News 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Neil Davies Blog: Wie intelligent sind Pferde?
24.03.2015 / News

Was glauben Sie: Wird dieses nervöse, verängstigte Pferd rascher lernen...
Was glauben Sie: Wird dieses nervöse, verängstigte Pferd rascher lernen... / Foto: Neil Davies
... oder dieses neugierige, entspannte und vertrauensvolle Pferd? Die Antwort ist so einfach!
... oder dieses neugierige, entspannte und vertrauensvolle Pferd? Die Antwort ist so einfach! / Foto: Neil Davies

Pferdetrainer Neil Davies zur spannenden Frage: Wie schlau sind Pferde? Sind manche Pferde schlauer als andere? Und ist es wirklich eine Frage der Intelligenz, wie schnell bzw. wie gut Pferde lernen können.

 

Pferde denken die ganze Zeit – und vielleicht sollten wir uns ein Beispiel daran nehmen.

Ja, Pferde denken anders als Menschen; sie denken nicht weniger – nur anders.
Wenn ein Pferd hinter einem Tor festsitzt, kommt es nicht darauf, ein paar Schritte zurückzugehen und hinten herauszukommen. Es kann nicht darauf kommen, dass Rückwärtsgehen es um das Tor herumbringt und auf die nächste Koppel. Obwohl wir meinen, dass das doch ein sehr einfaches Problem ist, ist es für das Pferd nicht zu lösen.

Ein Pferd kommt nicht darauf, dich aufmerksam zu beobachten und dich zu kopieren, wenn es dich sieht, wie du ein Tor oder die Stalltüre öffnest. Egal, wie viele Male ein Pferd dich diese Dinge tun sieht, es wird nicht darauf kommen, es selbst zu tun. Manche Pferde spielen mit Riegeln und Ketten – und als Ergebnis öffnet sich vielleicht irgendwann das Tor. Das Pferd spielt einfach damit herum und wird belohnt, wenn sich das Tor öffnet. Obwohl es versteht, dass das Spielen mit Riegeln oder Ketten dazu führt, dass sich das Tor öffnet, versteht es nicht die Mechanik, wie ein Riegel oder eine Kette funktioniert.

Lernen manche Pferde schneller als andere?

Wenn Pferde entspannt und vertrauensvoll sind, gibt es wenig Unterschiede in ihrer Lernfähigkeit, besonders im anfänglichen Training. Wenn ein Pferd nervös oder verunsichert ist oder verängstigt wurde, wird es sehr langsam lernen. Es wird schlechte Erfahrungen befürchten und erwarten, vom Trainer verängstigt zu werden. Und viele meinen dann, dass ein solches Pferd „dumm“ oder „verrückt“ sei.

Ein Pferd, mit dem schlecht umgegangen wird, wird einige Lektionen brauchen, bis es Vertrauen aufgebaut hat und in einer Stimmung ist, in der es bereit ist, zu lernen. Wenn es dann aber entspannt und vertrauensvoll wird, wird es genauso schnell lernen wie andere Pferde.

Pferde scheinen mit verschiedenen Geschwindigkeiten zu lernen – einfach, weil mit manchen besser umgegangen wurde als mit anderen. Viele Leute interpretieren das falsch und sagen, dass manche Pferde klüger sind als andere.

Pferde, die monate- oder jahrelang trainiert wurden, unterscheiden sich in ihrer Fähigkeit, mit dem psychischen Druck eines Wettkampfs umgehen zu können. Ihre körperliche Fähigkeit, schwierige Lektionen auszuführen, wird sich ebenfalls unterscheiden. Manche Pferde sind extrem gut, wenn man will, dass sie höher springen, schneller laufen, Vieh jagen oder schwere Dressurlektionen machen sollen. Andere Pferde tun sich sowohl körperlich als auch seelisch schwerer damit, wenn sie aufgefordert werden, auf einem höheren Level zu arbeiten.

Menschen denken, dass sie um einiges schlauer sind als Pferde. Und trotzdem habe ich 30 Jahre gebraucht, um etwas zu lernen, das ich einem Pferd in fünf Minuten beibringen kann. Und wenn ein neuer Reiter (ein intelligenter Mensch) auf einem armen, alten, vermeintlich „dummen“ Pferd sitzt, ist das Pferd dem Reiter innerhalb von fünf Minuten im Denken voraus. Das Pferd weiß sofort, dass es sein eigenes Ding durchziehen kann und es wird stehenbleiben, mit seinem Schweif wackeln, an den Zügeln ziehen, nach Hause rennen, oder was es sich sonst so aussucht. Ein „intelligenter“ Mensch kann einem „dummen“ Pferd in dieser Situation nicht voraus sein.

Pferde sind exzellente Problemlöser. Allerdings sind die Probleme, die sie behandeln, oft sehr verschieden von denen, die die Trainer im Kopf haben. Ein verängstigtes Pferd wird versuchen, so weit wie möglich vom Trainer wegzubleiben und wird sich ständig bewegen, um Distanz zu wahren. Pferde sind sehr gut darin, sich wegzubewegen von allem, was sie ängstigt – und sie konzentrieren sich komplett darauf, das zu tun, wenn sie ängstlich sind.

