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Skandal um Olympia-Qualifikation: FEI bestätigt Turnier-Manipulationen und eigene Fehler
18.02.2020 / News

Bei Springturnieren in Frankreich und Syrien kam es zu Manipulationen, die von der FEI nun aufgedeckt wurden. Doch der Weltverband des Pferdesports gab auch eigene Fehler zu.
Bei Springturnieren in Frankreich und Syrien kam es zu Manipulationen, die von der FEI nun aufgedeckt wurden. Doch der Weltverband des Pferdesports gab auch eigene Fehler zu. / Symbolfoto: Archiv/Julia Rau

Der Pferdesport hat seinen nächsten Skandal: Wie die FEI in einer Aussendung bestätigte, wurde bei mindestens drei Qualifikationsturnieren in Frankreich und Syrien getrickst, um Reitern Punkte für die Olympia- und die Weltrangliste zuschanzen zu können. Ein Kommentar von Leo Pingitzer.


Die FEI tut alles, um den Ball flachzuhalten und das Ausmaß des Pferdesport-Skandals herunterzuspielen: Das Eingeständnis, dass es ein veritabler Skandal ist, wurde geradezu beiläufig in der harmlos klingenden Aussendung „Tokyo 2020 team and individual quota places confirmend by FEI’ (FEI bestätigt die Mannschafts- und Einzel-Quotenplätze für Tokyo 2020) vom 17. Februar 2020 mitgeteilt. Darin heißt es wörtlich:

„Nachdem Bedenken bezüglich FEI-Springturnieren in Frankreich und Syrien laut geworden sind, bei denen Olympia- und Longines-Weltranglistenpunkte vergeben wurden, hat die FEI Events in Villeneuve-Loubet (FRA) und in Damaskus (SYR) näher untersucht. Diese Untersuchung der drei betreffenden Veranstaltungen in Villeneuve-Loubet im Dezember 2019 hat ergeben, dass entgegen den FEI-Regeln (Artikel 110.2.3 der Allgemeinen Bestimmungen)  bei jeder Veranstaltung nach dem definitiven Nennschluss zwei Prüfungen, die für die Olympia- und Longines-Weltrangliste gewertet wurden, hinzugefügt worden waren. Die aktualisierten Zeitpläne für diese drei Turniere wurden der FEI vom französischen Pferdesportverband vorgelegt und von der FEI fälschlicherweise genehmigt.“

Der Sinn dieser Manipulation: Die nachträglich eingefügten Prüfungen wurden offenkundig nur im kleinen Kreis kommuniziert, weshalb nur bestimmte Reiter überhaupt Kenntnis davon hatten, dass in diesen Bewerben wertvolle Punkte für das ,Olympic Ranking’ bzw. die FEI-Weltrangliste zu gewinnen waren. Die Prüfungen wurden, wie FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach gegenüber dem Nachrichtenmagazin ,Stern’ bestätigte, für „einen kleinen Kreis organisiert, damit bestimmte Reiter Punkte sammeln können.“ So sollen bei einer dieser Prüfungen lediglich fünf Paare am Start gewesen sein.

Wie die FEI weiter mitteilte, habe man „gemäß Artikel 112.3 der Allgemeinen FEI-Bestimmungen diese zusätzlichen Wettkämpfe nachträglich entfernt, was bedeutet, dass teilnehmende Athleten ihre Ranglistenpunkte bei diesen Wettkämpfen verlieren.“ Das Olympic Ranking und die FEI-Weltrangliste wurden entsprechend aktualisiert. Auch im Jänner 2020 sei es bei drei der sechs Events in Villeneuve-Loubet zu ähnlichen Unregelmäßigkeiten gekommen: Auch hier seien zwei Prüfungen, die für die FEI-Weltrangliste gewertet wurden, nach Ablauf des definitiven Nennschlusses hinzugefügt wurden, was wiederum „einen Verstoß gegen das FEI-Reglement darstellt“, wie es heißt. Infolgedessen wurden diese zusätzlichen Wettbewerbe abermals entfernt – und teilnehmende ReiterInnen verlieren ihre Ranglistenpunkte für diese Bewerbe.

Unregelmäßigkeiten entdeckte die FEI auch bei drei Turnieren im Herbst 2019 in Damaskus – diese haben aber, so die FEI, keine unmittelbaren Auswirkungen auf das ,Olympic Ranking' und die Startplätze für Tokyo 2020. Nach drei positiven Dopingproben verlieren hingegen Reiter aus Qatar und Kanada ihre Quotenplätze – stattdessen erhalten Syrien und Jordanien einen Quotenplatz für einen Einzelreiter.

Ins Rollen gebracht haben den Fall um die manipulierten Prüfungen Beschwerden von einigen Reiterinnen und Reiter sowie Verbänden, denen die seltsamen Vorgänge offenbar aufgefallen bzw. negativ von ihnen betroffen waren – worauf sich die FEI offiziell mit der Causa beschäftigen musste und ein Verfahren eröffnete. Die nunmehrige Entscheidung sei begrüßenswert und ein „gutes Zeichen“, so FN-Generalsekretär Sönke Lauterbach – doch es ist zu hoffen, dass die Untersuchungen des Weltverbands damit noch nicht abgeschlossen sind, denn es sind viele Fragen offen: Welche Reiterinnen und Reiter wussten von diesen manipulierten Prüfungen? Waren Trainer involviert? Wer war von Seiten des Veranstalters in diese Manipulationen eingebunden – und welche Rolle spielt der französische Pferdesportverband, der immerhin nichts dabeifand, die nachträglich veränderten Zeitpläne an die FEI zur Genehmigung weiterzugeben – obwohl er eigentlich wissen musste, dass dies gegen das Reglement verstieß? Mit einem Wort: Es müssen die ,Architekten’ und ,Hintermänner’ dieses besonders perfiden Betrugs zur Rechenschaft gezogen werden.

Der Bedarf nach Aufklärung und Aufarbeitung ist jedenfalls groß – was hoffentlich auch die FEI so sieht. Man hat einige kriminelle Energie aufgewendet, um bestimmten ReiterInnen einen sportlichen Vorteil zu verschaffen – und dem muss die FEI energisch entgegegentreten. Startplätze bei Olympischen Spielen sind zweifellos begehrt und für jeden Reiter und Pferdebesitzer enorm wertvoll – möglicherweise so sehr, dass man auch vor üblen Manipulationen nicht zurückschreckt. Die FEI ist einmal mehr gefordert, denn hier geht es um die zentralen Werte des Sports, die man mit Füßen getreten  hat: nämlich Fairplay und Chancengleichheit.  Die lakonische Mitteilung vom 17. Februar war hoffentlich noch nicht das letzte Wort dazu, meint
Ihr

Leo Pingitzer

PS: Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

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