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Österreichs Hufschmiede sollten nach vorne schauen – und nicht zurück
03.05.2018 / News

Ein guter Hufschmied mit zufriedenen Kunden muss sich um seine Zukunft keine Sorge machen – Gesetz hin oder her.
Ein guter Hufschmied mit zufriedenen Kunden muss sich um seine Zukunft keine Sorge machen – Gesetz hin oder her. / Symbolfoto: Irene Gams

Österreichs Hufschmiede wehren sich nach wie vor gegen die im Vorjahr beschlossene Freigabe ihres Gewerbes – mit teils überzogenen Argumenten. Doch die neue Rechtslage ist weniger dramatisch als dargestellt – und sollte sogar als Chance begriffen werden. Ein Kommentar von Leopold Pingitzer.

 

Vor wenigen Tagen tauchte das Thema erneut in einschlägigen Medien auf: Vertreter des Österreichischen Hufschmiedeverbands haben – unter Anwesenheit von OEPS-Präsidentin Elisabeth Max-Theurer – insgesamt 9.223 Unterschriften an Nationalratspräsidenten Mag. Wolfgang Sobotka übergeben. Zentrale Forderung der überreichten Petition ist die Erhaltung des Berufs ,Huf- und Klauenbeschlag’ als geregeltes Gewerbe, sprich: eine Rücknahme der entsprechenden Gewerberechts-Novelle des Jahres 2017, mit der dieser Beruf zu einem freien Gewerbe wurde.

Dass sich Österreichs Hufschmiede für den Erhalt ihres Berufes und seines rechtlichen Status einsetzen, ist nicht nur verständlich, sondern vollauf legitim  – ebenso die Unterstützung dieses Anliegens durch namhafte Institutionen der heimischen Pferdeszene (OEPS, Veterinärmedizinische Universität Wien, Österreichische Tierärztekammer etc.). Jeder Pferdefreund wird zweifellos zustimmen, dass eine so sensible Materie wie der Hufbeschlag, bei dem schon kleinste Fehler gravierende Folgen für das Pferd haben können, in die Hände von bestens geschulten, umfassend ausgebildeten und versierten Experten gehört. Selbstverständlich bin auch ich dieser Meinung – und daher für eine Beibehaltung des geregelten Hufschmied-Gewerbes (jedoch nach deutschem Muster, also bei gleichzeitiger Anerkennung von Hufpflegern und Huftechnikern als weiteren, gleichwertigen Berufsbildern).

Allein: Der österreichische Nationalrat hat es anders entschieden – und ob sich dieser durch die Übergabe von 9.223 Unterschriften nachhaltig beeindrucken lässt, sei dahingestellt. Nur zum Vergleich: Die Petiton des ,Vereins gegen Tierfabriken’ mit der Forderung „Hitzefrei für Fiakerpferde ab 30 Grad C!“ hat bislang über 14.300 Unterschriften erhalten, ohne dass dies die Wiener Stadtregierung zu einer Änderung der entsprechenden Verordnung bewogen hätte. Und selbst die eindrucksvollen 591.146 Unterschriften für das Nichtraucher-Volksbegehren haben die Bundesregierung nicht dazu veranlasst, die Rücknahme des generellen Rauchverbots in Österreichs Gastronomie nochmals zu überdenken oder gar abzublasen.

Die Mobilisierung gelang dem Hufschmiede-Verband und dem Österreichischen Pferdesportverband als wichtigsten Petitions-Partner selbst bei den eigenen Mitgliedern nur teilweise: Von den im OEPS organisierten rund 50.000 Mitgliedern war nicht einmal jeder Fünfte bereit, das Anliegen zu unterstützen. Das hat zweifellos mehrere Gründe gehabt: Einige haben sich wohl an der z. T. martialischen Sprache und den allzu dramatisch entworfenen Bedrohungs-Szenarien gestoßen, mit denen man die Petition unters Volk bringen wollte. Der Slogan „140.000 Pferde in Gefahr“ war vielen einfach zu dick aufgetragen – und grenzte für etliche wohl an unnötige Panikmache. Auf der anderen Seite hat in Sachen Hufpflege und -bearbeitung in den letzten zehn bis 15 Jahren ein enormer Bewusstseinswandel stattgefunden, der konventionelle Eisenbeschlag überzeugt längst nicht mehr alle Pferdefreunde, es sind mannigfaltige Hufschutz-Alternativen, Hufschuhe und Kunststoff-Varianten (Stichwort: Megasus Horserunners) entwickelt worden, und auch die Barhuf-Szene erlebt einen regelrechten Boom. All das hat zweifellos die Unterstützer-Basis für das Anliegen der Petition geschmälert.

