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Corona-Streitpunkt Reitunterricht: Das fatale Fehlurteil des OEPS
03.11.2020 / News

Leo Pingitzer schreibt für ProPferd.
Leo Pingitzer schreibt für ProPferd. / Foto: Archiv/Petr Blaha

Nach Inkrafttreten der aktuellen Corona-Schutzmaßnahmenverordnung gibt es vor allem einen Streitpunkt, der in der Pferdeszene für Aufregung und Emotionen sorgt – nämlich ob der Reitunterricht für Anfänger auch weiterhin möglich ist oder nicht. Der OEPS spielt dabei leider – wieder einmal – eine äußerst irritierende Rolle. Ein Kommentar von Leo Pingitzer.


Die jüngste ,Covid-19-Schutzmaßnahmenverordnung’ des Gesundheitsministeriums ist seit heute 0.00 Uhr in Kraft – und hat wieder für einige Verwirrung und Diskussionen auch in der Pferdeszene gesorgt, was nur zum Teil am Verordnungstext selbst gelegen ist, sondern auch an anderen Akteuren. Im Wesentlichen waren es zwei Punkte, die für Gesprächsstoff sorgten, nämlich erstens die Frage, ob denn nun Freizeit- und Hobbyreiter auch weiterhin Reithallen (also ,geschlossene Räumlichkeiten') benutzen dürfen oder nicht – und zweitens, ob Anfängerunterricht weiter möglich und zulässig ist.

Glücklicherweise wurde die erste Frage mittlerweile durch das Gesundheitsministerium selbst geklärt: Die in § 9 der Verordnung verfügte Bestimmung, nach der Hobby- und Freizeitsportler nur noch Sportstätten „im Freien" betreten dürfen (und dies auch nur, wenn es bei dessen sportartspezifischer Ausübung „nicht zu Körperkontakt" kommt) und von Reithallen somit ausgeschlossen sind, sei im Fall des Reitens nicht anzuwenden. Demnach fällt das Bewegen von Pferden eindeutig unter die ,Grundversorgung' – und nicht unter ,Sportausübung' – und darf daher weiterhin auch von Freizeit- und Hobbyreitern in der Halle und auch während der Ausgangsbeschränkungen zwischen 20 und 6 Uhr ausgeführt werden. Wörtlich schreibt das Ministerium: „Die Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens beinhaltet auch die Grundversorgung von Tieren, die Betreuung von Pferden, zu dem auch die Bewegung kommt, ist schon daher zulässig und stellt keine Sportausübung dar. Die dafür notwendigen Anlagen (Koppel, Reithalle), dürfen benützt werden." Pferdefreunden dürfte nach dieser Klarstellung eine große Last von den Schultern gefallen sein.

Das lässt sich – zumindest bislang – leider nicht vom zweiten Punkt sagen, der noch immer die Emotionen hochgehen lässt, die Frage nämlich, ob unter den neuen Bestimmungen Anfängerunterricht in Reitschulen möglich und zulässig ist. Tatsächlich fällt Reitunterricht nicht unter den Begriff ,Grundversorgung', sondern wäre wohl als ,Sport' im weitesten Sinn zu definieren. Und dieser wird im Verordnungs-Text wie folgt eingeschränkt (§ 9, Abs. 3.2.): „In diesem Fall dürfen die Sportstätten nur zum Zweck der Ausübung von Sport, bei dessen sportartspezifischer Ausübung es nicht zu Körperkontakt kommt, betreten werden." Mit anderen Worten: Wenn es beim Ausüben eines Sports SPORTARTSPEZIFISCH (!) zu Körperkontakt kommt, dann ist diese Tätigkeit untersagt.

Ohne sich auf weiterführende Details oder Interpretationen einzulassen, hat der OEPS diesen Passus sehr wörtlich genommen und ohne Umschweife auf den Anfänger-Reitunterricht angewendet: „Bis 30. November ist kein Reitunterricht mit Kindern gestattet, bei denen der Körperkontakt zur Trainerin bzw. zum Trainer nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Also Anfängerunterricht. Einzelunterricht mit Fortgeschrittenen ist Outdoor möglich." Die letzte Schlussfolgerung ist zweifellos richtig – die erste jedoch ist alles andere als schlüssig und auch nur schwer nachvollziehbar. Selbstverständlich hat auch das OEPS-Verbandsorgan pflichtschuldigst diese Auslegung übernommen, was nicht anders zu erwarten war.

Wie der OEPS im Detail zu dieser Auffassung gekommen ist, wird nicht dargelegt (in einer frühen Variante der Mitteilung berief man sich auf das Sportministerium (!) als Quelle) – man kann sich aber ausmalen, welche gravierenden Auswirkungen sie für die leidgeprüften heimischen Reitschulen haben wird, die schon durch den ersten Lockdown schwere Einbußen erlitten haben und mit dem Rücken zur Wand stehen. Denn sie dürfen – folgt man der Ansicht des OEPS – jedenfalls bis Ende November gar keinen Anfängerunterricht mehr durchführen (auch nicht im Freien), möglicherweise sogar darüber hinaus, falls die Verordnung aufgrund der Infektionsentwicklung verlängert werden müsste.

