Wann ist es in der kühleren Jahreszeit ratsam, sein Pferd einzudecken? Und sind Decken überhaupt notwendig? Hier einige hilfreiche Tipps und Überlegungen in Sachen Pferdedecken.
Jedes Jahr, wenn die Tage kürzer und die Nächte länger und kälter werden, stehen Pferdebesitzer vor diesen Fragen: Decke ja oder Decke nein? Decke jetzt oder Decke später? Welche Decke – und wie lange? Und wie meist im Pferdeleben lautet die Antwort: Es kommt darauf an – nämlich auf viele verschiedene Faktoren, die Einfluss darauf haben, wie und ob ich mein Pferd eindecke oder nicht. Ganz besonders wichtig ist dabei die Haltung des Pferdes – ob man seinem Pferd lieber „naturbelassen“ ein dickes Winterfell wachsen lässt oder ihm durch eine warme Decke zusätzlichen Schutz vor den kalten Temperaturen bietet.
Eine Frage der Haltung
Pferde, die Tag und Nacht auf einer Koppel oder Weide verbringen, legen sich schon sehr früh einen dicken Pelz zu, um für die niedrigen Temperaturen gerüstet zu sein und sind etliche Wetterkapriolen und Temperaturunterschiede gewohnt. Eine Decke würde sie vermutlich nur stören und müsste schon sehr früh und ebenso sehr lange in den Frühling hinein verwendet werden. Familie Stürzlinger, sehr erfahren und erfolgreich in der österreichischen Pferdezucht, bestätigt dies: „Unsere jungen Pferde bleiben in der Herde ohne Decke und können ihr Fell sehr gut regulieren. Auch wenn sie angeritten werden, bleiben sie noch im Herdenverband und daher ohne Decke. Auch wenn die meisten Decken wetterfest sind, nach stundenlangem Regen hält das die Decke irgendwann schließlich nicht mehr aus – besonders wenn noch ein anderer immer wieder daran herum knabbert und reißt. Pferde, die schon auf Turnieren geritten werden, werden hingegen schon eingedeckt, damit sie nicht so ein langes Fell bekommen oder wenn sie geschoren werden, wobei unsere eigenen Pferde nicht geschoren werden, da dann das Fell nur umso stärker nachwächst!“
Bei Pferden hingegen, die großteils im Stall untergebracht sind, gibt es wiederum einige Faktoren, die individuell berücksichtigt werden sollten. Zum einen muss man auf die Temperatur im Stall achten, zum anderen auf die Ausrüstung, wenn das Pferd den Stall verlässt. Oftmals kann der Stall sehr warm gehalten werden, auf der Koppel ist es dann im Vergleich jedoch sehr kühl und eine Decke wäre anzuraten. Zugluft im Stall sollte zwar prinzipiell vermieden werden, bei der Entscheidung, sein Pferd einzudecken oder nicht, aber unbedingt miteinbezogen werden, um eventuellen gesundheitlichen Problemen vorzubeugen.
Knifflig: Paddockhaltung
Eine ganz besonders knifflige Haltungsform in Bezug auf unsere Deckenfrage stellt die sehr modern gewordene Paddockhaltung dar. Die Pferde können frei wählen, ob sie sich lieber in der wärmeren Box oder an der frischen Luft im Paddock aufhalten wollen. Bei Pferden, die gerade geritten wurden, ist hier Vorsicht geboten: Ist es in der Box relativ warm, kann der frische Wind am Paddock ohne geeigneter Decke schnell für eine Verkühlung sorgen. Desweiteren muss man sich der enormen Temperaturunterschiede während der Herbstmonate bewusst werden. Unter Tags kämpfen sich die Sonnenstrahlen durch und ermöglichen ein entspanntes Sonnenbad am Paddock, in der Nacht kühlt es jedoch deutlich ab und es fällt einigen Pferden schwer, sich darauf mit der richtigen Felldicke einzustellen. In diesem Fall wäre eine Decke in der Nacht ratsam, während des Tages müsste sie aber wieder herunter genommen werden, um Schwitzen – und damit das Risiko einer Erkältung – zu verhindern. Auch hier muss nochmals das Problem mit der Zugluft angesprochen werden: Durch die verschiedensten Übergänge von Box zu Paddock wird zwar die Zugluft möglichst gering gehalten, doch der rauhe Wind in den Wintermonaten findet oftmals einen Weg hinein. Generell liegt die Temperatur in einer Box, die einen freien Zugang zum Paddock ermöglicht, niedriger als in Stallungen mit Innenboxen.
