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Trauma-Spezialistin zur Corona-Krise: "Wir brauchen Pferde für unser Seelenheil!"
25.03.2020 / News

Judith Oberngruber-Spenger ist Pferdebesitzerin und Expertin für Trauma- und Krisenbewältigung.
Judith Oberngruber-Spenger ist Pferdebesitzerin und Expertin für Trauma- und Krisenbewältigung. / Foto: Valerie Oberreiter

Dass die Ausgangsbeschränkungen im Zuge der Corona-Krise gerade Pferdebesitzer in so große Aufregung versetzt haben, ist für Judith Oberngruber-Spenger, Coach für „Angstfrei Reiten“ & „Überwinden von emotionalen Hürden", nicht überraschend: Die Bindung zum Pferd ist bei vielen Menschen besonders intensiv und emotional.

 

Nur in wenigen Bereichen unserer Gesellschaft hat die Diskussion um die im Zuge der Corona-Krise verhängten Ausgangsbeschränkungen soviel Aufregung verursacht wie in der Pferdeszene. Die bange Frage, ob und in welchem Ausmaß man trotz der Einschränkungen auch weiterhin zu seinem Pferd kann, es reiten und bewegen darf bzw. soll, hat nicht nur in sozialen Medien und WhatsApp-Gruppen für Unruhe und Verunsicherung gesorgt, sondern offenkundig auch für Unstimmigkeiten und Diskussionen zwischen Pferdebesitzern und Einstellbetrieben. Mittlerweile dürfte sich die Situation aber – auch durch manche rechtliche Klarstellungen seitens des Sozialministeriums – wieder einigermaßen beruhigt haben (eine fundierte Zusammenfassung der aktuellen Rechtslage findet man übrigens hier!).

Wieso die Frage, ob man auch weiterhin zu seinem Pferd darf, für so große Erregung und derart hitzige Debatten gesorgt hat, ist auf den ersten Blick in der Tat nicht ganz verständlich und für Außenstehende vielleicht sogar überraschend: Schließlich sind die meisten Pferde ja in ihren jeweiligen Einstellbetrieben gut aufgehoben und versorgt, werden gefüttert, gepflegt und in der Regel auch täglich auf die Koppel gebracht – warum also die Aufregung?

Für die Spezialistin zur Bewältigung von Krisen Judith Oberngruber-Spenger (www.emotion4me.at) ist es das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, das hier bei vielen Pferdebesitzern Beunruhigung und sogar Angst ausgelöst hat. Auf der einen Seite sind es durchaus rationale Gründe und Überlegungen – insbesondere die Befürchtung, dass Pferde zu wenig Bewegung und auch zu wenig Sozialkontakte erhalten und darunter leiden könnten: „In vielen Ställen – vor allem rund um die Ballungszentren – ist das Platzangebot für die Pferde eher beschränkt, es sind mitunter nur wenige oder relativ kleine Koppeln vorhanden. Im Winter stehen viele Pferde oft alleine, ohne einen Koppelpartner, auf kleinen Paddocks herum, die Sozialkontakte zu anderen Pferden sind dann für ein Bewegungs- und Herdentier wie das Pferd sehr begrenzt und kaum ausreichend. Umso wichtiger ist es in solchen Fällen, dass der Pferdebesitzer/in das Pferd zumindest einmal täglich aus der Box nimmt, sich mit ihm beschäftigt und es reitet und bewegt. Dann sind die langen Stunden im Stall doch etwas erträglicher."

In diesen Fällen – und sie sind in Österreich gar nicht so selten – wird vom Einstellbetrieb zwar die Grundversorgung übernommen, die allerdings nicht oder nur sehr eingeschränkt die mittlerweile vielzitierte ,notwendige Bewegung' inkludiert. Judith Oberngruber-Spenger: „Es gibt eher wenige Reitställe, in denen auch Beritt angeboten wird – selbstverständlich gegen einen entsprechenden Aufpreis, den viele Pferdebesitzer aber oft nicht aufbringen können."

Viele Pferdebesitzer sehen sich hier dem Pferd gegenüber in der Pflicht und bemühen sich, täglich im Stall zu sein, um seinem Pferd die erforderliche Bewegung, vor allem aber auch soetwas wie ,Ersatz-Sozialkontakte' zu ermöglichen, wie Judith Oberngrubern-Spenger es nennt: „Nicht nur für uns Menschen sind Sozialkontakte unverzichtbar, sondern auch für Pferde. Diese klugen Tiere warten darauf, dass ihr Mensch kommt und sie aus der Box nimmt, um bewegt und beschäftigt zu werden. Ganz abgesehen von den Karotten, den Streicheleinheiten und der Zuwendung, die im Umgang mit Pferden so unendlich wichtig sind."

Der zweite wesentliche Faktor ist die große emotionale Verbundenheit des Menschen mit seinem Pferd: „Die emotionale Bindung zwischen Pferd und Besitzer/in ist meist sehr stark und besonders intensiv. Ich bin der Überzeugung, dass wir Pferdemenschen unsere lieben Vierbeiner für unser Wohlbefinden und Seelenheil brauchen – sie sind in gewisser Weise zu einem Teil unseres Alltags geworden. Der Gedanke, den Kontakt zu ihnen einzuschränken oder vielleicht sogar völlig einstellen zu müssen, war daher im ersten Moment für viele enorm beängstigend und schockierend – und das erklärt wohl auch die heftigen Reaktionen unmittelbar nach Verhängung der Ausgangsbeschränkungen."

Dass die Situation für Pferdebesitzer alles andere als einfach ist, erfährt Judith Oberngruber-Spenger gerade auch am eigenen Leib: „Auch für mich ist es schlimm, weil ich meine Stute kurz vor der Krise auf eine Weide in Ungarn gebracht habe und seitdem nicht mehr zu ihr durfte. Obwohl ich weiß, dass sie gut versorgt wird, kommt es mir so vor, als ob ich sie ausgesetzt hätte – auch wenn das natürlich nicht der Fall ist."

Umfrage: Was macht die Corona-Krise mit uns ReiterInnen?

Die Fresenius-Hochschule in Düsseldorf hat ein aktuelles Forschungsprojekt gestartet, um die Ängste und Befürchtungen, welche die Corona-Krise bei Pferdefreunden in verschiedenen Ländern auslöst, näher zu erforschen – und herauszufinden, ob und in welcher Weise die Ausgangsbeschränkungen unser Verhalten verändert haben. Was passiert mit uns, wenn wir plötzlich nicht mehr wie gewohnt zum Stall fahren dürfen und Ängste um die Versorgung unserer Pferde haben? Dazu hat Prof. Dr. Kathrin Schütz, Professorin für Wirtschaftspsychologie, eine Online-Umfrage entwickelt, an der man hier teilnehmen kann (darf auch gerne geteilt, gepostet und weiterempfohlen werden)!

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