Die Frage ist aber nicht nur, wie der OEPS zu dieser Ansicht gekommen ist – sondern ob diese auch wirklich und zwingenderweise aus dem Text der Verordnung abzuleiten ist und auch ihrem Ziel und Zweck entspricht? Und hier sind ernste Zweifel angebracht. Zweifellos – und auch aus den öffentlichen Wortmeldungen beteiligter Politiker und Experten – ging es in dem ominösen § 9 vor allem darum, die sogenannten ,Kontaktsportarten' bis auf weiteres zu untersagen, in denen eine enge körperliche Nähe der Athleten untereinander unvermeidbar ist und daher auch ein hohes Infektionsrisiko besteht. Dies ist etwa bei Judo und Karate, beim Ringen oder auch beim Boxen der Fall. Diese Sportarten sind im Sinne der Verordnung gemeint – daher ist auch ausdrücklich von der „sportartspezifischen Ausübung" die Rede.

Nun muss man wahrlich kein Experte und auch kein Rechtsanwalt sein, um zu erkennen, dass Anfänger-Reitunterricht ganz gewiss keine ,Kontaktsportart' im Sinne der Verordnung ist und dass die vereinzelten, sporadischen Berühungen zwischen Reitschüler und Reitlehrer (etwa beim Aufsteigen-Helfen) nicht mit einem Ringkampf verglichen werden können. Im Regelfall kommt es beim Anfänger-Reitunterricht kaum zu Berührungen zwischen Lehrer und Schüler, was man im OEPS wissen und worauf man eigentlich auch gegenüber dem Gesundheitsministerium pochen sollte!

Selbstverständlich kann man nun einwenden, dass man beim Anfängerunterricht einen körperlichen Kontakt aber auch nicht gänzlich ausschließen könne, etwa beim schon angeführten Aufsitzen oder bei brenzligen Situationen, in denen z.B. der Trainer eingreifen oder zu Hilfe eilen muss. Nun, das ist zweifellos richtig – aber das trifft auf nahezu jede Sportart zu, weshalb die aktuelle Verordnung auch eine spezielle Ausnahme für den Bereich des Sports geschaffen hat: Hier kann nämlich die Pflicht zur Einhaltung des Mindestabstands nicht „bei der Ausübung von Sport für erforderliche Sicherungs- und Hilfeleistungen" – und auf genau diese Ausnahme hätte sich auch der OEPS in Sachen Anfängerunterricht berufen können, ja, berufen müssen, soferne er sich als Interessenvertreter der heimischen Reitschulen versteht. Auf diese wichtige Ausnahmebestimmung – geregelt in § 15 Abs. 4 Z 8 der Verordnung – hat dankenswerterweise Dr. Nina Ollinger in ihrem Blog hingewiesen, und sie kommt daher auch zu einer gänzlich anderen rechtlichen Beurteilung als der OEPS. Zitat: „Weshalb von Verbänden davon gesprochen wird, dass Anfängerunterricht nun nicht mehr möglich sein soll, kann ich aus juristischer Sicht nicht nachvollziehen." Ehrlich gesagt – ich auch nicht!

Selbstverständlich kann man Verordnungen immer unterschiedlich interpretieren – das ist wichtig und in einer pluralistischen Demokratie sogar wünschenswert. Hier geht's aber nicht um ein juristisches Seminar oder um lustige Gedankenspiele, sondern um die wirtschaftliche Lebensbasis vieler heimischer Reitschulen, für die der OEPS eine Verantwortung trägt und deren Interessen er eigentlich vertreten sollte. Dass sich ausgerechnet der OEPS als Dachverband des heimischen Pferdesports ohne erkennbare Gegenwehr die für Österreichs Reitschulen ungünstigste Auslegung zu eigen macht und diese auch noch medial propagiert – das ist schon ziemlich irritierend und in hohem Maße enttäuschend (zumal sich für die ,günstige' Interpretation eigentlich die stärkeren rechtlichen Argumente finden lassen, wenn man denn wollte). Da ist man etwa bei der Deutschen FN aus ganz anderem Holz geschnitzt – hier weiß man, auf wessen Seite man steht. Zitat FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach: „Wir müssen alles dafür tun, dass unsere Vereine und Betriebe weiter existieren können, und das können sie nur, wenn weiterhin Reitunterricht stattfindet. Dafür kämpfen wir.“

Das ist eben der Unterschied zwischen FN und OEPS,
meint
Ihr
Leopold Pingitzer

PS: Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

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