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Übrigens: Österreich hat eine exzellente Dressurreiterin verloren …
10.05.2021 / News

Leo Pingitzer schreibt für ProPferd.
Leo Pingitzer schreibt für ProPferd. / Foto: Archiv/Petr Blaha

Diese Tatsache ist dem OEPS zwar nicht einmal eine Kurzmeldung wert, hat aber dem heimischen Dressursport wohl auf Jahre hinaus schweren Schaden zugefügt. Ein Kommentar von Leo Pingitzer.


Seit das führende europäische Dressurportal Eurodressage letzte Woche über den Nationenwechsel der Vorarlbergerin Sandra Nuxoll berichtete, haben die Diskussionen darüber zwar einen kleinen Kreis von Dressur-Interessierten (ja, es gibt sie noch) in Österreich erfasst – doch darüberhinaus herrscht wie üblich eine seltsame Mischung aus Lethargie, Mut- und Sprachlosigkeit, ganz nach dem Motto: Das ist halt so, da kann man eh nix machen! Diese Schweigsamkeit ist nicht nur falsch, sondern längst ein Teil des Problems: Wenn etwas falsch läuft, muss es auch angesprochen und öffentlich diskutiert werden – und zwar so breit wie möglich.

Nur um das Geschehene kurz zu rekapitulieren: Sandra Nuxoll ist gebürtige Vorarlbergerin, passionierte Dressurreiterin, seit rund 15 Jahren in Deutschland aus Ausbilderin und Jungpferde-Trainerin tätig und als solche überaus erfolgreich und hochangesehen – von ihr geförderte Pferde gingen u. a. an Lisa Müller und Kristine Bröring-Sprehe. Bislang stellte sie ihre Pferde bevorzugt auf nationalen Turnieren vor und bestritt Bewerbe wie den renommierten Nürnberger Burgpokal oder den prestigeträchtigen Louisdor Cup. 2020 gewann sie mit dem damals achtjährigen Bonheur de la Vie das Finale des Louisdor Cups und erzielte dabei 77,140 % im Grand Prix. Mit der Stute Hanami holte sie dazu auch noch Platz 5 mit 72,860 %.

2021 ging der Erfolgslauf weiter – beim nationalen Turnier Ende Februar in Vechta holte sie mit Hanami den nächsten Sieg mit 74,80 % im Grand Prix. Als sie eine Einladung für das CDI Verden von Kaspar Funke (7.–9. Mai) annehmen wollte, erlebte sie jedoch eine Überraschung – sie erhielt keine Freigabe seitens des OEPS, und zwar mit dem Hinweis, dass sie nicht an der Dressursichtung Ende Februar in Ebreichsdorf teilgenommen hatte, die für alle ReiterInnen, die international für Österreich antreten wollen, verpflichtend sei. Sandra Nuxoll hatte sich angesichts der rund 2.000 km langen Reise vom norddeutschen Dinklage nach Ebreichsdorf und wieder retour und des bestehenden Corona-Lockdowns gegen die Teilnahme entschieden – und wohl auf Flexibilität und eine kulante sportliche Lösung durch den OEPS gehofft.

Doch der zeigte die kalte Schulter – und Sandra Nuxoll zog die Konsequenzen: „Ich habe 1 und 1 zusammengezählt und hatte nur das Gefühl, dass sie mich aus irgendeinem Grund nicht wirklich wollen“, so die Reiterin gegenüber Eurodressage. Es erscheine ihr unsinnig und geradezu lächerlich, dass sie während einer Pandemie und bei teilweise geschlossenen Grenzen 2.000 km fahren soll, nur um einer Jury zu demonstrieren, dass ihre Pferde mindestens 66 % erreichen können. „Meine Pferde haben mehr als das getan“, so Nuxoll weiter. „Ich frage mich, was sie in Österreich mehr wollen als einen Louisdor Cup-Sieger? Meiner Meinung nach ist ihnen das eigentlich egal“, so die Reiterin. Ihre Zukunft liege daher in Deutschland, wo der Dressursport professioneller organisiert ist und vor allem mehr Kommunikation mit den Trainern stattfinde.

