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Die Fälle des Dr. K.: Gekauft und übernommen wie besichtigt! Erfahrungen
26.11.2022 / News

Wird nach einem Pferdekauf ein „Mangel“ – tatsächlicher oder vermeintlicher Natur – gerügt, gibt es oft ein böses Erwachen, denn vielfach findet dann die Formel „Gekauft und übernommen wie besichtigt“ Anwendung – und eine Mängelrüge wird abgewiesen. Eine Reihe von Beispielen soll dazu dienen, den Blick auf nicht alltägliche, aber erkennbare Mängel zu schärfen.


Mit den Kaufgepflogenheiten, die Online-Geschäfte in unserer Zeit mit sich gebracht haben, ist manche Gewohnheit, die der kaufmännischen Tradition verbunden war, verloren gegangen. Die heute 20- bis 40-Jährigen (und jüngeren), die im Segment der Eigentümer von „günstigen“ Gebrauchspferden die Mehrheit stellen, sind damit aufgewachsen, im Internet online zu bestellen, die Ware nach Erhalt auszupacken und zu begutachten, und dann erst eine endgültige Kaufentscheidung zu treffen. Gefällt oder entspricht die Ware nicht, wird sie kostenfrei retourniert oder umgetauscht.

Klagen, die bei Zivilgerichten eingebracht werden, fördern in den letzten 10 Jahren zutage, dass diese Internet- Üblichkeiten „versuchsweise“ auch auf den Kauf von Pferden (oder anderen Tieren) angewandt werden.

Ein Nebeneffekt dieser Entwicklung, dass dem „Kaufgegenstand“ – in der vorliegenden Betrachtung also einem Pferd – im Vorfeld nur wenig Aufmerksamkeit und Wissen oder Können gewidmet wird, wurzelt in der irrigen Meinung, man könne ja ohnehin Alles zurückschicken und umtauschen.
Wird nach einem Pferdekauf ein „Mangel“ – tatsächlicher oder vermeintlicher Natur – gerügt, gibt es oft ein böses Erwachen, denn vielfach findet dann die Formel „Gekauft und übernommen wie besichtigt“ Anwendung und eine Mängelrüge wird abgewiesen.

Abgesehen von der rechtlichen Sicht, die auf Mängel anzuwenden ist, muss nach der allgemeinen Lebenserfahrung unterschieden werden:
– Ein Mangel, der nicht erkennbar ist.
– Ein Mangel, der nicht erkannt wurde.
– Ein Mangel, der verborgen war.
– Ein Mangel, der klar erkennbar ist, aber in seiner Tragweite nicht erfasst wurde.

Ziemlich regelmäßig wird in Klagen zu Mängelrügen angeführt, dass es sich bei der klagenden Partei um „blutige Anfänger“ handelt, die weder den Mangel noch dessen Folgen und Auswirkungen erkennen „konnte“! Der Autor dieser Zeilen vertritt hier die Ansicht, dass fehlendes Wissen und Können im Zusammenhang mit einem Pferdepferdekauf durch das Beiziehen von Fachleuten (Kaufuntersuchung, Rittigkeitsbeurteilung, hippologische Beratung, Rechtsberatung usw.) zu substituieren ist, da bei jedem Pferdekauf immer auch der Tierschutzgedanke – Bindung eines Pferdes an eine Bezugsperson, Stallgefährten und den Stall -  im Hintergrund mitschwingen muss.

Ein Pferd ist grundsätzlich kein Tausch- oder Rückgabe- „Artikel“!

Der Kauf eines Pferdes besteht in der Regel aus zwei Rechtszügen:
1.    Kaufvertrag, der aus dem Kaufwunsch und der Kaufabsicht erwächst:
– Ein Kaufvertrag kann prinzipiell auch durch Handschlag zustande kommen.
– Die Schriftform ist jedoch zu bevorzugen
– Ein schriftlicher Kaufvertrag sollte enthalten
    o   Datum
    o   Name und Anschrift von Verkäufer und Käufer
    o   Genaue Bezeichnung des Pferdes mit Nationale, Lebensnummer, Pferdepassnummer, Chipnummer
    o   Angaben über Kaufpreis,  Zusicherungen und Nebenabsprachen
    o   Angaben über vereinbarte Dokumente, die bei der Übergabe des Pferdes zu übergeben sind.
 
