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Corona-Turniersperre bis Ende Juni: Ist allen klar, was das bedeutet?
07.04.2020 / News

Die ,Virtual Dressage Tour
Die ,Virtual Dressage Tour' hat gleich mehrere Initiativen gesetzt, um Reiter und Pferde bei Laune und bei der Stange zu halten – ein Lichtblick in Krisenzeiten! / Symbolfoto: Virtual Dressage Tour

Das gestern von der österreichischen Bundesregierung verkündete Verbot von Sportevents mit Publikum bis Ende Juni wird auch den heimischen Pferdesport hart treffen – die Folgen könnten für viele existenzbedrohend sein. Ein Kommentar von Leopold Pingitzer.

 

Es ist ein geflügeltes Wort, dass die Hoffnung zuletzt stirbt, aber mit der gestrigen (6. April 2020) Pressekonferenz der österreichischen Bundesregierung ist sie für viele Veranstalter in Österreich wohl endgültig gestorben – nämlich die Hoffnung, dass die geltenden Veranstaltungsverbote sowie das Benützen von Freizeit- und Sportbetrieben vielleicht doch nur von kürzerer Dauer sein werden. Die ursprünglich bis 13. April 2020 geltenden Einschränkungen werden jedenfalls für Sportveranstaltungen deutlich länger in Kraft sein – nämlich bis Ende Juni, das hat Sportminister und Vizekanzler Werner Kogler gestern klargestellt. Auch wenn Details dazu erst in den nächsten Tagen bekanntgegeben werden und sich das Sportministerium „schrittweise Lockerungen“ für bestimmte Sportdisziplinen mit wenig Körperkontakt schon in den nächsten Wochen vorstellen kann, müssen sich die allermeisten Sportarten wohl auf eine lange Durststrecke einstellen.

Was es aber bedeutet, dass bis Ende Juni keine Pferdesport-Veranstaltungen stattfinden, zeigt ein Blick auf den heimischen Turnierkalender. Nachdem speziell die Monate Mai und Juni als absolute Hochsaison gelten und bereits im März und April viele Turniere nicht mehr stattfinden konnten, bedeutet dies de facto eine Absage der halben Turniersaison. Es ist eine einfache Rechnung: Im März wurden 15 Turniere abgesagt, im April 45 – und wenn das Veranstaltungsverbot in vollem Umfang aufrecht bleibt, müssen im Mai 89 Turniere und im Juni 80 Turniere abgesagt werden. Das macht in Summe 229 und damit ziemlich genau die Hälfte des gesamten Jahresturnierkalenders 2020.

Selbst wenn etliche Turniere ins zweite Halbjahr verschoben werden können, wird das nicht für alle Events möglich sein – dazu ist der Turnierkalender auch in der zweiten Jahreshälfte zu dicht gedrängt, und zuviele Turniere an einem Wochenende, zumal in räumlicher Nähe, nützen letztlich niemandem: Man kann als Reiter schließlich nur an einem Turnier pro Wochenende starten, auch wenn rechts und links noch acht weitere stattfinden. Der Spielraum für Verschiebungen ist also eng begrenzt – und die Terminplanung für die zweite Jahreshälfte eine enorme Herausforderung, bei der viele unterschiedliche Interessen unter einen Hut gebracht werden müssen.

Die wirtschaftlichen Folgen einer ,halbierten’ Saison werden für viele Vereine und Turnierveranstalter katastrophal sein, für die kleinen sowieso, ganz besonders aber auch für die großen, die in ihrer Jahreskalkulation die Umsätze ihrer Events fix eingeplant hatten. In welcher Weise sie für die Ausfälle entschädigt werden, steht bislang noch nicht fest – und muss wohl noch in Verhandlungen mit den zuständigen Ministerien geklärt werden. Auf der Website der Bundes-Sportorganisation ,Sport Austria’ heißt es dazu: „Um die gewaltigen finanziellen Ausfälle auf Basis von konkreten Zahlen, Daten und Fakten transparent belegen zu können, werden einheitliche Kriterien ausgearbeitet und die Sportvereine und -verbände danach aufgefordert, ihre erlittenen Schäden auf Basis dieses Kriterienkatalogs genauestens zu dokumentieren und Sport Austria zu übermitteln. Diese Dokumentation wird dann dem Sportministerium übergeben. Sie bildet in weiterer Folge die Grundlage für Gespräche mit den Regierungsverantwortlichen über die Ausfallszahlungen."

