Koppende Pferde haben auch ein erhöhtes Kolik-Risiko 08.04.2024 / News
Das Koppen ist eine Verhaltensstörung mit negativen Folgen für die Pferdegesundheit – die genauen Ursachen der Stereotypie sind bislang aber nicht restlos geklärt. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay
Lange wurde darüber spekuliert, dass koppende Pferde auch häufiger von bestimmten Arten von Koliken betroffen sind – mittlerweile haben Forscher endlich konsistente Daten vorgelegt, die diesen Zusammenhang klar bestätigen.
ForscherInnen schätzen, dass 2–10 % aller Pferde koppen. Diese Stereotypie (definiert als ein relativ unveränderliches, sich wiederholendes Verhaltensmuster ohne erkennbares Ziel oder erkennbare Funktion) beinhaltet das Anspannen der Muskeln an der Unterseite des Halses und das Ansaugen von Luft in die obere Speiseröhre, wobei ein charakteristisches Geräusch erzeugt wird, ähnlich dem menschlichen Rülpsen. Man unterscheidet zwei wesentliche Formen – das Freikoppen, bei dem das Pferd seinen Kopf zuerst zur Brust und dann ruckartig nach vorne bewegt, sowie das Aufsetzkoppen, bei dem das Pferd die oberen Schneidezähne auf einen Gegenstand setzt bzw. diesen mit den Zähnen umfasst. Aufsetzkopper kommen deutlich häufiger vor als Freikopper.
Für den PferdehalterInnen bzw. PferdebesitzerInnen stellt das Koppen ein durchaus ernstes Problem dar: Zu den negativen Folgen zählen nicht nur Beschädigungen an Gegenständen und Stallausrüstungen (Futterkrippen, Zäune, Absperrungen etc.), auf die das Pferd „beißt“, sondern auch gesundheitliche Schäden für die betroffenen Pferde – etwa übermäßige Zahnabnutzung und Zahnanomalien, Magengeschwüre etc. Zudem könnten koppende Pferden möglicherweise ein erhöhtes Risiko haben, an bestimmten Arten von Koliken zu erkranken – das war bislang nur eine Vermutung, doch Daten aus jüngerer Zeit, welche die Tierärztin und Fachautorin Stacey Oke für das Portal TheHorse.com zusammengestellt hat, bestätigen diesen Zusammenhang.
Die Ursachen der Verhaltensstörung sind bislang noch nicht restlos geklärt. Einer der populärsten Erklärungsansätze ist, dass Pferde mit unzureichender Beschäftigung, zu wenig Bewegung oder fehlendem sozialem Kontakt zu Artgenossen eher zum Koppen neigen – das Koppen wäre demnach eine Reaktion auf Langeweile bzw. eine Reaktion auf nicht optimale Lebensbedingungen, somit ein Mittel zur Stressbewältigung bzw. Selbstberuhigung, das es dem Pferd ermöglicht, seinen Stresspegel zu senken (siehe auch unseren Artikel dazu). Doch sogar diese sogenannte ,Bewältigungsthorie’ ist in der Wissenschaft nicht unumstritten.
Konsens herrscht bei den meister ForscherInnen darüber, dass das Koppen wahrscheinlich durch mehr als einen einzigen Faktor ausgelöst wird. So könnte die Ursache möglicherweise eine beliebige Kombination aus genetischer Veranlagung (obwohl Forscher noch keine Kandidatengene identifiziert haben), Unterschieden in physiologischen Mechanismen sowie bestimmten Managementfaktoren wie der gewählten Absetzmethode, der Haltungsform/Sozialisation sowie der Ernährung sein, wie Sabrina Briefer Freymond, Forscherin am Schweizerischen Nationalgestüt Agroskop in Avenches, erklärt.