2.    Übergabe des Pferdes mit Gefahrenübergang an den neuen Eigentümer
– Es ist üblich, ein Pferd – sauber geputzt und herausgebracht - mit (neuem) Stallhalfter (oder Wischzaum) und Führstrick zu übergeben.
– Die eigentliche „Übergabe mit Gefahrenübergang“ ist ein formeller Akt, bei dem der Führstrick mit Handschlag und den Worten „Wünsch Glück“ dem neuen Eigentümer überreicht wird. Gleichzeitig werden alle vereinbarten Papiere – jedenfalls aber der Pferdepass – übergeben.                                   
In den folgenden Abschnitten hat der Autor Dr. K. „Fälle“ dargestellt, die unter dem Titel einer Mängelrüge gerichtsanhängig wurden, die aber größtenteils erkennbare Mängel zum Inhalt haben.  Die Absicht, die mit diesem kurzen Abriss aus der Beurteilungslehre verbunden ist, besteht in der Schärfung des Blicks der interessierten Leserschaft.
 

Verkniffenes Mündchen
Lippen und Nüstern sind ein guter Indikator für die Befindlichkeit eines Pferdes. Weit geöffnete Nüstern und ein „verkniffenes Mündchen“ – wie hier im Bild bei einem Pferde in Ruhe – sind immer ein ungutes Zeichen: Verspannungen, Schmerzen und möglicherweise Herzprobleme können sich ursächlich dahinter verbergen und sollten abgeklärt werden. 

 

Schmerzgesicht
Eingezogene Nüstern mit Faltenbildung, ein kleiner verkniffener Maulspalt und ein kleines, hartes Kinn weisen regelmäßig auf Schmerzen hin und sind  Teil eines „Schmerzgesichtes“.
 

Dieses Bild zeigt einen weichen, entspannten und faltenfreien Maulspalt, auch die Nüstern wirken entspannt – insgesamt positive Anzeichen für Wohlbefinden. 

 

Die Augen eines gesunden und beschwerdefreien Pferdes glänzen, ja strahlen! Matte, gebrochene oder zugekniffene Augen deuten auf Krankheit.

 

Ungleiche „Augen“
Beide Augen eines Pferdes müssen dieselbe Größe aufweisen – das abgebildete Pferd hat zwei ungleich große Anlagen, was bei der Kaufuntersuchung nicht bemerkt wurde. Im Zuge der Reitverwendung fiel auf, dass das Pferd auf seiner rechten Körperseite „unsicher“ war – eine Augenuntersuchung durch den SV anlässlich der Mängelrüge förderte eine Entwicklungsstörung am rechten Auge zutage.

 

Höcker am Nasenrücken
Die knöcherne Vorwölbung am Nasenrücken war bereits bei der Übergabe vorhanden, wurde vom Käufer nicht bemerkt und nach späterer Beanstandung vom Verkäufer bagatellisiert. Da das Pferd sonst beschwerdefrei war, gab das Gericht einem Wandlungsbegehren des Kaufes aus diesem Titel (Schönheitsfehler) nicht statt.

 

Hängende Unterlippe
Schlaff hängende Unterlippen bei jungen Pferden sind nicht normal. Dahinter kann zwar völlige Entspannung, aber auch totale Erschöpfung oder eine Lähmung – auch einseitig wie bei einem Schlaganfall – stehen. Eine Kontrolle durch einen erfahrenen Tierarzt ist in jedem Fall angebracht.

 

Papageien-Gebiss
Nur einem „geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“ – bei jedem anderen Pferd, speziell aber beim Kauf, sollte die gründliche Untersuchung der Zähne und Zahnstellung großen Stellenwert haben – die Betrachtung der Schneidezähne ist auch einem Käufer zuzumuten.

 

Koppen
Krippensetzer-, Barrenwetzer- oder Kopper-Gebiss sind als Anomalie auch für absolute Laien erkennbar.

 

Kopper
Ein Aufsetz-Kopper – gut getarnt durch Fliegenhaube

 

Kopper
Es gibt nichts, wo ein routinierter Aufsetz-Kopper nicht seiner „Lust aus Frust“ nachgehen würde – eine Spurensuche lohnt immer.
 

