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Hohe Gebühren, arroganter Verband: Österreichs Turnierveranstalter haben die Nase voll
05.12.2019 / News

Leo Pingitzer schreibt für ProPferd.
Leo Pingitzer schreibt für ProPferd. / Foto: Archiv/Petr Blaha

In Österreichs Turnierszene rumort es gewaltig: Mehrere Turnierveranstalter haben öffentlich bekanntgegeben, 2020 keine Turniere zu veranstalten – und fühlen sich vom OEPS schlecht behandelt. Für die Turnierszene sind das schlechte Nachrichten – der Abstieg der letzten Jahre dürfte sich fortsetzen. Ein Kommentar von Leo Pingitzer.


Es war ein Posting, das in der heimischen Reitsportzene einigen Staub aufwirbelte: Michael Steinbrecher, einer der bekanntesten und renommiertesten Turnierveranstalter Österreichs, gab auf seiner Facebook-Seite bekannt, 2020 keine Events mehr in seiner prachtvollen ,Lake Arena’ in Wr. Neustadt zu organisieren – mit einer einzigen Ausnahme, nämlich dem CDI-Osterturnier anlässlich des 30-jährigen Veranstalter-Jubiläums. Neben privaten Schicksalsschlägen „waren es zu großen Stücken die Situation und das Handeln im heimischen Dachverband, welche uns zur Resignation getrieben haben“, so Steinbrecher – und er legte noch nach: Das Verhalten des OEPS den Veranstaltern gegenüber beschrieb er mit drei Worten: „ignorant – arrogant – frei von jeglicher Kompetenz“. Der Umstand, dass „nicht nur wir so denken, würde in ehrlichen Statistiken eindrucksvoll ersichtlich sein“, so Steinbrecher.

Wie groß die Unzufriedenheit mit der Situation mittlerweile ist, beweist auch die Tatsache, dass weitere Veranstalter dem Beispiel gefolgt sind und ebenfalls die Absage von Turnieren für 2020 öffentlich bekanntgegeben haben. Einer davon ist das Team Wasserberg, das seine Springturniere im Hinblick auf die „aktuelle Situation um Veranstalter/Reiter und Verbände“ für 2020 stornierte. In den Chor der Kritik stimmte auch der bekannte Trainer und Veranstalter Armin Krenn ein: „Auch die Reitsportanlage Schloss Gurhof kann ein mehrstimmiges Lied davon singen, was es heißt, mit Verbänden zu kooperieren … Insbesondere die letzten Jahre, den Veranstaltungsort Schloss Gurhof am Leben zu erhalten, wurde seitens der Verbände mehr verhindert als unterstützt! Ich denke, es ist an der Zeit, dass sich Verantwortungsträger in den Reitsportverbänden langsam darüber bewusst werden …“

Kein Zweifel – hier ist etwas in Bewegung geraten und etwas aufgebrochen, das sich seit Jahren aufgestaut hatte. Der Unmut der Veranstalter ist nämlich nicht neu, sondern schwelt schon seit Jahren wie ein Moorbrand unter der Oberfläche – nun ist das Feuer durchgebrochen und wird wohl nur sehr schwer zu löschen sein. Dass es sich bei den aktuellen Turnierabsagen nicht um ein paar bedeutungslose Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem handelt, zeigt ein Blick in die OEPS-Turnierdatenbank: In dieser sind für das Jahr 2020 nämlich nur 421 Turnieranmeldungen vorgesehen – deutlich weniger als in den letzten Jahren und gegenüber 2019 (damals: 492 Anmeldungen) ein Rückgang von fast 15 %, wie diese Tabelle zeigt:

Angemeldete Turniere in Österreich
2016: 523 Anmeldungen
2017: 521 Anmeldungen
2018: 510 Anmeldungen
2019: 492 Anmeldungen
2020: 421 Anmeldungen

Der prominente Fall von Michael Steinbrecher ist also nur die Spitze des Eisberges. Nachdem nicht alle angemeldeten Turniere auch ausgetragen werden, könnte 2020 sogar der Fall eintreten, dass die Anzahl der tatsächlich durchgeführten Turniere unter 400 fällt – was zuletzt im Jahr 1996 (!) passierte. In jedem Fall wird es das schwächste Turnierjahr seit 1999 (damals: 423 durchgeführte Turniere) sein.

