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Kommentar: Eine verlorene Schlacht – und der wahre Konflikt dahinter
07.12.2017 / News

Leo Pingitzer schreibt für ProPferd.
Leo Pingitzer schreibt für ProPferd. / Foto: Petr Blaha

Während die Anhänger der Liste Kriechbaumer nach ihrem Sieg bei der ao. Generalversammlung (siehe unseren Bericht dazu) am 4. Dezember jubelten, war die Enttäuschung der Pischlöger-Unterstützer mit Händen zu greifen: Sie verstanden buchstäblich die Welt nicht mehr – und werden sich wohl noch lange fragen, wie ein solcher Wahlausgang unter solchen Vorzeichen (u. a. mit einer einstweiligen Verfügung gegen den OÖ Pferdesportverband) passieren konnte …

Tatsächlich fällt eine Erklärung auf den ersten Blick schwer – selbst branchenfremde Beobachter hätten, wie einer sagte, „alles darauf gewettet“, dass der Vorstand für seine diversen Aktionen und Spielchen im Vorfeld der Generalversammlung (reihenweise Anzeigen gegen eigene Mitglieder, permanente Falschinformationen, aufreizendes Ignorieren einer einstweiligen Verfügung etc.) abgestraft werden würde. Doch das Gegenteil war der Fall. Wie aber konnte das passieren, wie war das möglich?

Eines vorweg: Es lag weder am einen oder anderen Fehler, den man auf Seiten der ,Herausforderer' gemacht hat (wer könnte von sich behaupten, gänzlich unfehlbar zu sein?) – noch lag es am Wahlvorschlag selbst. Selbst Skeptiker mussten zugeben, dass es Gerhard Pischlöger gelungen war, einen überaus respektablen Wahlvorschlag zu präsentieren – mit einem Team aus erfahrenen, bekannten Reitsport-Funktionären und Veranstaltern sowie kompetenten Personen für Recht, Finanzen, Turnierwesen, Ausbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Allein ein solches Team zu formen ist eine beachtliche Leistung – und das Team ist auch, trotz fortlaufender Diffamierungen, Anfeindungen und Anzeigen, zu Gerhard Pischlöger gestanden und hat sich nicht einschüchtern lassen, was allen Beteiligten auch menschlich ein gutes Zeugnis ausstellt. Nein – am Wahlvorschlag lag es nicht,  diesbezüglich hat sich niemand etwas vorzuwerfen.

Tatsächlich stand die Niederlage wohl schon vor Beginn der Generalversammlung fest – und zwar aus einem einfachen Grund: Es herrschte von vornherein keine „Waffengleichheit“: Der OÖ Pferdesportverband war strukturell haushoch überlegen und hatte für die Mobilisierung seiner Anhänger die weitaus mächtigeren Instrumente zur Verfügung. Er konnte bei seiner Kampagne auf die geballte Power und Infrastruktur des Verbandes (samt Büro, Referenten- Netzwerk, Zugriff auf sämtliche Verbands-Medien etc.) zurückgreifen – und machte davon ebenso scham- wie rücksichtslos Gebrauch. Man bombardierte die Mitglieder mit (sündteuren) Aussendungen und Meldungen auf allen verfügbaren Kanälen –  und war sich auch nicht zu schade, reihenweise eigene Mitglieder und sogar Tageszeitungen zu verklagen. Auch bei der „Bearbeitung“ aufmüpfiger Reitvereine war man wenig zimperlich, wie Horst Efferdinger im ProPferd-Interview verriet – drohte u. a. mit Meisterschafts-Entzug und mit weniger ,Großzügigkeit’ bei künftigen Sonderprüfungen. Nicht gerade die feine Art – aber offensichtlich effizient.

Gleichzeitig ließ man seit Monaten einen wahren Geldregen über das Pferdesportland Oberösterreich niedergehen, schüttete großzügig Sonderförderungen in sechsstelliger Höhe aus und machte sich damit bei vielen ,Meinungsmachern’ gezielt beliebt: Diese Zuckerbrot- und Peitsche-Taktik ist weitgehend aufgegangen – und macht einmal mehr deutlich, wie schlecht es in Wahrheit um die verbandsinterne demokratische Kultur bestellt ist: Der amtierende Vorstand hat letztlich alle Mittel und Machtinstrumente des Verbandes (finanzielle, rechtliche und mediale) einseitig für seine Zwecke genutzt (so als würde der ORF im Nationalrats-Wahlkampf ausschließlich ÖVP-Politiker interviewen und nur ÖVP-Wahlkampfspots senden) – obwohl diese von allen Verbandsmitgliedern, also auch den kritischen, bezahlt werden. Die Herausforderer hatten nur eine Facebook-Seite und E-Mail. Angesichts dieser eklatanten „Ungleichheit der Waffen" ist das Abstimmungsergebnis von 110 zu 150 sogar aller Ehren wert – und jedenfalls kein Grund für Frust und Resignation. (Wie sagt doch der große Jean Ziegler: „Es gibt keine Ohnmacht in der Demokratie." Das Problem ist nur, möglichst viel Demokratie zu schaffen.)