Erkältungs-Gefahr
Einen weiteren wichtigen Faktor stellt die Bewegung beziehungsweise das Training des Pferdes dar. Tierärztin Dr. Ursula Barth: „Pferde schützen sich durch ihr Winterfell vor Kälte und Nässe von außen. Wenn das Pferd nun aber geritten wird und schwitzt, kommt die Nässe von innen und es braucht sehr lange, um wieder wirklich trocken zu werden. Daher besteht die Gefahr einer Erkältung. Bei einem sehr dicken Winterfell, schwitzt das Pferd natürlich umso mehr und ist dementsprechend schwieriger trocken zu bekommen. Auch die Benutzung eines Pferdesolariums halte ich nicht für sinnvoll, da sich das Pferd nur noch mehr aufwärmt, bevor es zurück in die Kälte kommt. Ich bin daher der Meinung, dass Pferde, die regelmäßig geritten und bewegt werden, eingedeckt werden sollten.“ Und nicht nur aus diesem Grund werden Turnier- und Sportpferde ausnahmslos zugedeckt. Dr. Barth, die zahlreiche national und international erfolgreiche Turnierpferde betreut, erläutert weiter: „Die Turniersaison erstreckt sich heutzutage über das ganze Jahr, deshalb werden die Pferde das ganze Jahr hindurch trainiert. Das funktioniert eben am besten ohne dickes Winterfell und viele werden auch des Öfteren geschoren. Weiters sind Turnierpferde viel unterwegs, man kann die Decken an die Temperaturen anpassen und wechseln.“ Der erfolgreiche Vielseitigkeitsreiter Harald Ambros handhabt das Eindecken seiner Pferde so: „Pferden, die in Winterpause gehen, lasse ich ein dickes Winterfell wachsen. Wenn das nicht ausreicht, bekommen sie zusätzlich eine mittelschwere Decke. Sobald sie Ende November oder Anfang Dezember wieder gearbeitet werden, werden sie geschoren und eingedeckt.“
Wie man sieht, gibt es bei der Frage des Eindeckens viele Dinge zu bedenken – die Entscheidung ist jedenfalls individuell auf das Pferd, die Haltungsform und das Trainingsprogramm, das man sich für den Winter vornimmt, abzustimmen.
Die Qual der Wahl
Für beinahe jeden erdenklichen Verwendungszweck bietet der Markt unterschiedlichste Decken-Arten – auch und ganz besonders für die Wintermonate. Hier ein kurzer Überblick über die wichtigsten Varianten. Und selbstverständlich gibt es für jede Decken-Art auch eine Vielzahl verschiedener Materialien und Stoffe mit jeweils unterschiedlichen Vor- und Nachteilen – hier sollte man sich beim Kauf im Fachgeschäft eingehend beraten lassen oder auch mit Stallkollegen Erfahrungen austauschen.
Abschwitzdecken
Fangen wir mit der altbewährten Abschwitzdecke an, die auch für nicht eingedeckte Pferde, die geritten werden, eine wichtige Rolle spielt. Eine Abschwitzdecke soll in erster Linie dabei helfen, das Pferd nach der Arbeit einerseits warm zu halten und andererseits auch zu trocknen. Wichtig: Die Feuchtigkeit muss nach außen geleitet, die Wärme behalten werden. Anzumerken ist auch, dass viele Abschwitzdecken, ausgenommen die gute, alte Schurwolldecke, auf Wunsch nicht nur einen Halsverschluss, sondern auch Bauchgurten besitzen, die manchmal auch abnehmbar sind. Damit wird ein optimaler Tragekomfort ohne Verrutschen auch in der Box ermöglicht und die Decke kann so lange getragen werden, bis das Pferd wirklich trocken ist.