Ganaschen-Freiheit
Wenn die Backenmuskulatur „nahtlos“ in die Halsmuskulatur übergeht, der Übergang also „verstrichen“ ist, besteht geringe Ganaschen-Freiheit – dies ist kein Mangel im medizinischen Sinne, sondern eine sichtbare und erkennbare Exterieur-Besonderheit mancher Pferderassen. Das anatomische Konstrukt „Viborg`sches Dreieck“ hat in diesen Fällen meist zu wenig Raum, um eine gute Beizäumung zu erreichen – das Pferd macht sich eng und raubt sich selbst die Luft.
 

Der Hals „erzählt“
Hypertrophe Muskelstränge am Halsansatz erzählen über die Hand des Reiters. Rot markiert: das Viborg`sche Dreieck.
 

Der Hals „erzählt“
Keine Oberlinie, unglücklicher Ansatz; schwer unter dem Sattel das Gleichgewicht finden.

 

Der Hals „erzählt“
Dünnes Hälschen, keine Oberlinie, konkave Unterlinie – schlecht ausgebildet und schlecht geritten.

 

Der Hals „erzählt“
Der Hals „passt“ zum Gebiss!
 
Exterieurbeurteilung ist richtig – „Fehlerguckerei“ ist schlechtes Benehmen

– Ausdruckloser Kopf
– Schlecht geformter Hals
– Ungünstiger Aufsatz
– Ein Widerrist, auf dem „die Sonne nicht untergeht“
– Schwacher Rumpf
– Abgeschlagene Kruppe
– Vorne kurz und steil gefesselt
– Hinterextremität gerade, ohne Winkelung im Knie, durchtrittig
– Tief angesetzter Schweif

 

– Ein hohes und sehr schmales Pferd
– „steht über wenig Boden“ und wird Probleme mit der Balance haben

 

– Ein wenig belastbarer, durchgedrückter und schmerzhafter Rücken
– Wandlung des Kaufes, weil als Wanderreitpferd ungeeignet

 

– Jeder Verladeversuch scheiterte
– Nach einem Hänger-Unfall war das Pferd dauerhaft verdorben
– Ein Schadenersatzverfahren gegen den verursachenden Unfallgegner war erfolgreich, weil das Pferd ohne Verladesicherheit nicht mehr als Turnierpferd einsetzbar
 

– Ein Bild zeigt mehr als 1000 Worte
– Eine klar erkennbare Deformierung der Wirbelsäule wurde als „korrigierbare natürliche Schiefe“ verkauft
– Da der Mangel nicht korrigierbar ist, kam es zur Wandlung, weil der Mangel „einem durchschnittlich gebildetem Menschen“ nicht einfach erkennbar war.

 

– Ein schief getragener Schweif ist häufig mehr als ein Schönheitsfehler und kann ein Teil einer Kette von Koordinationsstörungen der Muskulatur sein.
– Die Ursache sollte vor Kaufabschluss fachkundig, auch unter dem Sattel, abgeklärt werden.
– Häufige Ursachen: Unfälle, Verletzungen im Fohlenalter, „schiefe“ Anatomie, Kastrationsneuralgie (Verkühlung der „Kreuznerven“)

 

– Ausschlauchen ist immer als Hinweis aufzufassen und sollte auch als Warnung auf unerlaubte Medikation verstanden werden: insbesondere unter dem Sattel, in Bewegung oder Stress-Situationen.
– Im Zweifel ist immer eine Blut- und/oder Harnuntersuchung auf unerlaubte Medikation angebracht.

 

– Die Haut und der Mähnenkamm geben Aufschluss über manche Krankheit (Bild: Nesselausschlag bei einem Allergiker > Fuchs!!)
– Rassen, die eine Neigung zu Sommerekzem haben, werden vornehmlich in der kalten Jahreszeit verkauft.
– Nachfrage und vertraglicher Ausschluss im Kaufvertrag ist empfehlenswert.

 

– Dieses mächtige Senkungsödem, Folge einer schweren Herzinsuffizienz, wurde als „leichte Reizung durch den Sattelgurt“ verkauft.

 

– Dunkel geborene Schimmel, die im Laufe ihres Lebens weiß werden, lagern Melanin an verschieden Körperstellen ab.
– Gurten- und Geschirrlage, Vorhaut, After und Schamlippen sind bevorzugte äußere und sichtbare Stellen, Darm – und Gekröselymphknoten sind innere und verborgene Lokalisationen.