Tatsächlich verdient es dieser Kampf, fortgesetzt zu werden – denn die wahren Ursachen des Konflikts bestehen weiter, auch wenn sie durch die juristischen Geplänkel und die aufgeladenen Emotionen der letzten Wochen in den Hintergrund getreten sind: Der „Aufstand in OÖ" ist im Kern ein Aufbegehren des Sports und des sportlichen Mittelbaus gegen veraltete Strukturen und eine Verbandsführung, von der sich viele im Stich gelassen fühlen. Die Sportler, insbesondere die aktiven Turnierreiter, die eigentlich im Focus der Verbandsaktivitäten stehen sollten, fühlen sich marginalisiert – und ausgepresst: Sie stecken (ebenso wie viele Turnierveranstalter) in einer Kosten-Nutzen-Falle, die ihnen zusehends die Luft zum Atmen nimmt und die Freude an ihrem Sport vergällt: Seit Jahren steigen ihre Aufwendungen unablässig, seit Jahren werden (mit wenigen Ausnahmen) die Gebühren hinaufgeschraubt und Turnierteilnahmen immer teurer.

Auf der anderen Seite befinden sich die Geldpreise im Sturzflug: Im Springen sind sie in den letzten zehn Jahren um 50 % zurückgegangen – von 1,4 Millionen Euro, dem historischen Höchststand, im Jahr 2006 auf 712.000,– Euro im Jahr 2016. In der Dressur ist es sogar noch schlimmer – da betrug das Minus lt. offizieller OEPS-Statistik zwischen dem Höchststand des Jahres 2008 (80.364,– Euro Geldpreise) und dem Jahr 2016 (23.318,– Euro) sogar 70 %. Einfach gesagt: Es gibt im Turniersport immer weniger zu gewinnen, während die Aufwendungen dafür kontinuierlich steigen – die Schere klafft immer weiter auseinander, und das kann auf Dauer natürlich nicht gutgehen. Nichts anderes als dieses Missverhältnis ist der reale Kern der in OÖ tobenden Auseinandersetzung – auch wenn die Marketing-Abteilung des Verbandes lieber eine andere Erzählung verbreitet: von dunklen Mächten, die den Verband übernehmen und Referate abschaffen wollen. (Beim Ablenken von den eigenen Problemen ist man offenkundig sehr kreativ ...)

ProPferd hat bereits mehrfach auf diese fatale Fehlentwicklung und ihre Folgen hingewiesen: Während sich der OEPS in seiner Außendarstellung fast ausschließlich über die Gesamt-Mitgliederanzahl definiert (die weitgehend stabil ist), weisen wichtige turniersportliche Kennzahlen seit Jahren nach unten. Hier nur ein paar davon:
– Die Zahl der Turnierstarts lag 2008 noch bei 118.777 – im Jahr 2016 waren es 102.634 (– 13 %), wobei hier auch die Turnierstarts ausländischer Reiter enthalten sind – die erheblich interessantere und relevantere Zahl der Turnierstarts österreichischer Lizenzreiter wird vom OEPS unter Verschluss gehalten (aus gutem Grund, denn hier wäre der Rückgang zweifellos noch viel dramatischer).
– Die Zahl der Turnierpferde geht ebenfalls zurück – von 14.024 im Jahr 2007 auf 12.901 im Jahr 2016 (– 8 %).
– Die Zahl der Turniere stagniert seit nahezu 20 Jahren – 2016 waren es 474, im Jahr 1998 waren es 455. Man ist also ziemlich genau dort, wo man vor 20 Jahren auch schon war ...

Das dramatische Ausmaß des sportlichen Niedergangs verrät jedoch eine andere Kennzahl – nämlich die Entwicklung der Reit- und Fahrlizenzen (inkl. Startkarten), die man – freundlich formuliert – als alarmierend und – weniger freundlich formuliert – nur als katastrophal bezeichnen kann: 2009 gab es noch insgesamt 10.922 Lizenznehmer (inkl. Startkarten) – 2016 waren es nur noch 8.670, das ist der geringste Wert seit dem Jahr 2002 und ein Rückgang von mehr als 20 % innerhalb von sieben Jahren. Man kann es kaum anders sagen: Dem österreichischen Pferdesport kommen die Pferdesportler abhanden, und ein Ende der negativen Entwicklung ist nicht in Sicht. (Dies sind – wohlgemerkt – lediglich die gelösten bzw. bezahlten Lizenzen – die Zahl der tatsächlich aktiven Reiter, Fahrer und Voltigierer liegt vermutlich noch deutlich darunter, wird aber von der OEPS-Statistik ebenfalls verschwiegen).

