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Neue Corona-Lockerungsverordnung: Das Korsett für den Pferdesport bleibt eng
02.07.2020 / News

Auch nach dem 1. August wird es nur Turniere mit maximal 200 Personen geben – es sei denn, man verfügt über ,zugewiesene und gekennzeichnete Sitzplätze
Auch nach dem 1. August wird es nur Turniere mit maximal 200 Personen geben – es sei denn, man verfügt über ,zugewiesene und gekennzeichnete Sitzplätze', was nur auf wenige Veranstalter zutrifft. / Symbolfoto: Archiv

Seit gestern ist die aktualisierte Fassung der Covid-19-Lockerungsverordnung in Kraft, die auch neue Vorgaben für Sport-Events beinhaltet. Der Pferdesport wird davon wohl nur wenig profitieren – die Einschränkungen für Turniere bleiben beträchtlich. Ein Kommentar von Leo Pingitzer.

 

Bekanntlich hat – nach einem populären Wort von Johann Nestroy – der Fortschritt das an sich, dass er viel größer ausschaut, als er wirklich ist. Für den Pferdesport gilt dies angesichts der gestern (1. Juli 2020) in Kraft getretenen Covid-19-Lockerungsverordnung in besonderer Weise – denn von den medial groß angekündigten weitreichenden Lockerungen im Sportbereich wird die heimische Reiterei, insbesondere im Turnierbereich, nur marginal profitieren, jedenfalls deutlich weniger als viele andere Sportarten.

Die für den Pferdesport relevanten Änderungen hat verdienstvollerweise Rechtsanwältin Dr. Nina Ollinger in ihrem Update zusammengestellt, das man hier nachlesen kann. Die wesentlichen Neuerungen: Es entfällt die Abstandsregelung von 2 m bei der Sportausübung zur Gänze, was zweifellos gewisse Erleichterungen (etwa beim Reitschulunterricht) mit sich bringt und selbstverständlich begrüßenswert ist. Heimische Turnierveranstalter haben aber vor allem auf die Neuregelung im Veranstaltungsbereich gewartet – und hier sind leider die von vielen erhofften deutlichen Lockerungen ausgeblieben. Im Abs. 3 des § 10 heißt es wörtlich dazu:

Mit 1. August 2020 sind Veranstaltungen ohne zugewiesene und gekennzeichnete Sitzplätze mit mehr als 200 Personen untersagt. Mit 1. August 2020 sind Veranstaltungen mit zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen in geschlossenen Räumen mit bis zu 500 Personen und im Freiluftbereich mit bis zu 750 Personen zulässig. Personen, die zur Durchführung der Veranstaltung erforderlich sind, sind in diese Höchstzahlen nicht einzurechnen. Für das Verabreichen von Speisen und den Ausschank von Getränken an Besucher sowie für die Sperrstundenregelung gilt § 6.

Nachdem der Großteil der heimischen Turnierveranstalter nicht über „zugewiesene und gekennzeichnete Sitzplätze“ verfügt, bedeutet dies nichts anderes, als dass Veranstaltungen nach dem 1. August maximal 200 Personen umfassen dürfen – gegenüber 100 Personen nach der bisher gültigen Verordnung. Das ist natürlich unbestreitbar ein Fortschritt – aber verglichen mit anderen Sportarten doch nur ein sehr bescheidener, zumal ja in diese Personenzahl auch die Begleitpersonen von Turnierteilnehmern und natürlich auch die Zuschauer einzurechnen sind. Salopp gesagt: Es wird ab 1. August zwar wieder größere Turniere geben – aber diese werden voraussichtlich weitgehend ohne Publikum über die Bühne gehen müssen, um möglichst viele Startplätze für Aktive nutzen zu können. Und wirklich große Turniere bleiben bis auf weiteres jenen Veranstaltern vorbehalten, die über „zugewiesene und gekennzeichnete Sitzplätze“ verfügen – und das sind in Österreich eben relativ wenige.

Man muss leider konstatieren, dass das Gesundheitsministerium in dieser Verordnung die besondere Situation des Pferdesports nicht berücksichtigt hat – denn diese hätte umfassendere Lockerungen durchaus zugelassen, wie auch Experten wie Prof. Klaus Püschel bestätigen. Auf einem weitläufigen Turniergelände lassen sich die nötigen Abstands- und Hygieneregeln leicht einhalten, und auch in den meisten Reithallen sei der Luftaustausch besser als in Sporthallen. Prof. Püschel: „Der Pferdesport ist in jeder Hinsicht ideal geeignet, um die nötigen Abstands- und Hygiene-Regeln einzuhalten, denn er ist keine Kontaktsportart und findet nicht in geschlossenen Räumen statt. Auf den Pferdesportanlagen ist viel Platz, um sich aus dem Weg zu gehen.“ (Das ganze Interview kann man hier nachlesen.)

Genützt hat das alles dem Pferdesport wenig – und so muss man sich mit der doch seltsamen Situation abfinden, dass ab 1. September zwar wieder Fußballspiele mit bis zu 10.000 Personen im Stadion stattfinden dürfen, aber Reitturniere nur mit max. 200, sofern keine zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätze vorhanden sind. Abfinden muss man sich aber auch damit, dass dies offenbar niemanden aufregt und jedenfalls dem OEPS in seiner aktuellen Aussendung zur Lockerungsverordnung keine Silbe wert war. Es sagt wohl alles, dass diese Mitteilung mit einem Foto von Volley- und Basketbällen, Frisbees und Badmintonschläger illustriert war und nicht einmal auf der eigenen Facebook-Seite geteilt wurde: Man fürchtete wohl unliebsame Kommentare. Den Kampf für die Interessen seiner Mitglieder stellen wir uns definitv anders vor.

Für die heimischen Turnierreiter sind das keine guten Nachrichten. Wer geglaubt hat, dass viele Veranstalter in die zweite Jahreshälfte ausweichen und es dort ein großes Gerangel um die günstigen Termine geben würde, lag schlicht und einfach falsch. Nachdem in der ersten Saisonhälfte rund 200 Turniere abgesagt werden mussten, ist der Ausblick für die kommenden Monate zwar günstiger, aber nicht wirklich berauschend: Von den angemeldeten ca. 250 Turnieren sind bereits 50 abgesagt – und es muss befürchtet werden, dass noch weitere Veranstalter – die erst seit gestern die neue Verordnung kennen und womöglich auf eine günstigere Regelung gehofft hatten – das Handtuch werfen werden. Ein Befreiungsschlag – den viele Reiter und Veranstalter herbeigesehnt haben – sieht jedenfalls anders aus. Das Korsett wurde zwar ein wenig weiter geschnallt – aber ob es auch zum Atmen reichen wird, das muss sich erst herausstellen.

Der Ausblick hat sich also gegenüber den letzten Monaten nicht wirklich verbessert: Es wird wohl tatsächlich ein ,halbiertes’ Turnierjahr 2020 in Österreich sein, wie wir bereits Anfang April (siehe unseren Kommentar dazu) befürchtet haben. Hoffen wir, dass sich der heimische Turniersport – der es schon in den letzten Jahren nicht leicht hatte und beträchtliche Rückgänge zu verzeichnen hatte (Zahlen siehe auch in diesem Kommentar) – davon wieder erholen kann. Dass der OEPS aber noch nicht einmal in der Lage war, die Sport-Statistik für das Jahr 2019 (!) zu veröffentlichen, lässt nichts Gutes erwarten,

meint
Ihr

Leopold Pingitzer

PS: Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

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