In der Tat kann das Koppen ein gestresstes Pferd beruhigen, aber diese Beruhigung hat ihren Preis: Zu den mit dieser Stereotypie verbundenen gesundheitlichen Problemen gehören:
– Zahnanomalien und -abnutzung
– Anomalien bestimmter Schädelbereiche, insbesondere des Zungenbein-Apparats (Temporohyoid-Osteoarthropathie)
– Magengeschwüre
– Gewichtsverlust/schlechter Zustand aufgrund der Zeit, die mit dem Koppen verbracht wird, anstatt Futter aufzunehmen
– Leistungsschwäche
„Kolik ist ein weiteres großes Problem im Zusammenhang mit koppenden Pferden“, betont auch Louise Southwood, BSc (Tierärztin), Dipl.-Ing. ACVS und ACVECC, Professor für Notfallmedizin und Intensivpflege an der School of Veterinary Medicine der Universität von Pennsylvania. Sie konzentriert ihre klinischen und Forschungsbemühungen auf Magen-Darm-Erkrankungen bei Pferden, mit Schwerpunkt auf Koliken.
Nachdem jahrelang spekuliert wurde, dass Koliken häufiger bei Pferden auftreten, die koppen, haben Forscher endlich konsistente Daten vorgelegt, die diesen Zusammenhang klar bestätigen. Schon im Jahr 2011 berichteten etwa Claire Scantlebury, PhD, MRCVS, und ihre britischen Kollegen von der University of Liverpool, dass koppende Pferde 12-mal häufiger an wiederkehrenden Koliken leiden als nicht-koppende Artgenossen.
Im Jahr 2014 führte eine andere Gruppe von Wissenschaftlern aus Liverpool eine fragebogenbasierte Studie mit Besitzern von koppenden Pferden durch. Von den 365 in die Untersuchung aufgenommenen Pferden berichteten die Besitzer, dass 130 (35 %, 38 Fälle pro 100 Pferdejahre) eine oder mehrere Kolikepisoden erlitten hatten, also insgesamt 672 Koliken über einen Zeitraum von 12 Monaten, wobei bei 13 eine Operation erforderlich war. Die Prävalenz von Koliken in der allgemeinen Pferdepopulation liegt zwischen 3,5 und 10,6 Fällen pro 100 Pferdejahre – also erheblich darunter.
Weitere Untersuchungen zeigen, dass bei Koppern häufig zwei Arten von Koliken auftreten: die einfache Obstruktion des Dickdarms und die Einklemmung des Foramen epiploicum (EPE). Thomas van Bergen, DVM, PhD, Dipl. ECVS und seine Kollegen von der Universität Gent in Belgien berichteten Anfang 2019, dass 60 % der 142 EPE-Operationen an koppenden Pferden durchgeführt wurden – also ein exorbitant hoher Anteil. Auch Daten, die Louise Southwood auf dem Kongress der World Equine Veterinary Association 2015 präsentierte, haben gezeigt, dass Koppen neben Ernährungsumstellung, Zahnproblemen und Besatzdichte auf dem Pferdebetrieb einer der Hauptrisikofaktoren für wiederkehrende Koliken ist.
„So wie wir nicht vollständig verstehen, warum manche Pferde überhaupt an stereotypen Verhaltensweisen leiden, bleibt unser Wissen über den Zusammenhang zwischen Koliken und Koppen unklar“, so Southwood. Dennoch kann kein Zweifel darüber bestehen, dass es eine eindeutige Verbindung zwischen beiden Phänomenen gibt.
Könnte der Zusammenhang einfach eine abnormale Luftaufnahme beim Zubettgehen sein, die zu Bauchbeschwerden führt? Das wäre womöglich eine gute Theorie, aber McGreevy und andere widerlegten sie bereits 1995. Ihre Studienergebnisse zeigen, dass beim Koppen tatsächlich nur eine begrenzte Luftmenge in den Magen-Darm-Trakt gelangt. Der Großteil der Luft gelangt nur bis zur oberen Speiseröhre. Eine weitere Erklärung wäre, dass das komplexe Zusammenspiel zwischen Magen-Darm-System und Gehirn gestört ist (siehe die Untersuchung von Wickens und Helenskin aus dem Jahr 2010).