Vor allem aber sollte man die Kirche im Dorf lassen: Es ist selbstverständlich nicht so, dass nun das Zeitalter der Anarchie und Rechtlosigkeit anbricht und daß in Österreich ein rechtsfreier Raum herrscht, in dem jeder „der einen Hammer schwingen kann, ab sofort Pferde beschlagen darf“, wie es der OEPS an die Wand malte. Das könnte man vielleicht rein theoretisch – aber man wird sich natürlich sehr davor hüten, dergleichen zu tun. Denn es gilt selbstverständlich weiterhin – bei jeglicher gewerblichen Tätigkeit, sei sie nun reglementiert oder frei – der rechtliche Rahmen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) sowie das Wirtschafts- und Gewerberecht mit seinen darin festgelegten Haftungen für Produkte und Dienstleistungen und dem Schutz des Konsumenten. Wer als Hufschmied gewerblich tätig ist, haftet selbstverständlich auch weiterhin für die sachgemäße Ausführung und die Qualität seiner Dienstleistungen – und ist gut beraten, dafür auch eine entsprechende fachliche Qualifikation vorweisen zu können. Einen Hammer schwingen zu können wird im Streitfall vor Gericht jedenfalls zu wenig sein.

Es gibt – was mitunter in Vergessenheit gerät – gerade in der Pferdeszene ein anschauliches Beispiel für einen Beruf, der ebenfalls nicht gesetzlich reglementiert ist und somit einem freien Gewerbe entspricht: nämlich der Beruf des Reitlehrers. Rein rechtlich kann sich in Österreich jedermann ,Reitlehrer’ nennen, selbst wenn er keinerlei einschlägige Ausbildung hat und nicht einmal des Reitens mächtig ist. Die Berufsbezeichnung ist an keinerlei gesetzliche Ausbildung oder Qualifikation gebunden – entspricht also exakt jenem Status, den nun auch die heimischen Hufschmiede haben. „Ein Wahnsinn, das darf doch nicht wahr!“ könnte man nun mit einigem Recht ausrufen – trägt doch ein Reitlehrer eine enorme Verantwortung für die Gesundheit und das Leben seiner Schüler, und das in einer nachweislich risikobehafteten Situation, nämlich dem Umgang mit dem Pferd.

Doch dieser „Wahnsinn“ hat Methode: Denn die bloße Freigabe eines bestimmten Berufes oder Gewerbes führt natürlich nicht dazu, dass dieser Beruf fortan in einem gesetzesfreien Raum stattfindet. Es ist zwar die Ausbildung des Berufs nicht mehr gesetzlich normiert – sehr wohl aber dessen Ausübung. Das musste in der Vergangenheit bereits so mancher ,Möchtegern-Reitlehrer’ auf schmerzvolle Weise erfahren: Beim ersten Unfall, beim ersten Rechtsstreit wird ein Sachverständiger feststellen, ob er seinen Job sachgerecht und sorgfältig ausgeführt hat – und ob er denn überhaupt ausreichend qualifiziert war, diese Tätigkeit auszuüben. Und sollte er diesen Nachweis nicht erbringen können, ist er eigentlich schon in Teufels Küche. In zahllosen Urteilen kann man inzwischen nachlesen, dass ein Reitlehrer ganz besondere Sorgfaltspflichten erfüllen muss und an seine Tätigkeit ein besonders strenger Maßstab – die sogenannte „Sachverständigenhaftung“ – angelegt wird. Diese wird selbstverständlich auch für Hufschmiede gelten.