Somit fand das kurze Tête-à-Tête zwischen dem OEPS und Sandra Nuxoll ein abruptes Ende – wohl ein endgültiges. Man kann gewiss über die Motive und Argumente der jeweiligen Seite unterschiedlicher Ansicht sein – das Resultat dieses völlig überflüssigen Disputs aber ist nichts anderes als beschämend und niederschmetternd: Österreich hat eine exzellente, hochtalentierte Dressurreiterin verloren – und das wohl für immer. Diese traurige Tatsache schönzureden schafft offensichtlich nicht einmal der OEPS – und äußert sich daher lieber gar nicht.

Dass bei gutem Willen natürlich eine Lösung möglich gewesen wäre, ja, dass es nicht einmal zu einem Problem hätte kommen müssen, steht außer Frage. Denn in Wahrheit sind das Dressurreferat und auch der Sportdirektor bei der Entscheidung, ob eine Reiterin eine internationale Startgenehmigung erhält oder nicht, völlig frei. Selbst in den aktuellen Kaderkriterien steht nämlich der schöne Satz: „In begründeten Fällen ist es dem Dressurreferat und dem Sportdirektor vorbehalten, Entsendungen zu internationalen Turnieren und/oder eine Kaderaufnahme auch dann vorzunehmen, wenn die entsprechenden Kriterien nicht erfüllt wurden, dies aber im Interesse des Referats liegt, oder diese auch in begründeten Fällen zu widerrufen, obwohl die Kriterien erfüllt wurden." In diesem Punkt hat Sandra Nuxoll also jedenfalls recht: Der OEPS wollte schlicht und einfach nicht, dass sie in Verden für Österreich an den Start geht. (Manche Poster in den sozialen Medien hegen bereits den Verdacht, dass Sandra Nuxoll möglicherweise zu gut und zu erfolgreich war – und anderen heimischen ReiterInnen dadurch wohl gefährlich geworden ist ...)

Nuxoll gab jedenfalls die sportlich richtige Antwort auf die Verbands-Mätzchen: Beim CSI/CDN Redefin (7.–9. Mai 2021) holte sie mit Bonheur de La Vie einen überragenden Sieg im Grand Prix Special mit 81,046 % – dazu noch Platz 2 auf Hanami mit 75,261 %. Und sie demonstrierte damit ein weiteres Mal, welch reiterlichen Hochkaräter man hier achtlos aus der Hand gegeben hat. In den sozialen Medien brachte man es sinngemäß auf einen einfachen Nenner: Deutschland jubelt, Europa lacht – vielen Dank, Österreich! Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.

Faktum ist: Österreichs Dressursport hat ohne jede Notwendigkeit eine hochtalentierte und hocherfolgreiche Reiterin verloren, von der in Zukunft noch viel zu erwarten sein dürfte. Einmal mehr hat der OEPS seine sportlichen Hausaufgaben nicht gemacht und – überspitzt gesagt – zum wiederholten Male gegen seinen eigenen Verbandszweck gehandelt, nämlich die „Förderung des Pferdesports" sowie die „sportliche Betreuung seiner Mitgliedsverbände und deren Mitglieder", die eigentlich sein oberstes Ziel und Anliegen sein müssten. So wird Pferdesport nicht gefördert, sondern geschädigt und verhindert – und so betreut man schlicht und einfach seine Mitglieder nicht.

Es kommt uns unweigerlich eine Anekdote aus einer anderen Sportart in den Sinn, nämlich dem alpinen Skilauf, in der ebenfalls ein Sportler aus Vorarlberg im Mittelpunkt steht: Marc Girardelli. Die älteren unter uns werden sich noch erinnern, dass dieser einst für Österreich gestartet ist und als Kind u.a. Vorarlberger Slalom-Landesmeister war. 1976 – Marc war damals gerade zwölf Jahre alt – zerstritt sich sein Vater jedoch mit dem Österreichischen Skiverband, dem er vorwarf, seinen Sohn zu wenig zu fördern. So wechselte man zum luxemburgischen Verband, für den Girardelli fortan fuhr – und siegte. Der Rest ist Ski-Geschichte: Marc Girardelli wurde zu einem der erfolgreichsten Skirennläufer aller Zeiten, holte zwei olympische Silbermedaillen, vier Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften und nicht weniger als fünf Gesamt-Weltcup-Siege – für Luxemburg.

Vielleicht nimmt sich Sandra Nuxoll ja an ihm ein Beispiel – wir wünschen jedenfalls alles Gute für ihre weitere sportliche Laufbahn, wenngleich mit einer kleinen Träne im Augenwinkel,
meint
Ihr

Leopold Pingitzer

PS: Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

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