„Mein Bauchgefühl sagt, dass es einen Zusammenhang zwischen Koppen und Koliken gibt, und wir müssen uns genauer damit befassen“, ist sich Louise Southwood jedenfalls sicher. „Koppen könnte etwa einfach eine Möglichkeit für Pferde sein, mit chronischen, leichten Bauchschmerzen umzugehen. Wenn ihr Bauch weh tut, kann es sein, dass Pferde mit Koppen reagieren.“
Unabhängig vom zugrunde liegenden Zusammenhang kann das Koppeln schädlich für die Gesundheit des betroffenen Pferdes sein und seine Lebensqualität stark beeinträchtigen. Besitzer müssen auch die Zahn- und Oberflächenschäden berücksichtigen, die entstehen, wenn die Schneidezähne nach einem Gegenstand greifen, die Tierarztkosten, die bei Koliken eines Pferdes anfallen, und die sonstigen Auswirkungen auf das Pferdewohl, die mit dem Koppeln einhergehen.
Um das Koppen zu unterbinden, stehen eine Reihe von Therapie-Ansätzen zur Verfügung – von der Verwendung einer Fressbremse über pharmakologische Therapien bis zum Anlegen eines Kopperriemens, auch operative Eingriffe kommen bei schweren Fällen zum Einsatz. In jüngster Zeit hat sich zudem die Behandlung mit CBD als vielversprechend erwiesen (siehe unseren Artikel dazu).
Die jeweilige Therapie sollte man – selbstverständlich in Absprache mit dem Tierarzt – sorgfältig wählen, denn wenn man das Koppen (zumindest teilweise) als Mittel zur Stressbewältigung betrachtet. könnte in solchen Fällen die Verhinderung des Verhaltens als bedenklich für das Pferdewohl ausgelegt werden. In einem 2009 in Applied Animal Behavior Science veröffentlichten Artikel schrieben die Autoren, dass „… Versuche, dieses Verhalten durch die Verwendung von Kopperriemen oder anderen physischen Vorrichtungen zu unterdrücken, das Wohlergehen des Pferdes erheblich beeinträchtigen können, weil sie die Fähigkeit eines Pferdes, mit Stress umzugehen bzw. Stress zu bewältigen, einschränken – ohne die zugrunde liegende Ursache angehen.“
Albright sagte, sie habe beobachtet, dass der Drang einiger Pferde, sich festzuhalten, so stark ist, dass sie genauso hart arbeiten, um eine Oberfläche zu finden, an der sie sich festhalten können, wie sie es tun, um Futter zu finden. Andere Daten bestätigen diesen Befund und zeigen, dass Pferde hochmotiviert sind, das Verhalten auszuführen, und etwa 15 % ihres Tages damit verbringen, zu kriechen.
„Wenn das Koppen eine Bewältigungsstrategie ist, dann ist es besser, Pferde nicht am Koppen zu hindern, sondern stattdessen ihr Wohlergehen zu verbessern“, meint auch Briefer Freymond. „Möglicherweise könnte man sagen, dass höherer Stress auch eine der Ursachen für Koliken ist und dass eine Verbesserung des Wohlbefindens den Stress verringern und indirekt Koliken reduzieren könnte.“ „Man muss alle Aspekte des Problems sorgfältig abwägen, wenn man entscheidet, ob eine Behandlung durchgeführt werden soll oder nicht, und wenn ja, welche Strategie für das betreffende Tier am besten geeignet wäre“, so Southwood abschließend.