Bis aus diesem Titel Geld an Turnierveranstalter fließen wird, wird es also noch einige Zeit dauern. Doch sie sind nicht die einzigen, die vom Veranstaltungsverbot negativ betroffen sind: Auch in die Bilanzen der Pferdesportverbände wird es gewaltige Löcher reißen – auch wenn davon noch kaum gesprochen wird. Als einer der wenigen Dachverbände hat die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) sich offen dazu geäußert und erste Zahlen dazu transparent gemacht: Bei einem Jahresbudget von 23 Millionen Euro kalkuliert die FN mit Einbußen von fünf Millionen Euro, die man durch diverse Minderausgaben und Sparmaßnahmen voraussichtlich auf drei Millionen Euro drücken könne. Man habe aber in der Vergangenheit kostenbewusst gewirtschaftet und genügend finanzielle Reserven, um das abfangen zu können, so FN-Generalsekretär Sönke Lauterbach im Interview mit der ,Frankfurter Allgemeinen Zeitung'. Existenzgefährdend sei diese Krise für die FN aber nicht, wie Lauerbach ausdrücklich festhält.

Beim Österreichischen Pferdesportverband kann man sich da nicht so sicher sein – insbesondere, weil man hier eine ähnliche Offenheit und Transparenz schmerzlich vermisst: Die letzte auf der OEPS-Website veröffentlichte Jahresbilanz ist jene von 2017 (!) – und diese weist bei einem Gesamtbudget von vier Millionen Euro einen bescheidenen Gewinn von 47.000,– Euro aus. Das Jahr 2018 soll mit einem Minus geendet haben, für 2019 liegen noch keine Zahlen vor. Von einer komfortablen wirtschaftlichen Situation und einem lockeren Abpuffern der aktuellen Verluste wie bei der FN kann man aber beim OEPS wohl nicht sprechen – zumal die mit dem Turniersport verbundenen Einnahmen (im Budget 2017 unter dem Punkt ,Turniere, Pferde, Lizenzen' zusammengefasst) mehr als die Hälfte der gesamten Jahreseinnahmen ausmachen. Wenn hier ein beträchtlicher Teil wegfällt, weil viele Turniere und Turnierstarts schlicht nicht stattfinden, kann sich jeder die Konsequenzen ausmalen ...

So drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass der OEPS auf die aktuelle Notlage schlecht vorbereitet ist bzw. dass ihn die Krise im denkbar ungünstigsten Augenblick trifft. Und es muss einmal mehr die Frage erlaubt sein, ob es wirklich so schlau und vorausschauend war, sämtliche Rücklagen der vergangenen Jahre in den Kauf und die Renovierung der Verbandszentrale in Laxenburg im Jahr 2016 zu stecken. Einen Teil der investierten Mittel könnte man jetzt als finanzielle Reserve wohl gut gebrauchen – nicht zuletzt, um besonders notleidenden Vereinen und Veranstaltern rasch und unbürokratisch unter die Arme greifen zu können, solange Mittel aus den diversen Corona-Fonds der Bundesregierung noch nicht fließen.