Übergangsdecken
Eine weitere Decken-Variante ist die so genannte Übergangsdecke. Diese soll für niedrigere Temperaturen, die sich aber noch eindeutig im Plusbereich befinden, eingesetzt werden. Viele Pferdebesitzer bevorzugen es, diese Decke schon sehr früh zu verwenden, um ein dickes Winterfell im Vorhinein schon zu verhindern und gar nicht erst wachsen zu lassen. Dr. Barth meint dazu: „Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass man das Fellwachstum sicherlich reduzieren kann, wenn man zeitgerecht anfängt, einzudecken. Ich glaube aber auch, dass es hormonell bedingt und rassespezifisch ist, wie ich an meinem Pferd sehen kann, das im Alter immer mehr Fell im Winter bekommt.“ Wichtig ist allerdings, wie schon oben angemerkt, die Temperaturunterschiede im Herbst zu berücksichtigen. Auch wenn es in der Nacht schon ordentlich abkühlt, kommt unter Tags die Sonne noch so richtig raus und das Pferd würde unter einer Decke schwitzen. Es wäre also angebracht, je nach Temperatur das Pferd ein- oder abzudecken, was bei wechselhaftem Wetter einen enormen Aufwand bedeuten kann und sicherlich mit dem Stallbetreiber und dem Pflegepersonal abgesprochen werden muss.
Die meisten Übergangsdecken sind mittlerweile so konzipiert, dass sie problemlos auch auf der Koppel verwendet werden können. Das heißt, sie sind in den meisten Fällen wasserundurchlässig und eventuell auch schmutzabweisend. Das Obermaterial besteht demnach aus Nylon, für das Innenfutter wird oftmals auch Fleece verwendet. Dadurch können auch Pferde, die nach dem Reiten noch etwas nachschwitzen, schon mit der Übergangsdecke eingedeckt werden.
Winterdecken
Schlussendlich sind wir bei den wirklich frostigen Temperaturen angelangt und bei den dafür ausgelegten Winterdecken, die je nach Fellwachstum des Pferdes auch schon bei niedrigen Plustemperaturen verwendet werden. Auch hier empfiehlt sich eine wasserundurchlässige, reißfeste Außenbeschichtung – in den meisten Fällen aus Nylon – um auf der Koppel eingesetzt werden zu können und es gelten die gleichen Ansprüche, um den Tragekomfort zu gewährleisten. Das heißt, ein passender, gut haltender Halsverschluss, Gehfalten im Schulterbereich und entsprechende Bauchgurte sowie elastische Beingurte sind erwünscht. Die Innenschicht besteht aus einer Wattierung, die zwischen 200 g und 330 g schwanken kann. Qualitativ hochwertige Decken bieten durch eine thermoisolierende Füllung einen optimalen Schutz vor Wind und Wetter bei bis zu -25 Grad Celsius. Weitere ‚Schmankerl‘ werden bei diesen Decken durch antibakterielles oder wasserleitendes Innenfutter geboten, um das Pferd trocken zu halten und vor Ekzemen zu schützen. Auf Wunsch gibt es auch Halsteile, Bauch- und Schweiflatze, die das Angebot abrunden und das Pferd wirklich von vorne bis hinten eindecken. Auch Brustschoner, die man wie ‚Unterziehpullis‘ unter der Decke montieren kann, um Fell und Mähnenansatz zu schonen, findet man im Fachhandel.
Vorbild Natur
Wie man sieht, ist nicht nur die Entscheidung, ob man eine Decke verwendet, sondern auch, welche man verwenden sollte, gar nicht so einfach und mit vielen Überlegungen verbunden. Prinzipiell sollte die Entscheidung immer zum Besten des Pferdes ausfallen: Man sollte immer beobachten, wie ein Pferd auf eine Decke reagiert und wie gut es mit ihr zurechtkommt – und ob es wirklich schon bei geringsten Temperaturschwankungen eine Decke braucht. Wie der Biologie Ingolf Bender vielfach betont hat, sind Pferde von Natur aus erstaunlich unempfindlich gegenüber Kälte und in freier Wildbahn nahezu niemals von Erkältungen betroffen. Auch Pferden in Stallhaltungen und sogar Turnierpferden ist daher, so Bender, ein Minimum an Abhärtung durch wechselnde Klimareize zumutbar und wirke sich positiv auf ihre Gesundheit und ihr Immunsystem aus. Bender: „Atemwegserkrankungen treffen in der Regel nur solche Pferde, die u. a. wenig keimtötende Leukozyten produzieren – und das sind bewegungsarm und zu warm gehaltene Pferde ohne Gewöhnung an unterschiedliche Klimareize." Auch in Sachen ,Pferdedecken' kann also weniger durchaus mehr sein – aber ist das nicht oft so bei unseren geliebten Vierbeinern...?
Anna Mogeritsch