Was auch immer der Zusammenhang sein mag, das Koppen verursacht nicht nur physische Schäden am Eigentum des Pferdebesitzers, sondern hat auch gesundheitliche Auswirkungen für das betroffene Pferd, einschließlich eines erhöhten Kolikrisikos. Obwohl es Möglichkeiten gibt, dem Koppen entgegenzuwirken, verkomplizieren Bedenken hinsichtlich des Tierschutzes das Problem, was es für Tierärzte, Forscher und Verhaltensforscher schwierig machen kann, ihre Verwendung definitiv zu empfehlen, ohne die Lebensqualität des betroffenen Pferdes noch weiter zu beeinträchtigen.“
„Die daraus gezogene Schlussfolgerung ist, dass es sinnvoller sein könnte, die ursächlichen Quellen dieser Verhaltensstörung zu beseitigen, die zu der Stereotypie führen, als Pferde vom Koppen abzuhalten“, so Briefer Freymonds Resümee. „Dies kann erreicht werden, indem man etwa die Haltungsbedingungen und die sozialen Kontakte verbessert, die Natur nachahmt, die Fütterungszeit verlängert oder den Pferden eine gewisse Kontrolle über ihre Umgebung gibt. Dies sollte für alle Pferde durchgeführt werden, um die Entwicklung von Stereotypien zu verhindern oder diese zu heilen, und das würde auch das Wohlergehen von Pferden verbessern, die nicht koppen, aber in der gleichen Umgebung wie Kopper gehalten werden.“
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...Weitere Artikel zu diesem Thema:14.02.2023 - CBD bewährt sich bei Behandlung eines koppenden Pferdes
CBD bewährt sich bei Behandlung eines koppenden Pferdes 14.02.2023 / News
Italienische und brasilianische WissenschaftlerInnen berichten von einer 22-jährigen Quarter Horse-Stute, die ein langjähriger Kopper war und vier Wochen lang mit Cannabidiol (CBD) behandelt wurde – mit spektakulärem Erfolg.
Die in der Zeitschrift ,Veterinary and Animal Science’ veröffentlichte Fallstudie gilt als erster Bericht über den erfolgreichen therapeutischen Einsatz von Phytocannabinoiden bei Verhaltensstörungen von Pferden. Das Pferd erhielt die CBD-Behandlung über einen Zeitraum von vier Wochen. Der Besitzer gab an, dass das pensionierte Sportpferd die stereotype Verhaltensweise 15 Jahre lang gezeigt habe – und dass sämtliche Bemühungen, die Situation zu verbessern, erfolglos geblieben seien. Dazu gehörten die Verwendung einer speziellen Halskrause, Veränderungen in der Haltung, Ernährungsumstellungen bis hin zur Verabreichung von Beruhigungsmitteln – nichts von alledem half nachhaltig. Die Stute war im Alter von 10 Jahren in den Ruhestand geschickt worden und hatte zu diesem Zeitpunkt bereits drei Jahre lang gekoppt.
Stereotypien sind Verhaltensstörungen, die sich im Regelfall wiederholen und für das Tier keinen offensichtlichen Nutzen haben. Solche Verhaltensstörungen bei Pferden können ein Indikator für schlechtes Wohlbefinden sein.
Rodrigo Zamith Cunha und seine KollegInnen der Universität von Bologna (Italien) sowie der Universität von Sao Paolo (Brasilien) erläuterten in ihrer Studie, dass von Cannabisarten abgeleitete Moleküle unter verschiedenen medizinischen Bedingungen untersucht wurden. Das therapeutische Potenzial von Phytocannabinoiden hängt mit der Wirkung von Delta-9-Tetrahydrocannabinol, Cannabidiol (CBD) sowie anderen Verbindungen zusammen. Cannabidiol entfalte innerhalb des Zentralnervensystems vielfältige Wirkungen bzw. Aktivitäten, etwa anxiolytische (zur Behandlung von Angstzuständen), antidepressive, antipsychotische, krampflösende und entzündungshemmende. Sie stellten fest, dass einige Studien der jüngeren Vergangenheit die potenzielle und erfolgreiche therapeutische Verwendung von Phytocannabinoiden auch in der Veterinärmedizin gezeigt haben.
Das Forscherteam merkte an, dass derzeit keine speziellen, aus Cannabis gewonnenen Tierarzneimittel in der Europäischen Union (EU) oder Nordamerika zugelassen seien. Der Off-Label-Use von Humanarzneimitteln bei Tieren kann aber in bestimmten EU-Ländern oder in den USA erlaubt sein, wenn von der EU bzw. der USFDA zugelassene Produkte verwendet werden – die Anwendung liege dann im Verantwortungsbereich der behandelnden Tierärzte.
In ihrem Fallbericht wurde die Quarter Horse-Stute mit einem kommerziell erhältlichen isolierten CBD-Produkt in einer Dosis und Häufigkeit behandelt, die auf früheren Fallberichten und tierärztlichen pharmakologischen Studien basierten. Während der Behandlung gab es keine Veränderungen in der Futterqualität oder -quantität oder im Tagesablauf des Pferdes.