Dass der Turniersport in Österreich seit Jahren mit gravierenden Problemen kämpft, ist allen Verantwortlichen natürlich bekannt – nur in der Öffentlichkeit gibt man es ungern zu. Dabei sprechen die OEPS-eigenen Statistiken eine deutliche Sprache, wie diese elementaren Kennzahlen der Turnierszene zeigen:

Reit- und Fahrlizenzen:
2009: 10.922
2015: 8.770
2016: 8.670
2017: 8.892
2018: 8.587

Turnierpferde:
2008: 13.880
2015: 12.905
2016: 12.901
2017: 12.764
2018: 12.534

Turnierstarts gesamt:
2008: 118.777
2015: 102.860
2016: 102.634
2017: 98.856
2018: 96.125

Es gibt also im Laufe der letzten zehn Jahre nicht nur deutlich weniger Lizenzreiter und weniger Turnierpferde, sondern auch immer weniger Turnierstarts – wobei hier auch die Starts ausländischer Lizenzreiter inkludiert sind. Diese tragen vor allem in den westlichen Bundesländern sowie in OÖ dazu bei, die Ausfälle bei Inländern zu kompensieren. „Wenn wir die Ausländer nicht hätten, könnten wir längst alle zusperren“, bringt es ein Veranstalter aus Oberösterreich auf den Punkt.

Das größte Sorgenkind im heimischen Turniersport ist die Springreiterei – deren gegenwärtigen Zustand man eigentlich als dramatisch bezeichnen muss. Während der OEPS die Öffentlichkeit mit Jubelmeldungen über die Erfolge von Max Kühner blendet, geht der heimische Springsport langsam, aber sicher vor die Hunde, wie diese Zahlen zeigen.

Turnierstarts Springen:
2008: 85.218
2015: 68.313
2016: 66.931
2017: 62.211
2018: 60.846

Geldpreise Springen:
2008: 954.563,– Euro
2015: 666.532,– Euro
2016: 712.257,– Euro
2017: 636.169,– Euro
2018: 637.533,– Euro

Die Turnierstarts und die Geldpreise sind in den letzten zehn Jahren um rund 30 % zurückgegangen – womit sich leicht erahnen lässt, wie es insbesondere den Veranstaltern von Springturnieren geht. Sie kämpfen mit immer weniger Startern und stagnierenden Einnahmen – während die Turniergebühren und die sonstigen Auflagen immer weiter hinaufgeschraubt werden. „Es geht sich hinten und vorne nicht mehr aus“, fasst es ein Insider und langjähriger Turnierveranstalter zusammen. Immer mehr Veranstalter (siehe oben) resignieren – nicht, weil sie wollen, sondern weil es einfach nicht mehr geht.

Beim OEPS könnte jedenfalls die jahrelange Politik, steigende Kosten durch kontinuierliche Gebührenerhöhungen zu kompensieren, erstmals an ihre Grenzen stoßen: Denn ein Rückgang von 15 % bei den Turnieren wäre wohl zwangsläufig auch mit weniger Einnahmen aus Turniergebühren verbunden – und das würde den Verband finanziell an einer empfindlichen Stelle treffen. Die Erträge aus dem Bereich „Turniere/Pferde/Lizenzen“ machen, wie ein Blick in die OEPS-Bilanz 2017 zeigt, mehr als die Hälfte der gesamten Verbandseinnahmen aus, nämlich über 2,2 Millionen Euro – und sie waren schon gegenüber 2016 leicht rückläufig. Ein weiterer Rückgang könnte den Verband vor Probleme stellen – zumal der Jahresgewinn 2017 nur bescheidene 47.194,63 Euro betragen hatte, bei einem Gesamtbudget von 4 Millionen Euro. (Spekulationen über den Zustand seiner Finanzen befeuert der OEPS im Übrigen auch selbst, denn seit Monaten ist die Veröffentlichung des Jahresabschlusses 2018 überfällig – auf der OEPS-Website findet man bis dato nur jenen von 2017. Wo bleibt die selbst verordnete Transparenz?)

Die Statements der frustrierten Turnierveranstalter weisen aber noch auf ein anderes gravierendes Problem hin – nämlich auf die offenbar zutiefst gestörte Gesprächs- und Vertrauensbasis zwischen vielen Veranstaltern und dem Verband. ,Ignorant – arrogant – frei von jeglicher Kompetenz’ – es lässt schon tief blicken, wenn einer der renommiertesten Veranstalter Österreichs zu solchen Worten greift und dafür breite Zustimmung erfährt.

Tatsächlich bestätigt ein Rundruf bei einem halben Dutzend weiterer Veranstalter diese Stimmungslage, die man als eine Mischung aus Verärgerung, Frustration und Verzweiflung beschreiben könnte: „Für den Verband sind wir nur Luft – dem ist völlig egal, was wir sagen und wie es uns geht!“ und „Was haben wir von diesem Verband – der kassiert doch nur und tut nichts dafür!?“ sind typische Aussagen, die dies belegen. Man fühlt sich im Stich gelassen, nicht ernst genommen und von oben herab behandelt – und an diesem Zustand sollte der OEPS schleunigst etwas ändern, bevor noch mehr Veranstalter das Handtuch werfen,
meint Ihr

Leopold Pingitzer

PS: Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

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