 

– Je nach beabsichtigter Haltung sollte bei einem Pferdekauf auch auf eine prinzipielle soziale Verträglichkeit – gegen über anderen Pferden, aber auch Menschen – geachtet werden; aufmerksames Beobachten kann aufschlussreich sein.
– Vorsicht ist stets geboten, wenn Verkaufspferde nicht aus der Box geholt werden, sondern schon „angerichtet“ im Hof stehen.

 

 – Diese friedliche Bild täuscht darüber hinweg, dass die Holzbretter angeknabbert sind.
– Ein Blick auf die Schneidezähne ist angebracht.
 

– Portrait eines Pferdes mit viel Ungemach
– Grimassenhafter Gesichtsausdruck
– Heftiges Zähneknirschen ist zu erwarten
– Bei Wallachen und Hengsten ist ein Schlauchgeräusch typisch, Stuten schlagen heftig mit dem Schweif.

 

– Auf die Zunge und auf Zungenfehler sollte stets geachtet werden.
– Pferde, die die Zunge über das Gebiss legen, entziehen sich schnell der Einwirkung und Kontrolle.

 

– Dieses Foto zeigt ein „auseinandergefallenes Pferd“; es geht – dem optischen Eindruck nach – vorne ein Pferd und hinten ein Pferd, aber die beiden gehören gefühlsmäßig nicht zusammen.
– Der Gesichtsausdruck des Pferdes ist nicht losgelassen und wirkt schmerzbehaftet.
– Solche Bilder sieht man häufig bei Verletzungen oder krankhaften Zuständen im Bereich des Kreuzbein- Darmbeingelenks oder – umgelegt auf die Meridianlehre – bei einer Blockade des Gürtelgefäßes.

 

– Im Falle einer Kaufabsicht empfehle ich nachdrücklich, ein Pferd nicht nur selber „zur Probe“ zu reiten, sondern es auch vor-reiten zu lassen.
– Ein Pferd (wie das oben Abgebildete) wieder umzuprogrammieren, bedarf großen Könnens, unendlicher Geduld und eines ungeheuren Maßes an Güte und Zuwendung.
– „Der Reiter formt das Pferd“ ist nicht nur der Titel eines beachtenswerten Lehrbuchs früherer Tage, sondern eine hippologische Grunderfahrung.

 

– Abgesehen von Fehlern in  Zäumung und Schenkellage geht ein Pferd, das Vertrauen verloren und unsichere Bindung hat, mit Vorliebe am „Feld der Ehre“ durch, weil es aus Erfahrung weiß, dass dort die Bestrafung moderat sein wird.
– Es bedarf überdimensionalen Pferdeverstandes, ein solches Pferd zu „korrigieren“.

 

– Es ist dem Verfasser dieser Zeilen nicht klar, wie ein solches Bild zu einem positiven Dressurergebnis führen kann.
– Dieses Pferd stand kurz nach dieser Aufnahme zum Verkauf – wehe, wehe – wenn ich an das Ende sehe!
– Hände weg von Pferden mit „Geschichte“ – viele Vorbesitzer zeugen dafür.

 

– Dieser Hengst wurde über eine Stunde am Viereck gequält.
– Im Sattel ein Berufsreiter einer namhaften deutschen Ausbildungsstätte.
– Die gesamte Einheit bestand in Kampf – wer soll ein solchen Pferd „nachreiten“ können?

 

– Ein Bergab-Pferd auf der Vorhand galoppiert in den Boden.

 

!!!! Eine bekannte hippologische Weisheit besagt: „Ein gutes Pferd hat keine Farbe und keine Größe“ – für wirklich gute Pferde mag dies zutreffen. !!!!

 

– Zwei Füchse mit vier weißen Beinen – das linke Pferd mit einer lehmigen, verwaschenen Farbe, das rechte Pferd mit kräftigen Rotfarben.
– Beiden Pferden ist eine gleiche typische Grundempfindlichkeit der Haut des „Rothaarigen“ eigen, beim linken wird jedoch die Anfälligkeit für Wundheilungsstörungen und Haut- Empfindlichkeit bei UV-Einstrahlung um einiges höher sein.