Bereits eine Stunde nach der ersten oralen Verabreichung des CBD-Präparats zeigte die Stute einen verbesserten Appetit und ein gesteigertes Futtersuchverhalten. Zwischen der ersten und der zweiten Behandlungswoche wurde eine signifikante Abnahme der Stunden, während denen das Pferd koppte, bei einer anhaltenden Verbesserung des Appetits beobachtet. Das Pferd wurde unter anderem auf Koliken, Lethargie, Appetitlosigkeit, Schwankungen der Körpertemperatur, Durchfall, Herz- und Atmungs-Störungen bzw. -Schwankungen überwacht, aber nichts dergleichen wurde beobachtet.
Den Behandlungserfolg darf man durchaus als spektakulär bezeichnen: Wurde vor der Behandlung (Tag 0) das Koppen noch an durchschnittlich 16 Stunden pro Tag beobachtet, so waren es an Tag 1 nur noch 6 Stunden und an Tag 3 nur noch 2 Stunden. In Woche 4 wurde die Verhaltensstörung sogar nur noch eine halbe Stunde pro Tag registriert, also sehr selten.
Durchschlagender Behandlungserfolg: Grafik a zeigt den Rückgang der Stunden, die mit der Verhaltensstörung Koppen vor, während und nach der Verabreichung von CBD verbracht wurden. Der Wert von Tag 0 ist der Durchschnitt der täglich mit Stereotypie verbrachten Stunden der 7 Tage vor der Therapie. Grafik b zeigt die Gewichtszunahme während der Therapie mit Cannabidiol. Grafik: Rodrigo Zamith Cunha et.al.
Weitere positive Effekte blieben ebenfalls nicht aus: Nach 30 Tagen hatte sich der Körperzustand des Pferdes verbessert, ebenso der Zustand des Fells. Darüber hinaus berichteten der Pfleger und die Besitzer von positiven Veränderungen im Verhalten der Stute, die sich von einer niedergeschlagenen und depressiven Haltung zu einer fröhlichen und aufmerksamen Haltung entwickelte.
Nach Abschluss der Behandlung hielt das Team noch weitere drei Wochen lang zweimal wöchentlich telefonischen Kontakt mit den Besitzern. Diese berichteten, dass der Behandlungserfolg auch nach Beendigung der medikamentösen Therapie anhielt und die Stute weniger als 1 h/Tag koppte, also drastisch weniger als zuvor.
Beim letzten telefonischen Kontakt mit den Besitzern erfuhr man leider von einem unvorhersehbaren und tragischen Ereignis: Die Pferdebesitzer informierten das Forscherteam darüber, dass die Stute nach einem traumatischen Beinbruch leider eingeschläfert werden musste. Es war ein bedrückender Schlusspunkt dieser Untersuchung, auch wenn der Vorfall mit hoher Sicherheit mit der CBD-Anwendung in keinerlei Zusammenhang stand.
Bild a zeigt die ungleichmäßige Abnutzung und Erosion der oberen und unteren Schneidezähne aufgrund des Koppens. Foto b zeigt die Verhaltensstörung: Die Stute stand dabei immer an der Rückseite ihrer Box, stützte ihren Kopf auf die Boxentüre und knabberte daran. Die Bilder c bis e zeigen die körperliche Entwicklung der Stute vor, während und nach der CBD-Therapie; klinischer Besuch 1 Woche vor der Behandlung, Body Score 2, wo man die Knochenstrukturen sehen und fühlen kann, obwohl eine dünne Muskelschicht vorhanden ist (Bild c); drei Wochen nach Beginn der oralen Einnahme von CBD mit sichtbarem Muskelaufbau und Fettablagerung (Bild d); 45 Tage nach Behandlungsbeginn Bodyscore Grad 4 mit deutlicher Gewichts- und Fellverbesserung (Bild e). Fotos: Rodrigo Zamith Cunha et.al.