Faktum ist: Der österreichische Reitsport hat erhebliche strukturelle Probleme – und es ist kein Wunder, wenn sich Turnierreiter und Veranstalter, die ebenfalls unter erheblichem Kostendruck stehen, immer öfter als ,Melkkuh' der Nation fühlen, die zwar zahlen dürfen, aber weder mitreden noch mitgestalten können. Sie haben es geduldig hingenommen, dass sie selbst mit immer größeren finanziellen Problemen kämpfen, während Mitgliedsbeiträge und Gebühren munter erhöht werden und etwa dem Verbandsorgan Pferderevue im Vorjahr ein geschmalzener Preisaufschlag bewilligt wurde. OEPS und Landessportverbände lassen sich ihr Monopol-Mitteilungsblatt geschätzte 600.000,– Euro pro Jahr kosten – viel Geld, das in letzter Konsequenz dem Sport und den Sportlern fehlt.

Oberösterreich war das erste Bundesland, in dem die seit Jahren schwelende Unzufriedenheit aufgebrochen ist und zumindest ein beträchtlicher Teil der Veranstalter, Vereine und Turnierreiter gesagt hat: Es reicht – wir brauchen eine Veränderung! Gerhard Pischlöger – wahrlich kein Revoluzzer, sondern eher von der gemütlichen, ausgleichenden Sorte – und seine Mitstreiter haben den Versuch unternommen, die Interessen der Pferdesportler wieder ins Zentrum der Verbandsarbeit zu rücken und den Verband moderner, transparenter, serviceorientierter zu machen. Dieser Versuch wurde mit allen erdenklichen Mitteln bekämpft, Pischlöger als Querulant denunziert und angezeigt. Denn eines darf im österreichischen Pferdesport auf keinen Fall geschehen: eine Veränderung, die nicht von ganz oben kontrolliert wird.

So kam es, wie es wahrscheinlich kommen musste: Das Imperium hat am 4. Dezember zurückgeschlagen, der aufmüpfige David hat gegen den allmächtigen Goliath verloren. Doch es ist ein Sieg zu einem hohen Preis – denn verloren hat in Wahrheit auch der OÖ Pferdesportverband, weil er den schwelenden Konflikt zwischen Turnier- und Freizeitreiter nicht entschärft, sondern nur unterdrückt hat. Man hat eine Schlacht gewonnen – der Krieg aber wird weitergehen, denn keines der bestehenden Probleme wurde gelöst. Der Verband ist weiter tief gespalten, die Unzufriedenheit vieler Mitglieder riesengroß. Das Bild, das der Verband seit Monaten in der Öffentlichkeit abgibt, könnte katastrophaler kaum sein – und auch die Art und Weise, wie die Generalversammlung am 4. Dezember geführt und letztlich durchgepeitscht wurde, hatte allenfalls Stammtisch-Niveau und war insbesondere für viele TeilnehmerInnen der jüngeren Generation ernüchternd und schockierend. Denn sogar in der Schule darf man Fragen stellen – nicht aber bei einer Generalversammlung des OÖ Pferdesportverbandes. Hier hat nur der Vorsitzende das Wort – und sonst niemand. Ganz ehrlich: Meine Oma war moderner,

meint Ihr

Leopold Pingitzer

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2) Moonlight59: Nur die allerdümmsten Kälber suchen ihre Metzger selber! Der rasante Demokratieverlust in der internationalen Politik - verbunden mit den grauslichsten Praktiken der Mundtotmachung - spiegelt sich in solchen Vorkommnissen wider. Was auf höherer Eben leider zu funktionieren scheint, das geht auch im Kleinen vorerst noch. Der Pferdesport ist ein Spiegel und Abbild unserer Gesellschaft - und so sind wir halt in unserem schönen Land. WIE? Ach, man sammle einfach alle Adjektive (das sind die Eigenschaftsworte ), die menschliche Schwäche und Versagen beschreiben. Oder man lese die Publikumsbeschimpfung . Man kann sich aber auch Zeit und Frust ersparen und einfach in den wunderbar verschneiten Winterwald reiten und auf alle Verbände dieser Welt... einen Schneeball werfen. Was ja auch immer mehr Reiter mit dem Herz am rechten Fleck tun. Denen wünsche ich ein schönes, friedvolles Weihnachtsfest. Die anderen werden es auch einmal kapieren - hoffentlich.
Samstag, 9. Dezember 2017
1) Die Wunschpferdemacherin: ...die zahlen sind erschreckend...
Freitag, 8. Dezember 2017
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