der Zeitschrift ,Equine Veterinary Journal' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
05.10.2022 - BesitzerInnen können Übergewicht ihrer Pferde nur schlecht beurteilen
BesitzerInnen können Übergewicht ihrer Pferde nur schlecht beurteilen 05.10.2022 / News
/ Symbolfoto: Archiv/Horse World
PferdebesitzerInnen zeigten in einer aktuellen Studie italienischer WissenschaftlerInnen nur bescheidene Fähigkeiten, die körperliche Verfassung ihrer Tiere und deren Ausmaß an Fettleibigkeit bzw. Übergewicht korrekt einzuschätzen.
Fettleibigkeit und Übergewicht sind eine immer größere Gefahr für die Pferdegesundheit und werden bei Pferden immer häufiger beobachtet. Das zu hohe Körpergewicht sorgt nicht nur für eine Zunahme sogenannter ,Zivilisations-Krankheiten' wie EMS (Equines Metabolisches Syndrom), Cushing oder Insulin-Resistenz bei Pferden, sondern verursacht auch eine ganze Reihe weiterer Erkrankungen und verschärft gesundheitliche Probleme, etwa die Neigung zu Hufrehe, ein allgemein erhöhtes Verletzungsrisiko und Arthrose.
Um den Körperzustand und das Ausmaß von Übergewicht bei seinem Pferd beurteilen zu können, gibt es mehrere Wege und Möglichkeiten – zu den häufigsten und praktikabelsten zählt die Anwendung des sogenannten ,Body Condition Scores’ (BCS, ein Maßstab für subkutanes Körperfett) sowie des ,Cresty Neck Scores’ (CNS, ein Maßstab für Fett entlang des Halskamms). Beides sind wichtige Instrumente zur Einschätzung des Fettleibigkeitsrisikos, und Besitzer und Betreuer sollten in der Lage sein, ihre Tiere mit ihnen richtig zu beurteilen.
Aber sind sie das auch tatsächlich? Genau dieser Frage wollten italienische ForscherInnen rund um Sara Busechian und Luca Turini in einer nun veröffentlichten Studie auf den Grund gehen. Sie machten sich daran, die Fähigkeit von PferdebesitzerInnen zu vergleichen, die BCS- und die CNS-Werte ihrer Tiere richtig einzuschätzen, wobei sie deren Ergebnisse auch mit denen eines erfahrenen Prüfers — eines staatlich geprüften Tierarztes – verglichen.
Ihre Studie umfasste 259 erwachsene Pferde, die hinsichtlich Alter, Geschlecht, Rasse und Art der Disziplin/Aktivität breit gestreut waren und insgesamt 30 verschiedenen BesitzerInnen gehörten. 163 Pferde (62,9 %) waren als ,jung’ eingestuft, 77 (29,7 %) als ,erwachsen’ und 19 (7,4 %) als ,alt’. Hinsichtlich Geschlecht waren 25 Hengste (9,6 %), 153 Stuten (59,1 %) sowie 81 Wallache (31,3 %) in der Testgruppe, bezüglich Rasse waren 126 (48,6 %) Vollblüter, 92 (35,5 %) Warmblüter, 18 (7,0 %) Ponys, 13 (5,0 %) Kaltblüter und 10 (3,9 %) Barockpferde in der Kohorte enthalten.
Für jedes Pferd wurde der Body Condition Score von seinem Besitzer auf einer Skala von 0 bis 5 nach dem Carroll- und Huntington-System bestimmt. Der Cresty-Neck-Score wurde ebenfalls auf einer Skala von 0 bis 5 bewertet. Die Besitzer waren nicht an den beiden Bewertungssystemen geschult worden, keiner hatte Veterinärmedizin oder verwandte Disziplinen studiert, was sie auf die Bewertungen hätte vorbereiten können. Sie bekamen lediglich ein illustriertes Blatt ausgehändigt, das die einzelnen Bewertungsstufen der beiden Skalen darstellte, jeweils mit einer Skizze und einer kurzen Beschreibung in italienischer Sprache (siehe Grafik unten).
Alle BesitzerInnen waren aber der Ansicht, dass sie über umfassende Kenntnisse in Sachen Reiten sowie im Umgang mit Pferden verfügen und mindestens 10 Jahre lang Pferde besessen oder geritten haben.
Die Ergebnisse waren bemerkenswert – und auf den ersten Blick schienen sich die BesitzerInnen gar nicht so schlecht geschlagen zu haben: Sie schätzten ein, dass bei 29 % der Pferde eine Überkonditionierung (also ein zu hohes Körpergewicht) vorlag, im Vergleich zu 24 %, wie der Tierarzt feststellte. Die Besitzer schätzten weiters, dass 2 % der Pferde fettleibig waren, verglichen mit 1 %, wie der Tierarzt feststellte. Also alles nicht dramatisch weit auseinander, könnte man meinen.