Trotz dieses unglücklichen Endes der Pilotstudie zog das Forscherteam ein positives Resümee: „Dieser Fall verdeutlichte den möglichen Einsatz von CBD in Fällen, in denen herkömmliche Therapien bei Verhaltensstörungen keinen Erfolg hatten. Es war der Wunsch der Autoren, dass die Beschreibung dieses Falls dazu beitragen würde, weitere Forschungen zur Verwendung von Phyto- und Endo-Cannabinoiden nicht nur bei Pferden, sondern auch bei anderen Tierarten anzuregen. Die bei dem Pferd in diesem Bericht verwendete Dosierung betrug etwa 0,5 mg/kg/Tag und hat sich als wirksam bei der erfolgreichen Behandlung und Behandlung der Verhaltensstörung erwiesen, es liegen jedoch nur wenige Informationen über das beste Dosierungsschema für Pferde vor. Umfangreiche Forschung und klinische Studien sind erforderlich, um die Bioverfügbarkeit, Dosierung und Arzneimittelwechselwirkungen bei Pferden sowie die potenzielle Verwendung für bestimmte Pathologien zu ermitteln.“
Und weiter: „Die Ergebnisse nach 30 Tagen Therapie waren positiv, und die Besitzer sahen nach Beendigung der Behandlung keine Verhaltensregression. Nach bestem Wissen der Autoren ist dies der erste veröffentlichte Fall, der die erfolgreiche Behandlung und das Management eines chronisch koppenden Pferdes mit der oralen Verabreichung von CBD beschreibt, wodurch das Wohlbefinden und die Lebensqualität verbessert wurden."
Die Studie „The use of cannabidiol as a novel treatment for oral stereotypic behaviour (crib-biting) in a horse" von Rodrigo Zamith Cunha, Letícia Locatelli Felisardo, Giulia Salamanca, Gabriela Gomes Marchioni, Orlando Iazzetti Neto und Roberto Chiocchetti wird in der März-Ausgabe 2023 des Journals ,Veterinary and Animal Science' erscheinen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
20.08.2018 - Studie: Koppen hilft Pferden bei der Stressbewältigung
Studie: Koppen hilft Pferden bei der Stressbewältigung 20.08.2018 / News
Die Vermutung, dass sich Pferde mit Hilfe des Koppens gleichsam selbst belohnen und so Stress-Situationen besser bewältigen können, wird durch die neue Studie untermauert. / Symbolfoto: Martin Haller
Eine neue Studie hat weitere Hinweise dafür gefunden, dass die Stereotypie des Koppens bei Pferden eine Möglichkeit darstellt, besser mit Stress umzugehen und seinen Folgen entgegenzuwirken.
Die Hyothese ist nicht neu – doch kaum zuvor waren die Beweise dafür so überzeugend: Forscher der Royal Agricultural University (RAU) in Gloucestershire und der Universität von Aberystwyth konnten bei Pferden, die an der Stereotypie des Koppens litten, eindeutige neurologische Unterschiede zu Pferden entdecken, die frei von dieser Verhaltensstörung waren.
Die Wissenschaftler konzentrierten sich bei ihrer Studie auf einen wichtigen Teil des Gehirns, nämlich das Striatum, das die Eingangsstation der sogenannten Basalganglien unterhalb der Großhirnrinde bildet und die elementare Funktionen wie Motivation, Emotion, Kognition und Bewegungsverhalten regeln und koordinieren. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Neurotransmitter Dopamin – ein Botenstoff, der u. a. für Belohnung, Motivation und Gedächtnis benötigt wird.
Im Rahmen ihrer Analyse stellten die Wissenschaftler dabei zwischen der Untersuchungsgruppe (insgesamt zehn koppende Pferde) sowie der Kontrollgruppe (zehn nicht-koppende Pferde gleicher Rasse und gleichen Geschlechts) bemerkenswerte Unterschiede hinsichtlich ihrer ,neuronalen Sensibilisierung’ fest. Diese Unterschiede deuten darauf hin, „dass die Ausführung dieser nahrungsmotivierten Verhaltensweise für das Pferd selbst-stimulierende bzw. belohnende Effekte hat“, so Autor Dr. Andrew Hemmings von der Royal Agricultural University in einem Interview mit der Zeitschrift ,Horse&Hound’.