 

Braune mit „grünen Beinen“
– Weich im Fundament
– Spätreif – kaum belastbar vor dem 7. Lebensjahr

 

– Typische Bagatelle-Verletzung bei einem Fuchs
– Es besteht immer erhöhte Gefahr für Infektionen
– Blauspray ist hier keine Lösung!

 

– Der Fuchs mit vier weißen Beinen leidet an einer nicht abheilenden, chronischen Haut- und Unterhautentzündung.
– Das rechte Hinterbein ist angelaufen, ein mühsamer Behandlungsweg ist zu erwarten, der vom Therapeuten viel Fachkenntnis erfordert – mit Antibiotika und Cortison ist hier nichts zu gewinnen.

 

– Massive Narbenbildungen an einem Sprunggelenk bei einem Fuchs
– Auch wenn das Pferd im Augenblick frei von Beschwerden ist, können bei Belastung immer wieder Probleme mit Schwellungen und Lahmheiten auftreten.

 

– Unter „Schildern“ versteht man das abwechselnde Entlasten der Hinterbeine – ein normaler Vorgang!
– Ein Pferd, das – wie auf dem Foto – ständig nur eine Hinterextremität entlastet, ist krank – Rückwärtsrichten gibt wertvollen Aufschluss.

 

– Die Hufrillen geben bei diesem Fuchs den Hinweis auf eine „Störung“.
– Der Huf wächst pro Monat etwa 3-5 mm im Durchschnitt.
– Sind die Hufrillen an allen vier Hufen etwa gleich ausgebildet, lässt sich die „Störung“ – die den gesamten Organismus betroffen hat – auf einen Zeitpunkt vor etwa 6-8 Monaten rückdatieren.
– Lassen sich Hufrillen nur an einem Bein nachweisen, lag eine Störung an dieser Extremität vor.

 

– Dieses Pferd wurde beim Verkauf (ohne Kaufuntersuchung) und bei der Übergabe mit vier sehr schönen und bunten Bandagen präsentiert. Die Freude des Käufers hielt nur kurz an.
– Schimmel ähneln in der Hautempfindlichkeit und schlechter Wundheilung den Füchsen.

 

– Winterhaar und Kötenbehang kann manches „Sichtbare“ verbergen.
– Diese Gallen waren eine Ursache für chronische Lahmheiten – sie waren sichtbar – wenn man sie „gesehen“ hätte.
 

– Das Pferd, zu dem diese „alten“ Verletzungen gehörten, wurde in einer unauffälligen Phase bei gutem Wind verkauft.
– Die Hufrille unterhalb des rechten Saumbandes lässt eine Rückdatierung um 1-2 Monate zu.
– Um die Tatsache „wie besichtigt“ besonders zu unterstreichen, wurde die Verletzung sogar im Kaufvertrag erwähnt.

 

– Auch dieses Pferd fand einen Käufer, der später angab, keine Absonderlichkeiten bemerkt zu haben und dass das Pferd nicht lahm - aber sehr billig – war.
– Das Gericht wies sein Wandlungsbegehren ab.

 

– Das Pferd, zu welchem dieser Huf gehörte, wurde in diesem Zustand zur Kaufuntersuchung vorgestellt.
– Dem Kaufinteressenten wurde vom Kauf dringend abgeraten, nachdem die Palpations- und Perkussionsprobe (Hufuntersuchungszange, Hammer) an diesem unpigmentierten Huf positiv war.

 

– Ein leicht schräger Huf rechts vorne – verbunden mit einem Achsenbruch - mit vielen Rillen unterschiedlicher Ausprägung an beiden Vorderhufen.
– Kurz nach Beendigung der Frist für den, vom Verkäufer vorgeschlagenen Kauf auf Probe war dieses sehr teure Dressurpferd (wieder) lahm.
– Ein Zeugenkomplott mit Verabreichung von Schmerzmittel während der Probezeit wurde vermutet.

 

– Hufkrebs sieht man und riecht man, das Pferd ist meist lahm, es sei denn, alle vier Extremitäten sind gleichermaßen betroffen.
– Um Lahmheiten zu vertuschen – so sagt man – haben unlautere Pferdehändler früherer Tage in den Ballen der „gesunden“ Extremität eine feine Nadel gestochen.
– Eine weitere Methode, ein schmerzbehaftetes Pferd zum „Laufen“ zu bringen, war > „Pfeffer in den Arsch zu streichen“. Ein auffällig hoch getragener Schweif kann ein Hinweis sein – die Schweifunterseite mit Senf- oder Paprika-Öl einzureiben, war ebenfalls eine gängige Methode, jedoch leicht zu entdecken.