Immerhin in den Landes-Pferdesportverbänden scheint man das besser verstanden zu haben – und ist umgehend aktiv geworden, während der OEPS seinen Mitgliedern lediglich ,Frohe Ostern' auf seiner Website wünscht. In seinem aktuellen Newsletter hat etwa der Steirische Pferdesportverband seine Mitglieder über eine kurzfristige Hilfsaktion informiert, die gemeinsam mit dem Landesverein der Ländlichen Reiter und Fahrer Steiermark gestartet wurde. Demnach bekommen Veranstalter für jedes bereits angemeldete Turnier bis Ende Juni, das aufgrund der Corona-Krise abgesagt werden muss, einen Entschädigungsbeitrag des Verbandes. Schulbetriebe bekommen eine finanzielle Unterstützung pro angemeldetem Schulpferd. Entsprechende Anträge können bis 24. April 2020 beim Büro des Steirischen Pferdesportverbandes eingereicht werden. Bereits letzte Woche hat auch der NOEPS eine 40.000,– Euro schwere Soforthilfe auf den Weg gebracht, um seine schwer gebeutelten Reitschulen zu unterstützen – 200,– bis 600,– Euro pro Verein sind bereits großteils überwiesen worden. Auch wenn es keine riesigen Beträge sind – es ist ein wohltuendes Zeichen der Solidarität und des Zusammenhalts, das die Vereine jetzt dringend brauchen, und ein wichtiges Signal, dass man jetzt für seine Mitglieder da ist.  Chapeau, STPS, Chapeau NOEPS!

,Virtual Dressage Tour' setzt ein Zeichen gegen die Corona-Krise
Ein Signal gegen die Krise möchte man auch bei jenem Tiroler Reitverein setzen, der die ,Virtual Dressage Tour' (VDT) entwickelt und mit großem Erfolg unters Reitervolk gebracht hat (https://www.virtualdressagetour.com). Organisatorin Katharina Kern: „Unsere ,Virtual Dressage Tour' wird seit Beginn der Krise umso mehr angenommen – wir konnten einen starken Anstieg speziell auch aus dem Ausland verzeichnen (wo die Maßnahmen der Quarantäne mit ca. 14 Tagen Verspätung eingeführt wurden). Wir haben eine eigene Ausschreibung ,Corona - Keep calm & ride virtual' gemacht, wo wir jetzt den Einsendeschluss bis Juni verlängert haben, um jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer die Möglichkeit zu geben, nach der Krise bzw. Lockerung der Maßnahmen mitmachen zu können." Auf dem Instagram Account der VDT gibt es zudem mehrmals wöchentlich einen Live-Stream, mit dessen Hilfe man sich auf die ausgeschriebenen Dressuraufgaben vorbereiten kann, zusätzlich bietet die VDT #KEEPFIT Challenge Übungen für Gleichgewicht, Koordination und Kräftigung – bei der es auch tolle Preise zu gewinnen gibt.

Das alles soll Reiter und Pferde bei Laune und bei der Stange halten – und mithelfen, die turnierlose Zeit zu überbrücken. Letztlich werde man diese Ausnahmesituation nur gemeinsam überwinden können, so Katharina Kern: „Die aktuelle Situation trifft auch unsere Dressurexperten und Ausbilder besonders hart, weshalb wir uns einen lösungsorientierten und innovativen Ansatz überlegt haben. Die Reiter mit ihren Pferden, die in der momentanen Situation auf sich selbst gestellt sind, und die Dressurausbildner, die aktuell ihren Beruf nicht ausüben können und nicht in die Ställe dürfen (mobile Trainer) – sie alle wollen wir über unsere Plattform und den gemeinnützigen Verein ,Innovative Horse & Rider Academy' zusammenbringen. Jeder kann Videos, Problemstellungen im aktuellen Umgang mit dem Pferd oder beim Reiten bzw. Longieren vom Pferd an uns senden und unsere Experten stehen mit Rat und Hilfe zur Seite. Dieses ,Virtual Coaching'-Konzept basiert auf freiwilligen Spenden für den Verein und unsere Dressurexperten, und wir hoffen, dadurch einen kleinen Beitrag zum Zusammenhalt leisten zu können." Dem ist nichts hinzuzufügen, außer: Chapeau, VDT,

meint
Ihr

Leopold Pingitzer

PS: Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

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