Dr. Andrews weiter: „Auf dieser Grundlage könnten Verhaltensweisen wie das Koppen es Pferden ermöglichen, mit stressreichen Situationen besser fertig zu werden – genauso wie Menschen belohnende Aktivitäten oder Dinge nutzen, um den Auswirkungen von Stress entgegenzuwirken.“ Dies werfe natürlich, wie auch andere Untersuchungen gezeigt haben, „eine Reihe von Fragen hinsichtlich des Pferdewohls auf, da sich diese Verhaltensweise normalerweise unter Haltungsbedingungen entwickelt, in denen Pferden eine artgemäße Ernährung, soziale Interaktion und die Möglichkeit, sich frei zu beweigen, vorenthalten werden“.
Zudem sei es angesichts der aktuellen Studienergebnisse auch zweifelhaft, ob die physische Unterbindung von Koppen (z. B. durch Kopperriemen oder Maulkörbe, Anm.) tatsächlich eine gute Idee wäre, so Dr. Hemmings. „Aus Sicht des Pferdemanagements ist eine physische Verhinderung des Koppens nicht ratsam, da wir in eine wichtige Bewältigungsstrategie eingreifen – und dieser Eingriff das Pferd anfällig für die schädlichen und auch leistungsmindernden Auswirkungen von Stress machen könnte.“
Die Untersuchung „Causal and functional interpretation of mu- and delta-opioid receptor profiles in mesoaccumbens and nigrostriatal pathways of an oral stereotypy phenotype" von Dr. Andrew Hemmings, Dr. Matthew O.Parker, Dr. Catherine Hale und Dr. Sebastian D. McBride ist in der Zeitschrift ,Behavioural Brain Research' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
16.11.2017 - Selen-Mangel könnte Ursache für Koppen sein
Selen-Mangel könnte Ursache für Koppen sein 16.11.2017 / News
Die meisten koppenden Pferde sind sogenannte ,Aufsetzkopper' – sie setzen ihre Schneidezähne auf einen festen Gegenstand (etwa einen Zaun oder sonstige Absperrung) auf. / Symbolfoto: Martin Haller
Eine neue Studie gibt erstmals Hinweise darauf, dass hinter der lästigen Verhaltensstörung ein Mangel an Selen stecken könnte.
Koppen ist eine lästige und bei vielen Pferdehaltern gefürchtete Verhaltensstörung – eine sogenannte Stereotypie, bei der das Pferd zwanghaft Luft in die Speiseröhre einsaugt und dabei ein typisches Geräusch (Kopperton) erzeugt, ähnlich dem Rülpsen beim Menschen. Die Ursache des Koppens ist bis heute nicht eindeutig geklärt: Einige Studien legen einen Zusammenhang mit bestimmten Haltungs- und Trainingsbedingungen nahe. Dass Koppen auf Magenprobleme bzw. Magengeschwüre zurückführen ist, wurde von einigen Wissenschaftlern angedeutet, konnte bislang aber nicht definitv bestätigt werden. Als gesichert gilt mittlerweile eine genetische Komponente – d.h. die Neigung zum Koppen kann vererbt werden, wobei vermutlich aber auch äußere Faktoren (Haltung, Training etc.) begünstigend und verstärkend hinzukommen müssen.
Einen neuen Ansatz verfolgten die Wissenschaftler Dr. Arash Omidi von der Universität Shiraz (Iran) sowie Dr. Matthew Parker von der Universität Portsmouth (Großbritannien): Sie untersuchten erstmals die mögliche Rolle von Spurenelementen bei der Entstehung des Koppens – und stießen dabei auf bemerkenswerte Ergebnisse.
DIe Forscher untersuchten Blutproben von koppenden Pferden auf insgesamt neun wichtige Spurenelemente – wobei die Proben im Ruhezustand sowie unmittelbar während des Koppens bzw. kurz danach entnommen wurden. Konkret untersucht wurde die Konzentration der Mineralstoffe Selen, Mangan, Magnesium, Kupfer und Zink sowie der Elektrolyte Natrium, Kalium,, Kalzium und Phosphor. Weitere Untersuchungen betrafen Enzyme, Glucose, Endorphine und einige Hormone, darunter auch das sogenannte Stress-Hormon Cortisol. Als Kontrollgruppe dienten einige gesunde, nicht-koppende Pferde, bei denen die gleichen Blut-Analysen vorgenommen wurden.
Die Auswertungen zeigten ein höchst interessantes Ergebnis: Die Selen-Konzentration war bei den koppenden Pferden signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe – und die niedrigsten Konzentrationen zeigten sich unmittelbar während des Koppens. Die anderen gemessenen Parameter zeigten keine nennenswerte Abweichung zwischen koppenden und nicht-koppenden Pferden.
Für die Wissenschaftler ist das Resultat in hohem Maße bemerkenswert – denn die niedrigen Selen-Werte könnten tatsächlich der auslösende Faktor der Verhaltensstörung sein, so Dr. Matthew Parker: „Selen ist ein wichtiges Antioxidans, das dem Körper hilft, sich vor Schäden durch freie Radikale oder oxidativen Stress zu schützen. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass ein Mangel an Selen in der Nahrung die oxidative Schädigung neurologischer Systeme erhöht und damit die Verhaltensstörung verursacht oder verschlimmert.“
Von „oxidativem Stress“ spricht man dann, wenn zu viele freie Radikale im Körper gebildet werden, für deren Abbau zuwenig Antioxidantien zur Verfügung stehen. Oxidativer Stress kann die Reparatur- und Entgiftungsfunktionen der Körperzellen beeinträchtigen sowie zu einer Reihe von Erkrankungen und Beschwerden führen. Bei der Entstehung von oxidativem Stress spielt auch die Ernährung eine entscheidende Rolle – bei der oft zu wenig Mikronährstoffe und Antioxidantien aufgenommen werden, um die Reduktion von freien Radikalen effizient zu unterstützen.
Die Beobachtung, dass ein Selen-Mangel in letzter Konsequenz zu Krankheiten und auch zu Verhaltensstörungen führen kann, ist durchaus nicht neu: So wurden etwa bei Menschen mit Schizophrenie auffallend geringe Selen-Konzentrationen festgestellt – und die Erkrankung tritt tatsächlich häufiger in Regionen auf, in denen der Boden ein niedriges Selen-Niveau aufweist.
Die Forscher bleiben jedoch bezüglich der koppenden Pferde vorsichtig: „Es ist noch zu früh, um mit Sicherheit sagen zu können, dass mehr Selen in der Ernährung diese Verhaltensstörung lindern oder sogar vollständig heilen kann – aber die von uns getesteten Pferde wiesen eindeutig einen Selen-Mangel auf.“
Zudem müsse man – so die eindringliche Warnung der Forscher – bei der Verabreichung von Selen höchst vorsichtig sein, denn zuviel Selen ist für Pferde giftig: Die empfohlene Tagesmenge liegt bei 0,1 mg/kg Futter – doch mehr als 2 mg/kg sind für das Pferd giftig. Pferde decken ihren Selen-Bedarf auf natürliche Weise beim Grasen auf der Weide sowie durch Heu und Getreide. Bei kommerziellem Pferdefutter wird jedoch häufig Selen hinzugefügt – was bei der Rationsgestaltung vom Pferdebesitzer unbedingt berücksichtigt werden muss, damit es zu keiner Überdosierung kommt. Dr. Matthew Parker: „Man sollte in der Tat sehr vorsichtig bei der Gabe von Selen sein. Einige Böden – speziell in den USA – sind sehr reich an Selen, und eine zusätzliche Verabreichung über ein Fertigfutter kann tatsächlich gefährlich sein.“
In einer weiteren Studie wollen die Wissenschaftler die Auswirkungen von Futterzusätzen auf das Koppen näher untersuchen – vor allem bei Produkten mit hohem Selengehalt und anderen Antioxidantien.
Die Studie „Potential roles of Selenium and Zinc in the pathophysiology of crib-biting behavior in horses" von Arash Omidi', Reza Jafari, Saeed Nazifi und Matthew O. Parker ist im ,Journal of Veterinary Behaviour' erschienen und kann in englischsprachiger Kurzfassung hier nachgelesen werden.
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