Gundula Lorenz ist von Kindheit an mit Pferden verbunden, geprüfter Behindertenreitlehrwart (heute „Lehrwart für integratives Reiten“) und hat sich viele Jahre intensiv mit der funktionellen Anatomie und dem Bewegungsapparat des Pferdes beschäftigt. Sie besuchte die Fachschule für osteopathische Pferdetherapie von Barbara Welter Böller und entwickelte das Konzept Equino FIT® – ein ganzheitliches Trainings- und Ausbildungsprogramm für Reiter und Trainer, bei dem unphysiologische und verbrauchende Bewegungsmuster vermieden, Selbstheilungskräfte unterstützt und ein harmonisches Miteinander von Mensch und Tier gefördert werden sollen. Außerdem wirkt sie im Team von Dr. Tuuli Tietze und den SMARTen Vorreiterinnen als lizenzierte Trainerin mit. In ihre Arbeit und ihre vielfältigen Erfahrungen bei der Pferdeausbildung gibt sie auf ihrem ProPferd-Blog Einblick!
Jeder von uns kennt das: Einer sagt ein Wort, macht eine bestimmte Geste – und schon gehen wir in die Luft oder es kommt in uns eine Emotion hoch, die wir eigentlich gar nicht wollten. Eine solche Reaktion muss gar nichts mit der Person, von der sie ausgelöst wurde, zu tun haben – wir werden einfach „getriggert"!
Was versteht man darunter: In Wikipedia heißt es, dass man unter einem Trigger in Medizin und Psychologie den Auslöser für einen Vorgang versteht, der eine Empfindung, einen Affekt, ein Symptom, eine Erkrankung etc. auslösen kann.
Die spannende Frage ist: Geht das auch beim Pferd – in die eine oder andere Richtung?
Diese Frage habe ich mir bis jetzt immer nur gestellt, wenn es darum ging, ein Pferd in die Entspannungshaltung zu bringen bzw. es mit einem sogenannten Entspannungsanker zu entspannen. Man bringt dem Pferd dabei in etwa bei: Wenn ich dich hier oder hier kraule, dann verbinde es bitte mit Entspannung.
Doch dass es auch in die andere Richtung funktioniert, zeigte mir unlängst mein lieber Smiley. Aber ich will ganz von vorne beginnen ...
Hin und wieder finde ich es angebracht, das tägliche Training zwischendurch etwas aufzulockern, entweder mit Dualgassen, Tonnen, Planen oder auch Hütchen, was mir halt so einfällt.
Ich hatte schon Wochen davor 2 Plastiktonnen, zuerst mit Abstand, und dann auch ganz nebeneinandergestellt – und Smiley visierte sie an und hüpfte darüber – natürlich mit angepasster Vorübung, aber es war alles in einem Bereich, der für mich nichts Auffälliges hatte.
An einem bestimmten Abend legte ich eine grün-weiß-grüne Stange am Boden bzw die Stangen war ca 10 cm über dem Boden. Ich hatte sie an jedem Ende in Hindernisblöcken fixiert, damit sie nicht wegrollen konnte.
Es war Abend und ich vielleicht auch nicht ganz bei der Sache. Ich wollte auch nur ein bisschen Bewegung am langen Seil mit einer Stange auf der Kreislinie. Im Schritt war alles in Ordnung, also ging ich zum Trab über. Da merkte ich dann wohl, dass Smiley leicht den Rücken wegdrückte, schneller wurde und sich ein wenig anspannte. Doch ich konnte ihn mit der Stimme beruhigen – alles völlig unproblematisch. Sobald er entspannt über die Stange trabte, holte ich ihn zu mir und es wurde ausgiebig gelobt.
Es wäre gut gewesen, an diesem Zeitpunkt aufzuhören, doch manchmal erkennt man das erst im Nachhinein. So probierte ich auch noch den Galopp über die Stange – und da kam plötzlich ein „Trigger" ins Spiel!!!
Auf der linken Hand war alles noch zu managen – doch auf der rechten Hand machte sich Smiley ganz gerade und steif, seine Augen wurden ganz groß und man konnte sogar etwas Weißes darin aufblitzen sehen – Panik pur! So zog er mir das Seil durch die Hände, rannte aus dem Viereck zu seinem Paddock und stand zitternd da, als ob der Teufel hinter ihm her wäre.
Ich war plötzlich voll da und sehr anwesend, das Adrenalin tat seine Wirkung, denn ich verstand erst nicht, was da gerade los war. Smile hat mittlerweile eine wirklich gute Beziehung zu mir und gibt mir mitunter auch Bescheid, wenn ihm etwas nicht passt; aber mit einer solchen Reaktion hätte ich niemals nicht gerechnet.
Ich ging zuerst davon aus, dass er sich vor irgendetwas geschreckt hatte – und nahm ihn, ohne großes Aufsehen zu machen, wieder mit.
Dieses Mal wollte ich nicht über die Stange, sondern nur rechts, links vorne und hinter der Stange vorbei – also nur „Spielen“ bzw. Bewegen. Kaum kam Smiley Richtung Stange, wieder das gleiche Szenario.
Ich holte ihn wieder zitternd ab und ging dieses Mal an das andere Ende des Vierecks. Er hörte zu, war unauffällig. Jetzt wollte ich aber wirklich wissen, ob tatsächlich die Stange der Auslöser, der sogenannte Trigger war. Ich wiederholte alles nochmal – aber nur Richtung Stange, ohne mit dem Gedanken drüber zu wollen, und Zack – wieder war er auf und davon!
Ich fand ihn zitternd vor seinem Paddock.
Eines muss ich echt sagen: Er ging immer wieder mit mir aufs Viereck. Ich als Pferd hätte schon längst nicht mehr mitgemacht und einen Stopp eingelegt. Doch er ging total brav mit, fast irgendwie erleichtert, dass ich wieder zu ihm komme. Natürlich habe ich nicht geschimpft oder ihn bestraft. Ich holte ihn einfach und redete mit ihm und streichelte seinen Hals.
Wir gingen wieder ins Viereck und ich räumte vor seinen Augen die Stange weg – dabei lief er mir mit gesenktem Kopf hinterher wie ein Hund.
An der gleichen Stelle, wo vorher immer seine Sicherung durchging, war ohne Stange alles in Ordnung. Jetzt war ich mir ziemlich sicher, dass die Stange ihn „getriggert" hat – und dass es gar nichts mit mir zu tun hatte.
Erst im Nachhinein reflektierte ich, dass er sich nie mit Dingen, die am Boden liegen, auseinandersetzt, wie z.B. Klein Donkor. Der sieht sich immer zuerst alles an – beißt auch schon hinein – und dann steigt er drüber.
Smiley ignoriert, was am Boden liegt und steigt drüber – wie ein wohlerzogenes Pferd. Jetzt im Nachhinein weiß ich, dass ich früher beenden hätte sollen, schon nach der Trab-Episode.
Immerhin habe ich so wieder etwas dazugelernt – nämlich noch sensibler hinzuhören und Smiley früh genug abzufangen, denn die Ursache für seine Reaktion war nicht ich – ich hatte sie nur ausgelöst, mit einem Trigger!
Eure Gundula