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Verhaltensstörungen unter Distanzpferden weit verbreitet
24.07.2015 / News

Aufsetz-Kopper: Das Pferd setzt die Zähne auf einen harten Gegenstand auf und zieht dann Luft ein.
Aufsetz-Kopper: Das Pferd setzt die Zähne auf einen harten Gegenstand auf und zieht dann Luft ein. / Foto: Martin Haller

Eine Studie der Universität von Trujillo in Chile hat untersucht, wie häufig Distanzpferde von sogenannten Stereotypien bzw. Verhaltensstörungen betroffen sind. Das Ergebnis war ernüchternd.

 

Ein chilenisches Forscherteam um Lisandro Muñoz-Alonzo von der Fakultät für Agrarwissenschaften der Nationalen Universität von Trujillo wollte herausfinden, wie häufig klassische Verhaltensstörungen wie Koppen oder Weben bei Distanzpferden auftreten. Zu diesem Zweck untersuchten die Wissenschaftler insgesamt 107 Distanzpferde in acht verschiedenen Reitställen in der Region Metropolitana.

Die Pferdebesitzer erhielten vor Beginn der Untersuchung eine detaillierte Beschreibung von drei klassischen Verhaltensstörungen – nämlich Koppen, Weben sowie Boxenlaufen – und wurden gebeten, das Auftreten derartiger stereotyper Verhaltensweisen in einem Beschreibungsbogen zu dokumentieren. Zusätzlich wurden die Pferde auch nach Alter und Geschlecht in jeweils drei Untersuchungsgruppen geteilt, um herauszufinden, ob allfällige Verhaltensstörungen damit in Zusammenhang stehen.

Insgesamt zeigte sich, daß erstaunliche 12,2 % aller Pferde an Verhaltensstörungen litten: Ein Pferd (also 0,9 % der Untersuchungsgruppe) entpuppte sich als Kopper, 6,5 % der Pferde waren Weber – und 4,7 % waren Boxenläufer. Ein Zusammenhang der beobachteten Stereotypien mit dem Alter oder dem Geschlecht der Pferde konnte nicht nachgewiesen werden.

Die Resultate der Studie bestätigen bisherige Forschungsergebnisse, wonach Steoreotypien bei Hauspferden – auch in der hier untersuchten Gruppe von Sport- bzw. Distanzpferden – in einem hohen Prozentsatz auftreten. Insgesamt schätzen Forscher, daß bis zu 15 % aller Hauspferde an derartigen Verhaltensstörungen leiden. Die Gründe dafür können vielfältig sein – z. B. nicht artgerechte Fütterung, eingeschränktes Sozialverhalten, mangelnde Bewegung, Reizverarmung, Langeweile, genetische Vorbelastung etc. All diese unphysiologischen, nicht artgerechten Zustände führen bei Pferden zu einer erheblichen Stressbelastung, die durch Stereotypien offenkundig gemildert bzw. kompensiert werden kann. So wurde u. a. nachgewiesen, daß Pferde während des Ausführens einer Stereotypie (z. B. Koppen oder Weben) niedrigere Herzschlagraten zeigen.

Koppen als ,Stressbewältigung'

Dies bestätigt auch eine aktuelle Studie eines Schweizer Forscherteams vom Nationalgestüt in Avenches, die im Fachjournal ,Physiology & Behavior' veröffentlicht wurde. In einem Versuch lösten die Wissenschaftler künstlich Stress bei 22 koppenden und 21 „normalen" Pferden aus, indem sie ihnen ein Stresshormon (Adrenocorticotropin) injizierten und anschließend die „Stressantwort" des Körpers, die Produktion des Stresshormons Cortisol und die Herzschlagrate überprüften.

Es zeigte sich, dass koppende Pferde einen höheren Cortisolausstoss hatten als nicht-koppende Pferde. Allerdings kamen diese Resultate durch einen Teil der Kopper zustande, die während des Versuchs das Verhalten nicht zeigten. Das Stresshormonniveau der übrigen 15 Kopper war von jenem der „normalen" Pferde nicht zu unterscheiden. Aus diesem Unterschied schliessen die Forscher, dass das Koppen bei den Pferden tatsächlich einen Stressabbau bewirkt und damit tatsächlich eine Art „Anpassungsstrategie an Stress" sein dürfte – die stereotype Wiederholung eines Bewegungsmusters beruhigt das Tier und steigert so sein Wohlbefinden. Das Verhalten gleichsam ,künstlich' zu unterdrücken – etwa durch Kopperriemen oder Boxen-Umbauten – sei daher nicht empfehlenswert, weil es das Tier daran hindert, mit stressig wahrgenommenen Situationen umgehen zu können.


Die Studie ,Frequency of classic stereotypies in endurance horses' von Lisandro E. Muñoz-Alonzo, Marie-Pierre Medina Vera, Jaime Cruces Leal, Mario Briones Luengo im im Magazhin ,Scientia Agropecuaria' 6/2015 erschienen und kann in einer Zusammenfassung hier nachgelesen werden.

 

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