Auf der anderen Seite denkt der Trainer in der Zwischenzeit, dass sie dem Pferd beibringen, geführt zu werden und es an eine wehende Fahne zu gewöhnen. Also konzentriert sich der „intelligente“ Mensch auf eine Sache, während sich das Pferd auf eine ganz andere konzentriert. Und wenn die Lektion nicht nach Plan verläuft, sagt der Mensch, dass das Pferd „dumm“ und „ein langsamer Lerner“ ist.

Vor kurzem war in einer polnischen Studie zu lesen, dass manche Pferde angeblich „schlauer“ sind als andere und dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Grad, wie „schlau“ ein Pferd ist und der Zeitspanne, die es benötigt, um es zum ersten Mal satteln und aufsteigen zu können.

In der ersten Testphase teste man die Lernfähigkeit bzw. das Erinnerungsvermögen von insgesamt 120 Pferden, indem man in eine Futterbox mit einem einfach zu öffnenden Deckel ein paar Handvoll Hafer leerte, sodaß es die Pferde beobachten konnten. Anschließend stoppte man die Zeit, welche die Pferde brauchten, um den Deckel der Box öffnen zu können. In einer zweiten Testphase wurde dann jene Zeit gemessen, die es benötigte, um die Pferde das erste Mal zu satteln und zu besteigen, wobei drei professionelle Pferdetrainer nach einem standardisierten Übungsprogramm vorgingen. Das überraschende Ergebnis: Pferde, welche die Box schneller öffnen konnten – also ,intelligenter’ waren als die anderen – ließen sich erst nach deutlich längerer Zeitspanne satteln und besteigen. 22 Pferde ließen den Reiter gar nicht aufsitzen. Zitat aus der Studie: „Die Ergebnisse legen nahe, dass Pferde mit einer höheren Lernfähigkeit weniger willig waren, einen Reiter aufsitzen zu lassen, während Pferde mit einer niedrigeren Lernfähigkeit besser mit dem Trainer kooperiert haben und leichter die Präsenz eines Menschen auf ihrem Rücken akzeptiert haben.“

Nun, es gibt gewaltige Schwachstellen in dieser Studie. Zum ersten haben die Forscher komplett den vorherigen Umgang eines jeden Pferdes ignoriert. Um ein Pferd genau mit einem anderen zu vergleichen, wenn man aufsattelt, müssen beide Pferde genau denselben Umgang gehabt und dieselben Lebenserfahrungen gemacht haben. Es ist unmöglich, zwei Pferde zu finden, auf die das zutrifft, schon gar nicht 120 Pferde.

Das größte Problem bei dieser Studie ist aber, dass die Forscher geglaubt haben, dass sie die Lernfähigkeit von Pferden untersuchen. Ich meine aber, sie haben in Wahrheit die Fähigkeit der Trainer getestet, auf Pferde aufzusitzen zu können. Statt zu sagen: „Auf 22 Pferde konnte nicht aufgesessen werden“, hätten die Forscher schließen sollen, dass die Trainer auf 22 Pferde – immerhin 20,95 % aller Pferde in diesem Test – nicht fähig waren aufzusitzen. Diese 22 Pferde waren vielleicht nicht intelligenter als die anderen – sie kamen nur mit dem Trainingszugang, der verwendet wurde, nicht klar. Im Übrigen: Ich als Trainer würde erhebliche Zweifel an meiner Trainingsarbeit hegen, wenn meine Methode bei mehr als 20% der Pferde versagt. Dann würde ich, ehrlich gesagt, doch etwas ändern...

Auch wenn Pferde verschiedene Lernfähigkeiten haben, sollte es keinen Unterschied in unserer Fähigkeit machen, sie zu trainieren – soviel Intelligenz sollte ein Trainer schon haben. Wir müssen unsere Lektionen individuell auf jedes Pferd anpassen können, anstatt zu erwarten, dass sich jedes Pferd auf ein festgefügtes Trainingssystem einstellt.

Hier geht's zur Website von Neil Davies: www.fearfreehorsetraining.com


ZUR PERSON
Neil Davies ist seit 1977 professioneller Pferde-Trainer. In den ersten 15 Jahren seiner Trainerlaufbahn hat er Tausende Pferde angeritten und auch zahllose sogenannte ,Problempferde’ trainiert. Egal ob ein 100-Dollar-Pony aus dem Hinterhof oder millionenteure Vollblüter – Neil Davies kennt sie alle. Neil war einer der ersten Pferdetrainer, der seine Arbeit mit Hilfe von Videos dokumentierte. Diese Videos wurden weltweit verkauft, daneben führte er Clinics und Präsentationen in Australien, Neuseeland und den USA durch. Neils einzigartiges Wissen entstand in der Arbeit mit sovielen Pferden, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Obwohl nur wenige die Möglichkeit bzw. die Neigung haben, das zu tun was er tut, kann jeder Pferdefreund von seinem Wissen und seiner Erfahrung profitieren.

 

In diesem Video ist es ebenfalls deutlich zu sehen: Pferde lernen sehr schnell, wenn sie vertrauensvoll und entspannt sind.

ACHTUNG: Der gewünschte Beitrag kann aufgrund Ihrer persönlichen Datenschutzeinstellung nicht angezeigt werden. Bitte akzeptieren Sie die entsprechenden Cookies, um die gewünschten Inhalte anzusehen.
(YouTube)

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...

Weitere Artikel zu diesem Thema:

17.03.2015 - Neil Davies’ Blog: Streichelt Eure Pferde!07.03.2015 - Neil Davies’ Blog: Pferdetraining ohne Angst
Zur Übersichtzurück weiter

 
 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen