Pferde passen sich an Hitzebelastungen an 19.09.2023 / News
Abkühlung ist bei heißen Temperaturen wichtig – doch Pferde können sich auch auf zellulärer Ebene an Hitzestress anpassen, wie japanische Forscher herausfanden. / Symbolfoto: Archiv
Pferde können sich auf zellulärer Ebene an akuten Hitzestress anpassen – das konnte ein japanisches Forscherteam anhand von Veränderungen der Genexpression im Muskelgewebe von Vollblütern nachweisen. Diese Akklimatisierung an heiße Temperaturen ist eine Schutzreaktion des Körpers, verbessert den aeroben Energiestoffwechsel und reduziert Hitzestress.
Forscher in Japan haben sich in einer kürzlich veröffentlichten Studie mit der Schutzreaktion auf Hitzestress auf zellulärer Ebene bei Vollblütern befasst. Die Hitze-Akklimatisierung bei Pferden dient dazu, die physiologische Belastung zu reduzieren und die Trainingsleistung bei heißen Bedingungen zu verbessern.
Solche Strategien können zu einer Verbesserung des Stoffwechsels in der Skelettmuskulatur führen, so Yusaku Ebisuda, Kazutaka Mukai und ihre Forscherkollegen in der Zeitschrift ,Frontiers in Veterinary Science’. Allerdings gebe es nur wenig Informationen über die akuten Signalreaktionen der Skelettmuskulatur von Pferden nach dem Training in einer heißen Umgebung, so die Autoren.
Das Studienteam wollte daher die Hypothese untersuchen, dass Bewegung unter heißen Bedingungen im Vergleich zu Bewegung unter kühlen Bedingungen größere Veränderungen bei bestimmten Proteinen (z.B. bei sogenannten Hitzeschockproteine) und bei der mitochondrialen Signalübertragung in der Skelettmuskulatur von Pferden hervorruft.
Hitzeschockproteine sind Proteine, die anderen Proteinen bei der Faltung oder bei der Erhaltung ihrer Sekundärstruktur unter Extrembedingungen helfen – sprich: andere Proteine schützen. Sie spielen insbesondere bei der zellulären Stressreaktion auf eine heiße Umgebung eine zentrale Rolle – eine erhöhte Expression dieser Proteine hat eine Schutzfunktion gegen Zellschäden, die mit schädlichen Belastungen einhergehen.
Das Forscherteam wies darauf hin, dass Pferde im Allgemeinen und Vollblüter im Speziellen aufgrund ihres hohen prozentuellen Anteils an aktivem Muskelgewebe erhebliche Wärme produzieren, die ihre Kerntemperatur bei körperlicher Anstrengung um etwa 1° Celsius pro Minute erhöhen kann. Wenn sie in heißen und feuchten Umgebungen trainieren – beispielsweise bei Rennen oder Wettkämpfen tagsüber im Sommer, wo die Wärmeableitung eine Herausforderung darstellt – können ihre Kern- und Muskeltemperaturen bei hochintensivem Training auf über 42 °C ansteigen – ein Niveau, bei dem die Pferde Gefahr laufen, dass sich Muskel-Proteine zu zersetzen beginnen und körperliche Schäden eintreten.
Aus diesem Grund sollen Pferde im Allgemeinen an den heißen Stunden des Tages nicht oder nur begrenzt eingesetzt werden, um die Gefahr einer solchen ,Überhitzung’ zu minimieren. Bei Renn- oder Turnierpferden – insbesondere in Zonen mit heißem und feuchtem Klima – sind solche Beschränkungen aber oft schwer umsetzbar. Als mögliche Maßnahme zur Verringerung der schädlichen Auswirkungen von Hitzestress wird daher empfohlen, Pferde – ähnlich wie menschliche Sportler – einem speziellen Training zur Akklimatisierung an Hitzebedingungen zu unterziehen, so die Autoren.
Mehrere Studien haben gezeigt, dass die wiederholte Einwirkung von Hitzestress die Leistung bei Aerobic-Übungen verbessern und die Stoffwechselrate bei Pferden senken kann. Daher stellten das japanische Forscherteam die Hypothese auf, dass ein Hitze-Akklimatisierungs-Training nicht nur physiologische Anpassungen, sondern auch zelluläre Anpassungen in der Skelettmuskulatur von Pferden hervorrufen würde. Diese Hypothese stellte sich als zutreffend heraus.
Das Forscherteam stellte fest, dass es nur begrenzte Informationen über die Unterschiede in den akuten Signalreaktionen der Skelettmuskulatur von Pferden nach Training in einer heißen Umgebung im Vergleich zu Training in einer kühlen Umgebung gibt. „Das Verständnis dieser Skelettmuskelreaktionen kann dabei helfen, eine Trainingsstrategie für Rennen und Wettkämpfe in einer heißen Umgebung zu entwickeln“, sagten sie.
Die Studie konzentrierte sich auf 15 trainierte Vollblutpferde, die Übungseinheiten auf einem Laufband absolvierten. Acht trainierten unter kühlen Bedingungen (12,5 °C) und sieben führten den gleichen Belastungstest bei 29,5 °C durch. Vor dem Laufbandtest und vier Stunden nach dem Training wurden Biopsieproben aus dem mittleren Kruppenmuskel entnommen, um die mRNA-Expression mithilfe molekularer Methoden zu analysieren.
Die Ergebnisse waren bemerkenswert: Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich der maximalen Herzfrequenz und der Laktatkonzentration im Plasma – es stieg jedoch die Boten-Ribonukleinsäure (mRNA bzw. Messenger-RNA) der Proteingruppen HSP-70, PGC-1α-, HIF-1α- und PDK4 nach hochintensivem Training unter heißen Bedingungen im Vergleich zu Pferden, die unter kühleren Bedingungen trainierten, signifikant an.
Die Erklärung der Autoren: „Diese Erhöhung der Genexpression kann eine schützende Reaktion auf Hitzestress (HSP-70) , mitochondriale Biogenese (PGC-1α und HIF-1α) und Fettsäureoxidation (PDK4) erleichtern.“ Ihre Ergebnisse deuten daher darauf hin, „dass die Hitzeakklimatisierung oder Akklimatisierung für Wettkämpfe und Rennen unter heißen Bedingungen wirksam ist, um den aeroben Energiestoffwechsel zu verbessern und Hitzestress zu reduzieren. Wiederholte Einwirkung von Hitzestress, wie z. B. Training in natürlich heißer Umgebung oder in künstlich erhitzter Umgebung, kann eine wirksame Strategie für Wettkämpfe und Rennen sein, die in heißen Umgebungen abgehalten werden“, so die Autoren zusammenfassend.
Die Studie „Acute exercise in a hot environment increases heat shock protein 70 and peroxisome proliferator-activated receptor γ coactivator 1α mRNA in Thoroughbred horse skeletal muscle" von Yusaku Ebisuda, Kazutaka Mukai, Yuji Takahashi, Toshinobu Yoshida, Aoto Kawano, Tsubasa Matsuhashi, Hirofumi Miyata, Masayoshi Kuwahara und Hajime Ohmura ist am 21. Aug. 2023 in der Zeitschrift ,Frontiers in Veterinary Science' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
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10 Tipps, um Hitzeproblemen bei Pferden vorzubeugen 20.06.2017 / Wissen
Beim Abkühlen immer herzfern beginnen, am besten bei den Hufen, dann die Beine aufwärts und schließlich von hinten nach vorn. / Foto: Archiv
Die durch den Klimawandel weltweit steigenden Temperaturen sind für Pferde eine ernste Gefahr: Große Hitze und eine unzureichende Versorgung mit Flüssigkeit können rasch zu gesundheitlichen Problemen führen. Tierärzte raten daher, Hitzeprobleme bei Pferden stets ernst zu nehmen – und geben Tipps, wie man seine Pferde am besten vor Hitzeschäden schützen kann.
Vor allem in den Sommermonaten sind Pferde infolge des Klimawandels immer extremeren Temperaturen ausgesetzt – und diese können leicht zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen und im schlimmsten Fall sogar zum Tod führen. Wie kritisch und sensibel eine ausreichende Versorgung mit Wasser bei Pferden ist, hat schon vor Jahren Dr. Peter Huntington, verantwortlicher Direktor der Sparte Ernährung bei der Forschungseinrichtung ,Kentucky Equine Research’ der Universität von Melbourne (Australien) auf den Punkt gebracht: „Ein Pferd kann fast einen Monat ohne Futter leben, aber innerhalb von nur 48 Stunden ohne Wasser kann ein Pferd beginnen, Anzeichen von Koliken zu zeigen und Verstopfung, Lethargie und weitere lebensbedrohliche Folgesymptome zu entwickeln. Ein Pferd kann nur etwa fünf Tage ohne Wasser überleben.“
Für ein Pferd ist es daher im wahrsten Sinn des Wortes lebenswichtig, stets ausreichend hydriert, also mit Wasser versorgt zu sein, um seine vitalen Körperfunktionen aufrechterhalten zu können – und das ist besonders an sehr heißen Tagen eine Herausforderung für Besitzer und Halter. Die Tierärzte Dr. John Madigan, Dr. Gary Magdesian und Dr. David Wilson von der Universität von Kalifornien in Davis haben auf dem Gesundheitsportal TheHorse.com eine Reihe von empfehlenswerten Verhaltensregeln zusammengestellt, um Hitzeschäden bei Pferden zu vermeiden und es im Idealfall gar nicht erst zu gesundheitlichen Problemen kommen zu lassen. Hier die 10 wichtigsten Tipps im Überblick:
1) Hitzeprobleme immer ernst nehmen – denn Hitze kann für Pferde tödlich sein: Hohe Außentemperaturen können Pferden schwer zusetzen und zu Dehydrierung, Erschöpfung und Hitzeschlag führen – und in der Folge eine Reihe von Krankheiten und sogar den Tod verursachen. Derartige Probleme sind eine ernste Sache – und Pferdebesitzer müssen geeignete Maßnahmen ergreifen, um den Schutz ihres Pferdes bei Fahrten im Anhänger, bei Wanderritten oder bei Turnieren sicherzustellen.
2) Freien Zugang zu Wasser gewährleisten: Helfen Sie Ihrem Pferd dabei, seinen Flüssigkeitshaushalt stets ausgeglichen zu halten, indem Sie ihm zu jeder Zeit freien Zugang zu Wasser ermöglichen. Es ist ein Mythos, dass ein erhitztes Pferd, das Wasser trinkt, eine Kolik oder andere medizinische Probleme bekommen kann. Lassen Sie niemals eine Gelegenheit vorübergehen, ihrem Pferd zu trinken zu geben. Nur Pferde, die für eine lange Zeit (also viele Stunden oder Tage) kein Wasser zur Verfügung hatten, sollten über einen längeren Zeitraum Wasser nur in kleineren Mengen zu sich nehmen. Lassen Sie Ihr Pferd auch auf dem Anhänger Wasser trinken oder nach einem Bewerb auf einem Turnier.
Hinweis: Du kannst ein Pferd zwar zum Wasser führen, aber du kannst es nicht zum Trinken zwingen, sagt ein altes Sprichwort. Das ist wahr – doch man kann seinem Pferd z. B. ein wenig Heu anbieten, und danach wird es in vielen Fällen bereitwillig trinken. Eingeweichte Futtermittel oder Mash sind weitere Möglichkeiten, eine Extra-Portion Wasser ins Pferd zu bringen.
3) Ermöglichen Sie Ihrem Pferd soviel Schatten wie möglich!
4) Setzen Sie Ihr Pferd während der heißesten Stunden des Tages nur begrenzt ein!
– Reiten Sie Ihr Pferd wenn möglich in den frühen Morgenstunden, wenn es noch kühler ist;
– Wenn Sie am Turnier sind: Sprechen Sie mit dem Veranstalter, ob er an besonders heißen Tagen nicht den Zeitplan anpassen kann und Bewerbe am Nachmittag, wenn die Temperaturen am heißesten sind, eventuell nach vor oder nach hinten verlegt;
– Verkürzen Sie Ihre Reitzeit;
– Reduzieren Sie das Tempo und sorgen sie dafür, dass Ihr Pferd regelmäßige Pausen im Schatten erhält;
– Ermutigen Sie Ihr Pferd zu trinken, wann immer es möchte!
5) Belüftung ist ein Schlüsselfaktor: Sorgen Sie für offene Lüftungsschlitze und Fenster auf Anhängern, die man für den Durchzug öffnen kann (Aber achten Sie darauf, dass ihr Pferd während des Transports niemals den Kopf aus dem Anhänger stecken kann!)
6) Achten Sie bei Transporten auf Anzeichen von Müdigkeit oder Überhitzung bei ihrem Pferd und bleiben Sie stehen, bevor sich ernsthafte Zeichen von Erschöpfung bemerkbar machen. Achten Sie insbesondere auf:
– eine anhaltend hohe Atemfrequenz, die auch nach einer Ruhephase von 10 bis 30 Minuten nicht absinkt (normal sind 20 bis 40 Atemzüge pro Minute)
– ein verändertes Temperament, bei dem ihr Pferd energielos wirkt und nur widerstrebend mitmacht;
– trockene Schleimhäute (etwa beim Zahnfleisch) im Maul (diese sollten sich tatsächlich ,schleimig' anfühlen)
– eine längere Kapillar-Füllzeit (Test: Man drückt mit der Fingerkuppe auf die Maulschleimhaut, etwa oberhalb der Schneidezähne, und lässt wieder los. Innerhalb von etwa einer Sekunde sollte die weißlich-helle Druckstelle wieder so rosig aussehen wie zuvor. Wiederholen Sie diesen Test mehrmals den Tag über. Wenn sich diese Kapillar-Füllzeit verlängert, dann sagt Ihnen Ihr Pferd damit: Stop – ich brauche eine Pause und Wasser! Sollten auch noch Anzeichen einer Kolik oder von Muskelschmerzen auftreten, dann bleiben Sie bei Ihrem Pferd und holen Sie den Tierarzt.)
– einen Mangel an Darmgeräuschen: Hören Sie ihr Pferd am Anfang des Tages ab (wenn Sie kein Stethoskop haben, dann halten sie Ihr Ohr einfach an die Flanke des Pferdes, gleich hinter den Rippen): Sie sollten gurgelnde Geräusche auf beiden Seiten des Bauches hören – das ist normal und gut. Ein Mangel an Darmgeräuschen ist eine Warnung, dass ihr Pferd kurz vor einer Dehydrierung oder Erschöpfung steht.
7) Überlegen Sie die Verwendung von Ventilatoren: Falls Ihr Pferd in einem Stall mit geringer Durchlüftung steht, können Sie für mehr Luftzirkulation sorgen, indem sie vor der Box bzw. in der Stallgasse sorgfältig einen Ventilator platzieren. Dabei ist selbstverständlich darauf zu achten, dass die elektrischen Kabel für die Pferde unerreichbar bleiben.
8) Spritzen Sie Ihr Pferd mit einem Schlauch ab oder übergießen Sie es mit einem Eimer. Kühles Wasser ist gut, aber lauwarmes (nicht heißes!) Wasser ebenso. Die Verdunstung sorgt für Abkühlung – und das ständige Abspritzen mit einem Schlauch ist eines der effektivsten Mittel, um die Körpertemperatur eines Pferdes zu senken.
(Hinweis: Beim Abspritzen oder Abgießen niemals eiskaltes Wasser verwenden, das könnte den Kreislauf zusätzlich belasten. Wenn das Pferd zurückweicht oder sich verspannt, ist das Wasser eindeutig zu kalt! Das Wasser sollte man immer langsam und behutsam einsetzen, das ist für das Pferd schonender und angenehmer! Beim Abkühlen immer herzfern beginnen, am besten bei den Hufen, dann die Beine aufwärts und schließlich von hinten nach vorn. Wie man richtig und pferdefreundlich kühlt, kann man in diesem Artikel nachlesen!)
9) Stellen Sie auf längeren Transporten bzw. Reisen eine Wasserquelle zur Verfügung – ihr Pferd soll ständig trinken können. Ausreichende Wasservorräte in sauberen Kanistern bzw. Behältern sind auf jeder Reise unverzichtbar.
10) Wenn Ihr Pferd sehr stark geschwitzt hat, sind Elektrolyte nützlich und notwendig. Verwenden Sie diese nur, wenn das Pferd danach auch ausreichend Wasser zu sich nehmen kann. Lassen Sie sich von Ihrem Tierarzt beraten, wenn Sie zuvor noch keine Elektrolyte verwendet haben. Verwenden Sie ausschließlich Elektrolyte, die speziell für Pferde hergestellt wurden!
Hitze-Tipps für das Fahren im Anhänger
Wenn Sie Ihr Pferd im Anhänger transportieren müssen, tun Sie das am besten in den Morgenstunden oder später am Abend, wenn es kühler ist. Lassen Sie Ihr Pferd niemals auf dem Anhänger – ganz besonders nicht, wenn dieser nicht im Schatten steht. Wie in einem geparkten Auto können auch in einem Anhänger die Temperaturen sehr rasch 60 Grad Celsius oder mehr erreichen – die Gefahr eines Hitzeschlags droht! Sorgen Sie für soviel sichere Belüftung und Frischluftzufuhr, wie es der Transport auf der Straße zulässt. Seien Sie besonders vorsichtig, wenn Sie Fohlen transportieren – diese sind für Hitze noch anfälliger als erwachsene Pferde.
15.07.2022 - "Ausreichend Wasser ist der beste Weg, um Hitzestress bei Pferden zu minimieren!"
"Ausreichend Wasser ist der beste Weg, um Hitzestress bei Pferden zu minimieren!" 15.07.2022 / News
Pferde sollen bei jeder erdenklichen Gelegenheit trinken, um optimal auf die Herausforderungen durch Hitze vorbereitet zu sein: Die körpereigene Thermoregulation funktioniert nämlich nur, wenn Pferde ausreichend hydriert sind, so Prof. Lindinger. / Symbolfoto: Archiv/Steffen Wachsmuth/Pixabay
Der renommierte Tier- und Bewegungsphysiologe Prof. Michael Lindinger erläutert die ausgeklügelte Thermoregulation von Pferden – und warum die ausreichende Versorgung mit Wasser dabei von überragender Bedeutung ist.
Um Pferde zu kühlen, wenn ihre Körpertemperatur in die Höhe schnellt, können verschiedene Techniken angewendet werden – zum Beispiel externe Kühlung mit Wasser. Aber eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr vor Beginn eines Trainings oder Wettkampfs ist der beste Weg, um Hitzestress und Dehydrierung zu minimieren, so Prof. Dr. Michael Lindinger, Präsident von ,The Nutraceutical Alliance', in Burlington, Ontario (Kanada).
Pferde regulieren ihre innere Körpertemperatur – ein Prozess, der als Thermoregulation bezeichnet wird – mithilfe verschiedener Mechanismen, so Dr. Lindinger während seiner Präsentation auf dem virtuellen EquiSummit-Event 2022, über den das Portal TheHorse.com berichtete. Am wichtigsten ist, dass der Hypothalamus im Gehirn heißes Blut und/oder heiße Haut wahrnimmt und Signale aussendet, um erstens die Blutgefäße in der Haut zu erweitern und zweitens die Schweißproduktion anzuregen.
Bei einem ruhenden Pferd sind die Blutgefäße in Muskeln und Haut nicht vasodilatiert (entspannt bzw. erweitert). Aber mit Bewegung und einem Anstieg der Körperinnen- und Hauttemperatur erfahren Pferde eine deutliche Vasodilatation (Ausdehnung): „Während des Trainings werden durch die kontrahierenden Muskeln große Mengen an Wärme produziert. Das durch diese Muskeln fließende Blut nimmt auch während des Trainings zu, und dieses erwärmte Blut fließt zur Haut, wo Wärme dann durch die Haut an die Umgebung abgegeben werden kann. Dieser Weg des Wärmeverlusts an der Haut ist jedoch sekundär zum Kühleffekt, der durch die Verdunstung von Schweiß über Haut und Haarkleid verursacht wird.“
Von zentraler Bedeutung ist aber: Beide Kühlmethoden erfordern ein gut hydriertes, also ausreichend mit Flüssigkeit versorgtes Pferd. Eine Dehydrierung – also eine zu geringe Versorgung des Organismus mit Flüssigkeit – verringert das Blutvolumen und den Blutfluss zu den Muskeln und der Haut, was zu einer potenziell katastrophalen Erhöhung der Körpertemperatur führt. Für das Pferd ist ein solcher Zustand absolut kritisch und im schlimmsten Fall sogar lebensbedrohend
Umso wichtiger sei es daher, so Dr. Lindinger, das Pferd bei jeder erdenklichen Gelegenheit trinken zu lassen – auch und gerade an besonders heißen Tagen: „Je besser ein Pferd hydriert, also ausreichend mit Wasser versorgt ist, desto besser kann es schwitzen und thermoregulieren. Deshalb sollten Pferde vor, während und nach dem Training so viel wie möglich trinken dürfen, insbesondere mit zugesetzten Elektrolyten. Dehydrierung verringert die Fähigkeit des Pferdes, Blut von wärmeerzeugenden Muskeln zur Haut zu transportieren, wo es zu einer Abkühlung kommt.“
Pferde können 10-20 oder mehr Liter Schweiß pro Stunde schwitzen, und sie schwitzen weiter, selbst wenn sie sich von der Anstrengung erholen. Um diese Pferde hydriert zu halten oder sie nach dem Training zu rehydrieren, sind Elektrolyte erforderlich. „Wasser allein wird nicht im Körper des Pferdes zurückgehalten. Dieses Wasser geht einfach in den Urin. Elektrolyte sind erforderlich, um Flüssigkeit im Körper zu halten und dabei zu helfen, Flüssigkeit dort zu verteilen, wo sie benötigt wird“, so Dr. Lindinger.
Pferdebesitzern legt Dr. Lindinger auch nahe, ihre Pferde schon mit Flüssigkeit zu versorgen, bevor sie überhaupt zu einem Wettbewerb aufbrechen, da bereits der Transport selbst als Training angesehen werden kann, welches das Pferd stresst: „Das ideale Zeitfenster für das Anbieten von Elektrolyten im Wasser liegt innerhalb einer Stunde nach dem Training des Pferdes. Dadurch entsteht ein gewisses Reservoir an Wasser und Elektrolyten im Magen-Darm-Trakt, das hilft, Wasser und Ionen zu ersetzen, die durch Schwitzen verloren gehen“, so Dr. Lindinger. Wenn man dem Flüssigkeitsstatus seines Pferdes Priorität einräumt, kann man nicht nur Hitzestress erfolgreich verhindern, sondern auch die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Pferdes verbessern.
Während seiner Präsentation empfahl Dr. Lindinger eine schnelle Kühlung mit kaltem Wasser in Notsituationen, wenn die Rektaltemperatur von Pferden 39 Grad C übersteigt. Er verwies jedoch auf aktuelle Forschungsergebnisse, die zeigen, dass eine kontinuierliche Wasseranwendung mit Wassertemperaturen zwischen 20 und 26 Grad C für eine schnelle Kühlung effektiver ist als Eiswasser. „Das liegt daran, dass eiskaltes Wasser eine gewisse Vasokonstriktion (= Verengung, Anm.) der Blutgefäße in der Haut verursacht und die Wärmeübertragungsrate vom Körper zur Umgebung verlangsamt“, sagte er.
Dr. Lindinger warnte auch vor der Verwendung von Abschwitzdecken (engl. ,cooler’), um Pferde im Sommer zu kühlen. „Das sind überhaupt keine ,Kühler’, sondern eigentlich ‚Heizer‘, weil sie die Fähigkeit des Pferdes verringern, Wärme von der Haut abzuleiten. Abschwitzdecken sollten nur verwendet werden, nachdem das Pferd bereits abgekühlt ist, was anhand der rektalen Temperatur überprüft werden kann“, so Dr. Lindinger.
Pferde überhitzen bis zu zehn Mal schneller als Menschen
Pferde kommen mit Hitze generell erheblich schlechter zurecht als wir Menschen – was Prof. Lindinger bereits im Jahr 2010 in einem vielbeachteten Artikel für die Universität von Guelph in Kanada deutlich gemacht hat. Prof. Lindinger leitete u. a. ein Forscherteam, das die Auswirkungen hoher Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit auf die Pferde des kanadischen Reiter-Teams bei den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 untersucht hat – und das zu besorgniserregenden Ergebnissen gekommen ist: Pferde sind für hitzebedingte Belastungen wesentlich anfälliger als Menschen – und haben schlechtere Voraussetzungen, mit hohen Temperaturen fertig zu werden als wir.
Pferde sind wesentlich größer und haben einen höheren prozentuellen Anteil an aktivem Muskelgewebe – und wenn Muskeln eingesetzt werden, produzieren sie erhebliche Wärme. Nur 17 Minuten Arbeit mittlerer Intensität bei heißer, feuchter Witterung reichen aus, um die Körpertemperatur eines Pferdes auf ein gefährliches Niveau zu steigern – das ist drei bis zehn Mal schneller als bei Menschen. Pferde vertragen Hitze also viel schlechter als Menschen, so Prof. Lindinger.
Wenn die Körpertemperatur eines Pferdes von 37 oder 38 Grad auf 41 Grad ansteigt, erreicht die Temperatur in der aktiven Muskulatur nahezu 43 Grad – und das ist ein Niveau, bei dem die Muskel-Proteine zu ,kochen' beginnen und sich zersetzen. Pferde, die schwerem Hitze-Stress ausgesetzt sind, können von Blutdruckabfall, Koliken oder Nierenversagen betroffen sein.
Verschärfend kommt hinzu, daß Pferde zwar viel Schweiß produzieren und dadurch erhebliche Flüssigkeitsmengen verlieren – schon bei kühler, trockener Witterung 15 bis 20 Liter pro Stunde, bei heißer, feuchter Witterung sind es 30 Liter und mehr – sie können aber nur 25 bis 30 Prozent des Schweisses über Verdampfung zur Abkühlung ihres Körpers nutzen. Beim Menschen sind es 50 % – der Kühleffekt über die Verdampfung funktioniert bei uns also doppelt so gut. Zudem verlieren Pferde erheblich mehr Salze beim Schwitzen – deren Konzentration im Pferdeschweiß ist vier Mal so hoch wie beim Menschen. Dies muss durch die Verabreichung geeigneter Elektrolytlösungen ausgeglichen werden.
07.07.2023 - Leiden Fiakerpferde unter der Sommerhitze? Studie der Vetmeduni Wien soll Klarheit bringen
Leiden Fiakerpferde unter der Sommerhitze? Studie der Vetmeduni Wien soll Klarheit bringen 07.07.2023 / News
Wie sehr – und ab welchen Temperaturen – leiden Wiens Fiakerpferde unter der sommerlichen Hitze? Eine Studie der VMU Wien soll diese Frage nun klären ... / Symbolfoto: Fotolia-Lukas Bast
Die alljährlich aufkommende Diskussion um ein Hitze-Fahrverbot für Wiens Fiakerpferde – und welche Temperaturgrenze dafür gelten soll – könnte schon bald auf eine neue Basis gestellt werden: Die Veterinärmedizinische Universität Wien arbeitet gerade an einer Studie zu dieser kniffligen Frage.
Nach dem überraschenden Vorstoß von Gesundheitsminister Johannes Rauch im Vorjahr, der in einem ORF-Interview die Existenzberechtigung der Wiener Fiaker in Frage stellte (siehe auch unseren Bericht dazu), hatte man sich im Herbst 2022 in Gesprächen zwischen der Stadt Wien sowie dem für Tierschutz zuständigen Gesundheitsministerium auf eine gemeinsame Studie geeinigt, um „die gesundheitlichen Auswirkungen der heißen Jahreszeit auf Pferde und im Speziellen auch auf Fiakerpferde umfassend zu untersuchen“, wie es damals hieß. Seither hatte man von diesem Plan aber nicht mehr viel gehört.