Im Falle der Reitlehrer-Ausbildung hat der OEPS (seinerzeit noch ,Bundesfachverband für Reiten und Fahren in Österreich’) – als einzig richtige Antwort auf die fehlende gesetzliche Normierung – die Erteilung von Reitunterricht selbst geregelt, teils auch mit staatlicher Unterstützung, und ein umfassendes System etabliert, das vom Übungsleiter bis zum staatlich geprüften Trainer reicht und alle wesentlichen Sparten abdeckt. Dieses System ist seit Jahrzehnten etabliert, sieht regelmäßige Fortbildungen vor, um die Qualität zu sichern und ist längst die mit Abstand wichtigste Orientierungshilfe für alle geworden, die in Österreich reiten lernen möchten. Auch beim Abschluss von Haftpflicht- oder Unfallversicherungen haben geprüfte Reitlehrer erhebliche Vorteile (bez. Prämienhöhe etc.) – und das wird zweifellos auch bei jenen Hufschmieden so sein, die eine fundierte Ausbildung nachweisen können. Dass ein gesetzlicher Berufsschutz bzw. eine gewerberechtliche Regelung des Berufs ,Reitlehrer’ fehlt, hat in der Praxis nur noch wenig Bedeutung – man hat sich ein nahezu gleichwertiges Ersatz-Konstrukt geschaffen und sozusagen aus der Not eine Tugend gemacht.

Genau das ist auch den Hufschmieden dringend anzuraten: Sie sollten nicht länger dem verlorenen gewerberechtlichen Status nachtrauern, sondern auf ihre Stärken setzen, nämlich ihre überlegene Qualifikation, ihre umfassende Ausbildung und ihre hochwertige Dienstleistung. Die richtige Antwort kann daber nur lauten, noch strikter und strenger auf Qualität zu achten. Denn eines ist klar: Ohne den ,gesetzlichen Schutzschirm’ des Gewerberechts ist jeder Hufschmied noch viel mehr darauf angewiesen, sich durch die Qualität seiner Arbeit von seinen Konkurrenten abzuheben – die Gerichte helfen ihm dabei nicht mehr. Das ist im Übrigen die einzige nachhaltige Veränderung durch die Gewerberechts-Novelle von 2017 – und viele sehen sie sogar sehr positiv: Kein Hufschmied kann sich fortan gegen ,Hufpfleger’, ,Huftechniker’, ,Hufheilpraktiker’ und wie sie sich alle nennen mögen, noch juristisch wehren – diese Zeiten sind vorbei. Das bedeutet natürlich mehr Konkurrenz – aber auch mehr Vielfalt und mehr Wettbewerb. Darauf sollten sich die Hufschmiede rasch einstellen und alle Kräfte auf ihre künftige Arbeit konzentrieren – und nicht auf rückwärtsgewandte Petitionen und den Blick zurück ins verlorene Paradies.

So bedauerlich die gewerberechtliche Öffnung des Hufschmiede-Gewerbes für die unmittelbar Betroffenen auch sein mag – das Ende der Welt bedeutet sie nicht, und schon gar nicht ist sie ein ,Todesurteil’ für den Beruf des Hufschmieds. Österreichs Hufschmiede werden – bei allem Verständnis für ihre Emotionen und ihre Enttäuschung – lernen müssen, mit der neuen Rechtslage zu leben und das Beste daraus zu machen. Auch wenn die Bedeutung des klassischen Eisenbeschlags schwindet: Ein guter Hufschmied mit einem zufriedenen Kundenstock muss sich um seine Zukunft wahrlich keine Sorgen machen – Gesetz hin oder her. Aber er sollte für neue Entwicklungen offen sein und vielleicht sogar die Zusammenarbeit mit anderen Hufpflegern und Hufbearbeitern suchen, wenn es dem Wohl des Pferdes dient. Die neue Rechtslage ist zweifellos eine Herausforderung – aber auch eine Chance, die man nützen sollte. Die Zeit der Scheuklappen ist vorbei,
meint
Ihr

Leopold Pingitzer

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