Doch ein Blick auf die Detailergebnisse zeigte ein anderes Bild: Sobald man die Resultate der Einzelbewertungen näher betrachtete, wurde offensichtlich, dass die Übereinstimmung zwischen den Besitzern und dem Tierarzt bei beiden Bewertungsskalen nur gering war – und die Besitzer dazu neigten, Pferde entweder niedriger oder höher als der Tierarzt zu bewerten. Wie sehr man im Detail auseinander war, zeigen diese beiden Grafiken:
So haben die BesitzerInnen einen BCS-Wert von 3 für etwa 120 Pferde vergeben – während er seitens des Tierarztes für fast 160 Pferde vergeben wurde. Auch beim CNS-Wert gab es erhebliche Diskrepanzen: Der Wert 2 wurde seitens der BesitzerInnen für ca. 90 Pferde vergeben – während ihn der Tierarzt für fast 140 Pferde vergab. Dafür wurden die Werte 0 und 1 sowie die Werte 3, 4 und 5 von den BesitzerInnen deutlich öfter vergeben, mitunter um ein Vielfaches.
Doch wie lassen sich diese z.T. gravierenden Unterschiede erklären? Die statistischen Auswertungen geben dazu einige Hinweise: So zeigte die Studie, dass die Übereinstimmung zwischen den Beobachtungen der Besitzer oder des Tierarztes auf verschiedene Weise durch Alter, Geschlecht, Rasse und Art der Aktivität beeinflusst werden kann. Die AutorInnen wörtlich: „Der Kappa-Koeffizient von Cohen (dieser bestimmt das Maß der Übereinstimmungen zwischen zwei Werten – je höher der Kappa-Wert, desto höher die Übereinstimmung, Anm.) nahm tendenziell mit dem Alter der Pferde zu und änderte sich von einer leichten Übereinstimmung zu einer moderaten Übereinstimmung bezüglich des CNS-Werts.“ Bei älteren Pferden war die Übereinstimmung zwischen BesitzerInnen und Tierarzt also größer – wofür die AutorInnen ebenfalls eine Erklärung liefern: „Ältere Pferde haben länger bei ihren Besitzern gelebt als die anderen, und ihre Halter waren höchstwahrscheinlich eher daran gewöhnt, ihr BCS und ZNS zu bewerten, um das Wohlbefinden ihrer Tiere besser zu überwachen, insbesondere wenn sie von chronischen Krankheiten betroffen sind.“
Auch die Art der Disziplin bzw. Aktivität beeinflusste den Grad der Übereinstimmung zwischen Besitzer- und Tierarzt-Bewertung von BCS und CNS, so die AutorInnen: „Tatsächlich hatten Besitzer von Westernpferden ein optimales Maß an Übereinstimmung mit dem Tierarzt für BCS, während andere keine oder nur eine geringe Übereinstimmung zwischen den Besitzern und dem Tierarzt hatten. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Besitzer hinsichtlich der Bewertung morphologischer Merkmale besser geschult sind.“ Die Rasse des Pferd scheint ebenfalls die Übereinstimmung zwischen BesitzerInnen und Tierarzt ebenfalls zu beeinflussen, so die AutorInnen.
Die AutorInnen sagten, dass ihre Ergebnisse im Wesentlichen mit jenen anderer Studien übereinstimmen und die Schwierigkeiten verdeutlichen, die BesitzerInnen haben können, das Risiko ihrer Pferde für Übergewicht und damit verbundene Krankheiten wie Hufrehe richtig einzuschätzen. Die Studie zeige außerdem, wie wichtig es ist, BesitzerInnen und Halter in dieser Fähigkeit noch besser und intensiver zu schulen. In Verbindung mit einer regelmäßigen tierärztlichen Untersuchung der Pferde könnte dies die Entwicklung von Fettleibigkeit, Überkonditionierung und damit verbundenen Krankheiten verhindern – insbesondere bei Rassen, die anfällig für EMS und Hufrehe sind, so das Resümee der AutorInnen.
Die Studie „Are Horse Owners Able to Estimate Their Animals’ Body Condition Score and Cresty Neck Score?" von Sara Busechian, Luca Turini, Micaela Sgorbini, Camillo Pieramati, Lorenzo Pisello, Simona Orvieto und Fabrizio Rueca ist am 3. Okt. 2022 in der Zeitschrift ,Veterinary Science' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
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