Wie der ,Standard’ nun auf seiner Website berichtet, ist diese Untersuchung aber bereits in Angriff genommen worden: Mit der wissenschaftlichen Durchführung wurde die Veterinärmedizinische Universität Wien betraut, „die zum Studienthema 'Pferdenutzung im Zeichen des Klimawandels' bereits mit Recherchen und Vorarbeiten begonnen hat“, wie es in einer Stellungnahme von Wiens Tierschutzstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) heißt. Im Zentrum soll die Frage stehen, wie gut Pferde mit Hitzebelastungen umgehen können und welche „physiologischen Reaktionen und Verhaltensindikatoren“ sie bei verschiedenen Temperaturen und insbesondere bei Hitzestress zeigen.
Es ist nicht das erste Mal, dass die VMU Wien eine derartige Studie durchführt: Bereits im Jahr 2008 gab es eine detaillierte Untersuchung zum Thema „Hitzestressmessungen bei Fiakerpferden in Wien“, beauftragt von der Tierschutzombudsstelle Wien und durchgeführt von Bacc. Anna Damberger. Zentrales Ergebnis: „Die im Rahmen dieser Studie erhobenen klimatischen Bedingungen entsprachen einem typischen Wiener Sommer und überforderten die untersuchten Fiakerpferde in ihrem physiologischen Anpassungsvermögen nicht. Hitzestress, in Form einer Überforderung des thermoregulatorischen Systems im Pferd, wurde in keiner der annähernd 400 Messungen an den Tieren festgestellt."
Diese Studie wurde seither auch immer wieder angeführt, um zu verdeutlichen, dass auch heißere Temperaturen keine negativen Auswirkungen auf das Pferdewohl hätten. Pferde seien eben Steppentiere, wird argumentiert – und sie kämen daher gut mit der sommerlichen Hitze zurecht. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Untersuchungen – so etwa vom renommierten Tier- und Bewegungsphysiologien Prof. Michael Lindinger, in denen darauf hingewiesen wird, dass Pferde für hitzebedingte Belastungen wesentlich anfälliger sind als Menschen und drei- bis zehnmal schneller „überhitzen" würden.
So sind sich offenbar selbst Experten nicht einig, wie gut Pferde ganz allgemein mit Hitzestress umgehen können – und ab welchen Temperaturen und sonstigen Bedingungen sie darunter zu leiden beginnen. Insofern ist es zweifellos wünschenswert und wichtig, zumindest eine möglichst objektive wissenschaftliche Expertise zu dieser Frage zu haben – für die nun die VMU Wien sorgen soll.
Evident ist auch, dass sich die Hitzebelastung in der Stadt seit dem Jahr 2008 durch den sich beschleunigenden Klimawandel nochmals verschärft hat, wie auch die Statistik belegt: 2008 gab es in Wien 74 Sommertage (also mit Temperaturen über 25 Grad Celsius) und 8 Hitzetage (mit Temperaturen über 30 Grad Celsius). Zehn Jahre später – also im Jahr 2018 – waren es bereits 113 Sommertage und 37 Hitzetage, 2022 wurden 93 Sommertage und 31 Hitzetage verzeichnet. Die Frage, wie Pferde mit derartigen Temperaturen – und vor allem mit einer derartigen Zahl von extrem heißen Tagen – zurechtkommen, muss daher neu beantwortet werden. Denn für Pferde sind nicht die Sommertage das Problem, sondern die Hitzetage, die sich vervielfacht haben.
Aktuell gilt in Wien zwar ein sommerliches Fahrverbot für Fiaker ab 35 Grad, doch Tierschützern geht das nicht weit genug: Sie fordern seit langem, diese Temperaturgrenze auf 30 Grad abzusenken, wie man das auch schon in Salzburg getan hat. Dagegen wehren sich die Wiener Fiaker aber mit Händen und Füßen – und meinen, dass dies de facto einem Arbeitsverbot gleichkomme und die Betriebe in den wirtschaftlichen Ruin treiben würde.
Ob die neue Studie diesen Streit – der bisweilen die Züge eines Glaubenskriegs annimmt – wirklich lösen oder auch nur entschärfen kann, darf bezweifelt werden. Sie wird aber jedenfalls für neuen Gesprächsstoff sorgen – man darf gespannt sein ...
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