 

– Ein schräger Huf ist ein leicht erkennbarer Mangel, vom Kauf eines solchen Pferdes sollte man Abstand nehmen.
– Auch wenn ein exzellenter Hufschmied möglicherweise trotzdem eine plane Fußung zustande bringt, wird der schräge Huf nicht lange einer Belastung standhalten.

 

– Strahlfäule ist sichtbar und riech-bar!
– Die beste Vorbeugung gegen Strahlfäule ist ein korrekter Hufbeschlag
– Der Strahl sollte beim Auffußen den Boden berühren, um den Huf zu erweitern und durch Unterdruck den Blutfluss zu fördern (Hufmechanismus) – er darf deshalb nicht „niedergewirkt“ werden.
– Hinter einer Senkrechten (gelbe Linie) auf die Strahlspitze sollte kein Hufnagel eingeschlagen werden.
– Die Eisen sollten möglichst viel Unterstützung bieten und mit einer Zehenrichtung versehen sein.
– Übrigens: Die „Fälle“, bei denen Pferde mit Strahlfäule behaftet waren, sind beträchtlich in der Zahl und im Zunehmen!
 

Diese Ausgabe der „Fälle des Dr. K.“ soll mit einem Gedenken an die vielen Pferde enden, die im 2. Weltkrieg zwangsrekrutiert waren: 2,75 Millionen waren zum Kriegsdienst eingezogen, an der Front, unter Meldereitern und im Train – 1,8 Millionen davon sind im Feuer gefallen, an Verletzungsfolgen oder Erschöpfung gestorben.
In den Pferdelazaretten waren bis zu 450 Pferde einem einzigen Veterinäroffizier zu Betreuung zugeteilt, der Erfahrungsschatz dieser Männer in der Beurteilung von Pferden und der Versorgung von Verwundungen verschiedenster Ausprägungen war enorm, Arzneimittel, die dafür zur Verfügung standen begrenzt.
Der Verfasser dieser Zeilen hatte in seinen jungen Jahren das Privileg, bei einigen dieser ehemaligen Militär-Tierärzte – nun Praxisnachbarn - in die Schule gehen zu dürfen und dabei einen unbezahlbaren Wissensschatz zu erwerben, der in diese Ausgabe der „Fälle“ eingeflossen ist und der zeigt, dass eigene Erfahrung über reinem Lehrbuchwissen anzusiedeln ist.
Mein Dank gegenüber den „Erfahrenen“, die bereit waren mit mir „Jungem“ zu teilen, wäre aber unvollständig abgestattet, würde nicht auch der, in jeder Hinsicht begnadete Pferdehändler Ludwig Schauflinger Erwähnung finden, der Anfang der Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts an vielen tief verschneiten Salzkammergut-Winterabenden auf seinem Hof am Grasberg bei Altmünster – begleitet von schlechtem Charly-Cognac – aus seinem reichen Leben mit Pferden erzählte.

Erstellt: 11.11.2022

ZUM AUTOR: Dr. Reinhard Kaun ist Tierarzt seit 1969 und ständig beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, der im Laufe seiner 33-jährigen Tätigkeit als Gerichtsgutachter mehr als tausend Gutachten erstattet  hat. Neben vielen Qualifikationen im Pferdesport (z.B. FEI-Tierarzt, Turnier- und Materialrichter, FEI-Steward, Dopingbeauftragter)  war er  als Fachtierarzt für Pferdeheilkunde und Fachtierarzt für Physikalische Therapie und Rehabilitationsmedizin tätig. Die „Fälle des Dr. K." haben sich tatsächlich zugetragen, wurden aber jeweils in Text und  Bildern verfremdet und anonymisiert,  womit  geltendem Medienrecht und Datenschutz vollinhaltlich genügt wird. Die Fälle wurden vom Autor um das „Fall-spezifische“ bereinigt und werden somit nun als neutraler Lehrstoff von allgemeiner hippologischer Gültigkeit  für interessierte Verkehrskreise zur Weiterbildung dargestellt.

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